Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens für einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe beim Leistungsausschluss für Ausländer
nach einer Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.10.2017 begehren.
Die am 00.00.1991 in X geborene Klägerin zu 1) ist rumänische Staatsangehörige. Sie ist die Mutter der ebenfalls in Deutschland
geborenen Kläger zu 2) bis 6). Die Klägerin zu 2) ist am 00.00.2008 geboren, der Kläger zu 3) am 00.00.2010, die Klägerin
zu 4) am 00.00.2016, der Kläger zu 5) am 00.00.2013 und der Kläger zu 6) am 00.00.2017. Nach den in der Verwaltungsakte enthaltenen
Urkunden ist Vater der Kläger zu 2) bis 5) O (* 00.00.1989), der teilweise als rumänischer, durch die Ausländerbehörde aber
als bulgarischer Staatsangehöriger bezeichnet wird. Hinsichtlich der Vaterschaft des Klägers zu 6) sind keine Feststellungen
aktenkundig. In den aktenkundigen Leistungsanträgen werden die Kläger zu 2) bis 6) teilweise als deutsche, teilweise als rumänische
Staatsangehörige bezeichnet. Die Kläger leben zusammen in einem Haushalt. Seit dem 15.02.2015 waren sie unter der E-straße
00, F, gemeldet.
Nachdem die Ausländerbehörde der Stadt E zunächst am 25.01.2011 das Freizügigkeitsrecht der Klägerin zu 1) bestätigt hatte,
stellte sie mit Bescheid vom 31.05.2011 den Verlust der Freizügigkeit der Kläger zu 1) bis 3) fest. Sie zog die Bescheinigung
über das Freizügigkeitsrecht ein und forderte die Kläger zu 1) bis 3) auf, bis zum 15.07.2011 das Bundesgebiet zu verlassen.
Für den Fall, dass die Klägerin zu 1) das Bundesgebiet nicht fristgerecht verlässt, wurde die Abschiebung nach Rumänien angedroht.
Die Klägerin zu 1) halte sich seit über drei Monaten im Bundesgebiet auf und gehe keiner geregelten Tätigkeit nach. Es sei
nicht erkennbar, dass sie ernsthafte Absichten verfolge, eine Beschäftigung aufzunehmen. Daher könne sich die Klägerin zu
1) nicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen. Schutzwürdige Bindungen, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen
könnten, seien nicht erkennbar.
Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts wurden von der Ausländerbehörde nicht ergriffen. Nach einer im Verfahren S 49 AS 5194/17 ER vorgelegten Meldebestätigung sind die Kläger zu 1) bis 3) zuletzt im Mai 2012 aus Rumänien nach Deutschland gezogen und
seither ununterbrochen im Bundesgebiet gemeldet.
Dem Vater der Kinder wurde am 11.01.2011 eine Freizügigkeitsbescheinigung erteilt. Mit Bescheid vom 18.04.2011 stellte die
Ausländerbehörde auch gegenüber dem Vater den Verlust des Freizügigkeitsrechts fest. Der Vater wurde aufgefordert, bis zum
31.05.2011 das Bundesgebiet zu verlassen, andernfalls drohe eine Abschiebung. Ein Verstoß gegen den Schutz von Ehe und Familie
nach Art.
6 GG liege nicht vor, da die Vaterschaft über die Kläger zu 2) und 3) bislang nicht anerkannt worden sei und unklar sei, ob die
Klägerin zu 1) über ein Freizügigkeitsrecht verfüge. Auch der Vater hält sich noch im Bundesgebiet auf.
Vom 14.09.2015 bis zum 31.10.2015 war die Klägerin zu 1) bei der X GmbH (X-GmbH) geringfügig beschäftigt. Auf einen ersten
Leistungsantrag bewilligte die Beklagte im Widerspruchsverfahren mit Abhilfebescheid vom 26.11.2016 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts für Oktober 2015 und November 2015. Für diese Monate könne das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu 1) anerkannt
werden, für die Zeit danach scheide eine Fortwirkung des Arbeitsnehmerstatus aus, da nicht klar sei, dass die Klägerin zu
1) die Beschäftigung unfreiwillig verloren hat. Vom 09.12.2015 bis zum 03.11.2016 befand sich die Klägerin zu 1) in Strafhaft,
während der sie einer Arbeitstätigkeit nachging. Nach ihren Angaben kümmerte sich in dieser Zeit der Vater um die Kläger zu
2) bis 5).
Am 09.12.2016 beantragten die Kläger zu 1) bis 5) erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Bescheid vom 10.01.2017
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017 lehnte die Beklagte den Antrag gestützt auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab, da die Klägerin zu 1) nur über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche verfüge. Im November 2017 beantragten die Kläger
erneut Leistungen bei der Beklagten.
Am 15.11.2017 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 10.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017
Klage erhoben. Hilfsweise machen sie einen Anspruch auf Sozialhilfe bzw. nach dem
AsylbLG geltend. Der Erhalt der Verlustfeststellung sei der Klägerin zu 1) nicht erinnerlich. Die Kläger haben die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren beantragt.
Nach einem erfolglosen ersten Eilantrag (Antragsrücknahme nach einem gerichtlichen Hinweis) hat das Sozialgericht Duisburg
einen erneuten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 08.12.2017
mit Beschluss vom 22.12.2017 abgelehnt (S 49 AS 5194/17 ER). Einem Anordnungsanspruch stehe der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 a) und b) SGB II entgegen. Die Verlustfeststellung aus 2011 führe dazu, dass der Aufenthalt der Kläger im Bundesgebiet nicht rechtmäßig sei.
Eine hiergegen erhobene Beschwerde hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 19.03.2018 zurückgewiesen (L 19 AS 133/18 B ER). Die Kläger hätten einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da sie angesichts der Verlustfeststellung aus
2011 nicht über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II verfügten.
Mit Beschluss vom 05.06.2018 hat das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt. Es
sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1) die Verlustfeststellung erhalten habe. Diese stehe einem Anordnungsanspruch
entgegen. Offen bleiben könne, ob der Begründung aus dem Beschluss des Sozialgerichts vom 08.12.2017 oder der des LSG aus
dem Beschluss vom 19.03.2018 zu folgen sei. Einem Anspruch gegen den Sozialhilfeträger stehe § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen. Einem Anspruch nach dem
AsylbLG stehe §
6b AsylbLG (Kenntnisnahmegrundsatz) entgegen, die Kenntnis des Jobcenters sei dem Leistungsträger nach dem
AsylbLG nicht zuzurechnen. Die Rechtsgrundlage (§
16 SGB I) sei auf den
AsylbLG-Träger nicht anwendbar, da dieses Gesetz nicht Bestandteil des formellen Sozialrechts sei. Verfassungsrechtliche Bedenken
gegen einen Leistungsausschluss bestünden nicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 19.06.2018 erhobene Beschwerde der Kläger. Jedenfalls ein Anspruch gegen den
Träger der Sozialhilfe oder des
AsylbLG sei zu bejahen, weshalb die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg biete.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die Kläger haben für das Klageverfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M. Die Kläger
erfüllen nach ihren glaubhaft gemachten Angaben die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und die Rechtsverfolgung
hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg iSd §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114
ZPO.
Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung
einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht
dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern
und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht
im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt
werden können. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und
keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil
des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG Beschlüsse vom 04.05.2015 - 1 BvR 2096/13, vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12 und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07; ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschlüsse vom 20.04.2016 - L 7 AS 1645/15 B und vom 15.02.2016 - L 7 AS 1681/15 B). Beide Voraussetzungen liegen vor:
Bei der Frage, ob die Kläger allein aufgrund der Verlustfeststellung vom 31.05.2011 vom Bezug von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind - sei es aufgrund der Verneinung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet gem.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II, sei es wegen eines Ausschlusstatbestand gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw. der Nichtanwendung der Fünfjahresfrist gem. § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II - handelt es sich um eine schwierige Rechtsfrage, die nicht im Verfahren über die Prozesskostenhilfe, sondern im Hauptsacheverfahren
abschließend zu beantworten ist.
Die Verlustfeststellung in dem Bescheid vom 31.05.2011 beruht auf § 5 Abs. 5 FreizügG/EU in der bis zum 28.01.2013 gF. Die Vorschrift lautete: "Sind die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 innerhalb von
fünf Jahren nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen, kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs.
1 festgestellt und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht eingezogen und die Aufenthaltskarte
widerrufen werden". Eine entsprechende Regelung findet sich jetzt in § 5 Abs. 4 FreizügG/EU. Die Vorschrift räumt der zuständigen Behörde Ermessen ein.
Zwar ist den Sozialleistungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine eigenständige Prüfung der Sach- und Rechtslage
nach einer Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung verwehrt (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.11.2018
- L 19 AS 1934/18 ER; allgemein zur fehlenden Befugnis der Überprüfung aufenthaltsrechtlicher Statusentscheidungen BSG Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 8/13 R). Auch eine Änderung der Sach- und Rechtslage führt nicht ohne weiteres zu deren Gegenstandslosigkeit. Vielmehr ist die
Verlustfeststellung durch die Ausländerbehörde mit ex-nunc-Wirkung aufzuheben. Eine Aufhebung ist erforderlich, weil damit
die Freizügigkeitsvermutung wiederauflebt und der rechtmäßige Aufenthalt für Dritte erkennbar wird (Dienelt in Bergmann/Dienelt,
Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG, Rd.25).
Im vorliegenden Verfahren ist zunächst zu klären, ob die Verlustfeststellung der Klägerin zu 1) überhaupt bekanntgegeben worden
ist. Es ist nicht zulässig, diese entscheidungserhebliche Frage im Wege der Beweisantizipation im Verfahren über die Prozesskostenhilfe
vorzunehmen. Vielmehr gebietet die Verpflichtung zur Sachaufklärung (§
103 SGG) insoweit eine Beweisaufnahme, beispielsweise durch Einvernahme des Vaters der gemeinsamen Kinder als Zeuge oder der Klägerin
selbst im Rahmen einer mündlichen Einvernahme.
Gleiches gilt für die Frage, ob und ggfs. für welche Zeit die Klägerin zu 1) (und ggfs. ihre Kinder) vor Mai 2012 das Bundesgebiet
verlassen hatten. Diese Fragestellung ist in rechtlicher Hinsicht bedeutsam, weil - wie das Sozialgericht zutreffend darlegt
- eine Erledigung (§ 43 Abs. 2 VwVfG NW) der auf § 5 Abs. 4 FreizügG/EU aF gestützten Verlustfeststellung eingetreten sein könnte, wenn die Klägerin zu 1) (und ggfs. ihre Kinder) ausgereist sind
und bei Wiedereinreise die Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts erneut vorlagen. Das Sozialgericht
hat nicht dargelegt, weshalb es für nicht glaubhaft gemacht hält, dass bei der vorgetragenen Wiedereinreise im Mai 2012 ein
neues Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU vorgelegen hat. Feststellungen zu Aufenthaltsrechten nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU ab Mai 2012 fehlen und sind im Hauptsacheverfahren nachzuholen. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass ein Aufenthaltsrecht
zur Arbeitsuche iSd § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU zwar möglicherweise zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF geführt hätte, aber dennoch ein wirksames Freizügigkeitsrecht begründet hätte, dass der fortdauernden Wirksamkeit der
Verlustfeststellung nach Aus- und Wiedereinreise entgegen steht.
Schwierig und klärungsbedürftig ist weiter die Rechtsfrage, ob es der Ausländerbehörde im streitgegenständlichen Zeitraum
sowohl aufgrund des Zeitablaufs als auch aufgrund ihres Verhaltens gegenüber den Klägern unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung
oder des Vertrauensschutzes verboten gewesen sein könnte, die Verlustfeststellung im streitgegenständlichen Zeitraum noch
iSv § 7 FreizügG/EU zu vollziehen, und wie sich dieser Umstand aufenthalts- und leistungsrechtlich auswirkt. Die Ausländerbehörde hat nach eigenem
Bekunden (e-mail an die Beklagte vom 23.11.2017) sehenden Auges die Verlustfeststellung nicht vollzogen, sondern u.a. aufgrund
der "Geburt der Kinder Manase, Estera und Ronaldo" von der nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU bei einer Verlustfeststellung eigentlich gebotenen Aufenthaltsbeendigung abgesehen. Die Verlustfeststellung wurde also nach
Aktenlage nicht etwa deshalb nicht vollzogen, weil die Klägerin zu 1) "untergetaucht" war oder sich sonst der Abschiebung
entzogen hatte, sondern weil die Ausländerbehörde Umstände gesehen hat, die einer Abschiebung entgegen stehen. Gegen die fortbestehende
Zulässigkeit einer auf die Verlustfeststellung gestützten Aufenthaltsbeendigung spricht weiter, dass sich die Sachlage seit
dem Erlass der Verlustfeststellung wesentlich geändert hat und damit Ermessengesichtspunkte eine Rolle spielen, die zum Zeitpunkt
des Bescheiderlasses noch nicht vorhanden waren. So hat die Klägerin zu 1) bei der X GmbH mindestens eine auch von der Beklagten
anerkannte Beschäftigung ausgeübt. Tragender Grund der Verlustfeststellung vom 31.05.2011 war hingegen, es sei nicht erkennbar,
dass die Klägerin zu 1) ernsthafte Absichten verfolgt, eine Beschäftigung aufzunehmen. Zudem hat die Klägerin zu 1) seit der
Verlustfeststellung drei weitere Kinder geboren, von denen mindestens zwei von Herrn O stammen. Zwar ist auch diesem gegenüber
der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt worden, dies aber mit der tragenden Begründung, ein Verstoß gegen Art.
6 GG sei nicht erkennbar, weil Herr O die Vaterschaft nicht anerkannt habe. Dies ist indes nun geschehen.
Klärungsbedürftig ist auch, ob und ggfs. wann der Klägerin zu 1) in irgendeiner Weise mitgeteilt wurde, dass ein Vollzug der
Verlustfeststellung unterbleibt und es sich hierbei um einen aufhebenden Verwaltungsakt für die Zukunft handelt.
Erfolgsaussichten lassen sich auch bei Annahme einer weiter wirksamen Verlustfeststellung nicht allein mit dem Argument verneinen,
den Klägern fehle ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (so aber der Beschluss des 19. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.03.2018). Nach der Rechtsprechung des BSG läuft es jedenfalls für den Bereich des SGB II der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts (§
30 Abs.
3 Satz 2
SGB I: "Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem
Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt") zuwider, wenn dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale
im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden und damit einzelnen Personengruppen der Zugang
zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R; offen gelassen noch bei BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R). Zwar hat das BSG in der Entscheidung vom 30.01.2013 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei EU-Bürgern das Aufenthaltsrecht besteht, solange
der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene
Bedingungen iS des Art. 21 AEUV nicht erfüllt. Ob hieraus indes abzuleiten ist, dass bei Vorliegen einer Verlustfeststellung stets und ohne jegliche Rücksicht
auf tatsächliche Besonderheiten ein gewöhnlicher Aufenthalt zu verneinen ist und damit bei Vorliegen einer Verlustfeststellung
doch rechtliche Implikationen - entsprechend der vom BSG ausdrücklich abgelehnten "Einfärbungslehre" - für die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts relevant sind, lässt sich der Rechtsprechung
des BSG nicht entnehmen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist angenommen worden, dass auch bei Vorliegen einer Verlustfeststellung
ein gewöhnlicher Aufenthalt angenommen werden kann und es allein an der Aufenthaltsverfestigung iSd § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II fehlt (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 26.05.2017 - L 17 AS 62/17 B ER). Für eine Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalts bei Vorliegen der entsprechenden tatsächlichen Voraussetzungen trotz
einer Verlustfeststellung spricht im Übrigen die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz SGB II, nach der ein Leistungsanspruch nach fünf Jahren eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet dann nicht begründet wird,
wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt wurde. Dieser Regelung bedürfte es nicht, wenn bei einer Verlustfeststellung
bereits der gewöhnliche Aufenthalt entfiele. Im vorliegenden Fall bestehen zudem tatsächliche Besonderheiten, die die Verneinung
des gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet allein aufgrund der Verlustfeststellung als äußerst zweifelhaft erscheinen lassen:
Alle Kläger sind in Deutschland geboren, jedenfalls die Kläger zu 4), 5) und 6) dürften sich noch nie in einem anderen Land
- insbesondere nicht in Rumänien - gewöhnlich aufgehalten haben.
Eine schwierige Rechtsfrage ist schließlich, wie sich ein evtl. Schulbesuch insbesondere der Klägerin zu 2), die während der
Beschäftigung der Klägerin zu 1) im September 2015 und Oktober 2015 schulpflichtig gewesen sein dürfte, auf einen Leistungsanspruch
auswirkt. Zwar sind gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 c) SGB II Ausländerinnen und Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche aus Art.
10 VO (EU) 492/11 ableiten und ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Die Europarechtskonformität dieser Vorschrift ist jedoch umstritten (hierzu LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse
vom 14.09.2017 - L 21 AS 782/17 B ER, vom 21.08.2017 - L 19 AS 1577/17 B ER, vom 16.08.2017 - L 19 AS 1429/17 B ER und vom 12.07.2017 - L 12 AS 596/17 B ER; Beschlüsse des Senats vom 21.12.2017 - L 7 AS 2044/17 B ER und vom 30.08.2018 - L 7 AS 1268/18 B ER). Sollte von einer Verlustfeststellung auszugehen sein ist zudem ungeklärt, wie sich dieser Umstand auf das Aufenthaltsrecht
nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 auswirkt. Denn die Verlustfeststellung war auf das Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU gestützt, das wiederum seine Grundlage in der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38 EG findet. Das Aufenthaltsrecht nach Art. 10
VO (EU) Nr. 492/2011 ("Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats
beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen
Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung
teilnehmen") ist hiervon zu unterscheiden, so dass außerhalb des Prozesskostenhilfeverfahrens klärungsbedürftig ist, ob ein
entsprechendes Aufenthaltsrecht trotz Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bestehen kann. Denn die einmal erworbenen und fortbestehenden Ausbildungs- und Aufenthaltsrechte eines Kindes bzw. der Elternteile
aus Art. 10 VO 492/11/EU bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig von den in der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen ausreichender Existenzmittel sowie eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes fort und sind
autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt
in einem anderen Mitgliedstaat regeln (EuGH Urteil vom 23.2.2010 Ibrahim - C 310/08). Damit endet ein aus Art. 10 VO (EU) 492/11/EU abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines sorgeberechtigten Elternteils erst, wenn
das aus Art. 10 VO (EU) 492/11/EU aufenthaltsberechtigte Kind seine Ausbildung beendet, volljährig wird, soweit es nicht weiterhin
der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf, oder der Verlust dieses (speziellen) Aufenthaltsrechts festgestellt
wird (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.01.2016 - L 19 AS 29/16 B ER). In tatsächlicher Hinsicht ist insoweit der Schulbesuch der Klägerin zu 2) zu klären.
Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sind zudem auch zu bejahen, weil ein Anspruch der Kläger auf Leistungen nach dem SGB XII nach Beiladung des entsprechenden Trägers, der dann ggfs. verurteilt werden kann (§
75 Abs.
5 SGG), nicht ausgeschlossen ist.
Dies gilt zunächst für Leistungen bis zum 28.12.2016. Das vom Sozialgericht zur Begründung des Anspruchsausschlusses insoweit
benannte Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen nach dem SGB II und in der Sozialhilfe vom 22.12.2016 (BGBl. I, 3155) ist erst am 29.12.2016 in Kraft getreten. Vorher galt die Rechtsprechung,
mit der das BSG durch zwei Senate (und in Übereinstimmung mit dem Urteil des Sozialhilfesenats vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/15 R) entschieden
hatte, dass der Leistungsausschluss im SGB II zwar wirksam ist (und auch erst Recht auf Personen anzuwenden ist, die kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche haben), jedoch
aus verfassungsrechtlichen Gründen - ungeachtet der Regelung des § 21 SGB XII - ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII besteht. Rechtsgrundlage hierfür sollte § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII sein, das nach dieser Vorschrift bestehende Ermessen sollte, weil es um das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum
geht, regelmäßig auf Null reduziert sein (BSG Urteile vom 03.12.2005 - B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R, vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R, vom 20.01.2016 - B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R, vom 17.02.2016 - B 4 AS 24/14 R sowie vom 17.03.2016 - B 4 AS 32/15 R; zuletzt unter Berücksichtigung der Gegenargumente BSG Urteile vom 30.08.2017 - B 14 AS 31/16 R und vom 10.08.2018 - B 14 AS 32/17 R). Nicht im Verfahren über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden ist, ob diese Rechtsprechung auch bei Vorliegen einer wirksamen
Verlustfeststellung - wenn eine solche angenommen werden sollte - gilt.
Auch nach Inkrafttreten der Neuregelung von § 23 SGB XII ab 29.12.2016 ist ein Leistungsanspruch (auch bei Annahme eines Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 SGB XII) gegen den Sozialhilfeträger nicht ausgeschlossen. Seither bestimmt § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII: "Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer
besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat
hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur
Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist." Der Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII setzt nicht voraus, dass ein Ausreisewille feststellbar ist. Zwar knüpft die Vorschrift an die Regelung über die Überbrückungsleistungen
(§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) an und soll ausdrücklich eine Anspruchsgrundlage darstellen, "die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift,
um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter
Leistungsbezug ermöglicht wird" (BT-Drs. 18/10211, S. 16). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass der Gesetzgeber Unionsbürger
gerade dann leistungslos lassen wollte, wenn die Verweisung (nur) auf Überbrückungsleistungen sich auch für einen längeren
Zeitraum als unzumutbare Härte darstellt, mithin die den Leistungsausschluss begründende Rückkehroption sich gerade nicht
ohne Weiteres verwirklichen lässt. Das Erfordernis "zeitlich befristete Bedarfslage" ist nicht mit "kurzfristig" gleichzusetzen.
Vielmehr ist eine zeitliche befristete Bedarfslage bereits dann anzunehmen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass
der bedarfsbegründende Zustand kein Dauerzustand, sondern voraussichtlich vorübergehend ist (Beschluss des Senats vom 28.03.2018
- L 7 AS 115/18 B ER; in diesem Sinne auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.06.2017 - L 15 SO 104/17 B). Härtegesichtspunkte sind
vorliegend naheliegend, da eine dauerhafte Ausreise der Kläger nach Rumänien unzumutbar sein könnte, nachdem alle Kläger in
Deutschland geboren sind, insbesondere die Kläger zu 2) bis 5) möglicherweise keinerlei Beziehungen zu diesem Land haben und
die Kläger zu 2) und 3) evtl. eine Schulausbildung unterbrechen müssten. Auch hierzu sind entsprechende Feststellungen dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Bei Annahme einer fortbestehenden wirksamen Verlustfeststellung kommt zudem materiell-rechtlich ein Anspruch nach dem
AsylbLG in Betracht, da die Kläger dann vollziehbar ausreisepflichtig wären (§
1 Abs.
1 Nr.
5 AsylbLG). Die Kläger haben einen entsprechenden Antrag im Beschwerdeverfahren gestellt (Schriftsatz vom 19.06.2018). In einem solchen
Fall wären ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II) und ein Anspruch auf Sozialhilfe (§ 23 Abs. 2 SGB XII) ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts dürfte der Kenntnisnahmegrundsatz des §
6b AsylbLG iVm § 18 SGB XII einem entsprechenden Anspruch nicht entgegenstehen, da sowohl für die beantragten Leistungen nach dem SGB II als auch für die Leistungen nach dem
AsylbLG die Beklagte (Stadt F) zuständiger Leistungsträger ist (§§
10 AsylbLG,
1 Abs.
1 Satz 1 AG
AsylbLG NW). Auf die Frage, ob die Kenntnis des Jobcenters vom Bedarfsfall dem
AsylbLG-Träger zuzurechnen ist, kommt es daher vorliegend nicht an. Ungeachtet dessen dürfte die vom Sozialgericht verneinte Geltung
von §
16 SGB I für Träger nach dem
AsylbLG naheliegend sein. Zwar hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass das
AsylbLG kein Teil des Sozialgesetzbuchs ist (§
68 SGB I). Nach herkömmlicher Auffassung fehlt es den Leistungen nach dem
AsylbLG an der Sozialleistungsqualität im Sinne des SGB. Der Begriff der Sozialleistung ist in §
11 SGB I definiert. Gegenstand der sozialen Rechte sind danach die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen.
Hierzu gehören Leistungen nach dem
AsylbLG nicht (LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 26.05.2011 - L 1 AY 16/10 zu einer umstrittenen analogen Anwendung von § 64 SGB X - Kostenfreiheit der Verwaltungsverfahren). Fraglich ist aber, ob diese formale Betrachtung nach der Entscheidung des BVerfG
vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10) noch aufrechterhalten werden kann. Für eine materielle Betrachtungsweise spricht auch die Zuständigkeit der Sozialgerichte
nach §
51 Abs.
1 Nr.
6a SGG. Dies legt nahe, Grundsätze, die zum Verhältnis zwischen Jobcenter und Sozialhilfeträger entwickelt worden sind, auch auf
das Verhältnis von Jobcenter zu
AsylbLG-Träger anzuwenden. Gleiches gilt für die Frage, ob §
75 Abs.
2, 5
SGG auch auf Träger nach dem
AsylbLG anzuwenden ist (zweifelnd Fock in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl., §
75 Rn. 6).
Sollte das Sozialgericht auch nach Klärung dieser offenen Rechtsfragen zu dem Ergebnis kommen, dass für die Kläger kein existenzsichernder
Leistungsanspruch gegeben ist, stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Ergebnisses. Noch mit Urteil
vom 10.08.2018 - B 14 AS 32/17 R hat das BSG entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung ausgeführt: "Auch Verfassungsrecht steht dem SGB II-Leistungsausschluss nicht entgegen. Dieser ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
aus Art.
1 Abs.
1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG vereinbar, weil der Kläger grundsätzlich Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII hat". Ist ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII und dem
AsylbLG hingegen nicht gegeben, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums
(zu den in diesem Zusammenhang noch offenen verfassungsrechtlichen Fragen vgl. BVerfG Beschluss vom 04.10.2016 - 1 BvR 2778/13).
Die Frage, ob die Kläger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig waren, ist ebenfalls im Hauptsacheverfahren abschließend zu
klären.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs.
1 Satz 1
SGG,
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).