Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente. Umstritten ist insbesondere, ob die Beklagte zu Recht
einen Rentenanspruch verneint hat, weil die Ehe mit dem verstorbenen Versicherten nicht mindestens ein Jahr gedauert hat und
von einer sogenannten Versorgungsehe auszugehen ist.
Die am 00.00.1965 in F, Republik der Philippinen, geborene Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1947 geborenen und am 00.06.2011
verstorbenen Versicherten M (nachfolgend: Versicherter). Erstmals am 00.04.1997 schloss die Klägerin mit dem Versicherten
die Ehe. Damals hatte die Klägerin noch die philippinische Staatsangehörigkeit (deutsche Staatsangehörige seit 24.06.2002
- Aushändigung der Einbürgerungsurkunde). Sie hatte den Versicherten im Jahr zuvor auf den Philippinen kennengelernt. Die
Ehe wurde mit rechtskräftigem Urteil aus Dezember 2003 geschieden. Anschließend heiratete der Versicherte am 00.12.2004 die
Halbschwester der Klägerin R. Diese Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Köln - Familiengericht - vom 02.06.2010 geschieden.
Am 00.04.2011 schloss der Versicherte erneut die Ehe mit der Klägerin.
Der Versicherte bezog im Zeitpunkt seines Todes eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 1.103,64 € brutto, 991,55
€ netto. Bei einem Verkehrsunfall im Jahre 1967 hatte der Versicherte eine Fraktur des Lendenwirbelkörpers 1 mit motorisch
kompletter Querschnittslähmung erlitten. Darüber hinaus lag eine Hufeisenniere vor und der Versicherte litt unter rezidivierenden
Harnwegsinfekten. Im Mai 2010 wurde bei ihm ein Urothelkarzinom mit lymphatischer Metastasierung mit Peritonealkarzinose und
Stauungsniere links diagnostiziert. Vom 09.11.2010 bis zum 22.11.2010 wurde der Versicherte auf der Palliativstation der Universitätsklinik
B behandelt. Aufgrund seiner fortgeschrittenen Erkrankung wurde eine palliativmedizinische Schmerztherapie und Symptomkontrolle
durchgeführt. Bei der Entlassung des Versicherten sollte ausweislich des Entlassungsberichtes zu seiner Unterstützung und
der Unterstützung der pflegenden Angehörigen ein ambulanter Palliativpflegedienst eingebunden werden.
Am 17.11.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung der Witwenrente. Sie gab an, dass sie mit dem Versicherten trotz dessen
Eheschließung mit ihrer Halbschwester weiterhin in einem Haushalt gelebt habe, weil der Versicherte aufgrund der Folgen des
im Jahr 1967 erlittenen Verkehrsunfalls auf Hilfe angewiesen gewesen sei. Der Versicherte habe mit ihrer Halbschwester keinen
gemeinsamen Haushalt gehabt. Die Eheschließung sei nur erfolgt, damit ihre Halbschwester in Deutschland habe bleiben können.
Im Jahre 2009 hätten der Versicherte und die Klägerin sich eine gemeinsame Eigentumswohnung gekauft. Die Klägerin gab ferner
an, ihren Mann 1997 aus Liebe geheiratet zu haben. Er sei ihre große Liebe gewesen, deswegen habe sie ihn am 00.04.2011 erneut
geheiratet.
Mit Bescheid vom 07.03.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab. Die Ehe habe nicht mindestens ein Jahr
gedauert. Aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen ergebe sich, dass bereits vor der Eheschließung am 00.04.2011
die Diagnose einer lymphatischen Metastasierung mit Peritonealkarzinose und Stauungsniere bei einem Urothelkarzinom bekannt
gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Ehe vor dem Hintergrund der schon erkennbar tödlich endenden Erkrankung geschlossen
worden sei. Die gesetzliche Vermutung, dass es sich bei der geschlossenen Ehe um eine Versorgungsehe gehandelt habe, habe
nicht wiederlegt werden können.
Die Beklagte hatte noch Auszüge aus dem Melderegister bezüglich der Klägerin und des Versicherten beigezogen. Diese gingen
erst nach der Erteilung des o.a. Bescheides ein. Aus den Melderegisterauszügen ergibt sich, dass der Versicherte vom 13.06.1995
bis zum 01.07.2003 in B (N-Straße 1), vom 01.07.2003 bis zum 01.11.2006 in G (A-Straße 2), vom 01.11.2006 bis zum 12.02.2008
in C (E-Straße 3) und ab dem 13.02.2008 wieder in B (N-Straße 1) jeweils mit Hauptwohnsitz gemeldet war. In der Zeit vom 01.07.2003
bis zum 12.02.2008 war der Versicherte auch in B (N-Straße 1) mit Nebenwohnsitz gemeldet. Die Klägerin war vom 25.04.1997
bis zum 28.04.1998 und vom 04.06.1998 bis zum 01.05.2008 in B (N-Straße 1), am 01.05.2008 in C (E-Straße 3), anschließend
in U (X-Straße) und ab dem 01.03.2011 wieder in B (N-Straße 1) jeweils mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Gegen den rentenablehnenden Bescheid legte die Klägerin am 16.03.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass
ihr zum Zeitpunkt der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und der Heirat die Tatsache der Krankheit ihres Ehemannes
und dessen schon damals geringen Lebenserwartung bekannt gewesen sei. Sie seien damals übereingekommen, ihr für den Fall des
Todes des Versicherten eine Person ihres Vertrauens in Deutschland zu besorgen. Dies habe ihre Halbschwester R sein sollen,
die 2003 nach Deutschland gekommen sei. Um ihr ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen, habe sich der Versicherte von der Klägerin
scheiden lassen und die Halbschwester R geheiratet. Tatsächlich sei aber die Klägerin nach wie vor die "faktische Ehefrau"
und tatsächliche Pflegeperson des Versicherten gewesen. Die Ehe mit R sei am 00.06.2010 geschieden worden. Aufgrund wiederholter
Krankenhausaufenthalte habe die erneute Eheschließung erst im April 2011 erfolgen können. Die Durchführung des Versorgungsausgleiches
nach der Scheidung im Jahre 2003 und die eigene berufliche Tätigkeit der Klägerin deckten ihren Bedarf. Darüber hinaus sei
sie Eigentümerin der Eigentumswohnung in U, die zunächst gemeinschaftliches Eigentum gewesen sei und nunmehr in ihrem Alleineigentum
stehe.
Der Prozessbevollmächtigte führte ergänzend aus, der Versicherte habe ihm am 17.09.2004 in einem verschlossenen Briefumschlag
enthaltende Unterlagen übergeben und die Anweisung erteilt, sich im Halbjahresabstand zu melden. Der Versicherte habe ihm
diverse Kontaktdaten hinterlassen und ihm den Auftrag erteilt, bei erfolgloser Kontaktaufnahme sich mit der Klägerin, N-Straße
1 in B, in Verbindung zu setzten und die ihm überlassenen Unterlagen an diese weiterzuleiten. Er habe dann regelmäßig mit
dem Versicherten Kontakt aufgenommen. Dieser habe am 15.03.2010 telefonisch den Auftrag erteilt, den Scheidungsantrag bezüglich
seiner Ehe mit R einzureichen. Die letzte vereinbarte Kontaktaufnahme sei nicht mehr erfolgt, weil die Klägerin ihn von dem
Tod des Versicherten unterrichtet habe. Er habe dann die ihm überlassenen Unterlagen übergeben. Diese hätten unter anderen
ein Testament vom 16.12.2000 zugunsten der Klägerin enthalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei nicht nachgewiesen
worden, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat nicht die Schließung einer Versorgungsehe gewesen sei. Die vorherige
Ehe könne nicht "angerechnet" werden. Nach dem Gesetzeswortlaut sei nur die "letzte" Ehe bei der Berechnung der Ehezeit zu
berücksichtigen. Den Angaben der Klägerin, sie habe auch nach der Scheidung in einem Haushalt mit dem Versicherten gewohnt,
könne nicht gefolgt werden. Nach der Auskunft der Stadt B hätten sie erst ab dem 01.03.2011 gemeinsam in der Wohnung des Versicherten
gewohnt. Vorher habe die Klägerin eine eigene Wohnung in U gehabt.
Die Klägerin hat am 18.10.2012 Klage erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Besondere Umstände,
die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprächen, könnten auch darin liegen, dass eine Heirat zur Sicherung der erforderlichen
Betreuung bzw. Pflege des erkrankten Ehegatten erfolge. Dem Krankheitszustand zum Zeitpunkt der Eheschließung möge eine besondere
Bedeutung zukommen, jedoch sei auch bei der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits lebensbedrohlich erkrankten
Versicherten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass jedenfalls gleichwertig andere Gründe vorlägen. Die Beklagte könne sich
nicht allein auf die eingeholte Melderegisterauskunft stützen. Schon aus dieser ergebe sich, dass die Klägerin trotz der am
21.10.2003 erfolgten Scheidung bis zum 01.05.2008 in der gemeinsamen Ehewohnung gewohnt habe und gemeldet gewesen sei. Sie
habe aber auch weiterhin über den 01.05.2008 hinaus bis zum 08.06.2011 zusammen mit dem Versicherten unter der Adresse N-Straße
gelebt.
Auf Anfrage des Sozialgerichts hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie den Versicherten im Mai 1996 über eine Anzeige kennen
gelernt habe. Zum damaligen Zeitpunkt habe sie als Krankenschwester in einer Apotheke in Manila gearbeitet. Einen genau zu
datierenden Willensentschluss zur zweiten Hochzeit könne sie nicht angeben. Tatsache sei, dass sie und der Versicherte auch
nach ihrer Scheidung im Jahre 2003 bis zu seinem Tod zusammen gelebt hätten. Der Bevollmächtigte sei Anfang des Jahres 2010
beauftragt worden, die Ehe des Versicherten mit R "zu scheiden". Dieser habe dann am 01.04.2010 den Scheidungsantrag gestellt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 aufzuheben und ihr die
große Witwenrente mit Rentenbeginn am 01.07.23011 nach dem Todd von Herrn M zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Versicherten behandelnden Ärzte D (Facharzt für Urologie - Bericht vom 24.07.2013)
und V (Ärztin für Allgemeinmedizin - Bericht vom 29.08.2013) eingeholt:
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.06.2014 hat das Sozialgericht die Klägerin und die Zeuginnen R, und Z gehört.
Die Zeugin R hat von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Wegen der Angaben der Klägerin und der Zeugin Z wird
auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30.06.2014 Bezug genommen.
Durch Urteil vom 30.06.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die
Klägerin habe die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt. Im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung der Klägerin
mit dem Versicherten sei dessen lebensbedrohliche Erkrankung bekannt gewesen. Die Sicherstellung der Pflege als anderer Grund
für die Eheschließung scheide aus. Der Versicherte sei schon zuvor von der Klägerin und deren Schwester gepflegt worden. Die
Eheschließung habe der Klägerin lediglich die Aussicht auf eine Hinterbliebenenrente verschafft. Bereits durch das Testament
des Versicherten vom 06.04.2010 sei sie als Alleinerbin eingesetzt gewesen. Unklar sei, wo sich der Versicherte, die Klägerin
und deren Halbschwester jeweils aufgehalten hätten. Die Angaben der Klägerin und die Meldebescheinigungen seien nicht in Einklang
zu bringen. Die Angaben der Zeugin Z seien unergiebig.
Gegen das ihr am 08.07.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.08.2021 Berufung eingelegt und vorgetragen, das Sozialgericht
habe die Angaben der Zeugin Z nicht hinreichend gewürdigt. Es sei logisch gewesen, dass sie den Versicherten erneut geheiratet
habe. Der Aufenthalt ihrer Schwester in Deutschland sei sichergestellt gewesen. Versorgungsgründe hätten keine entscheidende
Rolle gespielt. Über den durchgeführten Versorgungsausgleich und die in ihrem Eigentum stehende Eigentumswohnung in U sei
sie bereits hinreichend abgesichert gewesen. Soweit das Sozialgericht ausgeführt habe, es sei unklar, an welchen Orten sich
der Versicherte, ihre Schwester und sie sich jeweils aufgehalten hätten und warum sein Wohnsitz im Testament mit U angegeben
gewesen sei, spiele dies für die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine reine Versorgungsehe gehandelt habe, keine Rolle.
Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, wo sie offiziell gemeldet gewesen sei und wo die Eheleute sich jeweils aufgehalten
hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.06.2014 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.03.2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 zu verurteilen, ihr große Witwenrente ab dem 01.07.2011 nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts ist die Klägerin erneut gehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 17.10.2016 Bezug genommen. Die als Zeugin zu diesem Termin geladene Halbschwester der Klägerin R
hat bereits im Vorfeld des Termins erneut von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Der Senat hat sodann die Unterlagen des Standesamtes B hinsichtlich der zweiten Eheschließung der Klägerin mit dem Versicherten
sowie die den Versicherten betreffende Akte der AOK Rheinland/Hamburg - Pflegekasse beigezogen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat Vermerke über Gespräche mit dem Versicherten vom 20.09.2004, 02.04.2009, 22.02.2010,
einen Schriftwechsel mit dem Erbbauverein B aus September 2004, zwei Testamente des Versicherten vom 22.7.1998 und 16.12.2000
und eine von ihm an die Klägerin ausgestellte Bankvollmacht vom 15.4.2003 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Verwaltungsakte der Beklagten
und der Akte der Pflegekasse der AOK Rheinland/Hamburg Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 07.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.09.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach §
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente.
Gem. §
46 Abs.
2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass
nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck
der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die am 00.04.2011 geschlossene Ehe der Klägerin mit dem am 00.06.2011 verstorbenen Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert.
Damit ist der Tatbestand des §
46 Abs.
2a Halbs. 1
SGB VI erfüllt. Der Regeltatbestand einer Versorgungsehe liegt vor.
Zur Überzeugung des Senats sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des §
46 Abs.
2a Halbs. 2
SGB VI nicht im Sinne eines an Gewissheit nahekommenden Grades der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Unter Abwägung des Gesamtergebnisses
des Verfahrens lassen sich besondere Umstände für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht feststellen.
Die durch den "es sei denn"-Satz eingeleitete Ausnahme von dem Anspruchsausschluss liegt nicht vor.
§
46 Abs.
2a SGB VI enthält eine gesetzliche Vermutung, dass eine innerhalb eines Jahres vor dem Tod eines Versicherten geschlossene Ehe ausschließlich
oder überwiegend zu dem Zweck eingegangen wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen, und schließt deshalb
den Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente aus. Die sich aus der gesetzlichen Vermutung ergebende anspruchsvernichtende Rechtsfolge
(Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) kann jedoch durch das Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden. Der Begriff
der besonderen Umstände, die geeignet sind, die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff,
der von den Rentenversicherungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt
werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil v. 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R).
Als besondere Umstände i.S. des §
46 Abs.
2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen
Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe
(Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise
durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat. Die "Annahme" des anspruchsausschließenden
Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt,
dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da
der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch
nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend
waren (BSG, 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R, Rn. 20, 21, m.w.N.).
Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw. ihres Zwecks
darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeit des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe
zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würde. Allerdings sind von dem hinterbliebenen Ehegatten glaubhaft behauptete
innere Umstände für die Heirat nicht isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Eheschließung
bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen.
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung
zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender (äußerer) Umstand im Sinne des §
46 Abs.
2a Halbs. 2
SGB VI ist dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten ohne bisher bestehendes gesundheitliches Risiko plötzlich eingetreten
ist. In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es Zweck der Eheschließung war, dem Hinterbliebenen durch die
Eheschließung eine Versorgung zu verschaffen. Demgegenüber wird bei einer Eheschließung zu einer Zeit, in der der Versicherte
offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, regelmäßig der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a Halbs.2
SGB VI nicht erfüllt (BSG, 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R, Rn. 26 ff). Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt zugleich der
Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem
für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb
eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Bei der Gesamtbewertung müssen in diesen Fallgestaltungen daher die besonderen
inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher
die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist.
Der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a SGB VI ist nur erfüllt, wenn hinsichtlich des ausschließlichen oder überwiegenden Zwecks der Heirat, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente
zu begründen, nach §
202 SGG i.V.m. §
292 Zivilprozessordnung (
ZPO) der volle Beweis des Gegenteils erbracht wird (BSG, Urt. v. 5.5.2009, a.a.O). Hierbei muss sich das Gericht grundsätzlich die volle Überzeugung im Sinne einer an Gewissheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Diese Voraussetzung ist gegeben,
wenn in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des
Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSGE 103,
99,104). Die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen
eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch
geltend macht (vgl. BSG, 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R, Rn. 28).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben sind zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes
des §
46 Abs.
2a Halbs. 2
SGB VI nicht im Sinne eines an Gewissheit nahekommenden Grades der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Unter Abwägung des Gesamtergebnisses
des Verfahrens lassen sich zur Überzeugung des Senats besondere Umstände für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht
feststellen.
Vielmehr ist als ein die Annahme einer Versorgungsehe bestätigender äußerer Umstand anzusehen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt
der Eheschließung bereits erkennbar an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat.
Bereits im Mai 2010 wurde bei dem Versicherten ein Urothelkarzinom mit lymphatischer Metastasierung mit Peritonealkarzinose
und Stauungsniere links diagnostiziert. Die stationäre Behandlung des Versicherten im November 2010 erfolgte im Zentrum für
Palliativmedizin der Uniklinik B. Es wurde eine palliativmedizinische Schmerztherapie und Symptomkontrolle durchgeführt. Nach
dem Entlassungsbericht vom 19.11.2010 sollte zur Unterstützung des Versicherten und der pflegenden Angehörigen ein ambulanter
Palliativpflegedienst eingebunden werden. Der Versicherte musste sich bei der Anmeldung der Eheschließung vertreten lassen,
da er bereits bettlägerig war. Es erfolgte dann auch eine Haustrauung. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Schwere der Erkrankung
im Zeitpunkt der Eheschließung offenbar war.
Andere schwerwiegende Gründe, die die Annahme einer Versorgungsehe widerlegen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit sich
die Klägerin darauf beruft, der Versicherte sei ihre große Liebe gewesen und sie habe ihn deshalb erneut geheiratet, vermag
dies zur Überzeugung des Senats die hier erforderlichen gewichtigen besonderen Umstände nicht zu begründen. Das Eingehen der
Ehe war für den Bestand der Liebe nicht entscheidend. So ließ sich die Klägerin 2003 von dem Versicherten scheiden, damit
er die Ehe mit ihrer Halbschwester eingehen konnte, um dieser ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen.
Auch ist nicht ersichtlich, dass nach der Scheidung des Versicherten von der Halbschwester der Klägerin unverzüglich eine
neue Eheschließung in Angriff genommen wurde. Wann sie den Entschluss zur zweiten Eheschließung gefasst hatten, konnte die
Klägerin nicht sagen. Angemeldet wurde die zweite Eheschließung erst 10 Monate nach der Scheidung von der Halbschwester der
Klägerin.
Soweit die Klägerin geltend macht, sie und der Versicherte hätten auch nach der Scheidung im Jahr 2003 weiterhin zusammengelebt,
überzeugt dies den Senat nicht. Dem Vortrag der Klägerin stehen Angaben des Versicherten gegenüber seinem Bevollmächtigten
entgegen. Nach dem Vermerk des Bevollmächtigten über ein Gespräch mit dem Versicherten am 20.09.2004 beabsichtigte dieser,
die Wohnung "N-Straße 1 in B", die die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt bewohnte, wieder zu nutzen. Wenn der Versicherte mit
der Klägerin zusammen gewohnt hätte, hätte er sich nicht informieren müssen, wie er wieder in den Besitz der Wohnung in B
kommen könne. Vor dem Hintergrund, dass der Versicherte zu dieser Zeit in G gemeldet war, einem Ort, der ca. 250 km von B
entfernt ist, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Versicherte und die Klägerin weiterhin in häuslicher Gemeinschaft
lebten. Im April 2009 berichtete der Versicherte gegenüber dem Bevollmächtigten von seiner Absicht, von G nach U zu ziehen.
Die dortige Eigentumswohnung nutze seine Ehefrau R. Auch er beabsichtige dort zu leben. Die Klägerin, so der Versicherte gegenüber
seinem Bevollmächtigten, habe weiterhin in B gelebt. Auch im Februar 2010 hatte der Versicherte nach dem Gesprächsvermerk
des Bevollmächtigten erklärt, seine Ehefrau R und er lebten nach wie vor unter der Adresse X-Straße 4 in U. Offiziell gemeldet
sei dort zwar seine ehemalige Ehefrau J. Diese lebe jedoch in der N-Straße 1 in B. Die Auskünfte aus dem Melderegister sind
nicht geeignet, die Angaben der Klägerin zu stützen. Von Juli 2003 bis 12.02.2008 und vom 01.05.2008 bis zum 28.02.2011 hatten
der Versicherte und die Klägerin zumindest keinen gemeinsamen Hauptwohnsitz. Es mag zwar sein, dass die offiziellen Meldungen
beim Einwohnermeldeamt nicht der gelebten Wirklichkeit entsprachen und die Wohnsitze zur Erreichung bestimmter Ziele in dieser
Form angemeldet wurden. Dies hat jedoch zur Folge, dass unter Einbeziehung der Angaben des Versicherten gegenüber seinem Bevollmächtigten,
der Senat nicht die Überzeugung gewinnen konnte, die Klägerin sei auch nach der Scheidung die "faktische Ehefrau" des Versicherten
gewesen. Der Senat hat dabei die Erklärungen der Zeugin Z nicht außer Acht gelassen. Diese hat bestätigt, dass sie die Klägerin
oft gesehen habe, sie schien immer anwesend zu sein. Dies entspricht der Erklärung der Klägerin, sie habe immer in B gelebt.
Konkrete Angaben zu den Lebensumständen hat die Zeugin jedoch nicht machen können.
Dass die Sicherstellung seiner Pflege gewichtiger Grund des Versicherten für die erneute Eheschließung mit der Klägerin gewesen
sein könne, ist vor dem Hintergrund, dass die Klägerin geltend gemacht hat, den Versicherten auch nach der Scheidung weiter
gepflegt zu haben, nicht wahrscheinlich. Die Klägerin hat dies im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
Soweit die Klägerin vorträgt, bereits auf Grund ihrer Stellung als Alleinerbin, des nach der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs
und ihrer eigenen Erwerbstätigkeit hinreichend abgesichert gewesen zu sein und daher finanzielle Erwägungen für die Heirat
nicht ausschlaggebend gewesen seien, misst der Senat dem kein entscheidendes Gewicht bei. Die gesetzliche Vermutung einer
Versorgungsehe bei Versterben des Ehepartners innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung besteht unabhängig von den Einkommens-
und Vermögensverhältnissen der Eheleute. Die gesetzlich vermutete Versorgungsabsicht betrifft nicht nur die Fälle, in denen
überhaupt erst eine Absicherung erreicht werden soll, sondern auch solche, in denen eine bessere/höhere Versorgung erreicht
werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG.