LSG Hessen, Beschluss vom 15.01.2020 - 3 U 76/17
Vorinstanzen: SG Frankfurt 21.04.2017 S 23 U 36/17
I. Die Wiederaufnahmeklage des Klägers wird als unzulässig verworfen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 3 U 107/13.
Der 1965 geborene Kläger war bei dem B. (B.) Ortsverband A-Stadt ehrenamtlich tätig. Der B. Ortsverband A-Stadt erstattete
gegenüber der Beklagten unter dem 21. Dezember 2009 Unfallanzeige, der eine Unfallanzeige des Klägers vom 22. Oktober 2009
beifügte. Der Kläger gab an, er sei von einem Mitarbeiter der Feuerwehr der Stadt A-Stadt verletzt worden, als er am 21. Februar
2009 gegen Ende des Faschingsumzugs in A-Stadt in der C-Straße/Ecke D-Straße versucht habe, einen Rettungswagen (RTW) angreifende
betrunkene Jugendliche fernzuhalten, die den RTW hin und her geschüttelt hätten und auf dessen rückwärtiges Trittbrett aufgestiegen
seien. Beim Versuch, dieselben vom RTW fernzuhalten, habe ihn ein Feuerwehrmann brutal von hinten angegriffen und seinen rechten
Arm verdreht, so dass er stichartige Schmerzen und ein Knacken im Arm verspürt habe, weswegen er seit 23. Februar 2009 von
der Fachärztin für Sportmedizin Dr. E. mit Spritzen und Tabletten habe behandelt werden müssen.
Der Beklagte zog neben diversen medizinischen Unterlagen das Gedächtnisprotokoll des Feuerwehrmannes F. vom 6. März 2010 sowie
den Einsatzauftrag des B. A-Stadt für den Faschingsumzug am 21. Februar 2009 bei, den der damalige Einsatzleiter und stellvertretende
Bereitschaftsführer G. erstellt hatte. Nach dem Einsatzauftrag erstreckte sich die Einsatzzeit bei dem Faschingsumzug von
14 bis 17:30 Uhr. Danach waren neben dem Einsatzleiter G. fünf weitere B-Bereitschaftsangehörige als Wagenbesatzung im Einsatz.
Der Kläger wurde im Einsatzbericht als "nicht diensttauglich, Position Wache für die Einsatzzeit 13:30 Uhr bis 17:30 Uhr mit
4 Stunden" aufgeführt. Als besondere Vorkommnisse führte der Bericht auf, der Kläger habe sich unerlaubt und ohne Rückmeldung
von der Wache entfernt und sei in der C-Straße von einer RTW-Besatzung gesehen worden.
Mit Bescheid vom 19. August 2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
aus Anlass des Ereignisses vom 21. Februar 2009 ab, da der Kläger nicht bei einer betriebsdienlichen Tätigkeit verunglückt
sei. Er habe vielmehr die ihm aufgetragene und versicherte Tätigkeit im Wachdienst unterbrochen und den Rettungseinsatzort
aufgesucht, um dort eine Tätigkeit auszuführen, die weder im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe noch
dem Arbeitgeber dienlich gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 10. September 2010 Widerspruch ein mit der Begründung, er sei nie zum Wachdienst
eingeteilt worden, sondern als Ersthelfer in der C Straße, wohin er ebenso wie zurück mit den Kollegen H. und J. gefahren
sei. Die Beklagte zog eine Notiz des B.-Kreisverbands C-Stadt vom 21. April 2010 über ein Gespräch bei, an dem neben dem Kläger
die Herr K. (1. Vorsitzender des Ortsvereins) und Herr L. (Stellvertretender Kreisgeschäftsführer des Kreisverbands C-Stadt)
teilgenommen hatten. Dort wurde ausgeführt, der Kläger sei der Auffassung gewesen, dass er nicht zum Wachdienst eingeteilt
worden sei, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass er dienstuntauglich sei. In der weiteren von der Beklagten beigezogenen Mitteilung
des B-Kreisverbands C-Stadt vom 23. Juni 2010 wurde ergänzt, der Kläger habe sich auf eigene Veranlassung von der Wache entfernt,
ohne sich bei dem Einsatzleiter G. zu melden, von dem er zum Wachdienst eingeteilt worden sei. Da er keine vorschriftsmäßige
Ausbildung als Sanitäter gehabt habe, habe er sich von der Wache nicht entfernen sollen. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.
Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 10. August 2011 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az. S 3 U 153/11) erhoben. Dieses hat eine schriftliche Zeugenaussage des Herrn L. sowie schriftliche Stellungnahmen des Bereitschaftsleiters
des B-Ortsverbands A-Stadt Herrn M. vom 2. April 2012 und der Mitarbeiter J. und H. eingeholt.
Nach vorheriger Anhörung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2013 abgewiesen, da die Verrichtung
des Klägers zum Unfallzeitpunkt nicht seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Es habe kein innerer Zusammenhang zur
versicherten Tätigkeit (Dienst in der Wache) bei Verrichtung der Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls (Abhaltung der Jugendlichen
vom RTW und Gerangel mit dem Feuerwehrmann) bestanden. Der Kläger habe zwar angegeben, dass er am 21. Februar 2009 zum Sanitätsdienst
zur Bewachung des Faschingsumzugs eingeteilt gewesen sei und diesen Dienst zusammen mit den Kollegen H. und J. angetreten
und auch beendet habe. Diese Angaben des Klägers fänden jedoch in den übereinstimmenden schriftlichen (Zeugen-)Aussagen aller
befragten Mitarbeiter des B. A-Stadt keine Entsprechung. Bereits aus dem Protokoll des Einsatzes am 21. Februar 2009 ergebe
sich, dass der Kläger keinesfalls als Sanitäter im Außeneinsatz eingeteilt gewesen sei, sondern aufgrund seiner Dienstuntauglichkeit
auf der Wache habe verbleiben sollen. Dort sei weiter vermerkt, dass sich der Kläger unerlaubt ohne Rückmeldung von der Wache
entfernt habe und sodann in der C-Straße von einer RTW-Besatzung gesehen worden sei. Dass der Kläger die Wache nicht mit Erlaubnis
des Einsatzleiters und damit im Dienst befindlich verlassen habe, werde darüber hinaus durch die vom Gericht eingeholten schriftlichen
Zeugenaussagen bestätigt.
Gegen den ihm am 19. Juni 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. Juni 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
(Az. L 3 U 107/13) mit der Begründung eingelegt, er halte die erstinstanzliche Entscheidung für nichtzutreffend, da sowohl die Angaben der
B-Kollegen ebenso wie der Einsatzbericht vom Faschingsumzug unwahr seien. Der Einsatzleiter G. müsse ergänzend befragt werden.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass er Unfallversicherungsschutz zwar in erster Linie als Sanitätshelfer für den B-Ortsverband
A-Stadt begehre. Andererseits komme aber auch in Betracht, dass er als privat tätiger Nothelfer gesetzlich unfallversichert
sei.
Der erkennende Senat hat die Unfallkasse Hessen mit Beschluss vom 22. September 2014 nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz notwendig beigeladen und eine schriftliche Zeugenaussage des Einsatzleiters G. vom 24. Januar 2014 eingeholt.
Mit (rechtskräftigem) Urteil vom 27. November 2014 hat der erkennende Senat die Berufung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen
hat er im Wesentlichen ausgeführt, das Sozialgericht habe die Voraussetzungen des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes
nach §§ 2 Abs. 1 Ziff. 12. i. V. m. 8 Abs. 1 SGB VII zutreffend verneint. Die ergänzenden Ermittlungen im Berufungsverfahren hätten die sozialgerichtliche Entscheidung insoweit
bestätigt, als der Kläger zum Sanitätsdienst weder ausgebildet noch in der Lage gewesen sei, und vom B-Ortsverband A-Stadt
dazu auch nicht im Rahmen des Faschingsumzugs am 21. Februar 2009 eingesetzt worden sei. Dies hätten alle B-Kameraden bestätigt,
auch der B-Einsatzleiter G. mit schriftlicher Zeugenaussage vom 24. Januar 2014. Die Tatsache seiner Dienstunfähigkeit habe
der Kläger selbst im Senatstermin vom 27. November 2014 bestätigt. Er habe dargelegt, dass er wegen seiner psychischen Erkrankung
seit 2002 frühberentet sei, und dass durch zwei vom B. veranlasste vertragsärztliche Untersuchungen im August 2005 und im
Mai 2007 das Bestehen von Dienstunfähigkeit bestätigt worden sei. Der Kläger sei auch nicht nach § 2 Abs. 1 Ziffer 13a i. V. m. § 8 Abs. 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert gewesen. Nach § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII seien Personen gesetzlich unfallversichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisteten oder einen
anderen aus erheblicher Gefahr für seine Gesundheit retteten. Der Gesetzeszweck dieser Bestimmung bestehe darin, Personen
abzusichern, die im öffentlichen Interesse Hilfe leisten. Da anlässlich des Ereignisses vom 21. Februar 2009 weder eine gemeine
Gefahr noch Not gedroht habe, die der Allgemeinheit bzw. einer Mehrzahl von Sachen und Personen drohen müsse, sei allein zu
prüfen und im Ergebnis zu verneinen gewesen, dass der Kläger bei einem "Unglücksfall" im Sinne dieser Bestimmung Hilfe geleistet
habe. Ein Unglücksfall in diesem Sinne sei eine plötzlich eintretende Situation mit der nahe liegenden Möglichkeit eines erheblichen
Schadens für Personen oder Sachen. Für eine Hilfe zur Vermeidung eines unmittelbar drohenden Unglücksfalles bestehe ebenfalls
Versicherungsschutz. Das Hilfeleisten sei eine Unterstützungshandlung, die darauf ausgerichtet sei, einen Unglücksfall zu
beseitigen oder aus ihm erwachsene Störungen abzuwenden. Sie setze ein aktives Handeln des Tätigwerdenden zu Gunsten eines
Dritten voraus. Für den Versicherungsschutz sei nicht erforderlich, dass die Hilfeleistung auch erfolgreich sei. Allerdings
müsse es sich um eine Tätigkeit handeln, die bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände auf eine Hilfeleistung gerichtet
sei und objektiv zum Erfolg der Hilfeleistung führen könne, so dass offensichtlich vollkommen untaugliche Handlungen ausschieden.
Die den Kläger zum Eingreifen veranlassende Situation beim Faschingsumzug habe jedoch bei objektiver Betrachtung keinen eine
Hilfeleistung des Klägers erfordernden Unglücksfall dargestellt. Als gefährdete Rechtsgüter kämen neben dem Sachwert des Rettungswagens
vor allem das Leben und die Gesundheit des laut Unfallanzeige des Klägers 20 Meter entfernt liegenden Schwerverletzten in
Betracht. Der Schwerverletzte sei allerdings nach dem Vortrag des Klägers im Senatstermin bereits von den B-Kameraden J. und
H. versorgt gewesen. Die Zufahrt des Rettungswagens bis zum Schwerverletzten sei - trotz des Fehlverhaltens der alkoholisierten
Jugendlichen - zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Die freiwillige Feuerwehr A-Stadt habe eine Gasse gebildet, durch die
der RTW bis zur Einsatzstelle habe fahren können. Die Gefahr einer Beschädigung des RTW durch die aufs Trittbrett springenden
Jugendlichen habe ebenso wenig bestanden wie das Risiko des Umkippens des RTW, da die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr
A-Stadt die Situation unter Kontrolle gehabt hätten, wie den Darlegungen des Feuerwehrmannes F. vom 6. März 2010 zu entnehmen
sei. Der Kläger habe jedoch glaubhaft versichert, er sei der Auffassung gewesen, in der konkreten Situation helfend eingreifen
zu müssen, was im Ergebnis allerdings keine andere Entscheidung rechtfertige. Eine Hilfeleistung im vorgenannten Sinne könne
zwar auch bejaht werden, wenn der Handelnde irrtümlich an eine Situation glaube, die die Merkmale eines Unglücksfalls erfülle,
obwohl dieser objektiv nicht vorliege (sog. Putativ-hilfeleistung), wobei an die Erkenntnis des Handelnden, dass eine Hilfeleistung
gebietende Situation vorliegt, keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Indes könne die subjektive Vorstellung
des Handelnden allein, es bestehe ein Unglücksfall und er wolle insoweit Hilfe leisten, den Versicherungsschutz nicht begründen.
Die Handlungstendenz müsse nach gefestigter Rechtsprechung durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt werden.
Die Einschätzung des Handelnden müsse bei lebensnaher Betrachtung anhand der objektiven Sachlage nachvollziehbar sein. Maßgeblich
für die Beurteilung ist der Zeitpunkt des Handelns (ex-ante-Betrachtung), d.h. der Helfer müsse zu diesem Zeitpunkt - objektiv
nachvollziehbar - einen Unglücksfall bejaht, Hilfe für notwendig erachtet und seine Maßnahmen für geeignet gehalten haben.
Derartige objektive Umstände machten die Einschätzung des Klägers nicht nachvollziehbar. Dem Kläger sei vielmehr beim Beginn
seines Handelns klar gewesen, dass die Versorgung der Schwerverletzten durch die beiden B-Sanitätskollegen J. und H. sichergestellt
gewesen sei. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Feuerwehr der Stadt A-Stadt in ausreichender Mannschaftsstärke vor Ort gewesen
sei und die Zufahrt des RTW gesichert habe. Zudem sei dem Kläger bekannt gewesen, dass der RTW von Fahrer und Beifahrer besetzt
gewesen sei, die einer Gefährdung des RTW durch alkoholisierte Jugendliche hätten entgegentreten können, was wegen des Feuerwehreinsatzes
aber offenbar nicht erforderlich geworden sei. Der Kläger habe offenbar seine "Befehlsgewalt" von dem Feuerwehrmann F. als
verletzt angesehen und habe das Ganze zu einem "Zuständigkeitskonflikt" stilisiert, wie seiner E-Mail vom 16. August 2014
zu entnehmen sei, auf die er im Senatstermin hingewiesen habe. Insgesamt stelle sich die Einschätzung der Situation durch
den Kläger als nicht angemessen und bei lebensnaher Betrachtung nicht nachvollziehbar dar.
Der Kläger hat mit Wiederaufnahme- bzw. Restitutionsklage vom 3. März 2017, eingegangen bei dem Sozialgericht Frankfurt am
Main am 6. März 2017 und bei dem Hessischen Landessozialgericht am 3. Mai 2017 (nach Verweisungsbeschluss vom 27. April 2017),
sinngemäß im Wesentlichen geltend gemacht, dass das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2014 auf "Falschaussagen
von Zeugen" - F., H., J., M., G., L. - beruhe, im Falle des B-Einsatzleiters G. auf "Meineid". Ferner hat der Kläger als "präsenten
Zeugen" RLSG a. D. N. sowie als weitere Zeugin die bis April 2007 tätige B-Einsatzleiterin O. benannt. Des Weiteren macht
der Kläger als Restitutionsgrund § 580 Nr. 7b) ZPO geltend und bezieht sich auf einen Widerspruchsbescheid des Versorgungsamtes Fulda vom 20. Januar 2016, der beweise, dass
er am 21. Februar 2009 bei dem Faschingsumzug Dienst gehabt habe. In den Gründen des Widerspruchsbescheids wird u. a. aufgeführt:
"Ihr Antrag geht auf ein Entschädigungsbegehren zurück, welches sich auf eine Rangelei anlässlich des Faschingsumzugs am 21.02.2009
in A-Stadt AX. bezieht. Damals waren Sie als Angehöriger der freiwilligen Feuerwehr mit der Sicherung des Umzuges betraut
und gerieten mit einem ebenfalls freiwilligen Helfer des B. über die Art und Weise einer Hilfeleistung in Streit. Der Hergang
wurde im Widerspruchsbescheid vom 25.08.2010 hinreichend dargestellt. Auf eine Wiederholung verzichte ich". Auf Aufforderung
des Senats hat der Kläger auch den im Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid vom
25. August 2010 übersandt. In letzterem war ausgeführt worden, dass nicht abschließend habe geklärt werden können, welche
der zum Teil differierenden Darstellungen (des Klägers und des beteiligten Feuerwehrmannes) zuträfen. Ein vorsätzlicher rechtswidriger
tätlicher Angriff des Feuerwehrmannes als Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch war nicht als im Vollbeweis erwiesen
angesehen worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt
am Main vom 13. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.
Juli 2011 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 21. Februar 2009 um einen Arbeitsunfall gehandelt
hat.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen (sinngemäß),
die Klage abzuweisen.
Der Senat hat den Kläger zur beabsichtigten Verwerfung der Restitutionsklage als unzulässig mit gerichtlichem Schreiben vom
9. Oktober 2019 angehört.
Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug
genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Wiederaufnahme- bzw. Restitutionsklage war gemäß § 179 Sozialgerichtsgesetz SGG - in Verbindung mit §§ 578 Abs. 1, 580, 581 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss in entsprechender Anwendung des § 158 SGG als unzulässig zu verwerfen (zur Verwerfung durch Beschluss vgl. BSG, Beschluss vom 23. April 2014 - B 14 AS 368/13 B, SozR 4 - 1500 § 179 Nr. 1; Beschluss vom 10. Juli 2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr. 6).
Für die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme- bzw. Restitutionsklage ist erforderlich, dass ein zulässiger Wiederaufnahme- bzw.
Restitutionsgrund schlüssig behauptet wird (vgl. BSGE 81, 46, 47 ff.; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, Rdnr. 9 zu § 179). Die Wiederaufnahmegründe sind in § 179 SGG i. V. m. §§ 578 ff. ZPO abschließend geregelt (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O. Rdnr. 3c zu § 179).
Auf der Grundlage des Vortrags des Klägers zur Begründung seiner Wiederaufnahme- bzw. Restitutionsklage ist bereits die Zulässigkeit
der Klage zu verneinen, da kein zulässiger Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens schlüssig behauptet worden ist.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2014 auf "Falschaussagen
von Zeugen" - F., H., J., M., G., L. - beruhe, im Falle des B.-Einsatzleiters G. auf "Meineid", hat er keinen zulässigen Restitutionsgrund
schlüssig vorgetragen.
Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 1 ZPO bezieht sich lediglich auf die Beeidigung einer Aussage durch eine Prozesspartei und ist im sozialgerichtlichen Verfahren
von vornherein nicht anwendbar, weil dort keine Parteivernehmung vorgesehen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
a. a. O., Rdnr. 5 zu § 179).
Nach § 580 Nr. 3 ZPO läge ein Restitutionsgrund vor, wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder
Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat. Zur Zulässigkeit der Restitutionsklage
gehört im Falle des § 580 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich, dass ein rechtkräftiges verurteilendes Strafurteil vorliegt (Reichold in Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 38. Aufl., Rdnr. 1 zu § 581 ZPO; BGH NJW 83, 230). Hierfür ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, ebenso wenig für einen Ausnahmefall, in dem die Restitutionsklage
bei fehlender Verurteilung zulässig ist (vgl. § 581 Abs. 1 ZPO).
Der Kläger hat auch keinen zulässigen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7 ZPO schlüssig behauptet, soweit er sich auf den Widerspruchsbescheid des Versorgungsamtes Fulda vom 10. Januar 2016 beruft. Nach
§ 580 Nr. 7 ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes
Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung
herbeigeführt haben würde. Zunächst muss eine Urkunde im Sinne des §§ 415 ff. ZPO vorliegen, d. h. eine durch Niederschrift verkörperte Gedankenerklärung (vgl. BGHZ 65, 300; Geimer in Zöller vor § 415 Rdnr. 2). Die Regelung ist nicht anwendbar für andere Beweismittel (wie z. B. Zeugen), für Urkunden
nur, soweit es der Zweck der Vorschrift zur Wiederaufnahme erfordert (vgl. BSGE 29, 10, 14). Entscheidend ist, dass durch die Urkunde für jedermann augenfällig wird, dass das Urteil unrichtig ist (vgl. BSGE 29,
10, 13 BGHZ 46, 300, 303). Die Urkunde muss zudem dem Beweis von Tatsachen dienen; nur indizielle Aussagekraft reicht nicht aus (vgl. Leitherer
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O. Rdnr. 5g zu § 179 m. w. N.). Überdies muss die Urkunde grundsätzlich
im Vorprozess schon vorhanden sein, d. h. in einem so frühen Zeitpunkt errichtet gewesen sein, dass der Beteiligte sie im
Vorprozess benutzen konnte, also spätestens zur Zeit der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BSGE 9, 266, 271; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O. Rdnr. 5h zu § 179 m. w. N.). Ausnahmen gelten für später
errichtete Urkunden, die ihrer Natur nach nur frühere Tatsachen beweisen können - BGHZ 65, 300 - (z. B. später errichtete Geburtsurkunde - BGHZ 46, 300 - nicht aber ein Erbschein - BVerwGE 20, 344, auch nicht ein EuGH-Urteil, in dem später von früherer Entscheidung abweichende Auffassung vertreten wurde - BFHE 123, 310). Im Fall des vom Kläger vorgelegten Widerspruchsbescheids des Versorgungsamtes Fulda vom 20. Januar 2016 ist schon nicht
ersichtlich, dass (allein) durch diesen für jedermann augenfällig ist, dass das Urteil unrichtig ist. Nach der Passage in
den Gründen des Widerspruchsbescheids, auf die sich der Kläger beruft, soll er als Angehöriger der freiwilligen Feuerwehr
mit der Sicherung des Faschingsumzugs betraut gewesen sein, was aber bislang nicht einmal der Kläger selbst geltend gemacht
hat (und auch nicht mit dem in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid vom 25. August 2010 übereinstimmt). Überdies ist der
Bescheid nicht im Vorprozess schon vorhanden gewesen, wie dies die Rechtsprechung hinsichtlich einer Urkunde im Sinne des
§ 580 Nr. 7b) ZPO grundsätzlich fordert. Eine Ausnahme von diesem Erfordernis kann hier nicht angenommen werden.
Ein zulässiger Wiederaufnahmegrund nach § 179 Abs. 2 SGG ist ebenso wenig schlüssig behauptet (strafgerichtliche Verurteilung eines Beteiligten, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung
der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat).
Weitere Wiederaufnahmegründe sind nicht ersichtlich bzw. sind nicht schlüssig behauptet worden.
Des Weiteren ist die Wiederaufnahmeklage hinsichtlich der geltend gemachten Restitutionsgründe auch verfristet. Die Wiederaufnahmeklage
ist gemäß § 586 ZPO innerhalb eines Monats seit positiver Kenntnis der Tatsachen, die den Wiederaufnahmegrund ergeben, zu erheben (vgl. Leitherer
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O. Rdnr. 7a zu § 179 m. w. N.). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte
ist davon auszugehen, dass dem Kläger der als Restitutionsgrund geltend gemachte Widerspruchsbescheid des Versorgungsamtes
Fulda vom 20. Januar 2016 bereits deutlich länger als ein Monat vor Erhebung der Wiederaufnahmeklage am 6. März 2017 bekannt
war, auch Falschaussagen von Zeugen hat der Kläger bereits im früheren gerichtlichen Verfahren geltend gemacht (vgl. z. B.
Schriftsätze im Berufungsverfahren L 3 U 107/13 vom 19. August 2013 und 22. Februar 2014).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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