Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, in dem sie sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen
die Aufforderung des Beklagten zur Rentenantragstellung nach § 12a Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) wendet.
Die am 00.00.1988 geborene Klägerin ist alleinerziehend. Sie lebte mit ihren in den Jahren 2005 und 2007 geborenen Töchtern
in einem Haushalt und stand im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten, zuletzt aufgrund Bewilligungsbescheides vom 04.10.2019,
geändert durch Bescheid vom 23.11.2019, für den Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020. In der Zeit vom 18.03.2019 bis 30.04.2020
übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Sekretärin/Aushilfe im Umfang von zwölf Stunden monatlich bei ihrem Bevollmächtigten
aus.
Mit Bescheid vom 30.03.2020 forderte der Beklagte die Klägerin auf, eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung
(DRV) zu beantragen und dies bis zum 16.04.2020 nachzuweisen. Sie sei gemäß § 12a SGB II verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern
dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Unter Abwägung aller
Gesichtspunkte sei der Beklagte zu der Entscheidung gekommen, die Klägerin zur Beantragung vorrangiger Leistungen aufzufordern.
Nachdem die DRV dem Beklagten mit Schreiben vom 29.04.2020 mitgeteilt hatte, dass für die Klägerin bisher kein Rentenantrag
vorliege, stellte der Beklagte mit Schreiben vom 05.05.2020 gemäß § 5 Abs. 3 SGB II den Antrag selbst. Die DRV leitete daraufhin am 29.05.2020 ein formelles Rentenverfahren ein, bat den Beklagten um Einreichung
der vorliegenden medizinischen Unterlagen und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.07.2020 nach §
66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (
SGB I) ab, da die Mitwirkungspflichten nicht erfüllt seien.
Daraufhin versagte der Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2020 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.10.2020, da die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten bei der Rentenantragstellung nicht nachgekommen sei.
Die Klägerin erhob am 17.09.2020 Widerspruch und führte zur Begründung u.a. aus, dass sie Mitwirkungspflichten gegenüber der
DRV nicht verletzt habe. Es habe keinerlei Aufforderungen zur Mitwirkung gegeben. Im Übrigen habe sie aufgrund der Aufforderung
des Beklagten vom 30.03.2020 beim Rentenversicherungsträger ein Antragsformular angefordert, einen Termin zum Ausfüllen pandemiebedingt
aber noch nicht erhalten.
Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24.09.2021 mit, dass nicht bekannt gewesen sei, dass sie die
Schreiben der DRV nicht erhalten habe, und bat um unverzüglichen Nachweis, dass sie sich dort um einen Termin bemüht oder
einen formlosen Rentenantrag gestellt habe. Die Klägerin legte eine Bestätigung der DRV vom 24.09.2020 über eine Terminvereinbarung
für den 28.09.2020 für eine Telefonberatung vor.
Mit Bescheiden vom 28.09.2020 bewilligte der Beklagte der Klägerin weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II für den Zeitraum 01.10.2020 bis 30.09.2021 und hob den Bescheid vom 11.09.2020 auf.
Bereits am 24.09.2020 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 30.03.2020 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Die Voraussetzungen einer Aufforderung zur Beantragung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Der Beklagte habe
außerdem ermessensfehlerhaft gehandelt.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.10.2020 ab. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X lägen nicht vor. Der Bescheid vom 30.03.2020 sei nicht zu beanstanden.
Dagegen erhob die Klägerin am 17.10.2020 Widerspruch.
Mit Schreiben vom 30.11.2020 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass der Rentenantrag mit Bescheid vom 30.11.2020 wegen fehlender
Mitwirkung abgelehnt worden sei, und bat mit Schreiben vom 07.01.2021 und 18.02.2021 um Übersendung der ärztlichen Untersuchungsbefunde.
Unter dem 26.02.2021 übersandte der Beklagte ein ärztliches Gutachten.
Sodann verwarf der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2020 als unzulässig und entschied
im Übrigen, dass die im Widerspruchsverfahren ggf. entstandenen notwendigen Aufwendungen nicht erstattet würden. Die Klägerin
habe kein Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere habe sie eine Bewilligung für die Zeit ab dem 01.10.2020 erhalten. Durch die
Aufhebung des Bescheides vom 30.03.2020 könne sie nicht mehr erhalten. Nachteile durch die unterlassene Rentenantragstellung
habe sie nicht (mehr) zu befürchten.
Am 12.02.2021 hat die Klägerin - anwaltlich vertreten - vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten
gestellt.
Sie macht geltend, der Widerspruchsbescheid sei ihr erstmals am 12.02.2021 bekannt gegeben worden. Im Übrigen sei sie durch
die Aufforderung des Beklagten vom 30.03.2020 weiterhin beschwert. Dem Beklagten sei es möglich, sie erneut zu sanktionieren.
Noch mit Schreiben vom 24.09.2020 sei sie aufgefordert worden, einen formlosen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen.
Sollte der Bescheid vom 30.03.2020 gegenstandslos geworden sein, hätte der Beklagte dies auf ihren Überprüfungsantrag hin
mitteilen können.
Die Klägerin beantragt in der Sache schriftsätzlich,
den Beklagten kostenpflichtig zu verpflichten, den Überprüfungsbescheid vom 09.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30.10.2020 aufzuheben und über den Überprüfungsantrag vom 24.09.2020 unter Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und bittet insbesondere um Erläuterung, welche zukünftigen
Sanktionen die Klägerin befürchte.
Die Klägerin macht geltend, die Mitwirkungsaufforderung vom 30.03.2020 sei bestandskräftig und damit müsse sie mit einer erneuten
Versagung rechnen.
Der Beklagte führt aus, die Klägerin müsse keine erneute Versagung befürchten. Er selbst habe nach § 5 Abs. 3 SGB II den Antrag gestellt. Das entsprechende Verfahren werde von der DRV weitergeführt.
Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, dass der Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt habe. Es fehle insbesondere an
einer Sachverhaltsaufklärung vor der Mitwirkungsaufforderung vom 30.03.2020.
Mit Beschluss vom 10.06.2021 hat das SG den Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihre Bevollmächtigten zu bewilligen, abgelehnt. Die Klage
habe keine Aussicht auf Erfolg. Sie sei unzulässig. Durch die Aufforderung zur Rentenantragstellung vom 30.03.2020 könne die
Klägerin nicht mehr beschwert sein, denn diese habe sich erledigt. Das Rentenverfahren laufe. Die Klage sei auch nicht als
Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Der Klägerin drohe jedenfalls heute keine Sanktion mehr. Eine solche wäre wegen des
laufenden Rentenverfahrens offensichtlich rechtswidrig.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 18.06.2021 zugestellten Beschluss am 16.07.2021 Beschwerde eingelegt, ihr Begehren weiterverfolgt
und ihre Argumentation aufrechterhalten. Im Übrigen sei sie durch die fehlerhafte Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren
beschwert.
Auf die Aufforderung des Senats, die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2020 am 12.02.2021 nachzuweisen, hat
die Klägerin mitgeteilt, der Widerspruchsbescheid sei ihr erstmals durch das SG mit Schreiben vom 02.02.2021 im Verfahren S 35 AS 133/21 übermittelt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte
des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil
oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß §
73a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint.
a) Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers
auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in
tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 13. Auflage 2020, §
73a, Rn. 7a).
Nach dieser Maßgabe kann der Rechtsverfolgung im vorliegenden Fall hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht von vorneherein
abgesprochen werden.
aa) Nach dem bislang unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerseite wurde ihr der Widerspruchsbescheid vom 30.10.2020
erst im Februar 2021 bekannt gegeben, so dass - jedenfalls einstweilen - die Klage nicht als verfristet angesehen werden kann.
bb) Ferner kann dem SG und dem Beklagten nicht darin zugestimmt werden, dass die Klage auf Überprüfung des Bescheides 30.03.2020 mangels Rechtsschutzbedürfnisses
bereits deshalb unzulässig sei, weil sich dieser Bescheid (im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X) erledigt habe.
Der Senat teilt zwar die Einschätzung des SG, dass der Beklagte aus der Aufforderung vom 30.03.2020 keine Sanktionsfolgen mehr herleiten wird bzw. kann, soweit diese
an eine etwaige Nichtbefolgung der Aufforderung vom 30.03.2020 anknüpfen. Der Beklagte hat schriftsätzlich erklärt, die Klägerin
müsse keine erneute Versagung befürchten, und in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass er selbst den Antrag gestellt
habe. Es entspricht auch der einhelligen Rechtsauffassung, wonach die Nichtbefolgung einer Aufforderung nach § 12a SGB II weder über § 31 SGB II noch über einen Versagungsbescheid sanktioniert werden kann (vgl. dazu ausführlich Kühl in jurisPK-SGB II, Stand: 21.09.2021, § 12a Rn. 17 m.w.N.; S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 12a Rn. 12a m.w.N.).
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist jedoch schon deshalb nicht zu verneinen, weil der Erlass eines Versagungsbescheids wegen der
Verletzung von Mitwirkungspflichten gegenüber dem Träger, gegen den vorrangige Leistungsansprüche bestehen, gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 SGB II noch in Betracht kommen könnte. Dem Schriftsatz des Beklagten vom 21.04.2021 lässt sich insofern nicht zweifelsfrei die Erklärung
oder gar Zusicherung entnehmen, auf den Erlass jedweden Versagungsbescheides im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme vorrangiger
Sozialleistungen anderer Träger zu verzichten. Voraussetzung für eine Versagung oder Entziehung aufgrund der Ermächtigung
des § 5 Abs. 3 Satz 3 SGB II ist u.a. eine vorherige Antragstellung des Leistungsträgers gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, der seinerseits die Aufforderung nach § 12a SGB II voraussetzt. Die Aufforderung entfaltet als eine der Tatbestandsvoraussetzungen mithin Wirkung noch nach Antragstellung und
während des laufenden Verfahrens.
Die vom SG vertretene Auffassung, es fehle dem Begehren der Klägerin bereits aufgrund des von dem Beklagten ersatzweise nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II selbst gestellten Antrages bzw. des daraufhin aufgenommenen und derzeit noch laufenden Rentenverfahrens an einem Rechtsschutzbedürfnis,
lässt zudem die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) außer Betracht, wonach die Erledigung einer Aufforderung nach § 12a SGB II erst eintritt, wenn die in Rede stehende vorrangige Sozialleistung bestandskräftig bewilligt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 09.03.2016, B 14 AS 3/15 R, juris Rn. 13, und Beschluss vom 12.06.2013, B 14 AS 225/12 B Rn. 5; dazu auch Kühl a.a.O. Rn. 14). Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Aufforderung nach § 12a SGB II Grundlage für die Einleitung bzw. Durchführung des Verfahrens auf Gewährung der vorrangigen Sozialleistung und räumt zudem
dem Grundsicherungsträger die Stellung eines Verfahrens- und Prozessstandschafters ein (Luik in Gagel, SGB II, Stand: 82. EL Juni 2021, § 5 Rn. 119), der damit zu Verfahrenshandlungen befugt ist, die den Leistungsberechtigten als Inhaber des Rechts betreffen. Die
Aufforderung steht damit etwa auch der Rücknahme des Leistungsantrages durch den Betroffenen entgegen. Zudem ist sie, wie
gezeigt, eine der Voraussetzungen für die Rechtsfolge des § 5 Abs. 3 Satz 3 SGB II. Ein rechtliches Bedürfnis nach Aufhebung des Aufforderungsbescheides kann also weiter bestehen. So liegt der Fall auch hier.
Davon ausgehend könnten der Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten nur dann abgesprochen werden, wenn auf der Hand
läge, dass der Überprüfungsantrag der Klägerin durch den angefochtenen Bescheid vom 09.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30.10.2020 zu Recht abgelehnt wurde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Aus der vorliegenden Verwaltungs- und Prozessakte
ergeben sich keinerlei Informationen dazu, aus welchen konkreten Gründen sich der Beklagte bewogen gesehen hat, den Aufforderungsbescheid
vom 30.03.2020 zu erlassen, so dass insoweit jedenfalls noch Ermittlungsbedarf besteht. Weil die konkret auf die Klägerin
bezogenen Gesichtspunkte, die der Beklagte bei Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens in seiner Entscheidung abgewogen hat,
im Bescheid nicht näher genannt sind, bestehen zudem Zweifel, ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist. Diese Gesichtspunkte
rechtfertigen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an die Klägerin.
b) Die Klägerin ist nach dem Inhalt der vorgelegten Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht
in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Weil die zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen
erforderlichen Unterlagen erstmals am 19.11.2021 vorgelegen haben, wird Prozesskostenhilfe erst ab diesem Zeitpunkt bewilligt.
c) Die Rechtsverfolgung ist auch nicht willkürlich.
2. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§
73a SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO).
3. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§177
SGG).