Neuberechnung einer Erwerbsunfähigkeitsrente oder Erwerbsminderungsrente im Zugunstenverfahren
Fiktive Entrichtung höherer Pflichtbeiträge
Keine Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes bei Eingreifen der Regelungen des § 44 Absatz 4 SGB X
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) eine Neuberechnung der ihm zuerkannten Erwerbsunfähigkeits- bzw. Erwerbsminderungsrente (EM- Rente bzw. EU-Rente) bzw. Altersrente
für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung höherer versicherter Entgelte für die Zeiträume des Krankengeldbezuges
vom 16. Februar 1987 bis 10. März 1987 und vom 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989.
Der 1950 geborene, zunächst zum Kellner und später zum Betriebswirt ausgebildete Kläger erhielt – ausgehend von einem am 13.
September 1988 eingetretenen Leistungsfall – ab 1. Oktober 1988 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Dauer nach dem
früheren Recht des Angestelltenversicherungsgesetzes (<AVG>; Bescheid vom 10. August 1989), deren Beginn nach gerichtlichen
Vergleichsverhandlungen im Verfahren S 78 R 7406/08auf den 1. Mai 1989 verschoben wurde. Im Hinblick auf die Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit des Klägers gewährte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 4. Juli 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung
(EM) ab 1. Juni 2012 unter Wegfall der EU-Rente. Seit dem 1. September 2015 erhält der Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte
Menschen.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2015 stellte die Beklagte die EM-Rente neu fest. Mit Schreiben vom 16. Juli 2015 stellte der Kläger
bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung hinsichtlich der Pflichtbeitragszeiten vom 25. Oktober 1988 bis 13. August
1989 mit der Begründung, im Versicherungsverlauf für den im vorgenannten Zeitraum erfolgten Krankengeldbezug seien zu niedrige
Entgelte berücksichtigt worden; sie entsprächen nicht 70 % seines zuvor erzielten rentenversicherungspflichtigen Bruttoverdienstes.
Am 25. Oktober 2015 beantragte der Kläger ab 1. September 2015 Altersrente für schwerbehinderte Menschen und bat um eine Rentenauskunft
mit aktuellem Versicherungsverlauf bzw. um eine Proberentenberechnung. Für die Anrechnungszeiten vom 16. Februar 1987 bis
zum 10. März 1987 und vom 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989 seien von der Beigeladenen zu niedrige Krankengeldbeträge und
daher auch zu geringe Beiträge gemeldet worden.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 22. September und 3. Dezember 2015 mit, dass der Kläger
vom 16. Februar 1987 bis zum 10. März 1987 und vom 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989 Krankengeld bezogen habe. Die Unterlagen
bzgl. der Krankengeldzahlung im Zeitraum 16. Februar 1987 bis zum 10. März 1987 lägen aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfristen
nicht mehr vor. Im Zeitraum vom 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989 habe der Kläger Krankengeld in Höhe von täglich 83,99
DM bezogen. Weitere Unterlagen hierzu lägen ebenfalls nicht mehr vor. Es liege kein Anhaltspunkt dafür vor, die Richtigkeit
der gemeldeten Daten infrage zu stellen.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2017 und mit weiterem Bescheid vom
15. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2017 lehnte die Beklagte die Anträge des Klägers betreffend
die Zeiträume vom 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989 und vom 16. Februar 1987 bis 10. März 1987 ab. Zur Begründung führte
sie an: Eine Überprüfung habe ergeben, dass die Rente in zutreffender Höhe festgestellt worden sei. Sie bezog sich dabei auf
das Schreiben der Beigeladenen vom 3. Dezember 2015, wonach es bei den bisherigen Meldungen über die beitragspflichtigen Einnahmen
für die streitigen Zeiträume verbleibe.
Im nachfolgenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. April 2019 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Kläger habe gegen
die Beklagte im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X keinen Anspruch auf Feststellung höherer rentenversicherungspflichtiger Einnahmen für die Zeiten des Krankengeldbezuges vom
16. Februar 1987 bis 10. März 1987 und 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989. Seine Ausführungen zur Höhe der seiner Auffassung
nach durch die Beigeladene zugrunde zu legenden Krankengeldberechnung seien rein spekulativ und fänden keine Stütze in den
– soweit noch vorliegenden – Meldungen des Krankengeldbezuges durch die Beklagte, für deren Unrichtigkeit keine Anhaltspunkte
bestünden. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres,
in dem sie entstanden sind, verjährten und bereits vor diesem Hintergrund die Höhe des rentenversicherungspflichtigen Bruttoentgelts
aus dem Krankengeldbezug bis 13. August 1989 nicht mehr geeignet sei, Einfluss auf die Höhe der vom Kläger bezogenen Rente
zu nehmen.
Mit seiner Berufung vom 13. Mai 2019 (Montag) gegen den ihm am 12. April 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger
vorgetragen: Die Beigeladene habe das Krankengeld in den Zeiträumen vom 16. Februar 1987 bis 10. März 1987 und vom 25. Oktober
1988 bis 13. August 1989 zu niedrig festgesetzt und demzufolge einen zu niedrigen Krankengeld-Bruttobetrag gemeldet. Er habe
ausweislich seines Versicherungsverlaufs vom 11. September 2018 – bezogen auf die Ausfallzeiten vom 25. Oktober 1988 bis zum
13. September 1989 – einen durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 5.381,70 DM erzielt (48.435,27 DM :
9 Monate). Die Beitragsbemessungsgrenze habe im Jahr 1988 monatlich 4.500,- DM und im Jahr 1989 monatlich 4.575,- DM betragen.
Dieser Entgeltbetrag hätte der Krankengeldberechnung zugrunde gelegt werden müssen. Nach der für Ausfallzeiten bestehenden
gesetzlichen Regelung seien 70 v.H. des zuletzt für einen vollen Kalendermonat versicherten Arbeitsentgelts als beitragspflichtige
Einnahme in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend gewesen. Dies hätte im Zeitraum 25. Oktober 1988 bis zum 13. September
1989 zu Zahlungen in Höhe von 5.627,27 DM statt 7.035,- DM und 23.805,25 DM statt 18.729,77 DM führen müssen. Er könne daher
von der Beklagten, hilfsweise von der Beigeladenen, das Anerkenntnis verlangen, dass die Beiträge – jedenfalls fiktiv – wirksam
in richtiger Höhe für die streitigen Zeiträume gezahlt worden seien.
Der Kläger beantragt wörtlich,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 8. April 2019 die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene in ihrer Eigenschaft als
Beitragseinzugsstelle, zu verurteilen, für den Kläger folgende Beträge an den Rentenversicherungsträger zu melden und diese
wiederum durch den Rentenversicherungsträger in der Rentenberechnung zu berücksichtigen:
- 2.294,25 DM als beitragspflichtige Bezüge für 23 Krankengeldtage im Jahr 1987
- 7.035,00 DM als beitragspflichtige Einnahme für 67 Krankengeldbezugstage im Jahr 1988
- 23.805,25 DM als beitragspflichtige Einnahme für 223 Krankengeldtage im Jahr 1989.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, keine Auskünfte geben zu können, da sie nicht mehr über die Unterlagen zur Krankengeldzahlung verfüge; die
entsprechenden Aufbewahrungsfristen seien abgelaufen. Soweit der Kläger vortrage, einen durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienst
in Höhe von 5.381,70 DM erzielt zu haben, sei dies für die Krankengeldberechnung unerheblich, da zum damaligen Zeitpunkt Einmalzahlungen
wie z.B. das Weihnachtsgeld bei der Krankengeldberechnung nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Das Entgelt, das damals
zur Krankengeldberechnung heranzuziehen gewesen sei, könne dem Versicherungsverlauf vom 11. September 2018 nicht entnommen
werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren
vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Sie sind, soweit erforderlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen. Die Gerichtsakte (1 Band) und die Verwaltungsakte der Beklagten (26 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger erstinstanzlich erhobene zulässige Anfechtungs-, Verpflichtungs-
und Leistungsklage i.S.v. §
54 Absatz
1 und 4
SGG – sinngemäß gerichtet auf Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme der Bescheide vom 16. Januar 2017 und vom 15. März 2017
in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22. August 2017 und auf Neufeststellung der ihm gewährten EU- bzw. EM-Rente bzw.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen – ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht
in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Neufeststellung der ihm gewährten EU- bzw. EM-Rente bzw. Altersrente
für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung höherer versicherter Entgelte für die Zeiträume des Krankengeldbezuges
vom 16. Februar 1987 bis 10. März 1987 und vom 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989 zu.
Gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Liegen
diese Voraussetzungen vor, hat der Betroffene insoweit einen Anspruch gegen den Träger auf Rücknahme des Verwaltungsakts mit
Wirkung für die Vergangenheit. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Der Kläger hatte bei deren Erlass (zur Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt vgl. Schütze, in: Schütze,
9. Auflage 2020, Rn.10 zu § 44 SGB X) keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte bei der Feststellung der EU-
bzw. EM-Rente bzw. Altersrente für schwerbehinderte Menschen von einem Sachverhalt ausgegangen sein könnte, der sich (nachträglich)
als unrichtig erweist (§ 44 Absatz 1 Satz 1 Fall 2 SGB X). Die Beklagte hat auch das Recht nicht unrichtig angewandt (§ 44 Absatz 1 Satz 1 Fall 1 SGB X) und damit - gemessen am Gesetz - keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht. Eine Berücksichtigung höherer versicherter
Krankengeldzahlungen für die Zeiträume vom 16. Februar bis 10. März 1987 und vom 25. Oktober 1988 bis 13. August 1989 (und
daraus resultierend ein entsprechend höherer Teilwert der Rechte auf Rente) kommt nicht in Betracht, weil diese nicht nachgewiesen
sind.
Beitragszeiten sind gemäß §
55 Absatz
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (
SGB VI) Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind.
Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§
55 Absatz
1 Satz 2
SGB VI). Im Falle eines gesetzlich Krankenversicherten wie dem Kläger hat in den Zeiten vom 16. Februar bis 10. März 1987 und vom
25. Oktober 1988 bis 13. August 1989 über den Krankengeldbezug ein Versicherungspflichtverhältnis fortbestanden (vgl. § 112b
Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz <AVG>). Für die Berechnung der Beiträge waren – entsprechend der noch vorhandenen Mitteilung
der Beigeladenen für den zweiten streitigen Zeitraum – die Höhe der Leistung und der jeweils geltende Beitragssatz maßgebend
(§ 112b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 112a Satz 2 AVG). Nachweise darüber, dass die Beigeladene dem Kläger für die vorgenannten Zeiträume höheres Krankengeld hätte zahlen und
demzufolge höhere Pflichtbeiträge an die Beklagte hätte abführen müssen, liegen nicht vor und sind nach den durchgeführten
Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht mehr erreichbar. Es bestehen auch keine plausiblen Anhaltspunkte
dafür, dass die Beigeladene das Krankengeld unzutreffend zu niedrig berechnet hätte.
Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, ergeben sich aus den Meldungen des Krankengeldbezuges, soweit sie noch vorliegen, keine Anhaltspunkte
für eine Unrichtigkeit. Auch aus dem Vortrag des Klägers lassen sich keine Hinweise auf eine möglicherweise fehlerhafte Berechnung
des Krankengeldes durch die Beigeladene mit der Folge einer zu niedrigen Festsetzung ableiten. Soweit der Kläger unter Bezugnahme
auf den Versicherungsverlauf vom 11. September 2018 im Einzelnen begründet vorgetragen hat, im Jahr 1988 einen durchschnittlichen
monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 5.381,70 DM erzielt zu haben, woraus sich für den Zeitraum vom 25. Oktober 1988 bis
13. August 1989 eine höhere Krankengeldzahlung als erfolgt ergebe, trägt diese Rechnung schon aufgrund fehlerhafter Berechnungsgrundlagen
nicht: Weder ist im Ausgangspunkt zutreffend auf den durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienst abzustellen, noch betrug
das Krankengeld – wie der Kläger meint – 70 v.H. des wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts
und Arbeitseinkommens. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) war unter Geltung der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) bei der Berechnung des Krankengeldes auf das im letzten abgerechneten Kalendermonat vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielte
Arbeitsentgelt abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1991 – 1/3 RK 6/90 –, juris). Die Höhe des Krankengeldes ergab sich für die hier streitigen Zeiträume aus § 182 Absatz 4 und 5
RVO in der Fassung vom 22. Dezember 1983. Nach § 182 Absatz 4 Sätze 1 bis 3
RVO (in der seit dem 1. Januar 1983 gültig gewesenen Fassung des Artikel 2 Nr. 3 des Rentenanpassungsgesetzes 1982 <RAG 1982> vom 1. Dezember 1981, BGBl I S 1205) betrug das Krankengeld 80 v.H. des wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen
Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterlag (Regellohn), durfte aber das entgangene Nettoarbeitsentgelt
nicht übersteigen; der Regellohn wurde bei Arbeitnehmern wie dem Kläger gemäß § 182 Absatz 5 Satz 3
RVO berechnet. Danach galt für den Fall, dass das Entgelt nach Monaten bemessen war, als Regellohn der 30. Teil des in dem letzten
vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten
Entgelts (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 1. April 1993 – 1 RK 38/92 – juris, wonach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt entsprechend der gesetzlichen Regelung bei der Berechnung des Krankengeldes
nicht zu berücksichtigen war). Nach diesen Maßstäben war der Krankengeldberechnung für den Zeitraum vom 25. Oktober 1988 bis
13. August 1989 das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zuletzt erhaltene Entgelt des Kalendermonats September 1988 zugrunde
zu legen. Das ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 11. September 2018 einmalig gezahlte Entgelt i.H.v. 3.088,- DM war
für die Berechnung des Krankengeldanspruchs nicht mit zu berücksichtigen. Stattdessen war der für den Monat September gezahlte
Bezug zugrunde zu legen und durch 30 zu teilen. Das Krankengeld betrug 80 v.H. von diesem Betrag. Da der Versicherungsverlauf
indes keinen genauen Aufschluss über das im Monat September gezahlte Entgelt zulässt, sondern – neben dem einmalig gezahlten
Entgelt i.H.v. 3.088,- DM – Entgelte für die Zeiten vom 1. August 1988 bis 12. September 1988 und vom 13. September bis zum
30. September 1988 ausweist, deren Zusammensetzung und Entgeltbestandteile nicht mehr nachvollziehbar sind, scheidet eine
genaue Berechnung des Krankengeldanspruchs aus. Zudem dürfte auch davon auszugehen sein, dass die seinerzeitigen Bewilligungsentscheidungen
über Krankengeld in Bestandskraft erwachsen und daher für die Beteiligten und das Gericht bindend sind (vgl. §
77 SGG).
Soweit der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf höhere Krankengeldzahlungen und damit eine – fiktive – Entrichtung von
höheren Pflichtbeiträgen auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen möchte, ist bereits nicht ersichtlich, auf
welches Fehlverhalten der Behörde er sich in diesem Zusammenhang berufen möchte. Selbst wenn zugunsten des Klägers ein pflichtwidriges
Verwaltungshandeln der Beklagten bzw. der Beigeladenen unterstellt würde mit der Folge eines Nachteils zu Lasten des Klägers
(entgangene Rentenversicherungsbeiträge im Hinblick auf die zu niedrige Krankengeldzahlung), könnte dieser Nachteil nicht
durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden. Die Tragung von Beiträgen durch die Beklagte als Rentenversicherungsträger
ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. §§
168 ff.
SGB VI). Ohne eine tatsächliche Beitragszahlung kann die Beklagte dem Versicherungskonto des Klägers keine Pflichtbeiträge hinsichtlich
des behaupteten Krankengeldausfalls gutschreiben (ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 30. Januar 2014 - L 7 R 4417/11 – und vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 –, jeweils juris). Die erforderliche Handlung (tatsächliche Beitragszahlung), um einen eventuellen Nachteil bei dem Kläger
auszugleichen, liegt mithin außerhalb des Einfluss- und Zuständigkeitsbereichs der Beklagten. Schließlich widerspricht auch
die dem Kläger offenbar vorschwebende Gutschrift durch Speicherung fiktiver Beiträge der Struktur des Rentenrechts, die grundsätzlich
die Bezahlung der Beiträge als Voraussetzung für die Anerkennung als Beitragszeit verlangt. Der nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausdrücklich vom Gesetz vorgesehene Beitragseingang kann mithin nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
ersetzt werden.
Lediglich ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Dem Kläger wäre im Sinne seines Klagebegehrens auch nicht damit gedient,
seinen Überprüfungsantrag vom 16. Juli 2015 gegen die Beklagte zugleich als einen an die Beigeladene gerichteten Überprüfungsantrag
hinsichtlich der Krankengeldbewilligungen in den hier streitigen Zeiträumen auszulegen. Insoweit ist zu sehen, dass eine rückwirkende
Gewährung von höheren Krankengeldzahlungen und eine damit verbundene höhere Beitragsentrichtung an die Beklagte für den Zeitraum
1987 bis 1989 im Hinblick auf den erst im Juli 2015 gestellten Überprüfungsantrag nach der Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ausgeschlossen ist. Das BSG, dessen Rspr. der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat die Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X über ihren engen Wortlaut hinaus dahin ausgelegt, dass bereits die Rücknahme des belastenden Verwaltungsaktes bei Eingreifen
der "Verfallklausel" des § 44 Abs. 4 SGB X "schlechthin" ausgeschlossen ist (vgl. nur BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1; BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr. 1; bestätigt durch BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 R = SozR 4-1300 § 44 Nr. 29). Die Verwaltung hat dementsprechend schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen
für eine Zeit betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist liegen. Die zwingend anzuwendende
Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X steht folglich für länger zurückliegende Zeiten bereits dem Erlass eines Rücknahme- und Ersetzungsaktes entgegen. In diesem
Falle darf die Verwaltung einen den Anspruch nach § 44 SGB X vollziehenden Verwaltungsakt nicht erlassen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1 S. 3), denn bereits die Rücknahme steht unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch zu erbringen sind (so etwa BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - B 8 SO 4/12 R - juris). Die genannte Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist entsprechend auch auf Ansprüche anzuwenden, die sich aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergeben. Einem
etwaigen vom Kläger geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegenüber der Beigeladenen war daher nicht weiter
nachzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.