Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt des Beginns der Verletztenrente des Klägers.
Der 1948 geborene Kläger erlitt am 05.10.1965 im Beitrittsgebiet einen Arbeitsunfall, bei dem er sich mit einer Kreissäge
an der linken Hand verletzte. Wegen der Unfallfolgen wurde er in den Jahren 1965 und 1966 mehrfach operiert. Danach erfolgten
keine weiteren Behandlungen mehr.
Am 19.10.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Begutachtung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.10.1965.
Auf Veranlassung der Beklagten fertigte der Chirurg Dr. T. am 13.02.2006 ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers. Die
durch den Arbeitsunfall vom 05.10.1965 bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab 01.10.2004 20 v. H. Der Chirurg
Prof. Dr. K. nahm beratungsärztlich Stellung. Die unfallbedingte MdE auf chirurgischem Fachgebiet liege lediglich bei 15 v.
H.
Auf dieser Grundlage gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 03.05.2006 eine Stützrente nach einer MdE von 15 v.
H. ab 01.10.2004. Im Widerspruchsverfahren fertigte der Neurologe und Psychiater Dr. K. am 12.12.2006 ein weiteres Gutachten
nach Untersuchung des Klägers. Die unfallbedingte MdE betrage auf neurologischem Fachgebiet 10 v. H., die Gesamt-MdE 20 v.
H. Prof. Dr. K. bestätigte diese Einschätzung beratungsärztlich. Die Beklagte half dem Widerspruch des Klägers daraufhin mit
Abhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 teilweise ab. Sie gewährte dem Kläger ab 01.10.2004 eine Verletztenrente
nach einer MdE von 20 v. H. Gemäß §
215 Abs.
8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) sowie §§ 1156 Abs. 1 und 1546 Abs. 1
Reichsversicherungsordnung (
RVO) sei die Rente ab 01.10.2004 zu gewähren.
Sein auf die Gewährung einer Verletztenrente ab 01.01.2000 gerichtetes Begehren hat der Kläger mit der am 26.03.2007 zum Sozialgericht
Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Die Rente sei unter Berücksichtigung der Verjährungsregelung des §
45 Abs.
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) ab 01.01.2000 zu gewähren. Die Unfallfolgen bestünden seit Jahrzehnten unverändert.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.06.2007 abgewiesen. Der Rentenbeginn richte sich gemäß §
212 SGB VII nach § 1546 Abs. 1 Satz 1
RVO. Danach sei dann, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wurde, der Anspruch spätestens zwei Jahre
nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden. Bei späterer Anmeldung begännen die Leistungen mit dem Ersten des
Antragsmonats, wenn nicht die verspätete Anmeldung auf Verhältnissen beruht, die außerhalb des Willens des Antragstellers
liegen. § 1546 Abs. 1 Satz 1
RVO sei vorliegend anzuwenden, weil sowohl der Versicherungsfall als auch der Leistungsfall vor dem Inkrafttreten des
SGB VII am 01.01.1997 eingetreten sind und die Vorschriften der §§
212 ff.
SGB VII nichts anderes bestimmen. Von einem Leistungsfall vor dem 01.01.1997 sei auszugehen, weil auch der Kläger angegeben hat,
dass die Unfallfolgen seit Jahrzehnten unverändert bestehen und dies in Übereinstimmung mit dem Behandlungsende 1966 steht.
Einen früheren Beginn der Verletztenrente könne der Kläger nur erreichen, wenn §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII anwendbar wäre. Nach dieser Regelung gälten die Vorschriften über Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des
Inkrafttretens des
SGB VII eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten des
SGB VII erstmals festzusetzen sind. Eine hierunter fallende Vorschrift über Renten sei §
72 Abs.
2 SGB VII, wonach Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt werden, der auf den Tag folgt, an dem der Versicherungsfall eingetreten
ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist. Wäre diese Vorschrift auf die Verletztenrente des Klägers anwendbar,
wäre dem Kläger die Verletztenrente somit grundsätzlich auch für Zeiträume vor dem 01.10.2004 zu bewilligen. §
72 Abs.
2 SGB VII sei jedoch hier nicht anwendbar, weil die Verletztenrente des Klägers im Sinne des §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII vor dem Inkrafttreten des
SGB VII erstmals festzusetzen war. Zwar könne für eine Auslegung dahin, dass die in §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII enthaltene Formulierung "erstmals festzusetzen sind" so zu verstehen sei, dass damit der Zeitpunkt der Erteilung des Verwaltungsakts
über die erstmalige Festsetzung der Leistung gemeint ist, die Begründung des Gesetzgebers zu Art. 1 § 219 Abs. 3 des Entwurfs
des Unfallversicherungseinordnungsgesetzes vom 07.08.1996 (BGBl. I S. 1254) sprechen. Hiernach habe die Neuregelung über Renten für alte Versicherungsfälle dann gelten sollen, wenn diese Leistungen
erst nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift festgesetzt wurden, weil andernfalls abgeschlossene Sachverhalte erneut überprüft
werden müssten (Bundestags-Drucksache 13/2204, S. 121). Des Weiteren könnte das in §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII enthaltene Nebeneinander von Pflichtleistungen und Ermessensleistungen für diese Auffassung sprechen, weil bei den Pflichtleistungen
der Anspruch mit der Erfüllung ihrer normativen Voraussetzungen und bei Ermessensleistungen in der Regel mit der Bekanntgabe
der Entscheidung über sie entsteht. Im Sinne des §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII seien jedoch nach Ansicht des SG und in Übereinstimmung mit der - soweit ersichtlich einhelligen - Kommentarliteratur Leistungen dann "erstmals festzusetzen",
wenn die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, auch wenn die tatsächliche Feststellung erst später
erfolgt (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Auflage, §
214 SGB II, Rdnr. 13.2; Ricke, in: Kasseler Kommentar, §
214 SGB VII, Rdnr. 10). Für diese Auslegung spreche insbesondere, dass der Zeitpunkt der Antragstellung kein geeignetes Kriterium für
die Frage ist, ob altes oder neues Recht anzuwenden ist. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, einen Versicherten,
der den Leistungsantrag nach dem 31.12.1996 gestellt hat, für einen zurückliegenden streitigen Zeitraum besserzustellen als
einen Versicherten, der den Antrag bereits vorher gestellt hat. Ebenso wenig nachvollziehbar wäre es, wenn die Ausschlussregelung
des § 1546 Abs. 1 Satz 1
RVO greifen würde, wenn der zuständige Versicherungsträger vor dem Inkrafttreten des
SGB VII bereits eine - positive oder negative - Entscheidung über den Rentenanspruch getroffen hat, nicht aber, wenn eine solche
Entscheidung erstmals nach Inkrafttreten ergeht. Die Regelungen in §§
212,
214 Abs.
3 SGB VII ließen nicht erkennen, dass durch die Übergangsvorschriften ein auf Grund des früher geltenden Rechts bereits eingetretener
Leistungsausschluss - wie hier durch § 1546 Abs. 1 Satz 1
RVO - wieder rückgängig gemacht werden soll. Nach Auffassung des SG sei somit der Auffassung der Vorzug zu geben, wonach die Leistung "erstmals festzusetzen" ist, wenn die materiellen Voraussetzungen
für den Leistungsbezug erfüllt sind, auch wenn die tatsächliche Festsetzung durch den Versicherungsträger erst später erfolgt
(so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2007 - L 7 U 1931/02). Diese Auslegung berücksichtige zudem, dass §
214 Abs.
2 Satz 1
SGB VII die Wendung "neu festgesetzt wird" enthält, während §
214 Abs.
3 SGB VII abweichend hiervon formuliert "erstmals festzusetzen sind". Diese Abweichung in der Formulierung spreche ebenfalls dafür,
dass in §
214 Abs.
3 SGB VII etwas anderes gemeint ist als die tatsächliche Festsetzung der Leistung (BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 9/03 R -).
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30.07.2007 zugestellte Urteil haben diese am 06.08.2007 Berufung beim
Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger erachte §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII vorliegend für anwendbar. Die Worte "erstmals festzusetzen" in §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII seien so zu interpretieren, dass damit der Zeitpunkt der Erteilung des Verwaltungsaktes über die erstmalige Festsetzung der
Leistung gemeint ist. Bezug genommen werde insbesondere auf die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.03.2002 -
L 17 U 105/01 -.
Dr. K1 hat am 30.11.2009 Stellung genommen. Die Unfallfolgen hätten sich seit 1966 nicht verändert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.06.2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 03.05.2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente ab 01.01.2000 zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 29.06.2007 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.02.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.
Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 01.12.2000 bis 30.09.2004 kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente zu. Ein
Anspruch besteht vielmehr gemäß §
212 SGB VII i. V. m. § 1546 Abs. 1 Satz 1
RVO erst ab 01.10.2004.
1. Nach §
212 SGB VII gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des
SGB VII lediglich für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des
SGB VII am 01.01.1997 eingetreten sind, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes geregelt ist. Der Versicherungsfall
des Klägers ist vor dem 01.01.1997, nämlich am 05.10.1965, eingetreten.
2. §
214 Abs.
3 SGB VII beinhaltet keine vorliegend anwendbare Ausnahmevorschrift vom genannten Grundsatz. Danach gelten die Vorschriften über Renten
auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des
SGB VII eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erstmals festzusetzen sind.
a) Nach der bereits vom SG zutreffend wiedergegebenen einhelligen Kommentarliteratur sind im Sinne des §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII Leistungen "erstmals festzusetzen", wenn die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, auch wenn die
tatsächliche Festsetzung erst später erfolgt (Krasney, in: Becker/Burchardt/Krasney,
SGB VII, §
214 Rdnr. 7; Graeff, in: Hauck/Noftz,
SGB VII, §
214 Rdnr. 7; Schmitt, 4. Auflage,
SGB VII, §
214 Rdnr. 11; Ricke, in: Kasseler Kommentar, Stand: 10/2009, §
214 SGB VII; Dahm, in: Lauterbach, Unfallversicherung -
SGB VII, §
214 Rdnr. 11; Kunze, in: LPK-
SGB VII, 2. Aufl., §
214 Rdnr. 6). Darüber hinaus wird die Formulierung "erstmals festzusetzen sind" in dem Sinne verstanden, dass es auf den Zeitpunkt
ankommt, in dem der jeweilige Leistungsanspruch entstanden und fällig geworden ist (Ricke, aaO.; vgl. aber auch: Ricke, aaO.,
Stand: 4/2002, § 214, Rdnr. 10; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2003 - L 7 U 1931/02 -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 20).
Diese im Wesentlichen übereinstimmenden Auffassungen werden damit begründet, die Anwendung des neuen Rechts dürfe nicht von
den Zufälligkeiten der Verfahrensdauer abhängen (Graeff, aaO., Rdnrn. 5, 7; Schmitt, aaO., Rdnr. 11; Dahm, aaO.; Kunze, aaO.),
was Manipulationen ermögliche (Schmitt, aaO.).
b) Für die Auffassung des Klägers, wonach die in §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII enthaltene Formulierung "erstmals festzusetzen sind" so zu verstehen ist, dass damit der Zeitpunkt der Erteilung des Verwaltungsakts
über die erstmalige Festsetzung der Leistung gemeint ist, spricht nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom
20.02.2001 - B 2 U 1/00 R - die Begründung des Gesetzgebers zu Art. 1 § 219 Abs. 3 des Entwurfs des UVEG. Danach solle die Neuregelung über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen für alte Versicherungsfälle dann gelten,
wenn diese Leistungen erst nach dem Inkrafttreten dieser Vorschriften festgesetzt werden, weil andernfalls abgeschlossene
Sachverhalte erneut überprüft werden müssten. Weiterhin spreche - wie vom SG zutreffend ausgeführt - das in §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII enthaltene Nebeneinander von Pflichtleistungen (Renten nach den §§
56 bis
70 SGB VII, Beihilfen nach §
71 Abs.
1 bis
3 SGB VII sowie Abfindungen bei Wiederheirat nach §
80 SGB VII) und Ermessensleistungen (Beihilfen nach §
71 Abs.
4 SGB VII, Abfindungen nach den §§
75,
76 und
78 SGB VII sowie in der Regel Mehrleistungen nach §
94 SGB VII) für diese Auffassung, weil bei den Pflichtleistungen der Anspruch mit Erfüllung ihrer normativen Voraussetzungen (§
40 Abs.
1 SGB I), bei Ermessensleistungen - sofern nichts Besonderes bestimmt ist - mit der Bekanntgabe der Entscheidung über sie entsteht
(§
40 Abs.
2 SGB I) und nicht erkennbar ist, inwiefern die beiden Anspruchsarten bei der Frage, welches Recht anzuwenden ist, grundlegend unterschiedlich
zu behandeln sind.
c) Welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist, hat das BSG in dem genannten Urteil jedoch nicht abschließend entschieden,
weil die Beklagte im betreffenden Verfahren vor Inkrafttreten des
SGB VII bereits einen den Rentenanspruch ablehnenden Bescheid erlassen hatte und der Begriff der erstmaligen Festsetzung nach Auffassung
des BSG selbst dann, wenn man der Auffassung des Klägers folgt, nur so ausgelegt werden kann, dass es auf die erste tatsächliche
Verwaltungsentscheidung über die Leistung durch Bescheid ankommt, unabhängig davon, ob darin die Leistung antragsgemäß zugesprochen
oder ganz oder teilweise abgelehnt wird, und unabhängig davon, ob und wann dieser Bescheid bindend oder ganz oder teilweise
zurückgenommen oder aufgehoben wird.
Seine Auffassung hat das BSG damit begründet, dass der wesentliche Zweck einer Übergangsvorschrift - wie der des §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII und der übrigen Übergangsvorschriften des
SGB VII (§§
212 bis
220) - darin liege, dass in allen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, in denen über die in diesen Vorschriften genannten Leistungen
oder Leistungsvoraussetzungen zu entscheiden ist, unabhängig von ihrem Ausgang Rechtssicherheit über das anzuwendende Recht
besteht. So müsse vom ersten Tag des Inkrafttretens neuer Vorschriften namentlich bei "Altfällen" Klarheit darüber bestehen,
ob noch das alte oder bereits das neue Recht anzuwenden ist. Mit dem Zweck der Übergangsvorschrift des §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII wäre es auch nicht vereinbar, wenn sich erst lange Zeit nach dem Inkrafttreten des
SGB VII herausstellte, welches Recht unmittelbar nach dem Inkrafttreten anzuwenden war. Eine Auslegung, die unabhängig von der Bindungswirkung
oder Rechtskraft auf die erste (positive oder negative) Verwaltungsentscheidung abstelle, stelle vom ersten Tag des Inkrafttretens
des
SGB VII an sicher, welches Recht anzuwenden ist.
d) Im Hinblick auf diese Ausführung des BSG hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 22.03.2002 - L 17 U 105/01 - entschieden, dass die Formulierung "erstmals festzusetzen ist" so zu verstehen sei, dass damit der Zeitpunkt des Erlasses
des Verwaltungsaktes über die erstmalige Festsetzung der Leistung gemeint sei, jedenfalls dann, wenn der Antrag auf die Leistung
erst nach dem 01.01.1997 gestellt worden ist. In diesen Fällen greife das Argument, die Anwendung des neuen Rechts dürfe nicht
von Zufälligkeiten der Verfahrensdauer abhängen, gerade nicht. Auch lasse sich nur so sicherstellen, dass vom ersten Tag des
Inkrafttretens der neuen Vorschriften an Klarheit darüber besteht, ob das alte oder das neue Recht anzuwenden ist. Wäre die
Entstehung des Leistungsanspruchs entscheidend, stellte sich eventuell erst lange Zeit nach Inkrafttreten des
SGB VII heraus, welches Recht unmittelbar nach dem Inkrafttreten hätte angewendet werden müssen. Denn ob und ggf. seit wann die materiellen
Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, lasse sich oft erst nach langwierigen und zeitaufwändigen Ermittlungen,
die unter Umständen mehrere Jahre in Anspruch nehmen könnten, klären.
e) Diese Argumentation überzeugt den Senat nicht. Nach Auffassung des Senats, die mit der des LSG Baden-Württemberg (Urteil
vom 23.01.2003 - L 7 U 1931/02 -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 26), des LSG Berlin (Urteil vom 02.11.1999 - L 2 U 91/98 -, zitiert nach JURIS, Rdnrn. 18 ff.) und des LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.05.2004 - L 3 U 51/02 -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 20) übereinstimmt, ist der Zeitpunkt der Antragstellung kein geeignetes Kriterium für die Frage,
ob altes oder neues Recht anzuwenden ist. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, einen Versicherten, der den Leistungsantrag
nach dem 31.12.1996 gestellt hat, für einen zurückliegenden streitigen Zeitraum besserzustellen als einen Versicherten, der
den Antrag bereits vorher gestellt hat. Bei einer früheren Antragstellung wäre im Falle des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale
des § 1546 Abs. 1
RVO ein Rentenbeginn erst zum Ersten des Antragsmonats möglich.
Ebenso wenig nachvollziehbar ist, warum die Ausschlussregelung des § 1546 Abs. 1
RVO greifen sollte, wenn der zuständige Versicherungsträger vor dem Inkrafttreten des
SGB VII bereits eine - positive oder negative - Entscheidung über den Rentenanspruch getroffen hat, nicht aber, wenn eine solche
Entscheidung erstmals nach Inkrafttreten ergeht. Die Regelungen in §§
212,
214 Abs.
3 SGB VII lassen nicht erkennen, dass hier durch die Übergangsvorschriften ein auf Grund des früher geltenden Rechts bereits eingetretener
Leistungsausschluss - wie hier durch § 1546 Abs. 1
RVO - wieder rückgängig gemacht werden sollte.
Nach Auffassung des Senats ist deshalb der in der Literatur praktisch einhellig vertretenen Auffassung der Vorzug zu geben,
wonach die Leistung "erstmals festzusetzen" ist, wenn die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug (hier: Eintritt
des Versicherungsfalls, Ende der Arbeitsunfähigkeit, MdE in rentenberechtigendem Grade über die 13. bzw. 26. Woche hinaus,
Inkrafttreten bundesdeutschen Rechts im Beitrittsgebiet) erfüllt sind, auch wenn die tatsächliche Festsetzung durch den Versicherungsträger
erst später erfolgt.
Der Senat verkennt nicht, dass es im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten mag, den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls
und das Vorliegen der übrigen materiellen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch festzustellen. Da aber gerade in den
Fällen, in denen über den Beginn der Rentenzahlung gestritten wird, diese Voraussetzungen ohnehin festgestellt werden müssen,
stellt dies kein überzeugendes Argument gegen das Abstellen auf die materiellen Voraussetzungen dar.
Schließlich ist zweifelhaft, ob, wie das BSG im Urteil vom 20.02.2001 meint, tatsächlich vom ersten Tag des Inkrafttretens
neuer Vorschriften an Klarheit darüber bestehen muss, ob altes oder neues Recht anzuwenden ist. Nach Auffassung des Senats
genügt es, wenn anhand der Übergangsregelungen eindeutig festgestellt werden kann, welches Recht anzuwenden ist. Dies ist
auch bei einem Abstellen auf das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der Fall, wobei diese Lösung - gerade im Hinblick
auf die Ausschlussregelung des § 1546 Abs. 1
RVO - den Vorzug der materiellen Gerechtigkeit hat (ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2003 -, aaO.).
Die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug waren vorliegend, da eine Änderung der Unfallfolgen seit 1966 nicht
eingetreten und bundesdeutsches Recht im Beitrittsgebiet am 01.01.1992 in Kraft getreten ist, ab 01.01.1992 gegeben. Das ergibt
sich zur Überzeugung des Senats aus der Einlassung des Klägers und der ergänzenden Stellungnahme von Dr. K1 vom 30.11.2009.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die vom Gesetzgeber verwendete Formulierung "erstmals festzusetzen sind" eindeutig
und daher nicht - unter Heranziehung der Gesetzesmotive - auslegungsbedürftig. Eine Leistung ist erstmals festzusetzen, wenn
die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind und die Beklagte zur Gewährung der Leistung - gesetzlich
- verpflichtet ist. Der Eintritt des Versicherungsfalls allein begründet noch keinen Anspruch auf Verletztenrente. Dieser
ist an weitere materiell-rechtliche Voraussetzung geknüpft, nämlich daran, dass bundesdeutsches Recht im Beitrittsgebiet gilt,
die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Versicherungsfalls über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall bzw. der Berufskrankheit
hinaus (§ 580 Abs. 1
RVO) bzw. infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus (§
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII) um wenigstens 20 v. H. gemindert ist und keine Leistungshindernisse bestehen (§ 580 Abs. 2, 3
RVO, §
72 SGB VII). Sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztenrente vor dem 01.01.1997 erfüllt, hat der
Versicherte also vor dem Tage einen mit der Verpflichtung der Beklagten zur Leistungsfestsetzung korrespondierenden Leistungsanspruch
erworben, kommt die Ausnahmeregelung des §
214 Abs.
3 SGB VII nicht zur Anwendung und es gilt das in §
212 SGB VII normierte Versicherungsfallprinzip, d. h., es findet das Recht Anwendung, das zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls
galt. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Feststellung der Leistung kommt es nicht an.
Soweit sich der Kläger für seine gegenteilige Auffassung auf die amtliche Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 13/2204, S. 121
zu § 219 des Entwurfs; BR-Drucksache 263/95, S. 344 zu § 219) beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass die dort gewählte Formulierung,
dass das neue Recht für alte Versicherungsfälle gelte, "wenn diese Leistungen erst nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift
festgesetzt werden", im Gesetz gerade nicht enthalten ist. Soweit man überhaupt, was sehr zweifelhaft erscheint, von der verwendeten
Formulierung auf einen bestimmten Willen des Gesetzgebers schließen kann, hat dieser jedenfalls in der Gesetzesfassung des
§
214 Abs.
3 SGB VII keinen Ausdruck gefunden. Die Gesetzesmotive können nur dann für die Auslegung einer gesetzlichen Regelung ausschlaggebend
sein, wenn sie im Gesetz selbst hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden sind. In §
214 Abs.
3 Satz 1
SGB VII ist eine Formulierung Gesetz geworden, die nur die Auslegung zulässt, die der Senat in Übereinstimmung mit dem LSG Baden-Württemberg
(aaO.), dem LSG Berlin (Urteil vom 02.11.1999 - L 2 U 91/98 -, zitiert nach JURIS, Rdnrn. 18 ff.), dem LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.05.2004 - L 3 U 51/02 -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 20) und mit der einhelligen Meinung im Schrifttum oben dargelegt hat.
Für diese Auslegung spricht auch, dass kein sachlicher Grund dafür ersichtlich ist, die Anwendung des alten oder des neuen
Rechts von den Zufälligkeiten der Verfahrensdauer abhängig zu machen und einen Versicherten für einen zurückliegenden streitigen
Zeitraum besser zu behandeln, als jemanden, dessen Anspruch auf Verletztenrente noch vor dem Außerkrafttreten des § 1546 Abs. 1
RVO bescheidmäßig festgestellt worden war (BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 9/03 R -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 13; LSG Berlin, aaO.; LSG Berlin, Urteil vom 08.06.2004 - L 2 U 61/02 -, zitiert nach JURIS, Rdnr. 29; LSG Rheinland-Pfalz, aaO.).
3. Gemäß (§§
212,
215 Abs.
1 SGB VII, § 1150 Abs. 2
RVO i.V.m.) § 1546 Abs. 1
RVO ist, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wird, der Anspruch spätestens zwei Jahre nach dem Unfall
beim Versicherungsträger anzumelden. Wird der Antrag erst später angemeldet, so beginnt die Leistung mit dem Ersten des Antragsmonats,
es sei denn, dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers
lagen.
Da der Anspruch des Klägers vorliegend nicht spätestens zwei Jahre nach Eintritt des Versicherungsfalls bzw. Inkrafttreten
des bundesdeutschen Rechts im Beitrittsgebiet beim Versicherungsträger angemeldet wurde und keine Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen, beginnen
die Leistungen mit dem Ersten des Antragsmonats Oktober 2004. Zudem sprechen die vom BSG im Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 9/03 R - (zitiert nach JURIS, Rdnr. 13) gegebenen Hinweise ebenfalls für dieses Ergebnis. Das BSG hat in der zitierten Entscheidung
ausgeführt: "Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass für die Auslegung, 'erstmals festzusetzen' seien die Leistungen,
wenn ihre materiellen Voraussetzungen erfüllt sind oder wenn der Leistungsanspruch entstanden und fällig geworden ist, auch
der Umstand spricht, dass §
214 Abs.
2 Satz 1
SGB VII die Wendung 'neu festgesetzt wird' enthält und angesichts der davon abweichenden Formulierung in §
214 Abs.
3 SGB VII etwas anderes gemeint sein könnte als die tatsächliche Festsetzung der Leistungen."
4. Für dieses Ergebnis spricht zudem, dass sich keine Wertungswidersprüche zu den Fällen des §
215 Abs.
6 SGB VII i.V.m. § 1154 Abs. 2 und 3
RVO ergeben.
Gem. §
215 Abs.
6 SGB VII ist für die Feststellung von Renten bei Versicherungsfällen, die vor dem 01.01.1992 im Beitrittsgebiet eingetreten sind,
§ 1154
RVO mit der Maßgabe weiter anzuwenden, dass an die Stelle der dort genannten Vorschriften der
RVO die §§
56 und
81 bis
91 SGB VII treten.
Nach § 1154 Abs. 2
RVO wird, soweit nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht am 31.12.1991 ein Anspruch auf eine Unfallrente bestand und diese
wegen des Anspruchs auf eine weitere Rente der Sozialversicherung nicht oder nur zum Teil gezahlt wurde, diese vom 01.01.1992
ab gezahlt. Hat der Unfallversicherungsträger keine Kenntnis von dem Anspruch auf die Unfallrente, wird die Rente auf Antrag
gezahlt. Wird der Antrag nach dem 31.12.1993 gestellt, beginnt die Rente mit dem Ersten des Antragsmonats.
Gem. § 1154 Abs. 3
RVO beginnt die Rente, soweit für einen vor dem 01.01.1992 im Beitrittsgebiet eingetretenen Arbeitsunfall aufgrund von § 4 der
Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher
Tätigkeiten vom 11.04.1973 (GBl. I Nr. 22 S.199) am 31.12.1991 kein Anspruch auf Rente besteht, am 01.01.1992, sofern die
Voraussetzungen des § 580
RVO vorliegen. Hat der Unfallversicherungsträger keine Kenntnis von dem Anspruch auf die Unfallrente, wird die Rente auf Antrag
gezahlt. Wird der Antrag nach dem 31.12.1993 gestellt, beginnt die Rente mit dem Ersten des Antragsmonats.
Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb im Falle, in denen nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht am 31.12.1991 ein Anspruch
auf Unfallrente bestand und diese lediglich wegen des Anspruchs auf eine weitere Rente aus der Sozialversicherung nicht oder
nur zum Teil gezahlt wurde, bzw. im Falle eines vor dem 01.01.1992 im Beitrittsgebiet eingetretenen Arbeitsunfall, bezüglich
dessen vor dem 01.01.1992 ein Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde, und lediglich aufgrund von § 4 der Verordnung über
die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten
vom 11.04.1973 (GBl. I Nr. 22 S.199) am 31.12.1991 kein Anspruch auf Rente bestand, und der Träger der Unfallversicherung
keine Kenntnis davon hatte, die Rente erst ab dem Ersten des Antragsmonats gezahlt wird, während in dem Falle, in dem vor
dem 01.01.1992 überhaupt kein Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde, die Rente nunmehr für einen früheren Zeitraum gezahlt
werden soll. Eine Lösung ohne Wertungswiderprüche ergibt sich lediglich dann, wenn der einhelligen Auffassung in der Literatur
gefolgt wird.
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §
193 SGG. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.