Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des gegen den Beschwerdeführer (Bf.) ergangenen Ordnungsgeldbeschlusses.
Aufgrund des am 12. August 2009 eingegangenen Vernehmungsersuchens des Versorgungsamtes Wiesbaden hat das Sozialgericht Frankfurt
am Main (SG) den Bf. als Zeugen zum Beweisaufnahmetermin am 3. November 2009 geladen. Die Ladung ist laut Postzustellungsurkunde vom
19. September 2009 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden, weil eine Übergabe
in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war.
Auf Antrag des Bf. hat das SG den Termin vom 3. November 2009 aufgehoben und ihm eine neue Frist zur Abgabe des Befundberichts bis 23. November 2009 gesetzt.
Mit Verfügung vom 24. November 2009 hat es dem Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von 800 EUR angedroht, wenn der Befundbericht
nicht binnen zwei Wochen nach dem Zugang dieses Schreibens bei Gericht vorgelegt werde. In der Postzustellungsurkunde vom
26. November 2009 ist vermerkt, dass die Ordnungsgeldandrohung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche
Vorrichtung eingelegt worden ist, weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich gewesen
sei.
Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 hat das SG gegen den Bf. ein Ordnungsgeld in Höhe von 800.- EUR festgesetzt (§
118 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - in Verbindung mit §
411 Zivilprozessordnung -
ZPO -), weil er trotz Nachfristsetzung bis zum 10. Dezember 2009 den (vom Versorgungsamt) am 23. März 2009 angeforderten Befundbericht
nicht vorgelegt hatte. Zugleich hat es dem Bf. erneut eine Frist zur Vorlage des Befundberichts bis zum 22. Dezember 2009
(Eingang bei Gericht) gesetzt und ihm für den Fall der erneuten Fristversäumnis ein weiteres Ordnungsgeld angedroht. Nach
Postzustellungsurkunde vom 14. Dezember 2009 ist der Ordnungsgeldbeschluss vom 10. Dezember 2009 in den zur Wohnung gehörenden
Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden, weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum
nicht möglich gewesen sei.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2009, beim SG per Telefax am 14. Dezember 2009 eingegangen, hat der Bf. dem SG mitgeteilt, dass er die Ordnungsgeldandrohung vom 24. November 2009 erst heute am 11. Dezember 2009 in einem Kinderspielbriefkasten
ohne Namensschild zufällig gefunden habe. Er bitte um Fristverlängerung. Daraufhin hat das SG dem Bf. mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 eine Nachfrist bis 25. Januar 2010 unter weiterer Ordnungsgeldandrohung gesetzt.
Der Bf. hat mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 (Eingang beim SG am 18. Dezember 2009) Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss erhoben und geltend gemacht, die Ordnungsgeldandrohung vom
24. November 2009 sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Am 11. Dezember 2009 habe er das Schreiben des Gerichts zufällig
in einem auf seinem Grundstück befindlichen Kinderspielbriefkasten aufgefunden, der nicht für Post vorgesehen gewesen sei
und keine Beschriftung gehabt habe. Nach dem Vorfall sei er abgehängt worden. Für die Gemeinschaftspraxis gebe es keinen Briefkasten.
Die Gemeinschaftspraxis befinde sich in seinem Wohnhaus. Auch seine Privatwohnung habe keinen Briefkasten. Sowohl die geschäftliche
als auch die private Post werde entweder direkt in die Praxis gebracht, die von 8.00 bis 20:00 Uhr geöffnet sei, oder in das
Postfach der Praxis Nr. XY in der Poststelle A-Stadt eingelegt. Den Befundbericht habe er am 25. Januar 2009 erstattet. Die
C. Services GmbH, die die Zustellung der Ordnungsgeldandrohung ausgeführt hat, hat mitgeteilt, dass sich nach Befragung des
Zustellers vor Ort lediglich ein Briefkasten befinde. Dieser sei sowohl für die Arbeits- sowie die Privatnutzung vorgesehen.
Der Zusteller gebe an, den Postzustellungsauftrag ordnungsgemäß ausgeführt zu haben. Das SG hat die Beschwerde mit einem Nichtabhilfevermerk dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) vorgelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde des Bf. ist begründet.
Der Ordnungsgeldbeschluss des SG vom 10. Dezember 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Bf. in seinen Rechten, da für die Verhängung des Ordnungsgelds keine
ausreichende Rechtsgrundlage vorliegt.
Nach § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch - SGB X - kann eine Behörde das Sozialgericht um Vernehmung ersuchen, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger in den Fällen des § 21 Abs. 3 SGB X ohne Vorliegen eines der in den §§
376,
383 bis
385 und
408 ZPO bezeichneten Gründe die Aussage oder die Erstattung des Gutachtens verweigert.
Für die Abgrenzung zwischen Zeugen- und Sachverständigenbeweis ist darauf abzustellen, dass ein Zeuge über konkrete Wahrnehmungen
aussagen soll, die er gemacht hat, und nicht durch eine beliebige andere Person ersetzt werden kann, während der Sachverständige
dem Richter fehlendes Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen vermittelt und deshalb durch andere Personen mit entsprechendem
Wissen ersetzbar ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 9. Auflage, §
118 Rn 10; Thomas/Putzo,
ZPO, Kommentar 31. Aufl. 2010, Vorbem. §
373 Rn 1 jeweils m. w. N.). Im vorliegenden Fall ist vom Versorgungsamt ZY. ein Vernehmungsersuchen gegen den Bf. eingeleitet
worden, weil er auf Aufforderung des Versorgungsamtes vom 23. März 2009 und anschließende Erinnerungen vom 5. Mai und 10.
Juni 2009 keinen Befundbericht über die Behandlung der Antragstellerin nach dem Schwerbehindertenrecht erstattet hat. Ein
Gutachten war nicht angefordert worden. Daher konnte nur eine Vernehmung des Bf. als sachverständiger Zeuge (§
414 ZPO) in Betracht kommen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO.' §
118 Rn 10 c m. w. N.).
Gemäß §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
414 ZPO kommen die Vorschriften über den Zeugenbeweis zur Anwendung, insoweit zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu
deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen zu vernehmen sind. Nach den Vorschriften
des Zeugenbeweises ist die Festsetzung von Ordnungsmitteln wie dem Ordnungsgeldbeschluss nur in bestimmten Fällen zulässig.
Gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, wird gemäß §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
380 Abs.
1 ZPO ein Ordnungsgeld festgesetzt. Als Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Bf. kommt diese Norm
nicht in Betracht, nachdem der Beweisaufnahmetermin am 3. November 2009 aufgehoben worden war.
Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne Angabe eines Grundes oder aus einem rechtskräftig für unerheblich erklärten Grund
verweigert, so wird gegen den Zeugen gemäß §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
390 Abs.
1 ZPO ein Ordnungsgeld festgesetzt. Nach entsprechender Belehrung des Zeugen kann das Gericht außerdem gemäß §
378 Abs.
2 ZPO die in §
390 ZPO bezeichneten Maßnahmen treffen, wenn der Zeuge einer gerichtlichen Anordnung nach §
378 Abs. 1, Aufzeichnungen und andere Unterlagen einzusehen und zu dem Termin mitzubringen, nicht nachkommt. Außerhalb des Zeugenbeweises
gelten §
386 bis
390 ZPO entsprechend, wenn eine Partei oder ein Dritter einer gerichtlichen Anordnung gemäß §
142 Abs.
1 ZPO, die in ihrem oder in seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstige Unterlagen, auf die sich die Partei bezogen hat, vorzulegen,
nicht nachkommt (§
142 Abs.
2 Satz 2
ZPO).
Der Ordnungsgeldbeschluss des SG kann auf keine der vorgenannten Regelungen gestützt werden. Eine Zeugnisverweigerung ohne Angabe eines Grundes oder aus einem
rechtskräftig für unerheblich erklärten Grund wäre allenfalls denkbar, wenn der Befundbericht im Rahmen einer schriftlichen
Zeugenbefragung gemäß §
377 Abs.
3 ZPO angefordert worden wäre. Für eine schriftliche Zeugenbefragung fehlt es allerdings schon an der erforderlichen Belehrung
über die Wahrheitspflicht und das Recht zur Zeugnisverweigerung, denn auch die schriftliche Befragung ist eine Zeugenvernehmung
(vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO.' Anm. 4 zu § 117 m. w. N.). Im Übrigen ist der Zeuge nicht verpflichtet, schriftliche
Auskunft zu geben, nach h.M. können gegen einen schriftlich angehörten Zeugen daher keine Ordnungsmittel nach §§
380,390
ZPO verhängt werden; bleibt die schriftliche Beantwortung der Beweisfragen aus, ist der Zeuge vorzuladen und zu vernehmen (vgl.
z.B. Thomas/Putzo,
ZPO, Kommentar 31. Aufl. 2010, §
377 Rn 2; Zöller,
ZPO, Kommentar, 27. Aufl. 2009, §
377 Rn 10; BayLSG Beschl. vom 03.04.1997, Breith. 1997, 924). Bei der Erstattung des Befundberichts handelt es sich auch nicht lediglich um die Vorlage von Urkunden oder Unterlagen
im Sinne des §
142 Abs.
2 Satz 2 in Verbindung mit §
390 ZPO (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO.' §
118 Rn 10 k m. w. N.).
Der vom SG zur Stützung seines Ordnungsgeldbeschlusses vom 10. Dezember 2009 zitierte §
411 ZPO ist im Rahmen des Zeugenbeweises gerade nicht anwendbar, sondern nur im Rahmen des Sachverständigenbeweises gemäß §
402 ff.
ZPO (vgl. auch Thomas Putzo (aaO.), §
414 Rn. 1). Sonstige Rechtsgrundlagen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Bf. sind nicht ersichtlich.
Im Ergebnis kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Bf. die Ordnungsgeldandrohung vom 24. November 2011 ordnungsgemäß zugestellt
worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).