Gründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist die sofortige Vollziehung des Ruhens der Zulassung der Beigeladenen zu 1.
Die Beigeladene zu 1 ist seit dem 8. März 2000 als Psychologische Psychotherapeutin zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt
bei M. zugelassen. Mit Bescheid der Beschwerdeführerin vom 17. Juni 2002 erhielt sie die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung
von Verhaltenstherapie als Einzelbehandlung bei Kindern und Jugendlichen.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2009 ordnete der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung der Beigeladenen zu 1 vom 7. Oktober
2009 bis 30. September 2011 an und begründete diese Entscheidung mit einem psychiatrischen Gutachten vom 9. September 2009
von Prof. Dr. N. und Dr. R. S. vom Klinikum der Universität M., Klinikum Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie - Innenstadt,
erstellt im Auftrag der Regierung von Oberbayern, wonach die Beigeladene zu 1 aufgrund ihres Gesundheitszustandes derzeit
nicht zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in der Lage sei. Weiter heißt es in dem Beschluss, es sei nicht auszuschließen,
dass die Beigeladene zu 1 nach Durchführung der im psychiatrischen Gutachten für erforderlich erachteten Therapie und entsprechender
Behandlungsbereitschaft ihre Fähigkeit und Eignung zur Ausübung des Berufs der Psychologischen Psychotherapeutin innerhalb
einer angemessenen Frist von zwei Jahren wieder erlange.
Gegen diesen Beschluss hat die Beigeladene zu 1 Widerspruch eingelegt und zur Begründung einen umfangreichen Schriftsatz vorgelegt,
in dem sie sich kritisch mit dem genannten Gutachten auseinandersetzt.
Die Beschwerdeführerin hat am 12. Oktober 2009 beim Sozialgericht München die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens
der Zulassung beantragt. Diesen Antrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 27. November 2009 abgelehnt und zur Begründung
ausgeführt, es bestünden keine Anhaltspunkte, an der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Zulassungsausschusses zu zweifeln, zumal
das Gutachten vom 9. September 2009 über den psychischen Zustand der Beigeladenen zu 1 keine andere Entscheidung des Zulassungsausschusses
hätte zur Folge haben können. Damit liege ein Anordnungsanspruch vor. Es fehle aber am Anordnungsgrund, weil die beantragte
einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nicht notwendig sei. Vielmehr sei der Antragstellerin ein Abwarten
bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten, zumal der Beschwerdegegner mitgeteilt habe, über den Widerspruch Ende Januar
2010 entscheiden zu wollen. Das Ruhen der Zulassung bedeute einen weiten Eingriff in das Leben der Beigeladenen zu 1. Der
psychische Zustand sei den Beteiligten bereits seit fast einem Jahr bekannt. Patientenbeschwerden oder konkrete Patientengefährdungen
hätten bis auf einen Vorfall am 31. März 2009 nicht vorgelegen. Diese Patientenbeschwerde führe zu keiner anderen Beurteilung
der Eilbedürftigkeit, da die Therapie abgebrochen worden sei. Außerdem heiße es in dem Gutachten, dass der Realitätsbezug
der Beigeladenen zu 1 ebenso wie ihre Urteils- und Kritikfähigkeit zwar reduziert erschienen, aber nicht ersichtlich sei,
dass die Beigeladene zu 1 ihre Klienten in ihre unrealistischen Fehldeutungen mit einbeziehe.
Zudem müsse auch die Entscheidung des Gesetzgebers berücksichtigt werden, die es dem Zulassungsausschuss nicht gestatte, den
Sofortvollzug seiner Entscheidungen anzuordnen. Dies sei vielmehr dem Berufungsausschuss vorbehalten. Das bedeute zwar nicht,
dass es in besonders begründeten Einzelfällen dem Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes verwehrt sei, den Sofortvollzug
anzuordnen. Die Anordnung müsse aber auf besonders gelagerte Einzelfälle beschränkt sein. Ein solcher liege hier nicht vor.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat gegen den ihr am 3. Dezember 2009 zugestellten Beschluss am 14. Dezember 2009
Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts fehle es nicht an einem Anordnungsgrund.
Dieser ergebe sich daraus, dass bei einer weiteren Teilnahme der Beigeladenen zu 1 an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung
angesichts der gutachterlich festgestellten beruflichen Nichteignung konkrete Patientengefährdungen zu befürchten seien. Da
die Beigeladene zu 1 aktuell 30 bis 40 Patienten pro Quartal therapiere, berge jede weitere Teilnahme das Risiko der Verletzung
der Rechtsgüter der Patienten. Das betreffe sowohl die bisherigen bei der Beigeladenen zu 1 in Therapie befindlichen Patienten,
aber auch solche, die diese noch aufsuchen würden. Der Gesundheitszustand der Beigeladenen zu 1, insbesondere die aufgrund
des festgestellten Verlustes des Realitätsbezuges nicht mehr gegebene Fähigkeit, die eigene Situation richtig einzuschätzen,
ließen befürchten, dass ihr im Rahmen ihrer Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung Fehlbehandlungen zum
Nachteil ihrer Patienten unterliefen. In diesem Zusammenhang sei unbedingt zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1 auch
die Abrechnungsgenehmigung für Kinder und Jugendliche besitze. Diese seien in besonderer Weise schutzbedürftig, weil sie nicht
in der Lage seien, die aus einer fehlerhaften psychotherapeutischen Behandlung resultierende Gefahrenlage zu erkennen. Eine
solche könnte sich auf die weitere Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen in prägender Weise auswirken. Es liege daher ein
besonders begründeter Einzelfall vor, der es erlaube, auch bereits den Sofortvollzug der Entscheidung des Zulassungsausschusses
anzuordnen. Das Individualinteresse der Beigeladenen zu 1, weiterhin an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilzunehmen,
müsse hinter dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung jeglicher Patientengefährdung zurücktreten.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 27. November 2009 die sofortige Vollziehung des Ruhens der
Zulassung der Beigeladenen zu 1 anzuordnen.
Die Beigeladene zu 2 hat sich diesem Antrag angeschlossen.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert, um dem bei ihm anhängigen Verfahren nicht
vorzugreifen.
Die Beigeladene zu 1 hat sich ebenfalls nicht geäußert.
Parallel zu diesem Verfahren hat die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 6. November 2009 das Ruhen der Approbation
der Beigeladenen zu 1 auf zwei Jahre angeordnet. Dagegen hat diese Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Die Klagebegründung
wurde dem Senat über das Sozialgericht München zur Kenntnis gebracht.
II. Die nach den §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig und begründet.
Der Zulassungsausschuss hat mit Bescheid vom 12. Oktober 2009 das Ruhen der Zulassung der Beigeladenen zu 1 wegen Krankheit
bis zum 30. September 2011 angeordnet. Die Beigeladene zu 1 hat dagegen den Berufungsausschuss angerufen. Nach §
96 Abs.
4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) hat diese Anrufung aufschiebende Wirkung. Eine Anordnung des Sofortvollzugs durch den Zulassungsausschuss ist im Gesetz
nicht vorgesehen. Nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung
haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen.
Voraussetzung für den Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung ist, dass das betroffene Recht bzw. die Rechtmäßigkeit
der hier im Streit stehenden Ruhensanordnung zumindest glaubhaft gemacht ist (Anordnungsanspruch), und dass die Regelung so
eilbedürftig ist, dass bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare, auf andere Weise nicht abwendbare
Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage ist (Anordnungsgrund).
Dabei gilt, je offensichtlicher das Bestehen des Anordnungsanspruches ist, umso geringer sind die Anforderungen an die Eilbedürftigkeit
(Anordnungsgrund). Umgekehrt gilt, dass an den Anordnungsanspruch umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je größer der
Eingriffscharakter der einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Vorwegnahme der Hauptsachentscheidung ist. Es ist deshalb
eine Abwägung zu treffen zwischen den Nachteilen der Beigeladenen zu 1, die dadurch entstehen, dass der Sofortvollzug angeordnet
wird einerseits und den Gefahren für die Gesundheit der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits, falls
die Beigeladene zu 1 infolge der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs weiterhin vertragspsychotherapeutisch tätig sein
kann, wobei die Evidenz des Anordnungsanspruches, also die Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung mit zu
berücksichtigen ist.
Im vorliegenden Fall kommt der Senat, ebenso wie auch das Sozialgericht, zu dem Ergebnis, dass angesichts der derzeitigen
Gutachtenslage sehr viel mehr für die Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung spricht als dagegen. Denn das Gutachten von Prof.
Dr. N./Dr. S. vom 9. September 2009 kommt zu dem Ergebnis, dass es aus psychiatrischer Sicht dringend erforderlich sei, dass
sich die Beigeladene zu 1 einer regelmäßigen nervenärztlichen Behandlung unterzieht und nach Maßgabe des behandelnden Arztes
gegebenenfalls auch Psychopharmaka einnimmt. Weiter heißt es, zur Ausübung des Berufs als Psychologische Psychotherapeutin
vor dem Hintergrund des zwingend sicherzustellenden Patientenschutzes sei die Beigeladene zu 1 derzeit aus psychiatrischer
Sicht nicht fähig und geeignet. Inwieweit sich durch die Ausführungen der Beigeladenen zu 1 im Zuge des Widerspruchsverfahrens
Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens einstellen mögen, und ob eventuell weitere Ermittlungen des Beschwerdegegners in
dieser Richtung notwendig sind, kann wegen der Eilbedürftigkeit im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend
geprüft werden. Nach dem derzeitigen Stand spricht jedenfalls sehr viel mehr dafür, dass die Beigeladene zu 1 aus gesundheitlichen
Gründen zur Ausübung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit derzeit nicht in der Lage ist. Dass der Zulassungsausschuss
nicht die Zulassung entzogen hat, sondern lediglich ein zeitlich befristetes Ruhen gemäß §
95 Abs.
5 SGB V angeordnet hat, trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Anordnung des Sofortvollzuges des Ruhens für geboten. Zwar stellt dies einen schwerwiegenden
Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit des Berufes der Beigeladenen zu 1 dar (Art.
12 Grundgesetz). Dem steht aber andererseits das überragende Rechtsgut der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Versicherten gegenüber.
Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene zu 1 nach den von der Beschwerdeführerin mitgeteilten Zahlen in nennenswertem Umfang
auch Kinder und Jugendliche behandelt. Hier sieht der Senat ein erhöhtes Gefährdungspotenzial. Er hält es deshalb auch nicht
für hinnehmbar, mit seiner Entscheidung über den Sofortvollzug bis zur Entscheidung des Beschwerdegegners (voraussichtlich
9. Februar 2010) zuzuwarten. Andererseits gab es für das Gericht auch keine Notwendigkeit, den Sofortvollzug für längere Zeit
als bis zur Entscheidung des Berufungsausschusses auszusetzen, denn dieser kann seinerseits gemäß §
97 Abs.
4 SGB V, wenn er dies für geboten erachtet, die sofortige Vollziehung des Ruhens der Zulassung anzuordnen, falls er den Widerspruch
der Beigeladenen zu 1 zurückweist.