Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Kostenbeitragsbescheides.
Der 1943 geborene Kläger lebte mit seiner 1953 geborenen Ehefrau bis zu deren Aufnahme in einem Pflegeheim in Sachsen-Anhalt
im Dezember 2013 in einem gemeinsamen Haushalt im Regionsgebiet der Beklagten. Nachdem ein Antrag auf Hilfe zur stationären
Pflege für seine Ehefrau wegen vorrangig einzusetzenden Einkommens durch die von der Beklagten herangezogenen Stadt F. (im
Folgenden Stadt) abgelehnt worden war (Bescheid vom 14.10.2014), bewilligte die Stadt der Ehefrau des Klägers auf einen erneuten
Leistungsantrag ab Oktober 2014 Hilfe zur Pflege u.a. unter Anrechnung eines Einkommens der Eheleute von (bereinigt) 890,26
EUR durch Übernahme der (insoweit) ungedeckten Heimkosten in monatlicher Höhe von 432,91 EUR (Bescheid vom 4.12.2014). Ebenfalls
am 4.12.2014 erließ sie gegenüber dem Kläger wegen des selbst zu tragenden Anteils der Heimkosten für die Zeit ab Oktober
2014 einen Kostenbeitragsbescheid in monatlicher Höhe von 890,26 EUR und führte in der Begründung aus, der Betrag sei ab Dezember
2014 direkt an das Heim zu überweisen.
Die vom Kläger und seiner Ehefrau (jeweils) gegen die Bescheide der Stadt vom 4.12.2014 eingelegten Widersprüche wies die
Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 19.8.2015 zurück.
Auf die (nur) vom Kläger beim Sozialgericht (SG) Hannover am 18.9.2015 gegen den ihm gegenüber ergangenen Bescheid erhobene Klage, mit der er im Wesentlichen geltend gemacht
hat, der Kostenbeitragsbescheid sei rechtswidrig, weil seine Ehefrau und er seit 2011 getrennt leben würden, hat das SG unter Änderung der angefochtenen Entscheidung den monatlich zu leistenden Kostenbeitrag auf 825,79 EUR beschränkt und die
Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 27.3.2018). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, es sei aufgrund des gesamten Akteninhaltes
sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung (Anhörung des Klägers und Vernehmung seiner Tochter als Zeugin) zwar nicht
von einem Getrenntleben des Klägers und seiner Ehefrau überzeugt. Die Beklagte habe aber bei der Berechnung des Kostenbeitrages
nach § 92a SGB XII zu Unrecht nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers berücksichtigt.
Gegen die Anfang Mai 2018 zugestellte Entscheidung des SG richtet sich die Berufung des Klägers vom 31.5.2018, mit der er weiterhin die Rechtswidrigkeit des Kostenbeitragsbescheides
wegen eines Getrenntlebens von seiner Ehefrau geltend macht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27.3.2018 zu ändern und den Kostenbeitragsbescheid der Stadt F. vom 4.12.2014 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 19.8.2015 insgesamt aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten (2 Bände) verwiesen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§
153 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
SGG) Berufung ist begründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist insgesamt rechtswidrig und aufzuheben.
Gegenstand der statthaften (isolierten) Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 SGG) ist der Kostenbeitragsbescheid der Stadt vom 4.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 19.8.2015
(§
95 SGG). Der gegenüber der Ehefrau des Klägers ergangene und bestandskräftige Leistungsbescheid vom 4.12.2014 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Beklagten vom 19.8.2015) ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Ehefrau hat gegen diese Entscheidung (bei dem für ihren
Wohnort zuständigen SG in Sachsen-Anhalt) keine Klage erhoben. Die Klage des anwaltlich vertretenen Klägers kann auch nicht im Wege der Auslegung
als von seiner Ehefrau gegen den sie betreffenden Bescheid erhoben angesehen werden, weil die angefochtene Entscheidung im
angekündigten Antrag unter Nennung des behördlichen Aktenzeichens zweifelsfrei benannt worden ist und sich auch aus Klage-
und Berufungsbegründung eindeutig ergibt, dass der Kläger (allein) gegen den ihn betreffenden Kostenbeitragsbescheid vorgehen
möchte.
Der angefochtene Kostenbeitragsbescheid ist bereits deswegen rechtswidrig, weil sich die Beklagte für eine Heranziehung des
Klägers durch einen Verwaltungsakt auf keine Ermächtigungsgrundlage stützen kann.
§ 92a SGB XII enthält keine eigenständige Ermächtigung zum Erlass von Heranziehungsbescheiden (BSG, Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 17/12 R - juris Rn. 16; Bayerisches LSG, Urteil vom 24.9.2014 - L 8 SO 26/14 - juris Rn. 31;
Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 92a Rn. 7; Kiss in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II: SGB XII, 46. Ergänzungslieferung, Stand April 2019, § 92a Rn. 5a). Nach dem im Sozialhilferecht grundsätzlich geltenden Nettoprinzip werden Leistungen - außer in den ausdrücklich
gesetzlich angeordneten Fällen - nur in Höhe des Betrags erbracht, der die für die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 82 bis 84 SGB XII) und/oder die für die besonderen Sozialhilfeleistungen (§§ 85 bis 89 SGB XII) vorgesehenen Grenzen der Berücksichtigung von Einkommen überschreitet, wenn auch kein Vermögen vorhanden ist (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 17). Diesem Grundsatz entsprechend hat die Beklagte der Ehefrau unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens
von 890,26 EUR ab Oktober 2014 Hilfe zur stationären Pflege in monatlicher Höhe von 432,91 EUR gewährt (bestandskräftiger
Leistungsbescheid der Stadt vom 4.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 19.8.2015). Für eine Heranziehung
des Klägers ist daneben - auch nach anderen Rechtsgrundlagen - kein Raum, weil schon keine Leistungsgewährung nach dem sog.
Bruttoprinzip, also eine vollständige Kostenübernahme durch die Beklagte gegen Kostenerstattung, erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.