Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld, insbesondere die Höhe des fiktiv zu bemessenden Entgelts zur
Berechnung des Arbeitslosengeldes streitig.
Die 1952 geborene Klägerin war seit dem 01.05.1998 als kaufmännische Mitarbeiterin in verschiedenen Naturkostläden tätig,
zuletzt seit dem 02.01.2002 bis 31.12.2003 als Filialbetreuerin in der V. Reformhaus GmbH. In der Zeit vom 04.11.2002 bis
22.03.2004 bezog sie Krankengeld. Der Arbeitgeber bescheinigte der Klägerin für die zuletzt abgerechneten Lohnzeiträume vom
01.01. bis 03.11.2002 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 31.177,80 Euro. Mit Bewilligungsbescheid vom 01.04.2004
wurde der Klägerin auf ihren Antrag hin Arbeitslosengeld ab dem 23.03.2004 in Höhe von wöchentlich 273,70 Euro, ausgehend
von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 725,00 Euro in der Leistungsgruppe A, bewilligt (entspricht täglich 39,10 Euro).
Als Bemessungsrahmen wurde die Zeit vom 25.03.2003 bis 22.03.2004 sowie als Entgeltleistung das für diese Zeit ausgezahlte
Krankengeld von insgesamt 37.688,04 Euro, d. h. wöchentlich 724,77 Euro zugrunde gelegt.
Mit Rentenbescheid vom 04.08.2004 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin rückwirkend
ab 01.12.2003 bis 30.09.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 885,82 Euro monatlich. Die Beklagte machte hinsichtlich
des gezahlten Arbeitslosengeldes einen Erstattungsanspruch gegenüber der BfA geltend.
Am 01.08.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 01.10.2005. Daraufhin bewilligte
die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2005 Arbeitslosengeld ab dem 01.10.2005 in Höhe von 28,36 Euro kalendertäglich. Als Berechnungsgrundlage
gab sie ein tägliches Bemessungsentgelt von 64,40 Euro an, aus dem sich bei Zugrundelegung von Steuerklasse I und der Lohnsteuertabelle
2005 ein kalendertägliches Leistungsentgelt von 42,33 Euro und demnach bei einem Prozentsatz von 67 ein täglicher Leistungssatz
von 28,36 Euro ergäbe. In dem dagegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, dass die Leistungsauszahlung erheblich
von dem Bescheid von 2004 abweiche, obwohl das Geld vom letzten Verdienst berechnet wurde und sich bei ihr nichts geändert
habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Da die Klägerin am 01.10.2005
einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erhoben habe, sei die Höhe der Leistung neu zu bestimmen. Da der Bemessungszeitraum
von zwei Jahren nicht mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthielte, sei gemäß §
132 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Für die Festsetzung sei der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen,
die der beruflichen Qualifikation entspräche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die
Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Dies sei bei der Klägerin wegen ihrer abgeschlossenen
Berufsausbildung die Qualifikationsgruppe 3. Der Bemessungszeitraum erfasse die Entgeltzeiträume vom 01.10.2004 bis 30.09.2005.
In dieser Zeit habe die Klägerin zwar wegen des Bezugs von EU-Rente in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, allerdings
kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt. Auch in den letzten zwei Jahren vor Antragstellung (01.10.2003 bis 30.09.2005)
habe sie kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt.
Die dagegen am 11.12.2005 zum Sozialgericht München (SG) eingelegte Klage ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Klägerin zu Unrecht in die Qualifikationsgruppe 3
eingestuft worden sei, da diese Einstufung nicht der Vorbildung und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin entspräche. Die
Klägerin sei, wie auch die Arbeitszeugnisse belegten, verantwortliche Mitarbeiterin zuletzt in zwei Unternehmen gewesen. Außerdem
habe sie sich einer Reihe von Fortbildungsmaßnahmen unterzogen, die für eine erfolgreiche und qualifizierte Ausübung ihrer
Tätigkeit erforderlich seien. Gerechtfertigt sei daher eine Einstufung in Qualifikationsgruppe 2, die den Fachschulabschluss
oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordere. §
132 SGB III müsse in verfassungskonformer Weise so ausgelegt werden, dass die in der Vergangenheit erworbenen Anwartschaften der Kläger
berücksichtigt würden. Zur Begründung sind Arbeitszeugnisse ehemaliger Arbeitgeber der Klägerin sowie ein Prüfungszeugnis
vom 14.10.1992 über "Sachkunde im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln", eine Urkunde vom 12.06.1997 über die
"Teilnahme an einem Weiterbildungsseminar im Hause Dr. h.c. A. V. bezüglich fundierten Wissens über A. V.-Produkte" und ein
Abschluss-Diplom vom Dezember 1998 zur "ärztlich geprüften Gesundheits-, Ernährungs- und Lebensberaterin" des Instituts für
Gesundheits- und Ernährungsbildung vorgelegt worden. Eine Bescheinigung eines Reformhauses hat die Klägerin nachgereicht,
nach der sie dort seit März 2005 wöchentlich vier Stunden als Ernährungsberaterin tätig gewesen sei und in dieser Zeit das
Warensortiment bereinigt, eine Dauertiefpreisaktion eingeführt sowie medizinische Abendvorträge organisiert habe.
Die Beklage hat in ihrer Klageerwiderung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Klägerin habe aufgrund
ihrer Ausbildung zur "Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk - Fleischerei -" keinesfalls in eine Tätigkeit vermittelt werden
können, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss
in einer vergleichbaren Einrichtung (Qualifikationsgruppe 2) erfordert hätte. Die von der Klägerin absolvierten Fortbildungen
hätten nur drei Tage (Sachkunde im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln), zwei Tage (Weiterbildungsseminar Dr.
V.) und viermal eine Woche (Diplom zur Gesundheitsberaterin) betragen. Fachschulen seien aber Schulen "zur beruflichen Weiterbildung,
die auf der Grundlage einer beruflichen Erstausbildung und einer anschließenden Berufstätigkeit in ein- bis dreijährigen Bildungsgängen
zu einer weitergehenden Qualifikation im Beruf" führten. Die Klägerin selbst habe in einem Beratungsgespräch angegeben, in
ihrem erlernten Beruf als Fachverkäuferin seit Jahren nicht mehr tätig gewesen zu sein und die Tätigkeit als Ernährungsberaterin
in Selbständigkeit, aber ohne Ausbildung, ausgeübt zu haben.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.08.2008 hat das SG die Klage zurückgewiesen. Die von der Beklagten vorgenommene Zuordnung in die Qualifikationsgruppe 3 sei nicht zu beanstanden.
Mit den von der Klägerin vorgelegten Qualifikationen habe die Beklagte diese keinesfalls in eine Tätigkeit vermitteln können,
die einen Fachschulabschluss oder Vergleichbares erfordert hätten.
Die dagegen mit Schreiben vom 12.09.2008 eingelegte Berufung ist im Wesentlichen mit den bereits vorgebrachten Argumenten
begründet worden. Zudem ist ausgeführt worden, die Beklagte verstoße durch die durch §
132 SGB III n. F. vorgenommene Entwertung früherer Anwartschaftspositionen gegen Art.
14 und
20 Grundgesetz -
GG-. Der massive Eingriff in bereits erworbene Anwartschaftspositionen hätte durch eine großzügige und langfristige Übergangsregelung
"abgefedert" werden müssen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16.08.2008 aufzuheben und 2. unter
Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 27.09.2005 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 sowie
unter Abänderung aller gemäß §
96 SGG streitgegenständlich gewordenen Bescheide die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin das begehrte höhere Arbeitslosengeld,
beginnend zum 01.10.2005, zu bewilligen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid
sowie die Darlegungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die gerichtlichen Akten beider
Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige und gemäß §
151 Abs.
2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München
vom 16. August 2008, mit dem die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.11.2005 abgewiesen wurde, ist nicht zu beanstanden.
Gegenstand des Verfahrens im Sinne von §
96 Abs.
1 SGG bzw. §
96 Abs.
1 SGG analog sind auch der Bewilligungsbescheid über Überbrückungsgeld vom 28.07.2006, soweit es die Höhe des Überbrückungsgeldes
betrifft, wie auch der Bescheid über die Weiterbewilligung des Arbeitslosengeldes ab 17.03.2008. Die Höhe der Leistung steht
in beiden Bescheiden in untrennbarem Zusammenhang mit dem im Bescheid vom 27.09.2005 umstrittenen Berechnungsansatzes hinsichtlich
des Bemessungsentgelt.
Die Beklagte hatte ihre Vermittlungsbemühungen für die Klägerin zu Recht vorwiegend auf eine Tätigkeit zu konzentrieren, für
die ein Abschluss in einem Ausbildungsberuf erforderlich war. Die daraus abgeleitete Bemessung des Arbeitslosengeldes nach
der in §
132 Abs.
2 SGB III genannten Qualifikationsstufe 3 und damit die Höhe des bewilligten Arbeitslosengeldes ist nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat ab dem 01.10.2005 einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, insbesondere hat sie die Anwartschaftszeiten
erfüllt, §
118 Abs.
1 SGB III. Sie hat gemäß §
124 Abs.
1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung nach der Übergangsregelung des §
434 j Abs.
3 SGB III in der Rahmenfrist von drei Jahren, nämlich vom 01.12.2003 bis 30.09.2005 mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis
gestanden, §
123 Abs.
1 SGB III, denn sie war als Bezieherin einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. Bescheid der BfA vom 04.08.2004) versicherungspflichtig,
§
26 Abs.
2 Nr.
3 SGB III.
Das Arbeitslosengeld beträgt - unter Berücksichtigung des Sohnes der Klägerin - 67 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt),
das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt, §
129 Nr. 1
SGB III). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten
Entgeltabrechnungsräume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen, §
130 Abs.
1 Satz 1
SGB III (in der Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848), in Kraft getreten ab 01.01.2005). Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses
vor dem Entstehen des Anspruchs auf §
130 Abs.
1 Satz 2
SGB III. Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum - wie im vorliegenden Fall - weniger als
150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, §
130 Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 SGB III. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten
Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, § 132
Abs. 1 SGB II.
Im vorliegenden Fall beginnt der Bemessungsrahmen - mit der Arbeitlosmeldung der Klägerin zum 01.10.2005 - am 30.09.2005 und
endet - rückwärts gerechnet - am 30.09.2003 (Dienstag), § 26 Abs. 1 SGB X, §§
187,
188 BGB. Innerhalb dieses Bemessungsrahmens hat die Klägerin kein Arbeitsentgelt erzielt, denn die letzte Abrechnung ihres ehemaligen
Arbeitgebers bezog sich auf November 2002.
Die Klägerin unterfällt nicht der Übergangsregelung des § 434j Abs.
3 SGB III iVm §
133 Abs.1
SGB III in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung (bzw. §
132 Abs.
4 SGB III in der jetzt geltenden Fassung). Arbeitslose, die ihre Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Beschäftigung beenden, in
der sie ein geringeres Entgelt erzielen, als es der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde lag, sollen vor Nachteilen bei
erneutem Beschäftigungsverlust geschützt werden; damit sollen Hemmnisse, die einer Rückkehr in das Erwerbsleben entgegenstehen
könnten, beseitigt werden (Bt-Drs. 13/4941, S. 178). Voraussetzung für das Eingreifen dieser Besitzstandsklausel ist jedoch
der tatsächliche, rechtmäßige Leistungsbezug im Bemessungszeitraum. Die Klägerin hat zwar nach dem 01.12.2003 Arbeitslosengeld
bezogen und zwar ab 23.03.2004 mit Bescheid vom 01.04.2004. Diese Leistungsbewilligung ist jedoch gemäß § 48 SGB X iVm §
330 Abs.
3 SGB III aufgehoben worden, nachdem der Klägerin für den gleichen Zeitraum Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt wurde. Diese Erkenntnis
ergibt sich anlässlich der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegen die BfA am 30.08.2004. Grund hierfür war der Rentenbescheid
der BfA vom 06.04.2004 mit der Feststellung einer teilweisen Erwerbsminderung (sechsstündiges Leistungsvermögen) und eines
entsprechenden Versicherungsfalles ab 01.12.2003. Ist aber die Leistungsbewilligung für Alg mit Wirkung für die Vergangenheit
aufgehoben oder zurückgenommen worden, liegt ein rechtmäßiger Leistungsbezug nicht vor (vgl. Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch
des Arbeitsförderungsrechts, Rdz. 128 zu § 11 Höhe des Arbeitslosengeldes, Stand 2003, Eicher/Schlegel, Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar, Stand September 05, Rn 17. § 133).
Im Übrigen ist §
132 SGB III ein Sonderfall des Bemessungsrechts, der §
133 Abs.
1 SGB III (bzw. §
131 Absatz
4 in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003) verdrängt. Eine Orientierung am Entgeltausfallprinzip ist - wie auch der vorliegende
Fall einer letzten Entgeltzahlung im November 2002 zeigt - in Fällen der fiktiven Bemessung nach §
131 Absatz
4 n.F.
SGB III nicht möglich (vgl. dazu auch Eicher/Schlegel aaO. Rn 17. §
133). In der vorliegenden Fallgestaltung ist keine Zwischenbeschäftigung aufgenommen worden, die zu einer Verminderung eines
früher erworbenen Bemessungsentgelts hätte führen können. Das bedeutet, dass das mit dem Zweck von §
133 Abs.
1 (bzw. §
131 Abs.
4 nF)
SGB III verfolgte Ziel nicht erreicht werden kann. Denn schon das mit Bescheid vom 01.04.2004 festgestellte Bemessungsentgelt beruhte
ausschließlich auf Entgeltersatzleistungen (Krankengeld vom 04.11.2002 bis 22.03.2004).
Daher hat die Beklagte zu Recht eine fiktive Bemessung nach §
132 SGB III vorgenommen.
Die Beklagte hat die Klägerin auch zu Recht in die Qualifikationsgruppe 3 eingestuft. Nach §
132 Abs.
2 SGB III ist für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen
Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen
für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist nach §
132 Abs.
2 Satz 2
SGB III zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die
1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1/300 der
Bezugsgröße, 2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss
in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1/360 der Bezugsgröße,
3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe
von 1/450 der Bezugsgröße, 4. keine Ausbildung erfordert (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1/600 der
Bezugsgröße.
Das Arbeitsentgelt, das der Bemessung zugrunde zu legen ist, richtet sich nicht in erster Linie nach dem Beruf, den der Arbeitslose
bisher ausgeübt hat (vgl. Brandt in Niesel, Kommentar zum
SGB III, Rdz. 5 zu §
132). Ausschlaggebend ist vielmehr die Beschäftigung, auf die die Beklagte die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen zu
erstrecken hat. Welche Beschäftigung der Arbeitslose anstreben kann, hängt wiederum von seiner beruflichen Qualifikation ab,
so dass die berufliche Qualifikation letztendlich das einzig ausschlaggebende Kriterium für die Eingruppierung ist (vgl. Rolfs
in Gagel, Kommentar zum
SGB III, Stand: Oktober 2008, Rdz. 7 zu §
132). Als Beschäftigung i. S. v. §
132 Abs.
2 Satz 1
SGB III ist die in nennenswertem Umfang vorhandene, nach Lebensalter, Eignung, Neigung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden
realistisch maßgebende Beschäftigung zu verstehen, auf die die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu richten sind. Bei
uneingeschränkter Ausgleichsfähigkeit sind alle Beschäftigungen berücksichtigungsfähig, die der Arbeitslose als nicht Ortsgebundener
auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland ausüben kann (vgl. Brandt in Niesel, Kommentar zum
SGB III, Rdz. 6 zu §
132). Danach ist die von der Beklagten vorgenommene Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 3 nicht zu beanstanden, denn die
Klägerin hat aufgrund ihres Ausbildungsstandes als Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk keine realistische Möglichkeit,
in eine Tätigkeit vermittelt zu werden, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation
als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordert. Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene
Berufsbildung zur "Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk - Fleischerei -". Darüber hinaus konnte sie ein Prüfungszeugnis
der IHK über Sachkunde im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln (Dauer 3 Tage, 1992) die Teilnahme an einem Weiterbildungsseminar
im Haus Dr. K. h.c. V. über "A. V.-Produkte" (Dauer 2,5 Tage, 1997) und ein Diplom zur "ärztlich geprüften Gesundheits-, Ernährungs-
und Lebensberaterin (Dauer 4 mal eine Woche, 1998) vorweisen. Diese Aus- und Weiterbildungen erwarb die Klägerin vor ihren
durch Arbeitszeugnisse belegten Berufstätigkeiten. Die Qualifikationen sind bereits aufgrund ihrer Dauer in keinem Fall mit
einem Fachschulabschluss oder einer Qualifikation als Meister vergleichbar, die in mindestens ein- bis dreijährigen Bildungsgängen
zu einer weitergehenden Qualifikation im Beruf führen.
Es ist zwar auch durch die Neuregelung des §
132 SGB III nicht ausgeschlossen, dass nicht nur auf den formalen Ausbildungsabschluss abzustellen ist, sondern auch die sonstigen beruflichen
Qualifikationen wie z. B. die Berufserfahrung, zu berücksichtigen sind. Aber auch die - nach Durchführung der Weiterbildungen
- in den Arbeitszeugnissen der Firma V. Reformhaus GmbH und Ö. Naturkost GmbH bescheinigten Tätigkeiten entsprechen nicht
denen der Qualifikationsgruppe 2. Bescheinigt werden der Klägerin darin die Einstellung als verantwortliche kaufmännische
Mitarbeiterin sowie verschiedenen Tätigkeiten in den Naturkostabteilungen wie z. B. Preisgestaltung und Verkaufsförderung.
Besondere Qualifikationen, die einen Einsatz in mit Qualifikationsgruppe 2 vergleichbaren Tätigkeiten aufzeigen, lassen die
Arbeitszeugnisse nicht erkennen.
Zudem wird eine Wiedereingliederung in das Berufsleben realistischerweise nur dann möglich sein, wenn der Arbeitslose nicht
nur über die praktischen Erfahrungen verfügt, die seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit erfordert haben, sondern er auch die formalen
Voraussetzungen für den Zugang zur angestrebten Tätigkeit erfüllt (vgl. so auch BayLSG, Urteil vom 27.05.2009, L 10 AL 378/07, zitiert nach Juris). Hier ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin bei dem von ihr angestrebten Anstellungsniveau
- auf der Ebene eines Fachschulabsolventen - in der Regel schriftlich bewerben muss und in dieser Bewerbung Nachweise über
ihre berufliche Qualifikation unumgänglich sein werden, soweit die Vermittlung dieser Tätigkeit über die Beklagte erfolgen
soll. Spätestens hier ist davon auszugehen, dass die Bemühungen der Klägerin ein Ende finden, weil es - unabhängig von den
in den Zeugnissen bescheinigten persönlichen Qualitäten - an den formalen Voraussetzungen scheitern würde. Die Beklagte hatte
diese Überlegungen bei der Frage zu berücksichtigen, auf welche Bereiche sie die Vermittlungsbemühungen für die Klägerin erstreckt.
In der Folge ist daher auch die Bemessung des Entgeltes nach der Qualifikationsgruppe 3 mit 64,40 Euro sowie der hieraus ermittelte
tägliche Leistungssatz von 28,36 Euro nicht zu beanstanden, denn dieser Betrag ergibt sich aus 1/450 der Bezugsgröße nach
§
18 Abs.
1 SGB IV im Jahr 2005 nach Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2005 in Höhe von 28.980,00 Euro.
§
132 SGB III n. F. begegnet entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in seinem Urteil vom 29.05.2008 (SozR 4-4300 § 132 Nr. 1 Rdz. 50 f.) hierzu
ausgeführt, dass die in der neuen Bemessungsmethode des §
132 Abs.
2 SGB III liegende Abkehr von der individuellen Ermittlung des erzielbaren tariflichen Arbeitsentgelts (§
133 Abs.
4 SGB III a. F.) zu einer deutlichen Verwaltungsvereinfachung führe. Darin liege insbesondere kein Verstoß gegen das Willkürverbot
des Art.
3 GG. Denn der Gesetzgeber sei bei der Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich berechtigt, in wesentlichen Elementen gleichgeartete
Sachverhalte durch typisierende Regelungen normativ zusammenzufassen, im Tatsächlichen bestehende Besonderheiten generalisierend
zu vernachlässigen sowie Begünstigungen oder Belastungen in einer gewissen Bandbreite nach oben und unten pauschalierend zu
bestimmen, jedenfalls wenn die damit verbundenen Härten nicht besonders schwer wögen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar
seien. Dabei dürfe der Gesetzgeber auch die Praktikabilität und Einfachheit des Rechts als hochrangige Ziele berücksichtigen,
um den Erfordernissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen.
Auch die Höhe der in §
132 Abs.
2 Satz 2
SGB III den einzelnen Qualifikationsgruppen jeweils zugeordneten Arbeitsentgelte sei nicht als unangemessen zu beanstanden. Insbesondere
sei nicht zu beanstanden, bei Personen, deren Berufsbiographie Lücken aufweise und die in den letzten zwei Jahren nur für
weniger als 150 Tage Arbeitsentgelt erzielt hätten, typisierend davon auszugehen, dass der aktuelle Marktwert der Arbeitsleistung
in der Regel durch die durchschnittlichen Entgelte aller in einer Beschäftigung stehenden Arbeitnehmer nicht mehr zutreffend
repräsentiert werde. Der durch den individuellen Versicherungsfall aktuell eintretenden Lohnausfall lasse sich ohnehin nicht
exakt bestimmen. Willkürlich wäre lediglich eine Schätzungsmethode ohne geeignete Anknüpfungspunkte.
Dieser Auffassung schließt sich der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 21.07.2009 (B 7 AL 23/08 R, zitiert nach Juris) ausdrücklich an. Er führt insbesondere zur Frage des Vertrauensschutzes aus, dass kein Verstoß gegen
Art.
3 GG vorliege, wenn ein Arbeitslosengeldbezieher nach §
132 SGB III n. F. anders behandelt wird als Personen, die aufgrund der Übergangsregelung des §
434 j Abs.
3 SGB III bei der Höhe des Bemessungsentgelts weiterhin Bestandsschutz nach der Altregelung genießen. Eine Regelung sei nur dann mit
dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders
behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung
rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 116, 229, 238). Die bezeichnete Regelung, nach der das frühere Bemessungsentgelt bestandsgeschützt sei, wenn der Arbeitslose innerhalb
der letzten drei Jahre (altes Recht) bzw. der letzten zwei Jahre (neues Recht) vor der Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs
bereits Arbeitslosengeld bezogen habe, solle einen Anreiz schaffen, eine Beschäftigung aufzunehmen, ohne Gefahr zu laufen,
im Falle einer erneuten Arbeitslosigkeit bei Erwerb eines neuen Anspruchs eine geringere Lohnersatzleistung zu erhalten. Anders
als die Klägerin hat dieser Personenkreis jedoch das auch in seiner Höhe durch Art.
14 GG geschützte Stammrecht erworben. Die Übergangsregelung des §
434 j Abs. 3
SGB III berücksichtigt somit sowohl die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Eingriffe in den (bestehenden) Anspruch auf Arbeitslosengeld
als auch die soziale Situation der Arbeitnehmer, die innerhalb der Übergangsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Neuregelung
arbeitslos wurden. Für sie gilt die bisher günstigere Bestandsschutzregelung zum Bemessungsrecht (drei statt zwei Jahre) weiter.
Demnach liegen schon keine gleichen Sachverhalte vor, die der Gesetzgeber unterschiedlich behandelt hat (BSG, Urteil vom 21.07.2009,
B 7 AL 23/08 R mit Verweis auf BT-Drucks. 15/1515 S. 112).
Auch ein Verstoß gegen Art. 14 liegt nicht vor, denn §
132 SGB III n. F. greift weder in bereits entstandene Ansprüche auf Arbeitslosengeld als eines Stammrechts noch in erworbene Anwartschaften
ein. Nach der Übergangsregelung des §
434 j Abs.
5 SGB III ist das Bemessungsentgelt eines vor dem 01.01.2005 entstandenen Anspruchs (grundsätzlich) nicht neu festzusetzen. Der Anspruch
der Klägerin war aber vor dem 01.01.2005 noch nicht entstanden, weil dieser nach §
117 SGB III neben der Anwartschaftszeit auch das Vorliegen von Arbeitslosigkeit sowie die Arbeitslosmeldung voraussetzt, woran es hier
vor dem 01.10.2005 fehlt.
Eine Anwartschaft hatte die Klägerin am 31.12.2004 bereits erworben, §
132 SGB III n. F. hat indes keinen Einfluss auf das Entstehen oder den Verlust der Anwartschaft. Die Regelung wirkt sich nur auf die
Höhe des Arbeitslosengeldes aus. Die den Arbeitslosengeldanspruch begründende Anwartschaft ist in diesem Punkt nicht statisch
gestaltet, sondern angesichts des für die Bemessung des Arbeitslosengeldes jeweils maßgebenden Referenzzeitraums (Bemessungszeitraums)
eine fließende Rechtsposition, die im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums den in §
129 ff.
SGB III formulierten Voraussetzungen unterliegt und erst durch die Entstehung des Stammrechts fixiert und hierdurch konkretisiert
wird (sog. fließende Anwartschaft, BSG, SozR 3-4100 § 249 c Nr. 3 S. 35 f.). Deshalb wird auch die Erwartung des Arbeitnehmers,
der Gesetzgeber werde die Höhe eines künftig entstehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach Maßgabe des bisherigen Rechts
weiter bestehen lassen, nicht durch Art.
14 GG geschützt (so BSG, Urteil vom 21.07.2009, aaO.).
Der Gesetzgeber war auch nicht gehindert, einen Systemwechsel bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes vorzunehmen. Das Arbeitslosengeld
soll als existenzsichernde Leistung dem Arbeitslosen angemessenen Ersatz für den Lohnausfall leisten. In Fällen, in denen
die Indizwirkung des zuletzt gezahlten Nettoentgeltes entfällt, da der Arbeitslose im Bemessungszeitraum kein (über einen
längeren Zeitraum gezahltes) entsprechendes Arbeitsentgelt erzielt hat, wird der zu erbringende Lohnersatz mit einer anderen
Methode zu bemessen sein. Die Klägerin hat vielmehr im November 2002 zuletzt Arbeitsentgelt erhalten, danach eine befristete
Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 885,82 Euro, die das Einkommensniveau der Klägerin zuletzt repräsentierte.
§
132 SGB III bezweckt nur, dass das Arbeitslosengeld seiner Entgeltersatzfunktion auch in Sonderfällen gerecht wird. Es ist nicht geboten,
bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten
Beiträgen und der Höhe der Leistung herzustellen (BVerfGE 51, 115, 124 f.).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine diesbezüglichen Gründe ersichtlich sind, §
160 Abs.
2 SGG.