Arzneimittel - Wirkstoff - Darreichungsform - vergleichbare Darreichungsform - Preismoratorium - Abschlag - Generikum - pharmazeutischer
Unternehmer - Neueinführung
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als pharmazeutische Unternehmerin die Feststellung, das im April 2014 in den Verkehr gebrachte Arzneimittel
Ceftriaxon E 2g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung (Pharmazentralnummer [PZN] 10170660, Normpackungsgröße
N1, nachfolgend Ceftriaxon PL) unterfalle nicht dem Preismoratoriumsabschlag.
Die Klägerin brachte seit dem 1. August 2009 u.a. das Arzneimittel Cefotrix 5 x 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung,
5 Stück, PZN 02414148 (nachfolgend: Cefotrix P) in den Verkehr. Zum 1. April 2014 brachte sie ferner das Arzneimittel Ceftriaxon
PL (neben weiteren, hier nicht streitbefangenen Packungsgrößen desselben Arzneimittels) in den Verkehr. Der arzneilich wirksame
Wirkstoff Ceftriaxon ist beiden Arzneimitteln gemein. Es handelt sich bei diesem Wirkstoff um ein Breitspektrumantibiotikum
mit bakterizider Wirkung. Als Arzneimittel wird es bei einer Vielzahl bakterieller Infektionskrankheiten parental unter Umgehung
der enteralen Resorption angewandt. Es liegt in Form einer Trockensubstanz (Pulver) vor, das je nach Stärke (1,0 g und weniger
oder 2,0 g) entweder als Injektionslösung oder als Infusionslösung appliziert wird. Cefotrix P wird von der Klägerin ohne
beigefügtes Lösungsmittel angeboten, während Ceftriaxon PL neben dem Pulver eine beigepackte Durchstechflasche Lösungsmittel
(40 ml isotonische Natriumchloridlösung 9 mg/ml [0,9 %]) enthält.
Insgesamt brachte die Klägerin seit dem 1. April 2014 folgende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ceftriaxon auf den Markt:
Bereits zum 1. August 2009:
PZN
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Produktname
|
Menge
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DAR
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Applikation
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02413835
|
CEFOTRIX 0,5 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel
|
5 Stück
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TSS*
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Injektion
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02413864
|
CEFOTRIX 1,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel
|
5 Stück
|
TSS
|
Injektion
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03422807
|
CEFOTRIX 1,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel
|
10 Stück
|
TSS
|
Injektion
|
02414148
|
CEFOTRIX 2,0 g
Trockensubstanz ohne Lösungsmittel
(= Cefotrix P)
|
5 Stück
|
TSS
|
Infusion
|
07275846
|
CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel
|
7 Stück
|
TSS
|
Infusion
|
03422799
|
CEFOTRIX 2,0 g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel
|
10 Stück
|
TSS
|
Infusion
|
Zum 1. April 2014 zusätzlich:
PZN
|
Produktname
|
Menge
|
DAR
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Applikation
|
10219805
|
CEFTRIAXON E 1 g Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung
|
10 Stück
|
DFL*
|
Injektion
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10170660
|
CEFTRIAXON E Pulver und Lösungsmittel
zur Herstellung einer Infusionslösung
(= Ceftriaxon PL)
|
1 Stück
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TRS*
|
Infusion
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10170677
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CEFTRIAXON E 2 g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung
|
7 Stück
|
TRS
|
Infusion
|
10170683
|
CEFTRIAXON E 2 g Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung
|
10 Stück
|
TRS
|
Infusion
|
* TSS = Trockensubstanz ohne Lösungsmittel * DFL = Durchstechflasche * TRS = Trockensubstanz mit Lösungsmittel
Der Beklagte hatte zunächst, wie sie selbst eingeräumt hat, den Abschlag nach §
130a Abs.
3a SGB V für die neu eingefügten Präparate mit der PZN 10219805 (1g, 10 Stück) und 10170660 (2g, 1 Stück) fehlerhaft berechnet, weil
er die unterschiedlichen Applikationsformen – Injektion einerseits Infusion andererseits – übersehen hatte. Dies wurde zum
1. Januar 2015 korrigiert. Die Korrektur zur PZN 10219805 (1g, 10 Stück) war seither zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.
Die Abschläge betreffend die ebenfalls zum 1. April 2014 neu eingeführten Präparate mit der PZN 10170677 (2g, 7 Stück) und
10170683 (2g, 10 Stück) waren bereits im vorgerichtlichen Verfahren nicht streitig.
In Bezug auf Ceftriaxon PL wurde und wird der Klägerin von den Apothekenrechenzentren neben den Generika-Abschlägen gemäß
§
130a Abs.
1 und Abs.
3b SGB V zusätzlich der sich erhöhende Abschlag nach Maßgabe des sogenannten Preismoratoriums nach §
130a Abs.
3a SGB V in Rechnung gestellt („Preismoratoriumsabschlag“). Für das neu eingeführte Ceftriaxon PL (also 2,0 g Pulver und Lösungsmittel
zur Herstellung einer Infusionslösung, 1 Stück, PZN 10170660) zog der Beklagte als Referenzarzneimittel Cefotrix P (also 2,0
g Trockensubstanz ohne Lösungsmittel, 5 Stück, PZN 02414148) heran.
Betreffend die Neueinführung Ceftriaxon PL lautet die Fachinformation (Stand: 10/2013) in Bezug auf die Darreichungsform (3.)
wie folgt:
„Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung: fast weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver Lösungsmittel zur
Herstellung einer Infusionslösung: klare, farblose Lösung“
Zur Art der Anwendung heißt es unter 4.2:
„Ceftriaxon Eberth 2g ist geeignet für die intravenöse Infusion. Der Inhalt einer Durchstechflasche wird, wie unter Abschnitt
6.6 beschrieben, gelöst und als intravenöse Kurzinfusion verabreicht. Die Infusionsdauer beträgt mindestens 30 Minuten“.
Weiter heißt es zu „Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung und sonstigen Hinweise zur Handhabung“ (6.6):
„Der Inhalt einer Durchstechflasche zu 2g Ceftriaxon wird in 40 ml der beiliegenden Natriumchlorid 9 mg/ml (0,9%) Lösung durch
Umschwenken gelöst.
Kompatibilität besteht außerdem mit folgenden Calcium-freien Infusionslösungen (siehe Abschnitt 6.3):
- Natriumchlorid 4,5 mg/ml (0,45 %) und Glukose 25 mg/ml (2,5 %) Lösung - Glukose 50 mg/ml (5 %) Lösung - Dextran 60 mg/ml
(6 %) und Glukose 50 mg/ml (5 %) Lösung - Fruktose 50 mg/ml (5 %) Lösung
Die Infusionsdauer beträgt mindestens 30 Minuten.“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Fachinformation zu Ceftriaxon PL wird auf Blatt 144 bis 153 der Gerichtsakten verwiesen.
Für das vom Beklagten als Referenzarzneimittel herangezogene Arzneimittel Cefotrix P heißt es zur Darreichungsform unter 3.
in der Fachinformation (Stand: 09/2001):
„Cefotrix 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung;
Fast weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver“
Zur Art und Weise der Anwendung heißt es unter 4.2:
„Cefotrix 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung kann nach Herstellung der Lösung nach den unten stehenden Angaben
(siehe Abschnitt 6.6) als intravenöse Infusion verabreicht werden.“
Zu den Hinweisen für den Gebrauch und die Handhabung ist nach 6.6 ausgeführt:
„Cefotrix 2,0 Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung ist in einer der folgenden Calcium-freien Infusionslösungen zu
lösen: Natriumchlorid 0,9 %, Natriumchlorid 0,45 % und Glucose 2,5 %, Glucose 5 % oder 10 %, Dextran 6 % in Glucose 5 %, Hydroxyethylstärke
6 – 10 % (ergibt ein Volumen von 41,0 ml und eine Konzentration von 49 mg/ml). Die Infusion sollte über mindestens 30 Minuten
verabreicht werden.“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Fachinformation zu Cefotrix P wird auf Blatt 154 bis 164 der Gerichtsakten verwiesen.
Mit Schreiben vom 12. November 2014 wandte die Klägerin dem beklagten GKV-Spitzenverband, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und Sitz in Berlin, gegenüber ein, eine Vergleichbarkeit (bezogen
auf die PZN 02413835) sei trotz des jeweiligen Wirkstoffs Ceftriaxon nicht gegeben. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom
2. Dezember 2014, ob das Lösungsmittel Bestandteil des Fertigarzneimittels sei, sei nicht entscheidend, da als Darreichungsform
die Applikationsform entscheidend sei. Für die PZN 10170660 (entspricht Ceftriaxon PL) ergebe sich ein Preismoratoriumsabschlag
von 9,24 €.
Die Klägerin erwiderte, es handle sich bei dem gegenständlichen Arzneimittel mit der PZN 10170660 (entspricht Ceftriaxon PL)
um die Darreichungsform TRS (Trockensubstanz mit Lösungsmittel [zwecks Infusion]) und bei dem Referenzarzneimittel mit der
PZN 02414148 (entspricht Cefotrix P) um die Darreichungsform TSS (Trockensubstanz ohne Lösungsmittel [Injektion]). Um die
Darreichungsform TRS in den Handel zu bringen, sei aus Sicht der Zulassungsbehörden eine Neuzulassung erforderlich gewesen.
Allein diese Tatsache verweise auf die fehlende Vergleichbarkeit von TRS und TSS (Schreiben ebenfalls vom 2. Dezember 2014).
Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 daran fest, dass der Abschlag anzuwenden sei; für die Ermittlung vergleichbarer
Darreichungsformen im Sinne der Abschläge nach §
130a Abs.
3a Satz 10
SGB V sei unerheblich, ob das Lösungsmittel Bestandteil des Fertigarzneimittels sei oder nicht.
Mit der am 26. März 2015 vor dem Sozialgericht Regensburg erhobenen und von diesem mit Beschluss vom 23. Juli 2015 an das
Sozialgericht Berlin verwiesenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, für das streitgegenständliche Arzneimittel Ceftriaxon
PL falle der Herstellerabschlag nach §
130a Abs.
3a Satz 1
SGB V nicht an. Eine Vergleichbarkeit der Darreichungsform sei nicht gegeben, so dass das vom Beklagten herangezogene Arzneimittel
nicht als Referenzpräparat herangezogen werden könne. Die zuständige Bundesoberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte (BfArM), habe eine Änderung (Variation) des Präparates im Falle der Hinzufügung eines Lösungsmittels zu
einem Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung bzw. zu einer Infusionslösung nicht nur als zustimmungspflichtig angesehen,
sondern eine Neuzulassungspflicht gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AMG erkannt (Schreiben vom 29. Mai 2009), welches auch für die Auslegung von §
130a Abs.
3a SGB V maßgeblich sei. Die Informationsstelle für Arzneispezialitäten – IFA – führe das streitgegenständliche Präparat als sogenanntes
„solitäres“ Arzneimittel, das in keinem Generikawettbewerb im Sinne von §
130a Abs.
3 SGB V stehe (Auftragsbestätigung der IFA GmbH vom 4. Dezember 2015). In der Anlage VII zum Abschnitt M der Arzneimittel-Richtlinie
des gemeinsamen Bundesausschusses – Regelungen zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln (aut idem) vom 1. November 2015 sei
der gegenständliche Wirkstoff nicht aufgeführt, welches ebenfalls nicht nur gegen die „Austauschbarkeit“, sondern auch gegen
die „Vergleichbarkeit“ der Darreichungsformen spreche. Darüber hinaus dürfe der Wirkstoff Ceftriaxon nur mit calciumfreien
Lösungen rekonstituiert oder weiter verdünnt werden, um das Risiko eines Ceftriaxon-Calcium-Präzipitats, das tödlich enden
könne, zu vermeiden. Dieses Risiko werde durch die Kombinationspackung ausgeschlossen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Juni 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die als Feststellungsklage
zulässige Klage sei unbegründet, weil Ceftriaxon PL der Abschlagspflicht nach §
130a Abs.
3a Satz 1
SGB V unterfalle. Bei dem streitgegenständlichen Arzneimittel sowie dem Arzneimittel Cefotrix P handle es sich um Arzneimittel
mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform. Die Arzneimittel würden sich lediglich darin unterscheiden, dass
in einem Fall das für die Herstellung der Infusionslösung benötigte Lösungsmittel bereits beigepackt und im anderen Fall mit
einem gesondert zu beschaffenden Lösungsmittel zu mischen sei. Ausweislich der Regelungen des GKV-Spitzenverbandes nach §
130a Satz 10
SGB V, Ziffer 1.4., erfolge die Ermittlung der vergleichbaren Darreichungsform auf Grundlage der Darreichungsformstruktur der ABDATA
nach Anwendungsform, Applikationsweg und Freisetzungsverhalten. Der Begriff der Darreichungsform sei gesetzlich nicht definiert.
Im pharmazeutischen Sprachgebrauch bezeichne man mit Darreichungsform (oder auch: Arzneiform) die galenische Form, in der
ein Wirkstoff einer Person zugeführt werde. An der so verstandenen Darreichungsform, nämlich der „Infusion einer Lösung“,
ändere sich nichts, wenn dem Arzneimittel lediglich das benötigte Lösungsmittel beigepackt sei. Auf eine Neuzulassungspflicht
nach der Verordnung (EG) 1084/2003 komme es nicht an. Unerheblich sei, wie die IFA das streitbefangene Arzneimittel führe.
Die Frage der Austauschbarkeit von Arzneimitteln (aut idem) sei für die Vergleichbarkeit irrelevant. Die Abschlagspflicht
sei auch nicht im Hinblick auf eine fehlende Umgehung des Preisstopps ausgeschlossen. Vergleichsmaßstab sei das Preisverhältnis
der Arzneimittel des pharmazeutischen Unternehmens in vergleichbarer Darreichungsform. Nicht entscheidend sei die preisliche
Marktstellung des Arzneimittels im Vergleich mit Arzneimitteln anderer Wettbewerber. Indes sei hier von einer Umgehung auszugehen,
weil sich die Kosten für Ceftriaxon PL (1 Stück) derzeit auf 42,46 € beliefen, die für Cefotrix P (5 Stück) dagegen auf 97,46
€.
Mit ihrer Berufung vom 13. August 2018 gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Juli 2018 zugestellte Urteil macht die
Klägerin geltend, die Entscheidung des Sozialgerichts beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des Begriffs der „vergleichbaren
Darreichungsformen“, worum es vorliegend im Kern gehe. Dieser Begriff sei zwar, wie richtig im Urteil ausgeführt, nicht gesetzlich
definiert. Indes seien bei der Auslegung des Terminus die europarechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Der Europäische Gerichtshof
habe im Urteil vom 29. April 2004 – C 106/01 – auf die Standardbegriffe des Europäischen Arzneibuchs abgestellt und betont, dass Darreichungsformen dann nicht mehr vergleichbar
seien, wenn die Unterschiede wissenschaftlich erheblich seien. Heranzuziehen sei die „List of Standard Terms“ des European
Directorate for the Quality of Medicines (EDQM). Darin werde die Darreichungsform als Verbindung der Form, in der das Arzneimittel
vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form definiert.
Vorliegend sei bereits die Aufmachung der jeweiligen Fertigarzneimittel eine andere. Zwar liege in beiden Fällen eine Trockensubstanz
vor, die eine Rekonstitution erfordere, um als Infusion angewendet zu werden. Das Beinhalten einer calciumfreien Infusionslösung
führe aber zu der entscheidend anderen Aufmachung des Arzneimittels. Im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
beständen weitere wissenschaftlich erhebliche Unterschiede: Die Kombinationspackung unter Beifügung eines passenden Lösungsmittels
erhöhe die Arzneimittel- und Anwendungssicherheit. Weitere Unterschiede beständen im Hinblick auf die Eigenschaften des Lösungsmittels
und die hieraus folgenden Lagerbedingungen (maximal 25 °C) und die Verwendbarkeit (Haltbarkeitsdauer nur zwei Jahre).
Ferner spreche die Neuzulassungspflicht gegen eine vergleichbare Darreichungsform. Wenn das zeitlich gesehen „neuere“ europäische
Recht im Gegensatz zum Arzneimittelgesetz davon ausgehe, dass jede Änderung der Darreichungsform wegen des damit verbundenen Grades des Risikos für die Gesundheit
sowie die Auswirkungen einer Änderung auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels eine Neuzulassungspflicht
erforderlich mache, so müsse dies dazu führen, dass die europarechtlichen Bestimmungen für die Auslegung des § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 3 AMG heranzuziehen seien. Auch die ABDATA Darreichungsformstruktur unterscheide zwischen der Abgabeform als Handelsform (galenische
Grundform) und der Anwendungsform beim Patienten. Dies berücksichtigend fänden sich in der Kombinationspackung von Ceftriaxon
PL zwei unterschiedliche Arzneimittel, nämlich eine Trockensubstanz und das dazugehörige Lösungsmittel. Nach der Rekonstitution
seien die jeweiligen Applikationsformen zwar gleich, nicht jedoch die Darreichungsform nach der ABDATA. Im Übrigen fände die
Vorschrift auf das hier streitgegenständliche Arzneimittel gemäß § 29 Abs. 5 AMG keine Anwendung mehr.
In Bezug auf die Austauschbarkeit von Arzneimitteln unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit nach §
129 SGB V weise der Gemeinsame Bundesausschuss, so die Klägerin weiter, ferner in den tragenden Gründen zum Beschluss über die Einleitung
der Stellungnahme zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie darauf hin, dass zur Bezeichnung der Darreichungsformen die zitierten
Standard Terms der Arzneibuch-Kommission zugrunde gelegt werden sollen. Eine Austauschbarkeit zwischen den Darreichungsformen
bestehe hier nicht. Es handle sich bei dem beigepackten „Produkt“ um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel und nicht lediglich
um einen nicht arzneilich wirksamen Hilfsstoff. Dementsprechend sie auch die Variation hinsichtlich der sterilen Natriumchlorid-
(NaCl-) Lösung zustimmungspflichtig gewesen.
Durch das sogenannte „Preismoratorium“ solle verhindert werden, dass erhöhte Abgabepreise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
abgerechnet werden könnten. Ein absichtliches, manipulatives Umgehen des Preisstopps liege indes in ihrem Fall nicht vor.
Sie, die Klägerin, habe das streitbefangene Produkt einzig aus Gründen der Arzneimittelsicherheit auf den Markt gebracht.
Das für die Rekonstitution erforderliche Lösungsmittel NaCl mit einem Volumen von 40 ml werde individuell produziert, da das
erforderliche Volumen nicht im Handel verfügbar sei. Hierdurch könne einer potentiellen Kontamination vorgebeugt werden.
Das streitgegenständliche Arzneimittel sei schließlich wirtschaftlich. Die Krankenkassen würden jedenfalls finanziell von
dem streitgegenständlichen Arzneimittel profitieren, unabhängig davon, ob die sterile NaCl-Lösung über ein Rezept oder den
Sprechstundenbedarf zur Anwendung komme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2018 aufzuheben und festzustellen, dass das Arzneimittel Ceftriaxon E 2g
Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung in der Normpackungsgröße N1, PZN 10170660, 2g, 1 Stück, nicht
dem Preismoratoriumsabschlag unterfällt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Rechtsauffassung fest und ergänzt, ausweislich der Fachinformationen beider Arzneimittel werde deutlich,
dass es sich vorliegend um vergleichbare, wenn nicht sogar identische Darreichungsformen handle. Unter Rekonstitution – dass
es sich hier um eine solche handle, sei zwischen den Beteiligten unstreitig – sei das Auflösen von Arzneimitteln oder das
Verdünnen bzw. Mischen mit einem für die Anwendung erforderlichen Hilfsstoff kurz vor der Anwendung zu verstehen. Das Arzneimittel
liege vor dem Prozess der Rekonstitution vor. Bei Ceftriaxon PL und Cefotrix P seien sowohl die nach Rekonstitution entstandene
Infusionslösung als auch das jeweils zugrundeliegende Pulver und die Kochsalzlösung identisch. Es liege kein Kombinationsarzneimittel,
sondern eine Kombipackung vor. Ersteres würde die getrennte Anwendung erfordern. Bei der Natriumchloridlösung handle es sich
im Falle von Ceftriaxon PL nicht um einen Wirkstoff, sondern um einen sonstigen Bestandteil, dessen Angabe im Hinblick auf
die Wirkung der enthaltenen Natriumionen insbesondere bei am Herz erkrankten Personen erforderlich sei. An der Vergleichbarkeit,
ggf. sogar der Identität der Darreichungsformen bestehe dagegen kein Zweifel. Die Kochsalzlösung diene hier nur als Trägerstoff
für die in beiden Fällen notwendige Herstellung der Infusionslösung.
Aus dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs, so der Beklagte weiter, ergebe sich nichts Abweichendes. Ausgehend
von der Liste der Standardbegriffe des Europäischen Arzneibuchs werde Darreichungsform als Verbindung der Form, in der das
Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form,
beschrieben. Aufmachung sei bei beiden Arzneimitteln gleichermaßen das „Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung“. Jedenfalls
führe eine insofern unterschiedliche Aufmachung durch die Beipackung der Kochsalzlösung nicht zu einer sich wesentlich unterscheidenden
Darreichungsform. Denn die Verbindung der Form der Aufmachung mit der Form der Einnahme (Infusionslösung) erfolge beide Male
durch Lösung des Pulvers in der Kochsalzlösung (isotonische Natriumchloridlösung [Natriumchlorid 9 mg/ml <0,9 %> Lösung ])
bzw. einer kompatiblen, ebenfalls calciumfreien Lösung im Wege der Rekonstitution. Die Einnahmeform sei bei beiden Arzneimitteln
die Applikation der Infusionslösung. Im Übrigen würde im medizinischen Bereich grundsätzlich physiologische Kochsalzlösung
zur Rekonstitution verwendet werden. Calciumhaltige Lösungen seien dagegen unüblich und, wie Sachkundigen zweifellos bekannt
sei, hier absolut kontraindiziert.
Die Darreichungsform des neuen Arzneimittels und diejenige des Bezugsarzneimittels seien auch vergleichbar. Das Bundesgesundheitsamt
habe in der Bekanntmachung vom 20. Juli 1988 (BAnz 1988, S. 3367) Gruppen von Darreichungsformen gebildet, innerhalb derer
von einer Vergleichbarkeit ausgegangen werden könne. Es stelle insoweit darauf ab, dass Aggregatzustand, Anwendungsart und
-ort identisch seien und eine in etwa gleiche Freisetzung und Bioverfügbarkeit der arzneiwirksamen Bestandteile gewährleistet
werde. Infusionslösungen würden dabei ausdrücklich als vergleichbare Darreichungsformen genannt. Inhaltlich stimmten hiermit
die in Ziffer 1.4. getroffenen Regelungen des Beklagten nach §
130a Abs.
3a Satz 10
SGB V überein.
Das BfArM habe in Bezug auf die Neueinführung der Klägerin gegenüber gerade keine Neuzulassungspflicht nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 AMG festgestellt. Aus der E-Mail des BfArM könne sie keine neuzulassungspflichtige Änderung der Darreichungsform herleiten, weil
sich das BfArM allein auf Annex II der VO (EG) 1084/2003 bezogen habe. Soweit eine Neuzulassungspflicht aus der VO (EG) 1084/2003
hergeleitet wurde, sei dies für den vorliegenden Fall irrelevant, weil diese Verordnung für die Auslegung des § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG nicht heranzuziehen sei. Auf eine Austauschbarkeit i.S.d. §
129 Abs.
1 SGB V komme es für die Abschlagspflicht nach §
130a Abs.
3a SGB V nicht an.
Eine Umgehung des Preisstopps sei in Bezug auf die Neueinführung gegeben. Für den Abschlag nach §
130a Abs.
3a SGB V komme es nicht auf eine Umgehungsabsicht an, sondern allein darauf, dass der pharmazeutische Unternehmer seinen Abgabepreis
im Verhältnis zu einem Vergleichsarzneimittel erhöhe. Dies sei hier der Fall.
Die Ausführungen der Klägerin zur Wirtschaftlichkeit seien im Übrigen fehlerhaft. Infusionslösungen würden im Rahmen des Sprechstundenbedarfs
zur Verfügung gestellt, die nicht dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers hinzuzurechnen seien. Die Zuzahlung des
Patienten von 5 € sei von den Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung abzuziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere fristgemäß von der Klägerin eingelegt worden. Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht
hat ihre statthafte Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 6/17 R – juris Rn. 14 und vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 14, 27) zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär. Die Klägerin
hätte ihre Rechte nicht vorrangig durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können. Zwar können pharmazeutische
Unternehmer nach §
130a Abs.
5 SGB V berechtigte Ansprüche auf Rückzahlung der Abschläge (u.a. nach Abs. 3a der Vorschrift) gegenüber der jeweils begünstigten
Krankenkasse geltend machen. Die hier erhobene Feststellungsklage eröffnet aber weitergehenden Rechtsschutz, weil sie eine
abschließende Streitbeilegung über die Abschlagspflicht nach dem sogenannten Preismoratorium zwischen den Beteiligten zum
Gegenstand hat. Die Rechtslage kann betreffend das gegenständliche Arzneimittel gegenüber dem Beklagten auch abschließend
geklärt werden, der mit der Abwicklung des Abschlags und Erstellung des Leitfadens zu §
130a Abs.
3a SGB V auf der Grundlage von §
130a Satz 10
SGB V (a.F.) insgesamt die hiermit im Zusammenhang stehenden Aufgaben für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernommen
hat. Es ist auch davon auszugehen, dass der Beklagte als zuständige Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. §
217a Abs.
2 SGB V) und seiner hieraus folgenden Bindung an Gesetz und Recht (Art.
20 Abs.
3 GG) im Falle des Nichtbestehens der Abschlagspflicht einem Feststellungsurteil Folge leisten würde, und dass er auf die ordnungsgemäße
Rückzahlung der Abschläge an die pharmazeutischen Unternehmen gegenüber den begünstigten Krankenkassen hinwirken würde (vgl.
BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris Rn. 20). Bei dieser Sachlage und mangels unmittelbarer und direkter Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und
einzelnen gesetzlichen Krankenkassen kam eine notwendige Beiladung nach §
75 Abs.
2 Alt. 1
SGG nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 6/17 R – juris Rn. 24).
Die Klägerin hat auf die begehrte Feststellung keinen Anspruch. Für das gegenständliche Arzneimittel Ceftriaxon PL besteht
die von ihr bestrittene Abschlagspflicht auf der Grundlage des Preismoratoriums nach §
130a Abs.
3a SGB V durchgängig seit dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels durch sie als pharmazeutische Unternehmerin am 1.
April 2014.
Gemäß §
130a Abs.
1 Satz 1
SGB V erhalten die Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert
des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer (seit dem 1. April 2014; zuvor 6 vom Hundert). Für
Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1, wie hier, beträgt der Abschlag nach Satz 1 6 vom Hundert (Satz 2). Danach erhalten die
Krankenkassen für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 vom Hundert des Abgabepreises
des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den
Abschlag zu erstatten (§
130a Abs.
1 Satz 3
SGB V). Erfasst von der Rabattpflicht werden nach Absatz 1 Sätze 7 und 8 auch Fertigarzneimittel in parenteralen, d.h. die enterale
Schranke umgehende Zubereitungen, und zwar auch, wenn parenterale Zubereitungen in Krankenhausapotheken hergestellt werden
(vgl. BT-Drs. 17/2170 S. 36). Für die parenteralen Zubereitungen war eine besondere Regelung notwendig, weil Fertigarzneimittel
in parenteralen Zubereitungen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr.
8 AMPreisV nicht den allgemeinen Preisbindungsvorschriften unterfallen (vgl. Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 4. Auflage (Stand: 27. Oktober 2021) §
130a Rn. 20). Gemäß §
130a Abs.
3a SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften (GKV-ÄndG vom 24. Juli
2010 mit Wirkung vom 30. Juli 2010, BGBl. I S. 963; sog. Preismoratorium, in der Fassung des 14.
SGB V-Änderungsgesetzes vom 27. März 2014 mit Wirkung vom 1. April 2014; BGBl. I S. 261 ff., a.F.) gilt Folgendes:
Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009,
erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2017
einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund
des § 35 festgesetzt ist. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August 2010 in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der
Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische
Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hat, ist
der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf
die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt. Satz 3 gilt entsprechend bei Änderungen zu den
Angaben des pharmazeutischen Unternehmers oder zum Mitvertrieb durch einen anderen pharmazeutischen Unternehmer. Für importierte
Arzneimittel, die nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 abgegeben werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von
höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis
des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer, unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund
dieser Vorschrift. Abschläge nach Absatz 1, 1a und 3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 erhoben. Rabattbeträge,
die auf Preiserhöhungen nach Absatz 1 und 3b zu gewähren sind, vermindern den Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 entsprechend.
Für die Abrechnung des Abschlags nach den Sätzen 1 bis 5 gelten die Absätze 1, 5 bis 7 und 9 entsprechend. Absatz 4 findet
Anwendung. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.
Zuletzt, und zwar durch das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2870), erhielt §
130a Abs.
3a (Sätze 1 bis 11)
SGB V folgende Fassung (n.F.):
Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009,
erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2022
einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund
des § 35 festgesetzt ist. Zur Berechnung des Abschlags nach Satz 1 ist der Preisstand vom 1. August 2009 erstmalig am 1. Juli
2018 und jeweils am 1. Juli der Folgejahre um den Betrag anzuheben, der sich aus der Veränderung des vom Statistischen Bundesamt
festgelegten Verbraucherpreisindex für Deutschland im Vergleich zum Vorjahr ergibt. Für Arzneimittel, die nach dem 1. August
2010 in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet.
Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff
und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hat, ist der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der
Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten
kommt. Satz 4 gilt entsprechend bei Änderungen zu den Angaben des pharmazeutischen Unternehmers oder zum Mitvertrieb durch
einen anderen pharmazeutischen Unternehmer. Für importierte Arzneimittel, die nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 abgegeben
werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des §
129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer,
unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund dieser Vorschrift. Abschläge nach Absatz 1, 1a und
3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 erhoben. Rabattbeträge, die auf Preiserhöhungen nach Absatz 1
und 3b zu gewähren sind, vermindern den Abschlag nach den Sätzen 1 bis 6 entsprechend. Für die Abrechnung des Abschlags nach
den Sätzen 1 bis 6 gelten die Absätze 1, 5 bis 7 und 9 entsprechend. Absatz 4 findet Anwendung. Das Nähere regelt der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen ab dem 13. Mai 2017 im Benehmen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten
maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene.
Ziel der mit dem Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24. Juli 2010 (BGBl. I 2010,
983) erstmals eingefügten Regelung in der seither jeweiligen Gesetzesfassung war es, dass Preiserhöhungen bezogen auf die am
1. August 2010 geltenden Arzneimittelpreise innerhalb des Zeitraums 1. August 2010 bis nunmehr 31. Dezember 2022 zu Lasten
der gesetzlichen Krankenversicherung nicht wirksam werden, um die weitere Erhöhung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen
für Arzneimittel trotz gesunkener Verordnungszahlen infolge der Entwicklung der Herstellerabgabepreise, insbesondere für neue,
patentgeschützte Arzneimittel, zu begrenzen (vgl. BT-Drs. 17/2170 S. 2). Die Maßnahme lief ursprünglich am 31. Dezember 2013
aus, wurde aber sodann bis Ende März 2014 (13.
SGB V-Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2013 [BGBl. I 2013, 4382]), dann bis 31. Dezember 2017 (14.
SGB V-Änderungsgesetz vom 31. März 2014 [BGBl. I 2014, 261] und zuletzt bis 31. Dezember 2022 (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz
vom 4. Mai 2017 [BGBl. I 2017, 1050] verlängert.
Bei Ceftriaxon PL handelt es sich um ein Fertigarzneimittel i.S.v. §
130a Abs.
3a Satz 1 Halbsatz 2
SGB V. Dies sind gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AMG Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in Verkehr gebracht
werden, oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles
Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht
Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind. So liegt es bei Ceftriaxon PL und
Cefotrix P, die auch apothekenpflichtig sind.
Gemäß §
130a Abs.
3a Satz 3
SGB V a.F. bzw. Satz 4 der Vorschrift n.F. ist bei Neueinführung eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits
ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in den Verkehr gebracht hat, ein Abschlag auf
Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße
unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt (Preismoratoriumsabschlag). Diese Voraussetzungen waren und sind zulasten
der Klägerin bei Ceftriaxon PL ununterbrochen erfüllt.
Die Klägerin ist pharmazeutische Unternehmerin im Sinne der Vorschrift. Wer pharmazeutischer Unternehmer im Sinne dieser Abschlagspflicht
ist, ist krankenversicherungsrechtlich durch das Arzneimittelpreisregulierungsrecht des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch selbst
zwar nicht legal definiert. Das Gesetz bedient sich insofern aber seit dem Jahr 2007 (vgl. GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I 378) durchgängig der arzneimittelrechtlichen Terminologie des Arzneimittelgesetzes (AMG; vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2022 – B 3 KR 3/21 R – juris Rn. 11 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/3100 S. 143). Diese bezeichnet ihrerseits seit 2005 als pharmazeutischen Unternehmer
zum einen bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln den Inhaber der Zulassung oder Registrierung (vgl.
§ 4 Abs. 18 Satz 1 AMG i.d.F. des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 [BGBl. I 2570]) und zum anderen auch denjenigen, der Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter
seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2 AMG (vgl. § 4 Abs. 18 Satz 2 AMG i.d.F. des Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften
vom 18. Juli 2017, BGBl. I 2757; vgl. BT-Drs. 18/12587 S. 49). Dies ist bei der Klägerin der Fall.
Bei Neueinführung von Ceftriaxon PL zum 1. April 2014 hatte die Klägerin bereits ein Arzneimittel auf dem Markt (1.), und
zwar ein solches mit gleichem Wirkstoff (nachfolgend a.) und vergleichbarer Darreichungsform (nachfolgend b.). Keine Voraussetzung
ist das Vorliegen einer Umgehungsabsicht des pharmazeutischen Unternehmers (nachfolgend 2.). Verfassungsrechtliche Bedenken
bestehen gegen die Abschlagspflicht auf der Grundlage des Preismoratoriums nicht (nachfolgend 3.). Anhaltspunkte für eine
unzutreffende Abschlagshöhe im Verhältnis zum Referenzarzneimittel Cefotrix P bestehen ebenso wenig (nachfolgend 4.).
1. Die Klägerin hat zum 1. April 2014, soweit hier gegenständlich, Cefriaxon PL in den Verkehr gebracht.
Inverkehrbringen bedeutet nach § 3 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Diese Voraussetzung
ist sowohl in Bezug auf das gegenständliche Arzneimittel wie auch in Bezug auf das Referenzarzneimittel erfüllt. Denn von
der Klägerin wurde auf dem Arzneimittelmarkt bereits angeboten, und zwar ebenfalls nur soweit hier als Referenzarzneimittel
gegenständlich, seit dem 1. August 2009 Cefotrix P.
a) Beide Arzneimittel – Cefotrix P und Ceftriaxon PL – enthalten den gleichen Wirkstoff, nämlich Ceftriaxon.
Gemäß § 4 Abs. 19 AMG (i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005, BGBl 3394) sind Wirkstoffe Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung
von Arzneimitteln als arzneilich wirksamer Bestandteil verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung
zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.
Arzneilich wirksamer Bestandteil ist in beiden streitgegenständlichen Arzneimitteln – Ceftraxon PL und Cefotrix P – ausschließlich
Ceftriaxon. Bei Ceftriaxon PL handelt es sich um sogenanntes Generikum, und zwar im Verhältnis zu Cefotrix P um ein patentfreies
wirkstoffgleiches Arzneimittel (vgl. §
130a Abs.
3b SGB V; BSG, Urteil vom 3. August 2022 – B 3 KR 3/21 R – juris Rn. 10). Generika sind alle patentfreien Arzneimittel, die entweder nach den besonderen Vorschriften der §§ 24a,
24b AMG zugelassen worden sind oder zu denen es mindestens noch ein weiteres patentfreies wirkstoffgleiches Arzneimittel mit unterschiedlichem
Warenzeichen gibt. Die Patentfreiheit bezieht sich auf den Wirkstoff an sich, nicht auf ein eventuelles Verwendungspatent
und die Wirkstoffgleichheit auf die chemische Identität, nicht dagegen die chemischer Verwandtschaft oder Vergleichbarkeit
der Anwendungsgebiete (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris Rn. 36; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 4. Auflage Stand 27. Oktober 2021, §
130a Rn. 21).
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren zuletzt schriftsätzlich (Schriftsätze vom 5. Mai 2021 und vom 1. September 2022)
und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dies – also das Vorhandensein des gleichen Wirkstoffs – bestritten hat,
folgt dem der Senat nicht. Die Klägerin setzt sich insofern zunächst in Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Vorbringen sowie
des ihres Prozessbevollmächtigten. Sie selbst ist als pharmazeutische Unternehmerin der gegenständlichen Neueinführung im
Verhältnis zum Referenzarzneimittel im vorgerichtlichen Verfahren vom Vorliegen desselben Wirkstoffs ausgegangen, den sie
für beide Arzneimittel mit „Ceftriaxon“ bezeichnete (vgl. E-Mail vom 12. November 2014).
Dahinstehen kann, dass Natriumchloridlösung (0,9 %) ebenfalls ein Arzneimittel ist, die als Wirkstoff isoliert etwa zur Flüssigkeitsregulation
im Organismus Anwendung findet, wie auch vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht ausgeführt worden
ist. Denn vorliegend wird Natriumchloridlösung nicht als Wirkstoff, sondern als Trägerlösung eingesetzt. Es besteht zwischen
dem mit einem geeigneten Lösungsmittel zu einer Infusionslösung rekonstituierten Cefotrix P einerseits und Ceftriaxon PL nach
Rekonstitution zu einer Infusionslösung andererseits kein wissenschaftlich begründbarer Unterschied bestehe. Ein solcher konnte
auch von der Klägerin nicht plausibel dargelegt werden. Der Senat ist hiernach unter Bezugnahme auf die jeweiligen Fachinformationen
– wie auch in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden ist – zu der Überzeugung gelangt, dass es sich auch für
den Fall der Rekonstitution der in Ceftriaxon PL enthaltenen Trockensubstanz mit einem anderen kompatiblen Lösungsmittel entsprechend
den Herstellerangaben unter 6.6 in der Fachinformation nicht um eine Anwendung im sogenannten Off-Label-Use handeln würde,
weil die Verwendung des Fertigarzneimittels weiterhin im Rahmen des zugelassenen Gebrauchs stattfinden würde, selbst wenn
das beigepackte Lösungsmittel – etwa im Falle eines Zerbrechens der beigepackten Durchstechflasche mit Natriumchloridlösung
– nicht zur Rekonstitution eingesetzt würde, sondern ein ebenfalls kompatibles.
Bei der Auslegung des Begriffs „wirkstoffgleich“ im Sinne des §
130a Abs.
3b SGB V ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 45), die der Senat wegen der Vergleichbarkeit auch für die Auslegung des Preismoratoriums in §
130a Abs.
3a Satz 3 (a.F.) bzw. 4 (n.F.)
SGB V seiner Entscheidung zugrunde legt, zusätzlich die Regelung des § 24b Abs. 2 Satz 1 (und 2) AMG zu beachten: Nach dem Regelfall des § 24b Abs. 2 Satz 1 AMG erfordert die Zulassung als Generikum nach Absatz 1, dass das betreffende Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe
nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien
nachgewiesen wurde. Nach der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des § 24b Abs. 2 Satz 2 AMG gelten die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffes
als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit
oder der Wirksamkeit. Ein neuer Wirkstoff entsteht auch danach durch die Beipackung der weiteren Durchstechflasche mit dem
für die Rekonstitution erforderlichen Lösungsmittel nicht, vielmehr liegt hinsichtlich Cefotrix P und Ceftriaxon PL Wirkstoffgleichheit
bzw. -identität vor (vgl. zu dieser Begrifflichkeit in Abgrenzung zur Wirkungsgleichheit bzw. der Wirkgleichheit BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 43 ff.).
Anders als die Klägerin nunmehr geltend macht, handelt es sich bei der beigepackten Natriumchloridlösung nicht um – weiteren
– Wirkstoff der Neueinführung Ceftriaxon PL, sondern um einen sogenannten sonstigen Bestandteil. Aus den jeweiligen Fachinformationen
der Klägerin zu den beiden Arzneimitteln folgt nichts Abweichendes.
Wirkstoffe sind bei der Kennzeichnung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AMG nach Art und Menge und sonstige Bestandteile nach der Art, soweit dies durch Auflage der zuständigen Bundesoberbehörde nach
§ 28 Abs. 2 Nr. 1 angeordnet oder durch Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4, auch in Verbindung mit Abs. 2, oder nach
§ 36 Abs. 1 vorgeschrieben ist; bei Arzneimitteln zur parenteralen oder zur topischen Anwendung, einschließlich der Anwendung
am Auge, alle Bestandteile nach der Art anzuwenden. Wie ausgeführt, handelt es sich bei Ceftriaxon PL um ein Arzneimittel
zur parenteralen Anwendung. Das Arzneimittelgesetz unterscheidet hiernach zwischen Wirkstoffen i.S.d. § 4 Abs. 19 AMG und sonstigen Bestandteilen, zu denen Hilfsstoffe (Arzneiträgerstoffe) zählen (vgl. Pannenbecker in Kügel/Müller/Hofmann,
Arzneimittelgesetz 3. Auflage 2022, § 10 Rn. 36; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 5. Auflage 2020, § 10 Rn. 11, der zu Recht darauf hinweist, dass auch nach der Art. 54 d der RL 2011/83 EG zu den arzneilich wirksamen Bestandteilen
Hilfsstoffe, wie Arzneiträgerstoffe, nicht zu den arzneilich wirksamen Bestandteilen zählen).
Bei den Fachinformationen handelt es sich um die Daten, die von den pharmazeutischen Unternehmern wie die Klägerin u.a. an
die Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA) GmbH übermittelt werden. Dass es in den jeweiligen Fachinformationen
der Klägerin jeweils unter Punkt 2. zur qualitativen und quantitativen Zusammensetzung einerseits (Cefotrix P) heißt, „Jede
2,0 g Durchstechflasche enthält 2,0 g Ceftriaxon (als Dinatrium-Hydrat)“ und andererseits (Ceftriaxon PL) „1 Durchstechflasche
mit 2,386 g Pulver enthält 2,386 Ceftriaxon-Dinatrium 3,5 H²O (entsprechend 2g Ceftriaxon), führt zu keiner erkennbaren Veränderung
des alleinigen – arzneilich wirksamen – Wirkstoffs Ceftriaxon. Dagegen spricht auch nicht die weitere Angabe in der Fachinformation
von Ceftriaxon PL, wonach darüber hinaus eine Durchstechflasche Lösungsmittel 40 ml Isotonische Natriumchloridlösung (Natriumchlorid
9 mg/ml (0,9 %) Lösung) in der angebotenen Packung enthalten ist. Ausdrücklich bezieht sich dies, wie sich auch aus 6.1 betreffend
die Liste der sonstigen Bestandteile ergibt, allein auf das Lösungsmittel isotonische Natriumchloridlösung (Natriumchlorid)
9 mg/ml (0,9 %). Dieses wird in der Fachinformation zu Cefotrix P unter den Hinweisen für den Gebrauch und die Handhabung
bei intravenöser Infusion ebenfalls u.a. mit Natriumchlorid 0,9 % bezeichnet bei identischem Hinweis auf die Inkompatibilität
mit calciumhaltigen Lösungen. Natriumchlorid- oder NaCl-Lösung, der chemischen Bezeichnung für isotonische Kochsalzlösung,
einer 0,9-prozentigen Lösung von Natriumchlorid in Wasser, wird danach als apothekenpflichtige Lösung vorliegend allein als
Trägerlösung zur Rekonstitution des arzneilich ausschließlich wirksamen Wirkstoffs Ceftriaxon angewandt, ohne dass das Beipacken
der Trägerlösung zu einer Veränderung des arzneimittelrechtlich zu verstehenden Begriffs des Wirkstoffs führen würde.
Nichts Abweichendes folgt schließlich aus den Regelungen des GKV-Spitzenverbandes nach §
130a Abs.
3a Satz 10
SGB V zum Herstellerabschlag nach §
130a Abs.
3a Satz 3 und
4 SGB V im Konsens mit den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer vom 22. Oktober 2010 (Leitfaden a.F.) bzw. den Regelungen des
GKV-Spitzenverbandes nach §
130a Abs.
3a Satz 11
SGB V zum Herstellerabschlag nach §
130a Abs.
3a SGB V vom 9. April 2018 (Leitfaden n.F.), der grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des zuzugestehenden Gestaltungsspielraums
unterliegt (BSG, Urteile vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 13/05 R – juris Rn. 68 ff. und vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 27), indes die gesetzlichen Vorgaben zum sogenannten Preismoratorium zutreffend nachgezeichnet hat (vgl. zu dieser
Voraussetzung BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris Rn. 23). Danach müssen das Vergleichsarzneimittel und die Neueinführung den gleichen Wirkstoff oder die gleiche Wirkstoffkombination
haben (I. 3 Leitfaden a.F. bzw. 5.3 Leitfaden n.F.). Ersteres ist hier, wie ausgeführt, der Fall.
b) Bei der Neueinführung von Ceftriaxon PL und dem von der Beklagten ermittelten Referenzarzneimittel Cefotrix P handelt es
sich auch um Arzneimittel mit vergleichbarer Darreichungsform i.S.v. §
130a Abs.
3a Satz 3
SGB V a.F. bzw. Satz 4 der Vorschrift n.F.. Denn die jeweilige Form der Darreichung ist hier jeweils die allein wirkstoffhaltige
Trockensubstanz, die durch Mischen mit dem geeigneten oder beigefügten Lösungsmittel zu der Infusionslösung rekonstituiert
wird, die sodann einem Patienten verabreicht werden kann.
Der Begriff der Darreichungsform in §
130a Abs.
3a SGB V a.F. und n.F. ist im
Fünften Buch Sozialgesetzbuch – insofern besteht Konsens unter den Beteiligten – nicht legaldefiniert, obgleich er verschiedentlich im Gesetz genannt wird,
etwa in § 31a Abs. 3a Satz 1, § 31b Abs. 2 und 3 Sätze 1 und 2, § 35 Abs. 1 Satz 5 2. Halbsatz, §
129 Abs.
1 Satz 2 und Abs.
1a, §
300 Abs.
3 Nr.
1 SGB V). Eine Definition folgt auch nicht aus dem Arzneimittelgesetz, insbesondere nicht aus §§ 2 bis 4 AMG (vgl. auch Pannenberger in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 3. Auflage 2022, § 10 Rn. 27), wenngleich er auch dort mehrfach verwendet wird (vgl. etwa § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 5, Abs. 1b, Abs. 4 Nr. 5, Abs.
8a Satz 1, Abs. 8b Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 d und e, § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 12 Abs. 3 Satz 2, § 21 Abs.
2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 Nr. 4, § 22 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMG usw.). Indes deutet bereits diese Sachlage darauf, hin, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des (unbestimmten Rechts-)
Begriffs der Darreichungsform auf einen arzneimittelrechtlich allgemein anerkannten Begriff zurückgegriffen hat. Auf der Grundlage
einer danach vorzunehmenden Auslegung des Begriffs „Darreichungsform“ ist bereits nach dem pharmazeutisch anerkannte Sprachgebrauch
die wirkstoffhaltige Arznei zu verstehen (nachfolgend aa). Hiervon hat sich ersichtlich auch der Gesetzgeber leiten lassen
(nachfolgend bb). Die Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift führen zu keinem abweichenden Ergebnis (nachfolgend
cc). Für den zusammengesetzten Begriff der „vergleichbaren Darreichungsform“ gilt Vorstehendes insoweit entsprechend, als
aus der Hinzufügung des Begriffs „vergleichbar“ durch den Gesetzgeber kein gänzlich neuer unbestimmter Rechtsbegriff eingefügt
wurde und das ergänzte Adjektiv „vergleichbar“ weder Identität, noch Austauschbarkeit oder Änderung der Darreichungsform bedeutet
(nachfolgend dd).
aa) Das Wort „Darreichen“ bedeutet nach seinem natürlichen Sprachgebrauch „anbietend hinhalten“, „hinreichen“. Ebenfalls aus
dem Duden, in dem sich darüber hinaus der Begriff der Darreichungsform wiederfindet, ergibt sich, dass hiermit insbesondere
bei Medikamenten die äußere Form gemeint ist, in der ein solches verabreicht wird.
Im pharmazeutischen Sprachgebrauch ist unter Darreichungsform die sogenannte galenische Form zu verstehen, in der das Arzneimittel
angewendet wird (vgl. Krüger/Kortland in in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Auflage 2022, § 29 Rn. 64) bzw. in der der Wirkstoff einer Person zugeführt wird (Kösling/Wolf in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht,
3. Auflage 2020, § 29 Rn. 58). Bei der Galenik handelt es sich in der Pharmazeutik um die Wissenschaft von der Herstellung
von Arzneimitteln, die Lehre von den Arzneiformen, die Einfluss auf die Bioverfügbarkeit wirkstoffgleicher Arzneimittel haben
kann (vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011 – 10 A 11331/10 – juris Rn. 28; Luthe in Hauck/Noftz
SGB V, 10. EL 2022, §
35 Rn. 43; Hess in BeckOGK, Stand 1. März 2022, §
35 SGB V Rn. 6).
bb) Nach dem Willen des Gesetzgebers ist zur Überzeugung des Senats bei der Auslegung des Begriffs der Darreichungsform die
entsprechende Begrifflichkeit des Arzneimittelgesetzes eingeflossen. Ausweislich seiner Begründung (vgl. BT-Drs. 17/2170, S. 37) sollte für den Preisstopp nach §
130a Abs.
3a SGB V u.a. Voraussetzung sein, dass die Darreichungsform des neuen Arzneimittels mit der des Bezugsarzneimittels vergleichbar im
Sinne der ausdrücklich genannten Vorschrift § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG ist.
Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 AMG hat der Antragsteller der zuständigen Bundesoberbehörde unter Beifügung entsprechender Unterlagen unverzüglich Anzeige zu
erstatten, wenn sich Änderungen in den Angaben und Unterlagen nach den §§ 22 bis 24a und 25b ergeben. Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 4 AMG ist dem Antrag auf Zulassung die Angabe über die Darreichungsform beizufügen. § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG regelt, dass eine Änderung in eine mit der zugelassenen vergleichbaren Darreichungsform erst vollzogen werden darf, wenn
die zuständige Bundesoberbehörde zugestimmt hat. Ersichtlich wollte der Gesetzgeber hiernach mit der Wahl des Begriffs Darreichungsform
den Begriff „Darreichungsform“ in den Regelungen des Arzneimittelgesetzes aufgreifen mit der Folge, dass bei der Auslegung des Rechtsbegriffs in §
130a Abs.
3a Satz 3
SGB V a.F. (bzw. Satz 4 der Vorschrift n.F.) auch die Regelungen des Arzneimittelgesetzes zu beachten sind (entsprechend zum Begriff der „Wirkstoffgleichheit“ BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 44).
Die so verstandenen Darreichungsformen des einerseits gegenständlichen und andererseits des Referenzarzneimittels haben insbesondere
im Falle eines Antrags auf Zulassung eines Arzneimittels gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 4 AMG so eindeutig wie möglich zu erfolgen (vgl. Winnands/Kügel in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 3. Auflage 2022, § 22 AMG Rn. 38). Nach den Fachinformationen der Klägerin definiert diese die jeweiligen Darreichungsform der gegenständlichen Arzneimittel
jeweils unter 3., und zwar betreffend Ceftriaxon PL (Stand: 10/2013), als „Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung: fast
weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver; Lösungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung: klare, farblose
Lösung“ und betreffend Cefotrix P (Stand: 09/2001) als „Cefotrix 2,0 g Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung; Pulver
zur Herstellung einer Infusionslösung; Fast weißes oder gelbliches, kristallines trockenes Pulver“. Beide Arzneimittel enthalten
hiernach eine Trockensubstanz, die eine Rekonstitution erfordert, um als dadurch hergestellte Infusionslösung bei Patienten
angewandt, mithin dargereicht zu werden. Die Rekonstitution eines Fertigarzneimittels zur Anwendung beim Menschen definiert
§ 4 Abs. 31 AMG als die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage
oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans. Das Arzneimittel wird durch die Rekonstitution mithin in
die anwendbare (Darreichungs-) Form gebracht, wodurch indes kein neues Arzneimittel entsteht, weil die arzneiliche Wirkung
– wie auch hier – nicht verändert wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. September 2012 – 1 StR 534/11 – juris Rn. 23 ff., 26).
cc) Eine abweichende Auslegung des Begriffs ist nicht aufgrund einer systematischen Auslegung des §
130a SGB V bzw. dem Sinn und Zweck dieser Regelung geboten. Die Vorschrift regelt die Rabattverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmer
und steht im Zusammenhang mit der in §
130 SGB V geregelten Verpflichtung der Apotheker, gesetzlichen Krankenkassen Rabatt bei der Arzneimittelversorgung zu gewähren. Denn
obgleich unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem pharmazeutischen Unternehmer und den Versicherten nicht bestehen, ist
dessen Herstellerabgabe wesentlich für die von den gesetzlichen Krankenkassen an die Apotheken zu zahlenden Abgabepreise.
Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, wie zuvor schon ausgeführt, aufgrund der Entwicklung der Herstellerabgabepreise die
Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel zu begrenzen (vgl. auch Schneider in jurisPK-
SGB V, 4. Auflage Stand 27. Oktober 2021, §
130a Rn. 7). Hierbei kam es dem Gesetzgeber ersichtlich darauf an, den Preisstopp für solche neuen Arzneimittel zu verhängen,
die nicht nur wirkstoffgleich sind, sondern auch hinsichtlich ihrer Darreichungsform im Vergleich zum Bezugsarzneimittel keine
zulassungspflichtige Änderung darstellen (vgl. § 29 Abs. 3 Nr. 2 AMG), sondern insofern vergleichbar im Sinne des § 29 Abs. 2a Nr. 3a AMG sind.
Dahinstehen kann, ob die vom Europäische Gerichtshof im Urteil vom 29. April 2004 – C-106/01 – (juris Rn. 36 f.) gefundene Definition des Begriffs der Darreichungsform auch vorliegend maßgeblich ist, wie die Klägerin
geltend macht. Denn selbst dann, wenn bei der Begriffsauslegung auch die Aufmachung des Arzneiprodukts zu berücksichtigten
wäre, führt dies vorliegend zu keiner Abweichung, und zwar selbst dann nicht, wenn man der Auffassung der Klägerin folgte,
dass vorliegend die Aufmachungen von Cefotrix P einerseits und Ceftriaxon PL andererseits, und zwar im Sinne des äußeren Erscheinungsbildes,
jeweils andere wären.
Der Europäische Gerichtshof hat mit vorstehend zitiertem Urteil im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens ausgeführt, dass
der Begriff der Darreichungsform weder in der Richtlinie 65/65 (EWGRL 65/65) in geänderter Fassung noch in den zur Zeit der
Ereignisse des Ausgangsverfahrens geltenden allgemeinen arzneimittelrechtlichen Gemeinschaftsvorschriften definiert sei. In
der Liste der Standardbegriffe des im Rahmen des Europarats erarbeiteten Europäischen Arzneibuchs (abrufbar unter www.edqm.eu;
aktuell: EDQM Standard Terms Internal controlled vocabularies for pharmaceutical dose forms Version 1.2.0 – 28 January 2019)
werde die Darreichungsform als Verbindung der Form, in der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form,
in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form definiert. Diese Liste sei für die Prüfung der in jenem,
vor dem Europäischen Gerichtshof relevanten Frage, ob sich die betreffenden Arzneimittel im Wesentlichen glichen, geeignet,
nützliche Kriterien für die Definition des Begriffs der Darreichungsform eines Arzneimittels vorzugeben. Der Europäische Gerichtshof
hat auf dieser Grundlage entschieden, dass für die Bestimmung der Darreichungsform eines Arzneimittels im Rahmen des Verfahrens
nach Artikel 4 Absatz 3 Nummer 8 Buchstabe a Ziffer i oder iii der Richtlinie 65/65 in geänderter Fassung auf die Form, in
der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, und die Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen
Form abzustellen sei. In diesem Rahmen sei bei Arzneimitteln wie denen des Ausgangsverfahrens, die als eine für die Verabreichung
an den Patienten mit einem Getränk zu verdünnende Lösung angeboten werden und nach Verdünnung eine Makroemulsion, eine Mikroemulsion
oder eine Nanodispersion bilden, davon auszugehen, dass sie dieselbe Darreichungsform hätten, sofern die Unterschiede bei
der Einnahmeform wissenschaftlich nicht erheblich erschienen (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 – C-106/01 – juris Rn. 42).
Die vom Europäischen Gerichtshof – richtlinienbezogen – gefundene Definition stellt hiernach gerade nicht allein oder vorrangig
auf die Aufmachung ab, sondern für die Frage der Vorliegens der – gleichen – Darreichungsform unter Berücksichtigung der Einnahmeform
einschließlich der physikalischen Form darauf, ob Unterschiede bei der Einnahmeform wissenschaftlich nicht erheblich erscheinen.
Auch hieran gemessen ist vorliegend zumindest eine vergleichbare Darreichungsform anzunehmen mit der Folge, dass zur Überzeugung
des Senats auch kein Grund für eine (im Ermessen des Senats stehende) Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß § 267 Abs. 2 AEUV ersichtlich ist, da der Begriff der vergleichbaren Darreichungsform nicht im Widerspruch zu europarechtlichen Regelungen
ausgelegt wird.
dd) Die Darreichungsform des gegenständlichen Arzneimittels und des Referenzarzneimittels ist danach zumindest vergleichbar,
und zwar im Sinne von § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG. Der Begriff der Vergleichbarkeit ist ebenso wenig legaldefiniert, indes schon hinsichtlich seines natürlichen Wortsinns
nicht gleichbedeutend mit Identität, Austauschbarkeit oder Änderung (nachfolgend i). Eine vergleichbare Darreichungsform liegt
nach I.4 des Leitfadens a.F. bzw. 5.4 des Leitfadens n.F. vor, wenn die Darreichungsformen des Vergleichsarzneimittels und
der Neueinführung im Sinne der arzneimittelrechtlichen Zulassung vergleichbar sind. Weiter heißt es dort, dass die Ermittlung
auf der Grundlage der Darreichungsformenstruktur der ABDATA erfolge, die ebenfalls nicht gegen die Vergleichbarkeit spricht
(nachfolgend ii). Gegen die vom Senat als hier gegeben erachtete Vergleichbarkeit der Darreichungsformen spricht schließlich
nicht die von der Klägerin vorgelegte E-Mail des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 29. Mai
2009 (nachfolgend iii).
i) Die Darreichungsformen der gegenständlichen Arzneimittel – Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung – sind nach entsprechender
Auslegung zumindest vergleichbar, wie §
130a Abs.
3a Satz 3
SGB V a.F. bzw. Satz 4
SGB V n.F. voraussetzt. Zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass es hier nicht auf die Regelungen zur Austauschbarkeit von
Arzneimitteln (aut idem) ankommt.
Das allgemeine Wortverständnis gibt bereits vor, dass eine Darreichungsform, die vergleichbar ist, nicht zwingend identisch
zu sein hat. Vielmehr reicht eine gewisse Ähnlichkeit aus, um von Vergleichbarkeit sprechen zu können. Dieses Wortverständnis
wird in dem vom Sozialgericht zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 1. März 2011 – B 1 KR 10/10 R – (juris Rn. 48) ebenfalls vertreten, wenn es zum Begriff der Vergleichbarkeit (dort von Wirkstoffen) heißt, dass dies gerade
nicht Austauschbarkeit oder Identität bedeutet.
Nach dem auch hier zu beachtenden Willen des Gesetzgebers, der, wie schon ausgeführt, mit dem Hinweis auf § 29 AMG offensichtlich den im Arzneimittelgesetz etablierten Wortlaut aufgegriffen hat, hat dieser mit seiner Begründung zur maßgeblichen Änderung von § 29 Abs. 2a AMG (vgl. BT-Drs. 11/5373 S. 15) ausgeführt, dass nach der bisherigen Rechtslage bei einer Änderung der Zusammensetzung der wirksamen
Bestandteile, d. h. der Bestandteile, die Einfluss auf die Pharmakokinetik oder Pharmakodynamik haben, nach § 29 Abs. 3 stets
eine neue Zulassung zu beantragen gewesen sei, und zwar unabhängig davon, ob es sich um arzneilich wirksame oder sonstige
wirksame Bestandteile, wie z. B. Konservierungsstoffe, handelte. Nunmehr sei nur noch bei einer Änderung der arzneilich wirksamen
Bestandteile eine Neuzulassung erforderlich. Sonstige wirksame Bestandteile könnten nach Genehmigung der Zulassungsbehörde
geändert werden. Bei einer Änderung der Darreichungsform in eine vergleichbare Darreichungsform sowie bei einer Änderung gentechnologischer
Herstellungsverfahren erscheine eine präventive Kontrolle durch Genehmigung der Änderung ausreichend, weil nicht alle Aspekte
der Zulassung neu geprüft werden müssten.
Der Gesetzgeber hat mit der entsprechenden Änderung des § 29 Abs. 2a Nr. 3 AMG im Umkehrschluss zu Abs. 3 Nr. 2 zum Ausdruck gebracht, dass eine Änderung der Darreichungsform in eine vergleichbare keine umfassende Prüfung der (deutschen)
Zulassungsbehörde nach sich zieht. Er geht insofern davon aus, dass eine Änderung des Arzneimittels nicht zulassungspflichtig
ist, soweit hiermit keine Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile erfolgt, wie es etwa bei einer Änderung der Darreichungsform
in eine vergleichbare und sonstiger wirksamer Bestandteile der Fall ist (vgl. auch VG Köln, Urteil vom 7. Dezember 2007 –
18 K 4523/05 – BeckRS 2007, 141532, Rn. 27f.).
ii) Soweit der Leitfaden des Beklagten in der jeweiligen Fassung auf die Darreichungsformenstruktur der ABDATA verweist, die
für die Frage der galenischen Eigenschaften auf die physikalische Ausgangsform abstellt, die wiederum durch Abgabeform, Freisetzungsverhalten
und galenische Grundform gegliedert wird, ergibt sich keine Abweichung zu der gefundenen Auslegung. Die galenischen – von
der Arzneiform abhängigen – Eigenschaften sind bei den hier verglichenen Arzneimitteln Ceftriaxon PL und Cefotrix P dieselben.
Es handelt sich beide Male um das wirkstoffhaltige Pulver, welches mit einem geeigneten Lösungsmittel zu einer Infusionslösung
zu rekonstituieren ist, um arzneilich wirksam verabreicht zu werden. Ob die Kochsalzlösung bereits in der Packung enthalten
ist oder nicht, spielt für die galenischen Eigenschaften des Wirkstoffs ebenso wenig eine Rolle wie die Rekonstitution mit
einer vergleichbaren, calciumfreien Trägersubstanz.
iii) Auch aus der von der Klägerin vorgelegten E-Mail des BfArM vom 29. Mai 2009, welche sich ausschließlich auf die Zulassungspflicht
gemäß Annex II der VO 1084/2003/EC bezieht, folgt nichts Gegenteiliges. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1084/2003 der Kommission
vom 3. Juni 2003 über die Prüfung von Änderungen einer Zulassung für Human- und Tierarzneimittel, die von einer zuständigen
Behörde eines Mitgliedstaats erteilt wurde, wurde ein vereinfachtes rasches Mitteilungsverfahren beabsichtigt, das die Einführung
bestimmter geringfügiger Änderungen gestattet, welche die zulassungsgemäße Qualität, Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des
Arzneimittels nicht beeinträchtigen, ohne dass der Referenzmitgliedstaat zuvor eine Bewertung vornimmt. Bei anderen Typen
geringfügiger Änderungen sollte eine Bewertung der vorgelegten Unterlagen durch den Referenzmitgliedstaat auch weiterhin erforderlich
bleiben. Definiert wurde hiermit explizit, wodurch eine geringfügige bzw. eine größere Änderung gekennzeichnet ist (vgl. Art.
3 Nr. 2 und 3). Insofern ist, wie vom Verwaltungsgericht Köln zu Recht entschieden worden ist (vgl. Urteil vom 14. Juni 2007
– 13 K 4808/05 – juris Rn. 40), davon auszugehen, dass die hiermit vorgenommenen Klassifikationen von geringfügigen Änderungen der Typen
Ia und Ib, größeren Änderungen nach Typ II sowie schließlich einen Erweiterungsantrag erfordernden Änderungen nach dem jeweiligen
Anhang II dieser sowie der VO (EG) 1085/2003 mit den Regelungen des § 29 AMG nicht übereinstimmen. Anders als das deutsche Recht sehen die europarechtlichen Verordnungen – wie auch aus der in Bezug
genommenen E-Mail des BfArM vom 29. Mai 2009 ersichtlich wird – hinsichtlich der Darreichungsform ein strengeres Regime vor.
Dementsprechend findet nach § 29 Abs. 4 und 5 AMG die Vorschrift des § 29 Abs. 2a und 3 AMG auf Arzneimittel, für die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder dem Rat der Europäischen Union eine Genehmigung
für das Inverkehrbringen erteilt worden ist oder für die die Verordnung (EG) Nr. 1084/2003 Anwendung findet, keine Anwendung.
2. Soweit die Klägerin geltend macht, mit dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Arzneimittels Ceftriaxon PL keine
Umgehungsstrategie verfolgt zu haben, sondern dass allein sicherheitsrelevante Aspekte hierfür relevant gewesen seien, kann
dies dahinstehen. Das Gesetz sieht eine ggf. von den Gerichten positiv festzustellende Umgehungsabsicht des pharmazeutischen
Unternehmers für ein neu eingeführtes Arzneimittel in §
130a Abs.
3a SGB V nicht als Tatbestandsmerkmal vor, auch wenn durch Satz 3 a.F. bzw. Satz 4 n.F. nach der gesetzgeberischen Intention im Ergebnis
verhindert werden sollte und soll, dass der Preisstopp etwa durch Änderungen der Packungsgröße oder der Wirkstärke umgangen
wird (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, 10 EL 2022, § 130a Rn. 18). Ob hiermit, wie die Klägerin meint, „Strategien zur Umgehung“
verhindert werden sollten, kann dahinstehen. Maßgebliches Ziel war eine Senkung der durch die gesetzlichen Krankenkassen zu
finanzierenden Arzneimittelkosten und insofern eine Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung
(vgl. BT-Drs 17/2170 S. 37; Luthe in Hauck/Noftz, 10 EL 2022, § 130a Rn. 5). Dies in Erwägung ziehend, greift die genannte
Regelung auch vorstehend angesichts des mit der Einführung der Kombinationspackung von der Klägerin erhöhten Abgabepreises.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das sogenannte Preismoratorium bestehen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in
seinem Beschluss vom 28. April 2007 – 1 BvR 866/07 – (juris) die Abschlagspflicht als – grundsätzlich gerechtfertigten – Eingriff in die Berufsfreiheit der pharmazeutischen
Unternehmen qualifiziert. Dafür, dass solches hier nicht gelten würde, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Festlegung eines
zwangsweise zu gewährenden Preisabschlags zugunsten der GKV bei Generika greift zwar in die Berufsfreiheit (Art.
12 Abs.
1 GG) der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen ein, sie ist jedoch auch bezogen auf den gegenständlichen Preismoratoriumsabschlag
durch einen vernünftigen Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt. Er dient dem Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität
der GKV, ohne für die betroffenen Unternehmen, und zwar hier unter Zugrundelegung des vom Beklagten errechneten Abschlags
von 9,24 €, unzumutbar zu sein (vgl. zum Generikaabschlag BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R – juris Rn. 42)
4. Unabhängig davon, dass die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag und im Verfahren nicht ausdrücklich auch die vom Beklagten
(unter Beachtung des Abgabepreises von Ceftriaxon PL im Verhältnis zu dem von Cefotrix P) festgestellte Höhe des Preismoratoriumsabschlags
(9,24 €) angegriffen hat, hat der Senat auch keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung. Der Abschlag für die Neueinführung
Cetriaxon PL ist gemäß §
130a Abs.
3a Satz 3 (a.F.) bzw. Satz 4 (n.F)
SGB V auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße
unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt. Entsprechend wurde vorliegend verfahren. Konkrete Einwendungen hat
die Klägerin gegen die Berechnung der Abschlagshöhe auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO.
Der Senat hat die Revision in Ermangelung einer höchstrichterlichen Klärung des unbestimmten Rechtsbegriffs der (vergleichbaren)
Darreichungsform wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (vgl. §
160 Abs.
1 und
2 Nr.
1 SGG).