Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) - Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura -.
Der am 11. April 1940 geborene Kläger war von 1964 bis 1997 als Schiffsschlosser bei der I., Schiffbau und Maschinenfabrik,
tätig; hier war er der Einwirkung von Asbeststaub ausgesetzt. - Seit dem 1. März 1998 erhält er gemäß Bescheid vom 14. Juli
2000 von der Beklagten wegen der Folgen eines am 16. Januar 1970 erlittenen Unfalls (am linken Arm: Bewegungseinschränkung
des Handgelenkes und arthrotische Veränderungen der Knochen in diesem Bereich sowie Beeinträchtigung der Unterarmdrehung nach
Speichentrümmerbruch mit Gelenkbeteiligung) eine Verletztenrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente.
Mit Bescheid vom 25. Juli 1991 erkannte die Beklagte bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur
BKV an und gewährte ihm ab 13. März 1991 eine Verletztenrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente. Als Folgen des am 12. März
1991 eingetretenen Versicherungsfalls erkannte sie an: Einschränkung der Lungenfunktion. Grundlage dieses Bescheides waren
ein Gutachten der Ärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. J. vom 9. April 1991 und eine Stellungnahme
des Landesgewerbearztes Dr. K. vom 27. Mai 1991. In dem Gutachten von Dr. med. J. heißt es, bei dem Kläger bestehe eine gesicherte
Asbeststaubexposition über etwa 30 Jahre, so dass die röntgenologisch feststellbaren Veränderungen (insbesondere Pleuraplaques
beiderseits basal und lateral über den Mittel-/Unterfeldern) bei entsprechender Latenzzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
auf eine Pleuraasbestose und wohl auch Lungenasbestose zurückzuführen seien. Bei der Lungenfunktionsprüfung bestehe bodyphlethysmographisch
eine leicht- bis mittelgradige restriktive Ventilationsstörung. Der Sauerstoffpartialdruck liege in Ruhe und nach Belastung
allerdings noch im Normbereich. Sie halte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. für gerechtfertigt.
Zur Rentennachprüfung holte die Beklagte ein Gutachten von dem Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. L. vom 13.
Mai 1993 ein. Er führte aus, radiologisch liege eine gesicherte, recht fortgeschrittene Asbestose der Lunge und der Pleura
vor. Gegenüber dem letzten Gutachten sei radiologisch keine Änderung eingetreten. Die Asbestose zeige jedoch zum Zeitpunkt
seiner gutachterlichen Untersuchung im Gegensatz zu den Voruntersuchungen keine wesentlichen Folgen im Sinne einer bedeutsamen
Lungenfunktionsstörung. Medizinisch müsste demnach eine deutliche Besserung angenommen werden, die jedoch bei einer Asbestose
angesichts der Art der Erkrankung nicht möglich sei. Aufgrund der erhobenen Befunde könne er eine MdE wegen der Asbestose
nicht erkennen. - Nach Anhörung des Klägers entzog die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 1993 die dem Kläger bisher gezahlte
Verletztenrente mit Ablauf des Monats Juli 1993 und begründete diese Entscheidung damit, die dem Bescheid vom 25. Juli 1991
zugrunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert, denn die Lungenfunktionswerte lägen im Normbereich und verursachten
nur noch geringe Ausfallerscheinungen; die Röntgenbefunde seien unverändert.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens beauftragte die Beklagte Dr.
med. J. mit der Durchführung einer Großen Lungenfunktionsuntersuchung. In ihrer Stellungnahme vom 3. September 1993 führte
sie aus, die Lungenfunktionsuntersuchungen seien durch mangelnde Kooperation gekennzeichnet gewesen, die sich trotz entsprechender
Aufforderung zur Mitarbeit nicht gebessert hätten. Die gemessenen Vitalkapazitätswerte von maximal 29 v. H. seien nicht glaubhaft.
Während der Messungen seien Schwankungen zwischen 500 ml und 1 l auffällig gewesen. Bei einer Vitalkapazität von 29 v. H.
des Sollwertes wäre keine Belastung bis 125 Watt über insgesamt 8 Minuten möglich gewesen, die jedoch toleriert worden sei.
Der Sauerstoffpartialdruck in Ruhe habe im Normbereich gelegen und sei unter Belastung angestiegen. Eine Beurteilung der MdE
sei nach den vorliegenden Befunden nicht möglich. - Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. November
1993).
Im Rahmen der für September 1994 vorgesehenen Nachuntersuchung holte die Beklagte ein Gutachten von Dr. med. L. vom 3. November
1994 ein. Zusammenfassend führte er aus, dass bei dem Kläger eine eindeutige und ausgeprägte Asbestose der Pleura und der
Lunge vorliege, die von der Art geeignet sei, Funktionsstörungen zu verursachen. Solche Funktionsstörungen könnten jedoch
nicht zuverlässig abgeschätzt werden, denn die Lungenfunktionsprüfung sei wegen einer ungenügenden Mitarbeit kaum bewertbar.
Er sei der Meinung, dass es sich um eine bewusste Nichtkooperation handele. Wären die gemessenen Lungenfunktionsdaten real,
müsste von einer schwersten Behinderung mit ausgeprägter Ruhedyspnoe ausgegangen werden, die jedoch klinisch nicht nachweisbar
gewesen sei. Angesprochen auf die schlechten Funktionsdaten habe der Kläger gemeint, die Verschlechterung sei doch auf seine
weitere berufliche Tätigkeit mit der Schadstoffexposition durch Schleifen und Schweißen zurückzuführen. Erfahrungsgemäß verursachten
solche Schadstoffbelastungen eine obstruktive Ventilationsstörung; eine leichtgradige Obstruktion sei, soweit beurteilbar,
wohl nachweisbar, sie habe jedoch gegenüber den Voruntersuchungen nicht zugenommen. Sie sei nicht die Erklärung für die stark
erniedrigten Vitalkapazitätswerte. Der Kläger sollte darauf hingewiesen werden, dass er sich aufgrund seiner mangelhaften
Kooperation um eine mögliche ihm zustehende Entschädigung bringe, da diese nicht eingeschätzt werden könne. Vielleicht sei
dann eine weitere Begutachtung, z. B. bei Dr. med. M., möglich.
Nachdem der Kläger schriftlich seine Kooperationsbereitschaft bestätigt hatte, holte die Beklagte ein Gutachten von dem Arzt
für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie Dr. med. M. (Allgemeines Krankenhaus - AKH - N.) vom 6. Juni
1995 mit einem röntgenologischen Fachgutachten von Oberarzt O. vom 22. März 1995 ein. Dr. med. M. stellte folgende Diagnosen:
Ausgeprägte und progrediente Rippenfell- und Zwerchfellerkrankung bei früherer beruflicher Asbeststaubexposition mit hierdurch
bedingter Funktionseinschränkung, aber mit nur eher geringer pulmonaler Beteiligung nach radiologischen Gesichtspunkten, kein
Hinweis für eine Malignitätsentwicklung, leichte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität auf nicht allergische Bronchialreize.
Ferner führte er aus, die Röntgenserie zeige kontinuierlich eine Zunahme der Rippenfell- und Zwerchfellveränderungen und lasse
keinen Zweifel daran, dass eine stetige Progredienz vorhanden gewesen sei, die zu einer recht umfangreichen Verschwielung
der Rippenfellregion beidseits geführt habe. Parallel zu dieser Entwicklung habe sich im subjektiven Empfinden offensichtlich
seit Anfang der 90er Jahre eine Verschlechterung ergeben mit Belastungskurzluftigkeit zumindest bei mittlerer Belastung, ohne
dass eine schwerwiegende andere Ursache, z. B. in Form einer obstruktiven Atemwegserkrankung, nachgewiesen werden könne. Unter
Berücksichtigung des Gesamtzeitraums ab 1978 und insbesondere ab März 1991 sei die Aussage zu treffen, dass die abweichenden
Ergebnisse ab 1991 durch Kooperationsschwierigkeiten bedingt gewesen seien, die gelegentlich hätten durchbrochen werden können,
sich schließlich aber doch im Nachhinein als vorübergehend herausgestellt hätten. Die anlässlich der jetzigen Untersuchung
gelieferten Ergebnisse seien verlässlich und als gut auswertbar anzusehen gewesen. Die Längsschnittbeurteilung ab 1978 zeige
eine erhebliche Auffälligkeit, die korreliere mit den radiologischen Merkmalen und subjektiven Empfindungen des Klägers. Es
sei zu einer recht verlässlich erfassbaren Minderung der Volumenreserve gekommen aus einer ursprünglich gut erfassbaren sehr
guten Ausgangslage auf einen jetzt im mittleren Sollwert liegenden Atemreservenwert. Dieser Abfall der maximalen Vitalkapazität
gehe über den altersbedingten ganz wesentlich hinaus und reduziere die Atemreserven, die bei dem Kläger 1982 noch bei 125
v. H. der Altersnorm gelegen hätten, um ein Fünftel. Damit wäre verständlich, dass im Vergleich zu seiner gewohnten Leistungsfähigkeit
für den Kläger im subjektiven Empfinden die Atmungsfähigkeit deutlich, und zwar bei Belastung, abgenommen habe. Längsschnittstudien
an Asbeststaubbelasteten hätten ergeben, dass diese zu etwa 10 v. H. die auch im vorliegenden Fall charakterisierten Verläufe
aufwiesen mit deutlich überproportionalem Abfall der Atemreserven aus ursprünglich hochnormalen Reserven auf einen vermeintlichen
"Normwert", der jedoch bei Bekanntsein des individuellen Ausgangswertes sehr viel höher und deutlicher zu bewerten sei und
auch zu entsprechenden subjektiven Beschwerden führe. In diesen Fällen sei der "mittlere Normwert" nicht als Referenzwert
für die Leistungseinschränkung geeignet, sondern der individuelle Ausgangswert müsse herangezogen werden und daran sei auch
die MdE einzuschätzen. Diese Veränderungen müssten schon dann zu einer MdE-Einschätzung von 10 v. H. führen, wenn sie - wie
im vorliegenden Krankheitsfall - über eine Verdoppelung des physiologischen Abfalls der Vitalkapazitäten hinausgingen. Offen
sei, ob im Einzelfall bei noch höherer Reduktion dieser Erscheinung in Form einer höheren MdE Rechnung getragen werden müsse.
Falls die an dem individuellen Ausgangswert zu messende Reduktion der Atemreserven über den üblichen Altersgang hinausgehend
ein Fünftel der Atemreserven betrage, sei ernsthaft zu diskutieren, ob allein deshalb eine MdE von 20 v. H. einzuschätzen
sei. Im vorliegenden Fall sei die Bewertung mit einer MdE von 20 v. H. als Einzelfallentscheidung gerechtfertigt, denn es
lägen individuelle Lungenfunktionswerte zu einem Zeitpunkt vor, als die radiologische Entwicklung noch eher geringe Veränderungen
aufgewiesen habe und subjektive Beschwerden nicht bestanden hätten, und seither seien Abweichungen als zuverlässig erfassbar
erwiesen. Aus jetziger Sicht seien subjektive Beschwerdesymptomatik, radiologische Entwicklung und die funktionelle Entwicklung
als plausibel aufeinander beziehbar anzusehen.
Die Beklagte holte zu diesem Gutachten eine Stellungnahme von dem Arbeitsmediziner Dr. med. P. (Hauptverwaltung - Referat
für Angelegenheiten der arbeitsmedizinischen Vorsorge -) vom 26. September 1995 ein. Er führte aus, zu der Frage, ob die MdE-Schätzung
nach Vergleich mit Normwerten oder im individuellen Verlauf vorzunehmen sei, sei festzustellen, dass der individuelle Verlauf
sicherlich den Krankheitsbefund besser beurteilen lasse als der Vergleich mit Normwerten, sich die MdE hingegen nach der Abweichung
der Funktionsbefunde vom Normbereich richte. Im vorliegenden Fall sei auffällig, dass bis 1983 hochnormale Vitalkapazitätswerte
um 6 l festgestellt worden seien und es danach innerhalb von zwei Jahren zu einem Abfall der Vitalkapazitätswerte auf Bereiche
zwischen 4,6 und 5 l gekommen sei. Ab 1990 seien dann ebenfalls plötzlich sehr niedrige Vitalkapazitätswerte aufgetreten,
1993 und 1994 hätten sich dann bei den Untersuchungen durch Dr. med. L. und Dr. med. M. zumindest teilweise Vitalkapazitätswerte
bestimmen lassen, die im Bereich der Werte zwischen 1985 und 1989 gelegen hätten, wobei der beste Wert 1995 immerhin bei 107
v. H. der Vitalkapazität gelegen habe, also noch oberhalb des mittleren Wertes der Norm. Diese plötzlichen Sprünge der Vitalkapazität
seien zweifellos vom Krankheitsbefund unplausibel, da sich auch asbestbedingte Lungenfibrosen langsam entwickelten. Seit 1985
habe sich jedenfalls letztlich keine wesentliche Änderung der Funktionsbefunde gezeigt, so dass auch im Hinblick darauf, dass
die Werte immer noch im deutlich positiven Bereich lägen, eine MdE von 20 v. H. insgesamt nicht abgeleitet werden könne.
Die Beklagte forderte von Dr. med. L. eine erneute Stellungnahme nach Durchführung einer Großen Lungenfunktionsprüfung an.
In seiner Stellungnahme vom 28. Februar 1996 führte er aus, bei der Lungenfunktionsprüfung seien die inspiratorische Vitalkapazität
und die forcierte Vitalkapazität in Ruhe erheblich eingeschränkt gewesen; auffallend sei, dass der Einsekundenwert über dem
Wert für die inspiratorische Vitalkapazität liege. Erfahrungsgemäß spreche eine solche Konstellation für eine mangelhafte
Mitarbeit. Er halte eine Verschlechterung der inspiratorischen Vitalkapazität um über 2 l in einem Zeitraum von elf Monaten
für ungewöhnlich. Hierbei berücksichtige er die Konstanz des Röntgenbefundes. Auch die übrige Befundkonstellation mit einer
Belastbarkeit bis 125 Watt trotz angeblich stark eingeschränkter Atemleistung sei zumindest ungewöhnlich. Er halte eine langzeitstationäre
Behandlung im Zentralkrankenhaus (ZKH) Bremen-Ost für sinnvoll, damit dort die dringend notwendigen zusätzlichen Untersuchungen
mit HR-Computertomographie (CT) durchgeführt werden könnten.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten von Prof. Dr. med. Q./Dr. med. R. (Klinik für Lungen- und Atemwegserkrankungen
im Zentrum für Innere Medizin des S.) vom 22. November 1996 mit einem radiologischen Zusatzgutachten von Prof. Dr. med. T./Dr.
med. U. vom 13. November 1996 ein. Prof. Dr. med. Q./Dr. med. R. führten u. a. aus, bei Zusammenfassung der Lungenfunktionsdiagnostik
könne bei noch im Normbereich gemessener Vitalkapazität und normalen mitarbeitsunabhängigen bodyplethysmographischen Werten
mit normalem Residualvolumen und unauffälligen Parametern des pulmonalen Gaswechsels nicht von einer bedeutsamen pulmonalen
Funktionseinbuße ausgegangen werden. Für die von dem Kläger empfundene Atemnot könne als konkurrierende schädigungsunabhängige
Ursache eine latente Linksherzinsuffizienz namhaft gemacht werden. Weiterhin habe sich, ebenfalls schädigungsunabhängig, der
Befund eines mäßiggradig hyperreagiblen Bronchialsystems im unspezifischen bronchialen Provokationstest mit Acetylcholin ergeben.
Diese mäßiggradige unspezifische bronchiale Hyperreagibilität sei bereits von Dr. med. M. festgestellt worden und erkläre
Husten und Atemnot bei Kontakt mit unspezifischen bronchialen Reizstoffen. Der Auffassung von Dr. med. M., die MdE sei auf
20 v. H. einzuschätzen, obwohl er die Vitalkapazität mit 107 v. H. des Normwertes als durchaus normal gemessen habe, sei nicht
zuzustimmen. Zutreffend sei demgegenüber die Meinung von Dr. med. P., nach der sich die MdE-Bewertung nicht nach dem individuellen
Verlauf, sondern nach den allgemein vorgegebenen Normwerten zu orientieren habe. Als Argument hierfür sei anzuführen, dass
eine Orientierung am individuellen Verlauf diejenigen Versicherten über Gebühr benachteilige, bei denen in früheren Zeiten
keine Lungenfunktionsprüfung vorgenommen worden sei, an der sich der individuelle Verlauf und ein eventueller Vitalkapazitätsabfall
ablesen ließen. Die Orientierung am Normwert sei somit unabdingbare Voraussetzung zur Wahrung des Gleichheits- und Gerechtigkeitsprinzips.
Sie hielten es für im Einzelfall denkbar, bei grenzwertigen Befunden und typischer Konstellation die MdE nach dem individuellen
Verlauf abzuschätzen, jedoch hielten sie es keinesfalls für gerechtfertigt, bei einem guten und hochnormalen Kapazitätswert
von 107 v. H. der Norm eine MdE anzunehmen.
Mit Bescheid vom 14. Januar 1997 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, eine
MdE von wenigstens 20 v. H. liege nicht vor. Sie stützte sich auf die Darlegungen von Dr. med. P., Dr. med. L. und Prof. Dr.
med. Q./Dr. med. R. und legte dar, dass der Auffassung von Dr. med. M. nicht gefolgt werden könne.
Den am 23. Januar 1997 eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger auf die Gutachten von Dr. med. J. vom 9. April 1991 und
Dr. med. M. vom 6. Juni 1995 hinwies, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. April 1997, auf den verwiesen wird, Bl.
373/374 Verwaltungsakte).
Der Kläger hat am 15. Mai 1997 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben und wiederum auf das Gutachten von Dr. med. M. vom 6. Juni 1995 Bezug genommen. Er hat ferner vorgetragen,
er sei dem von Prof. Dr. med. Q./Dr. med. R. geäußerten Verdacht, der Abfall der Lungenfunktion sei auf eine latente Linksherzinsuffizienz
zurückzuführen, nachgegangen und habe sich kardiologisch untersuchen lassen. Dabei sei zwar ein in der Funktion leicht geminderter
linker Ventrikel festgestellt worden, jedoch habe sich ein konkreter Anhalt für eine koronare Herzkrankheit nicht ergeben.
Hierzu hat er einen Arztbrief von dem Arzt für Innere Medizin - Kardiologie - Dr. med. V. vom 16. Januar 1997 zur Akte gereicht.
Die Beklagte hat sich auf die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen bezogen.
Das SG hat ein Gutachten von dem Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie Dr. med. W. vom 17. November
1997 eingeholt. Er hat ausgeführt, am Untersuchungstag sei eine maximale Vitalkapazität von 3,81 l (90 v. H. vom Soll) gemessen
worden. Aufgrund der lungenfunktionsanalytisch gemessenen Parameter sei die MdE weiterhin auf unter 20 v. H. einzuschätzen.
Er stimme Dr. med. P. zu, dass die Sprünge der Vitalkapazität mit dem Krankheitsbild nicht in Einklang zu bringen seien. Erwähnt
werden müsse in diesem Zusammenhang der Aspekt, dass computertomographisch eine allenfalls geringe pulmonale Beteiligung an
der Asbeststauberkrankung gefunden worden sei. Die grundsätzliche Entscheidung, ob die Bemessung der MdE dem individuellen
Verlauf von Lungenfunktionsparametern zu folgen habe oder sich an den geltenden Normwerten orientieren solle, könne anlässlich
dieser Begutachtung nicht getroffen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Januar 1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich auf die Beurteilungen von Dr. med. L., Prof. Dr. med. Q./Dr. med. R., Dr. med. P. und Dr.
med. W. gestützt und den Vorschlag von Dr. med. M., angesichts der individuellen Messdaten des Klägers sei die MdE mit 20
v. H. zu bewerten, als nicht gerechtfertigt abgelehnt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Gerichtsbescheid (Bl.
42-50 Prozessakte) Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 9. Februar 1998 zugestellten Gerichtsbescheid am 3. März 1998 schriftlich beim Landessozialgericht
(LSG) Bremen Berufung eingelegt. Er macht geltend, er zweifele die von Dr. med. L., Prof. Dr. med. Q./Dr. med. R. und Dr.
med. W. erhobenen Befunde an, zumal seine Lungenfunktion stark eingeschränkt sei und er schon bei ganz leichten Anstrengungen
immer wieder Atembeschwerden bekomme. Da die Folgen eines Arbeitsunfalls eine MdE von 20 v. H. bedingten, stehe ihm auch eine
Verletztenrente zu, wenn die Folgen der Asbestose mit einer MdE von 10 v. H. bewertet würden. Die heutige Lungenfunktionsdiagnostik
erlaube eine außerordentlich differenzierte und reproduzierbare Funktionsanalyse, so dass sich auch geringe Funktionsstörungen,
die einer MdE von 10 v. H. entsprächen, feststellen ließen. - Der Kläger hat einen Arztbrief über eine von der Ärztin für
Innere Medizin, Lungen-Bronchialheilkunde, Allergologie Dr. med. X. durchgeführte Lungenfunktionsprüfung vom 16. März 1998
übersandt, der die Diagnose enthält: Nachweis einer leichten obstruktiven und mittelgradigen restriktiven Ventilationsstörung.
Ferner hat er einen Bericht der Radiologischen Praxis Y. (Dr. Z.) vom 20. März 2003 über eine CT der Brustwirbelsäule überreicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 15. Januar 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides
vom 14. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1997 zu verurteilen, ihm ab September 1994 eine
Verletztenrente in Höhe von mindestens 10 v. H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend und hat zu dem Arztbrief von Dr. med. AB. vom 16. März 1998 eine Stellungnahme von Dr. med. L. vom 14. Juli
1999 überreicht, in der es heißt, die Untersuchungsbefunde von März 1998 zeigten eine obstruktive Ventilationsstörung mit
Erhöhung des zentralen Atemwegswiderstandes (mitarbeitsunabhängig) und die Vitalkapazitätswerte bewegten sich zwischen 2,43
und 2,90 und wären demnach deutlich eingeschränkt. Das Ausmaß dieser Einschränkung übersteige deutlich die bei der leichten
Obstruktion zu erwartende Einschränkung. Die Flussvolumenkurven legten erneut den Verdacht auf eine nicht korrekte Durchführung
nahe. Sowohl inspiratorisch als auch exspiratorisch seien Flussschwankungen nachweisbar, die weder zu einer Obstruktion noch
zu einer Restriktion passten. Die Verwertbarkeit der Ergebnisse sei nicht sehr groß. Zu empfehlen sei eine erneute Begutachtung
in einem Krankenhaus.
Die Beklagte hat daraufhin den Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie Prof. Dr. med. BB.
(AKH N.) mit einer Untersuchung des Klägers und einer Begutachtung beauftragt. Er hat ein radiologisches Zusatzgutachten von
Prof. Dr. med. CB./Oberarzt O. vom 24. Januar 2001 angefordert. In ihrem Gutachten vom 23. März 2000 sind Prof. Dr. med. BB./Assistenzärztin
Dr. med. DB. zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger ausgeprägte pleurale Asbeststaubinhalationsfolgen (ausgedehnte
pleurale Verdickungen und Verkalkungen) vorlägen, die im Vergleich zu den Vorbefunden weiterhin progredient seien. Ein Anhalt
für eine Malignitätsentwicklung bestehe nicht. Wegen der Asbeststaubinhalationsfolgen bestehe nach den Lungenfunktionsparametern
keine Funktionseinschränkung.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das Gericht weiterhin ein Gutachten von dem Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie Dr.
med. EB. (Institut für Umwelt- und Arbeitsmedizin Moers) vom 14. Dezember 2000 eingeholt. Er hat ausgeführt, bei dem Kläger
bestehe eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura und - angedeutet - der Lunge. Die Pleuraverdickung und -verkalkungen
seien eindeutig und ausgeprägt; die subpleuralen Fibrosezonen seien vereinzelt vorhanden und durch hochauflösende Schichten
der thorakalen CT nachweisbar. Die Folgen der Berufserkrankung bestünden in Form von restriktiven Ventilationsstörungen, wie
sie mehrfach über den Untersuchungszeitraum hätten nachgewiesen werden können; die Obstruktion sei nicht Folge der Berufskrankheit.
Die durch die Berufskrankheit bedingte MdE sei seit dem 9. April 1991 (Begutachtung durch Dr. med. J.) bis auf weiteres mit
20 v. H. einzuschätzen. Zu diesem Zeitpunkt habe Dr. med. J. eine leicht- bis mittelgradige restriktive Ventilationsstörung
feststellen können, die im Zusammenhang mit der asbestassoziierten Pleuraerkrankung gesehen worden sei. Dieser Begutachtung
stimme er zu. In der Folgezeit seien mehrere Begutachtungen durchgeführt worden mit unterschiedlichsten Wertekonstellationen.
Sicherlich sei die Mitarbeit des Klägers nicht ausreichend; die statischen und dynamischen Lungenvolumina, die als wesentliche
Parameter für die Beurteilung einer Restriktion herangezogen werden müssten, seien nun einmal von der Mitarbeit der Probanden
abhängig. Da über den Untersuchungszeitraum häufiger Hinweise für restriktive Ventilationsstörungen in den Lungenfunktionsprüfungen
hätten nachgewiesen werden können, sei die von ihm vorgenommene Schätzung der MdE auf 20 v. H. zutreffend. Bei den jetzt durchgeführten
Überprüfungen der Lungenfunktion habe die Vitalkapazität mit 61,4 v. H. eine mittelgradige Störung gezeigt, ebenso der Einsekundenwert
mit 61 v. H. Die relative Einsekundenkapazität sei mit 83,6 v. H. hochnormal gewesen. Nach Bronchospasmolyse hätten sich bei
der Vitalkapazität und dem Einsekundenwert mittelgradige Einschränkungen gezeigt bei unveränderter hochnormaler relativer
Einsekundenkapazität. Am Folgetag des 5. Dezember 2000 habe die Vitalkapazität mit 67,9 v. H. eine mittelgradige Einschränkung
und der Einsekundenwert mit 66 v. H. eine geringe Einschränkung gezeigt. Unverändert sei die relative Einsekundenkapazität
hochnormal gewesen. Somit sei von leichten bis mittelgradigen restriktiven Ventilationsstörungen auszugehen, die eine MdE
von 20 v. H. bedingten.
Die Beklagte hat zu diesem Gutachten eine Stellungnahme von Dr. med. L. vom 2. Februar 2001 überreicht. Dieser hat darin ausgeführt,
Dr. med. EB. sei der Meinung, dass durchgehend eine leichte bis mittelgradige Restriktion nachweisbar sei, auch bei Berücksichtigung
der nicht ausreichenden Mitarbeit. Die Messergebnisse seien recht konstant, obwohl die Flussvolumenkurve nach wie vor nicht
optimal sei. Ungewöhnlich sei, dass am 12. Januar 2000 bei der Untersuchung durch Prof. Dr. med. BB. noch unauffällige Werte
nachweisbar gewesen seien (Vitalkapazität 107 v. H.), während sich bei der jetzigen Untersuchung ein Bestwert von 68 v. H.
ergebe. Eine solche Abnahme um über 1 l (von 4,2 l auf 2,9 l) aufgrund einer radiologisch nicht progredienten Asbestose innerhalb
von elf Monaten wäre sehr ungewöhnlich. Er bleibe daher bei seiner Auffassung, dass eine medizinisch-logische Beurteilung
aufgrund der Mitarbeitsprobleme nicht möglich sei.
Das Gericht hat hierzu eine Stellungnahme von Dr. med. W. vom 21. Juni 2001 eingeholt, in der er dargelegt hat, dass Dr. med.
EB. aufgrund unzureichender lungenfunktionsanalytischer Atemmanöver zu einem anderen Schluss als die Vorgutachter gekommen
sei und dabei wesentliche Grundsätze einer pneumologischen Begutachtung nicht beachtet habe. So habe er nicht beachtet, dass
mitarbeitsabhängige Werte durch optimale Atemmanöver reproduzierbar sein müssten, d. h. Werte und Kurven müssten anlässlich
mehrerer Untersuchungen weitgehend deckungsgleich sein. Wenn dies nicht möglich sei, müsse attestiert werden, dass die Untersuchung
nicht oder nur eingeschränkt bewertbar sei. Ein Paradebeispiel für ein unzureichendes Atemmanöver seien die Flussvolumenkurven,
die anlässlich der Untersuchung durch Dr. med. EB. gewonnen worden seien. Durch die Flussvolumenkurve werde in der Regel die
Strömungsdynamik erfasst, d. h. sie diene in erster Linie zum Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Allerdings sei
bei einer unzureichenden Flussvolumenkurve der Rückschluss erlaubt, dass auch die mit langsamem Atemmanöver gemessene maximale
inspiratorische Vitalkapazität nicht ausreichend reproduzierbar erstellt worden sei. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund,
dass anlässlich der vorangegangenen Untersuchungen sowohl pathologische Werte der Vitalkapazität wie auch Normwerte erzielt
worden seien. Letzteres ignoriere Dr. med. EB ... Dieser gehe auch nicht auf möglicherweise bestehende andere Ursachen der
wechselnd eingeschränkten Vitalkapazität ein. Für ein Untersuchungsergebnis müssten die besten Werte herangezogen werden.
Auf weiteren Antrag des Klägers nach §
109 SGG hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme von Dr. med. EB. vom 28. Dezember 2001 angefordert. Dieser ist bei seiner Beurteilung
geblieben und hat ausgeführt, auch bei Berücksichtigung der nicht ausreichenden Mitarbeit könne doch von einer zumindest leichten
Restriktion ausgegangen werden. Er empfehle, bei dem Kläger eine Compliance-Untersuchung durchführen zu lassen, zumal bei
dieser Untersuchung die Mitarbeit nicht erforderlich sei. Falls sich eine Einschränkung der Lungendehnbarkeit finde, seien
die angenommenen restriktiven Verteilungsstörungen eher wahrscheinlich.
Das Gericht hat hierzu wiederum eine Stellungnahme von Dr. med. W. vom 27. Mai 2002 eingeholt, in der dieser mitgeteilt hat,
dass der Kläger sich zur Messung der Lungendehnbarkeit zwar in seiner Praxis eingefunden, ihm aber berichtet habe, dass er
nach früheren Messungen immer wochenlang krank gewesen sei und daher die Untersuchung nicht durchführen lassen wolle. Dr.
med. W. ist bei seiner Kritik an der von Dr. med. EB. durchgeführten Lungenfunktionsuntersuchung geblieben und hat eine nochmalige
Begutachtung im AKH N. durch Oberarzt Dr. med. FB. vorgeschlagen.
Das Gericht ist dieser Anregung nachgekommen und hat ein Gutachten von dem Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde,
Allergologie Dr. med. FB. vom 13. August 2002 eingeholt. Er hat ausgeführt, bei dem Kläger liege eine ausgeprägte beidseitige
Pleura- und Zwerchfellasbestose mit erheblicher Verkalkung vor, die umgreifend sei, d. h., die aktuellen Röntgenaufnahmen
zeigten auch ausgeprägte Kalkplaques in der sogenannten En-face-Darstellung. Die Veränderungen hätten seit 1978 bis zum jetzigen
Zeitpunkt deutlich zugenommen, wobei offenbar von 1983 bis 1985 und von 1995 bis 2000 Schübe verlaufen seien. Die CT aus dem
Jahr 2000 bestätige die ausgeprägteren Befunde mit umgreifenden Kalkspangen. Die Folgen der Berufskrankheit bestünden einerseits
in der erheblichen Verkalkungstendenz und Verklammerung von Interkostalräumen, so dass Auswirkungen auf die Atemtiefe angenommen
werden könnten. Lungenfunktionell lasse sich eine restriktive Funktionsstörung absolut ausschließen, die Funktionseinschränkungen,
die zu gewissen Zeitpunkten gemessen worden seien, seien allein durch unzureichende Mitarbeit zu erklären. Konkurrierende
Faktoren wie Obstruktion, Überblähung, Atemwegsinfekte oder Ähnliches seien zu diesen Zeitpunkten nicht dokumentiert. Die
Funktionswerte lägen weit oberhalb der Norm. Unter Berücksichtigung der Ausführungen von Borsch-Galetke/Sigmund in "ErgoMed"
2/1998, S. 91-93, könnte/sollte unter dem Aspekt der überproportionalen Volumenverminderung in Bezug zu einer progredienten
Asbestose im Zeitraum 1978 bis 2002 eine MdE von 10 v. H. eingeschätzt werden unter der Annahme eines Stichtags vom 7. August
2002 (jetzige Begutachtung). Die derzeitige Rechtsprechung sei diesbezüglich sicherlich noch nicht einheitlich, die Einwendungen,
die von Borsch-Galetke/Sigmund vorgebracht würden, seien allerdings korrekt, wenn man sich überlege, dass z. B. ein Volumenverlust
von 20 v. H. bei einem Patienten mit einer Vitalkapazität von 120 v. H. zu einer Vitalkapazität von 100 v. H. (normal) führe,
bei einem anderen Erkrankten mit einer Vitalkapazität von 90 v. H. zu einem Funktionswert von 70 v. H. (pathologische MdE)
führen würde. Bei der Asbestoseerkrankung des Klägers sei der Fall eines intraindividuellen übermäßigen Volumenverlustes gegeben.
Das Gericht hat zu diesem Gutachten eine weitere Stellungnahme von Dr. med. W. vom 18. Dezember 2002 angefordert. Er hat ausgeführt,
aufgrund der von Dr. med. FB. gewonnenen Funktionswerte lasse sich eine restriktive Ventilationsstörung definitionsgemäß nicht
ableiten, da sie oberhalb der Norm liege. Dr. med. FB. habe ausführlich dargelegt, dass ein Abfall der Vitalkapazität mit
einem schubweisen Verlauf der Pleuraasbestose einhergegangen sei. Ausgehend von überdurchschnittlich guten Werten der Lungenvolumina
hätten die Lungenfunktionswerte signifikant abgenommen, auch wenn sie noch den Normwerten entsprächen. Für das Individuum
habe sich somit der Zustand signifikant verschlechtert. Bei der Quantifizierung von Funktionseinschränkungen würden die gemessenen
individuellen Werte mit Normwerten verglichen, die aus großen Kollektiven gezogen würden. Die generelle Frage, ob sich die
Bemessung einer MdE allein an vorgegebenen Normwerten zu orientieren habe oder auch individuelle Verläufe, ausgehend von überdurchschnittlichen
Werten, berücksichtigen solle, sei eine Frage des Prinzips. Gutachterlich könne die Argumentation von Dr. med. FB. auch deshalb
nachvollzogen werden, weil das Ausmaß der radiologisch sichtbaren Veränderungen durchaus in der Lage sei, Einschränkungen
im pulmonalen Bereich (der Atemtiefe) zu verursachen. Aufgrund des individuellen Verlaufs der Asbestose bei dem Kläger könne
er Dr. med. FB. zustimmen, dass eine MdE von 10 v. H. gerechtfertigt sei. - Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass
auch eine MdE von 10 v. H. nicht angenommen werden könne, da objektive nachweisbare Einschränkungen der Lungenfunktion nicht
vorlägen und die Untersuchungen Normwerte ergeben hätten.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. BKS 3.25509.815) beigezogen. Diese Akte und die Prozessakte (Az. S 5 U 92/97, L 16/12 U 7/98) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Dabei kann es im vorliegenden Fall dahin stehen, ob das Rentenbegehren des Klägers als "Neuantrag" zu behandeln oder anhand
der Kriterien des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu prüfen ist. Mit Bescheid vom 25. Juni 1993 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1993) hatte die Beklagte
die dem Kläger bisher gewährte Verletztenrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente mit Ablauf des Monats Juli 1993 mit der
Begründung entzogen, die dem früheren Bescheid zugrunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert, denn die Lungenfunktionswerte
lägen im Normbereich und verursachten nur noch geringe Ausfallerscheinungen; die Röntgenbefunde seien unverändert. Dem Bescheid
vom 25. Juni 1993 und dem Widerspruchsbescheid vom 12. November 1993 lagen die Gutachten von Dr. med. L. vom 13. Mai 1993
und von Dr. med. J. vom 3. September 1998 zugrunde, in denen ausgeführt ist, aufgrund der erhobenen Befunde sei eine MdE wegen
der Asbestose nicht erkennbar, zumal wegen der mangelnden Mitarbeit des Klägers die gewonnenen Befunde für die Einschätzung
einer MdE nicht verwertbar seien; wesentliche Folgen im Sinne einer bedeutsamen Lungenfunktionsstörung könnten nicht objektiviert
werden.
Da in dem Bescheid vom 25. Juni 1993 jedoch die "unveränderten Röntgenbefunde" genannt sind und daher nach wie vor Folgen
der anerkannten Berufskrankheit vorhanden waren (jedoch ohne Einschätzung einer MdE), erscheint es zunächst naheliegend, dass
die Wiederbewilligung einer Rente im Rahmen des im September 1994 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens unter den Voraussetzungen
des § 48 SGB X zu erfolgen hat. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass
eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung
für die Zukunft aufzuheben oder soll - unter weiteren Voraussetzungen - vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben
werden.
Die Anwendung des § 48 SGB X setzt allerdings voraus, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung vorgelegen haben, wesentlich geändert haben; ein Bescheid, der die Gewährung einer Rente ablehnt, ist jedoch
kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Zwar steht mit dem Eintritt der Bindungswirkung eines die Gewährung einer Rente ablehnenden
Bescheides nicht nur für den Zeitpunkt seines Erlasses, sondern auch für die folgende Zeit zwischen den Beteiligten fest,
dass dem Antragsteller die Leistung nicht zusteht, jedoch ist dies allein das Ergebnis der Bindungswirkung des ablehnenden
Bescheides. Hiervon ist die Dauerwirkung zu unterscheiden. Mit der Ablehnung eines Rentenantrages wird die Rechtslage für
den Antragsteller und den Leistungsträger einmalig gestaltet und das Bestehen eines Leistungsrechtsverhältnisses mit sich
daraus ergebenden tatsächlichen und/oder rechtlichen Wirkungen gerade verneint (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 30. Januar 1985, BSGE 58, S. 27/29; BSG, Urteil vom 22. Oktober 1985, SGb 1987, S. 510, 511 m. w. N.). Bei einer nachträglichen wesentlichen Änderung ist auch ohne Aufhebung des früheren Ablehnungsbescheides eine
Entscheidung über den "Neuantrag" zulässig (Schneider-Danwitz, SGB-SozVers-GesKomm., Bd. 4a, § 48 SGB X Anm. 38b).
Andererseits ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen LSG ein Bescheid, der die Gewährung einer Rente ablehnt, ein Verwaltungsakt
mit Dauerwirkung, wenn er die Anerkennung von Unfallfolgen (oder Folgen einer Berufskrankheit) enthält; die Zuerkennung einer
Verletztenrente setzt dann nach § 48 SGB X eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber denen bei Erlass des Ablehnungsbescheides voraus (Bayerisches LSG, Urteile
vom 10. Januar 1990, Az. L 2 U 26/89, und vom 14. Februar 1990, Az. L 1 U 55/89; Leitsätze abgedruckt im Informationsdienst des BSG - Dokumentationsstelle - vom 8. Oktober 1990). Nach dieser Rechtsauffassung bestand zwischen der Beklagten und dem Kläger
ein Dauerrechtsverhältnis, da die Beklagte nach wie vor die unveränderten Röntgenbefunde als Folgen der Berufskrankheit anerkannt
hatte. Ob diese Ansicht zutrifft, braucht nicht abschließend entschieden zu werden, denn bei einer Prüfung sowohl nach § 48 SGB X als auch als "Neuantrag" ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine Verletztenrente.
Die Einschätzung der MdE auf 10 v. H. durch Dr. med. FB. im Gutachten vom 13. August 2002 und durch Dr. med. W. in seiner
letzten Stellungnahme vom 18. Dezember 2002 überzeugt nicht. Bereits Dr. med. M. hat in seinem Gutachten vom 6. Juni 1995
die von Dr. med. FB. und zuletzt von Dr. med. W. (zurückhaltend) vertretene These aufgestellt, dass im Falle des Klägers eine
rentenrelevante MdE bestehe, da bei ihm infolge der Asbestoseerkrankung der Fall eines intra-individuellen übermäßigen Volumenverlustes
gegeben sei. Dr. med. P. hat in seiner Stellungnahme vom 26. September 1995 überzeugend ausgeführt, dass diese Sichtweise
nicht der herrschenden Meinung entspreche, vielmehr sich die MdE nach der Abweichung der Funktionsbefunde vom Normbereich
richte. Er hat im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, die entsprechenden Empfehlungen, z. B. Tagung Asbestose-Begutachtung
1987 in Hamburg-Lohbrügge, Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl. 1993, S. 885) gingen
daher bei der Bewertung der MdE bei Lungenerkrankungen immer vom Vergleich mit Normalwerten aus. Die Angabe von Dr. med. M.,
dass auf der Tagung in Essen-Heidhausen eine anderslautende Empfehlung gegeben worden sei, treffe nicht zu. Nach Durchsicht
des offiziellen Protokolls sei eine solche offizielle Empfehlung dort nicht zu erkennen, zumal - anders als bei der Tagung
in Hamburg-Lohbrügge - keine zusammenfassenden Empfehlungen zur Begutachtung gegeben worden seien, sondern sich das Protokoll
auf die Wiedergabe der Einzelreferate beschränke. Es frage sich auch, ob eine Bewertung nach dem individuellen Verlauf mit
dem Begriff der MdE übereinstimme. Hierbei handele es sich um einen abstrakten Begriff, der sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
beziehe und - von Ausnahmen abgesehen - nicht von der individuellen Betroffenheit ausgehe. Auch bei Lungenerkrankungen beziehe
sich die Einschränkung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darauf, inwieweit die Befunde von der Norm abwichen. Bei eventuellen
Einstellungsuntersuchungen für bestimmte Tätigkeiten werde bei der Erhebung von Funktionsdaten in der Bewertung immer auf
die Normwerte abgestellt, dementsprechend bezögen sich auch die "Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Grundsätze"
bei allen Lungenerkrankungen immer auf die Normwerte. Diese Auffassung haben Prof. Dr. med. Q./Dr. med. R. in ihrem Gutachten
vom 22. November 1996 bestätigt und als Begründung zutreffend angeführt, eine Orientierung am individuellen Verlauf benachteilige
diejenigen Versicherten über Gebühr, bei denen in früheren Zeiten keine Lungenfunktionsprüfung vorgenommen worden sei, an
der sich der individuelle Verlauf und ein eventueller Vitalkapazitätsabfall ablesen ließen. Die Orientierung am Normwert sei
somit unabdingbare Voraussetzung zur Wahrung des Gleichheits- und Gerechtigkeitsprinzips. Dieser Beurteilung schließt sich
das Gericht an, zumal auch Dr. med. FB. und Dr. med. W. einräumen müssen, dass ihre abweichende Beurteilung der MdE sich noch
auf eine medizinische Mindermeinung stütze.
Dr. med. W. hat ferner in seinen Stellungnahmen vom 21. Juni 2001 und 27. Mai 2002 eingehend und zutreffend dargelegt, aus
welchem Grund den gutachtlichen Ausführungen von Dr. med. EB. in seinem Gutachten vom 14. Dezember 2000 und seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 28. Dezember 2001 nicht gefolgt werden kann. Danach hat Dr. med. EB. wesentliche Grundsätze einer pneumologischen
Begutachtung nicht beachtet. So habe er - wie Dr. med. W. ausgeführt hat - nicht berücksichtigt, dass mitarbeitsabhängige
Werte durch optimale Atemmanöver reproduzierbar sein müssten und dass für ein Untersuchungsergebnis die besten Werte herangezogen
werden müssten. Bereits Dr. med. L. hat in seiner von der Beklagten überreichten Stellungnahme vom 2. Februar 2001 das Gutachten
von Dr. med. EB. als nicht überzeugend bezeichnet und ausgeführt, die von Dr. med. EB. angenommene MdE von 20 v. H. sei medizinisch-logisch
aufgrund der bekannten Mitarbeitsprobleme des Klägers nicht begründbar.
Da somit eine wesentliche Verschlimmerung nach § 48 SGB X in den Folgen der Berufskrankheit nicht eingetreten ist, erreicht die MdE weiterhin keinen rentenberechtigenden Grad. Hieraus
ergibt sich ferner, dass auch bei einer Behandlung des Rentenbegehrens des Klägers als "Neuantrag" die Gewährung einer Verletztenrente
nicht in Betracht kommt.
Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.