Tatbestand
Streitig ist die Feststellung, dass bestimmte Erstattungsforderungen des beigeladenen Jobcenters gegen den Kläger nicht bzw.
nur in einer bestimmten Höhe bestehen, hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der Forderungen.
Der Kläger bezieht gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Sohn seit April 2006 laufend ergänzende Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) von dem Beigeladenen.
Aufgrund wechselnder Höhe des Einkommens aus abhängiger Beschäftigung berechnete der Beigeladene die der Bedarfsgemeinschaft
des Klägers tatsächlich zustehenden Leistungen regelmäßig neu und erließ im Zeitraum 2006 bis 2011 diverse Aufhebungs- und
Erstattungs- bzw. Änderungsbewilligungsbescheide (Bescheide vom 12.12.2008, 30.03.2009, 04.08.2009, 02.11.2009, 01.12.2009,
11.01.2010, 25.01.2010, 01.03.2010, 06.04.2010, 10.05.2010, 01.06.2010, 04.10.2010, 19.10.2010, 20.12.2010, 26.01.2011, 22.02.2011
und 26.04.2011). Hierbei stellte er jeweils Überzahlungen fest und realisierte deren Erstattung größtenteils mit Aufrechnungen
gegen die jeweiligen Leistungsansprüche. Außerdem forderte der Beigeladene die Rückzahlung eines mit Bescheid vom 11.04.2008
gewährten Darlehens. Den Einzug der jeweils noch offenen, d.h. nicht durch Aufrechnungen getilgten Forderungen übertrug der
Beigeladene gemäß § 44b Abs. 4 SGB II auf die Beklagte.
Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 18.09.2012 auf dessen Anforderung hin eine Forderungsaufstellung (Anlage
K3 des zum urspr. Az.: S 32 AS 1679/13 übersandten Klagebegründungsschriftsatzes vom 29.06.2013). Danach resultierte aus den diversen Aufhebungs-, Erstattungs-
bzw. Änderungsbewilligungsbescheiden sowie aus dem Darlehensbescheid eine Gesamtforderung i.H.v. 3.549,96 EUR, von der eine
Summe von 1.458,06 EUR noch offen war (Forderungs-Nr. xxx) und zur Forderungsnummer xxx weitere 98,86 EUR. Der Gesamtbetrag
beider Forderungen summierte sich somit auf 3.648,82 EUR, die mit Stand 18.09.2012 durch Tilgung mittels Aufrechnung mit laufenden
Leistungsansprüchen auf 1.501,38 EUR reduziert worden waren. Durch weitere Tilgungen reduzierte sich die Forderung zur Nr.
xxx gemäß Forderungsaufstellung der Beklagten vom 30.08.2013 auf 1.159,64 EUR.
Mit Schreiben vom 23.09.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Forderungen, welche vor dem 01.09.2009 entstanden
seien, zu erlassen oder niederzuschlagen, sowie zu prüfen, ob und inwieweit durch Aufrechnung erfolgte Zahlungen auf Forderungen
verbucht worden seien, deren Bestandskraft bereits länger als 3 Jahre zurückliege, so dass die Aufrechnung unzulässig sei.
Mit Bescheid vom 19.10.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Teilerlass der Forderung ab. Die gemäß §
76 Abs.
2 Nr.
3 SGB IV vorausgesetzte Unbilligkeit im Sinne einer Gefährdung bzw. Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners läge
nicht vor. Die Vorschriften des Sozialgesetzbuches böten ausreichenden Schutz. Aufrechnungs- und Verrechnungsmöglichkeiten
nach §§
51,
52 SGB I würden unabhängig von dieser Entscheidung wahrgenommen; die Forderung werde weiterhin mit den laufenden Sozialleistungen
aufgerechnet.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 19.11.2012) und führte zur Begründung aus, über seinen Antrag auf
Niederschlagung gemäß §
76 Abs.
2 Nr.
2 SGB IV habe die Beklagte gar nicht entschieden. Er verfüge über keinerlei pfändbares Einkommen oder Vermögen, so dass der Forderungseinzug
erkennbar erfolglos bleiben werde. Im Übrigen dürfe keine Aufrechnung von Erstattungsforderungen mit laufenden Leistungen
erfolgen, die bereits länger als 3 Jahre bestandskräftig seien. Dies beträfe alle Forderungen, die vor dem 01.10.2009 entstanden
seien. Soweit dennoch auch bzgl. dieser Forderungen weiter aufgerechnet werde, liege Unbilligkeit vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2013 als unbegründet zurück. Die den Forderungen zu Grunde
liegenden Bescheide des Beigeladenen seien bestandskräftig. Eine Erlassentscheidung liege nach dem Wortlaut des Gesetzes in
ihrem Ermessen. Inhalt und Grenzen der Ermessensentscheidung bestimmten sich durch den Begriff der Unbilligkeit. Es seien
aber weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe für einen Erlass der Forderungen ersichtlich. Soweit sich der Kläger
auf die Rechtswidrigkeit der Aufrechnung berufe, könne dies die Unbilligkeit nicht begründen. Es handele sich um die Frage
der Rechtmäßigkeit der Aufrechnung von Forderungen nach dem SGB II mit gleichartigen Ansprüchen des Klägers, worüber die Beklagte nicht entscheiden könne, da sie nicht der Grundsicherungsträger
sei. Daher müsse sich der Kläger mit dem Jobcenter auseinandersetzen. Selbst wenn eine Aufrechnungsbefugnis des Jobcenters
mit Ablauf der Dreijahresfrist nicht mehr bestehen sollte, wäre die Rechtmäßigkeit der Rückerstattungsansprüche nicht zweifelhaft,
da die entsprechenden Bescheide bestandskräftig und nicht verjährt seien. Die Ablehnung des beantragten Erlasses führe auch
nicht zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Klägers. Der Lebensunterhalt des Klägers und seiner Familie seien
durch die SGB II-Leistungen sowie das Einkommen aus einer Tätigkeit als Bürokraft sichergestellt. Da Billigkeitsgründe somit nicht vorlägen,
bleibe für eine von Billigkeitserwägungen losgelöste Ermessensentscheidung zugunsten des Klägers kein Raum. Ein Forderungsverzicht
sei vor diesem Hintergrund nicht zu vertreten.
Der Kläger hat am 09.05.2013 Klage bei dem Sozialgericht Duisburg erhoben. Zur Begründung hat er in Erweiterung seines bisherigen
Vortrags ergänzt, dass er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe, ob und in welcher Höhe die streitbefangenen
Forderungen Bestand hätten und geltend gemacht werden könnten. Die von der Beklagten geltend gemachten Forderungen seien zu
einem wesentlichen Teil verfahrensrechtlich nicht ordnungsgemäß festgesetzt worden. Es fehle teilweise an den für eine Rückforderung
notwendigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Anstelle von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden in Kombination mit Änderungsbescheiden
seien überwiegend nur Änderungsbescheide erlassen worden. Diese enthielten zwar eine teilweise Aufhebung der vorherigen Leistungsbewilligung,
jedoch keine Erstattungsforderung, sondern lediglich den Hinweis darauf, dass eine mögliche Erstattungspflicht des Klägers
noch geprüft werde und hierüber ein gesonderter Bescheid ergehe. Solche gesonderten Erstattungsbescheide seien jedoch in der
Folge nicht erlassen worden. Die Forderungen des Jobcenters seien vor diesem Hintergrund zu einem großen Teil überhaupt nicht
existent. Davon abgesehen hätten die Forderungen aufgrund des Individualitätsprinzips aber auch nicht in voller Höhe gegenüber
dem Kläger geltend gemacht werden dürfen, sondern auch gegenüber seiner Ehefrau. Insgesamt würden 641,40 EUR auf diese Weise
formell-rechtlich unzulässig zurückgefordert. Im Ergebnis werde daher festzustellen sein, dass sämtliche Beträge, die die
Beklagte einfordere, von dieser zu Unrecht gefordert würden. Zahlungen, die er aus rechtlicher Unkenntnis heraus auf die Forderungen
geleistet habe, müssten nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs an ihn zurückgezahlt werden.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
1.
festzustellen, dass die von der Beklagten im Auftrag des beigeladenen Jobcenters unter den Geschäftszeichen xxx und xxx geltend
gemachten Forderungen nicht, hilfsweise lediglich in Höhe von 641,40 EUR bestehen,
2.
festzustellen, dass die ratenweise Aufrechnung nicht, hilfsweise allenfalls bis zu einem Betrag von 641,40 EUR zulässig gewesen
ist, mit der Folge, dass sämtliche bzw. die über diesen Betrag hinausgehenden Zahlbeträge an den Kläger zu erstatten sind,
3.
hilfsweise,
die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 19.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2013 zu verpflichten,
sämtliche Forderungen, die ihren Ursprung vor dem 01.10.2009 haben, gemäß §
76 Abs.
2 Nr.
3 SGB IV zu erlassen,
4.
äußerst hilfsweise,
die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 19.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2013 zu verpflichten,
sämtliche Forderungen, die ihren Ursprung vor dem 01.10.2009 haben, gemäß §
76 Abs.
2 Nr.
2 SGB IV niederzuschlagen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat über die Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid ergänzend ausgeführt, dass die einzelnen Forderungshöhen oder der
tatsächliche Bestand der Forderungen nicht Streitgegenstand sein könnten. Die Beklagte werde von den Jobcentern lediglich
gemäß § 44b Abs. 4 SGB II mit der Beitreibung der Forderungen beauftragt. Inhaber der Forderungen blieben die Jobcenter. Die Beklagte sei weder technisch
noch rechtlich in der Lage, die Forderungshöhen zu ändern. Lägen tatsächlich unzutreffende Forderungshöhen vor, so könnte
dies nur von dem Beigeladenen korrigiert werden. Insoweit könne der Kläger Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X bei dem Jobcenter stellen, da die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide bestandskräftig geworden seien. Diese Bestandkraft
könne auch nicht durch das Gericht, quasi an den gesetzlichen Bestimmungen vorbei, durchbrochen werden.
Mit Beschluss vom 10.05.2013 hat das Sozialgericht das Jobcenter Kreis Wesel zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt hat, hat das Folgende ausgeführt: Rechtsgrundlage für den begehrten Erlass der
Forderungen sei nicht §
76 Abs.
2 Nr.
3 SGB IV, sondern die inhaltsgleiche spezialgesetzliche Vorschrift des § 44 SGB II. Die Vorschriften über den Erlass nach § 44 SGB II seien allerdings nicht dazu bestimmt, die Folgen eines nicht eingeleiteten oder erfolglosen Rechtsbehelfs auszugleichen.
Der Kläger habe vom Beigeladenen in den Jahren 2006 bis 2011 Bescheide erhalten, mit denen er zur Rückzahlung überzahlter
Leistungen aufgefordert worden sei. Gegen diese Rückforderungsbescheide sei er seinerzeit nicht vorgegangen, so dass sie bestandskräftig
geworden seien. Soweit der Kläger nunmehr vortrage, die Bescheide, mit denen die Forderungen geltend gemacht worden sind,
seien nicht ordnungsgemäß festgesetzt worden, so sei dies ein Sachverhalt, der im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach
§ 44 SGB X zu klären sei. Die Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II gelte nicht, weil § 44 Abs. 4 SGB X auf Rückforderungsbescheide keine Anwendung finde. Die Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide könne nicht im Rahmen des
Erlassantrags und somit auch nicht im vorliegenden Klageverfahren geklärt werden. Die Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit
der einzelnen Bescheide seien nicht geeignet, den Erlass der jeweiligen Forderung herbeizuführen.
Einen am 21.05.2014 im Rahmen eines Erörterungstermins bei dem Sozialgericht geschlossenen Vergleich, wonach die noch offenen
Forderungen in Höhe von 1.159,64 EUR von dem Beigeladenen auf 600,00 EUR reduziert und die Beitreibung der Forderungen von
der Beklagten bis 31.12.2014 ratenlos gestundet werden sollten, hat der Kläger innerhalb der Widerrufsfrist widerrufen. Zur
Begründung hat er auf eine selbst erstellte Aufstellung der seiner Ansicht nach fehlerhaft ergangenen Bescheide verwiesen.
Mit Urteil vom 21.10.2015, das mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das Sozialgericht
die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
Hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2) sei die Klage bereits unzulässig. Es handele sich insoweit um eine Feststellungsklage,
weil der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung begehre, dass Forderungen aus einem Rechtsverhältnis zum Beigeladenen
nicht, hilfsweise nur in einer bestimmten Höhe bestehen und die ratenweise Aufrechnung mit laufenden Leistungen nach dem SGB II nicht, hilfsweise nur bis zu einer bestimmten Forderungshöhe zulässig war. Gemäß §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG könne die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Auch könne die Feststellungsklage
auf die Feststellung einzelner Rechte oder Pflichten - hier das Bestehen bestimmter Erstattungsforderungen - gerichtet sein,
die auf dem Rechtsverhältnis im umfassenden Sinn basierten. Allerdings dürfe die Feststellungsklage nicht zur Umgehung anderer
rechtlicher Vorgaben, insbesondere der Bindungswirkung von Verwaltungsakten, genutzt werden (Subsidiarität der Feststellungsklage).
Dies ergebe sich bereits aus §
55 Abs.
1 Nr.
4 SGG, wonach nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit, sondern nur der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden könne,
sowie bei den anderen Alternativen des §
55 Abs.
1 SGG aus einer Zusammenschau mit §
77 SGG. Erstmals im Klageverfahren wende der Kläger jetzt ein, ein Teil der gegen ihn geltend gemachten Rückforderungen sei rechtswidrig,
weil die Änderungsbewilligungsbescheide keine Erstattungsregelung enthielten und die Forderungen zum Teil auch überzahlte
Leistungen nach dem SGB II an seine Ehefrau beträfen, so dass der Beigeladene insoweit das Individualitätsprinzip missachtet habe. Ferner zweifele er
an der Bestimmtheit der Bescheide des Beigeladenen und erhebe damit materiell-rechtliche Einwendungen gegen die bestandskräftigen
Erstattungsforderungen, die von der Beklagten im Wege des auf sie gemäß § 44b Abs. 4 SGB II übertragenen Forderungseinzugs für den Beigeladenen eingezogen würden. Diese materiell-rechtlichen Einwendungen könnten aber
nicht Gegenstand der erhobenen Feststellungsklage sein. Dies würde zu einer Durchbrechung der Bestandskraft und Unanfechtbarkeit
der Verwaltungsakte führen. Der Kläger hätte vielmehr im Wege der dafür vorgesehenen Überprüfung gemäß § 44 SGB X vorgehen müssen, um sein Rechtsschutzziel zu erreichen. Diese als Instrument des Ausgleichs zwischen dem Interesse an materieller
Gerechtigkeit einerseits und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit andererseits geschaffene Regelung könne nicht umgangen werden,
indem der Kläger, ohne dass dem Beigeladenen selbst noch einmal die Möglichkeit zur Überprüfung gegeben wird, Feststellungsklage
erhebe. Er hätte vielmehr einen Antrag auf Überprüfung der entsprechenden Bescheide gemäß § 44 SGB X bei dem Beigeladenen stellen und bei Erfolglosigkeit im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
beim Sozialgericht erheben müssen.
Der Klageantrag zu 3) sei unbegründet. Über die rechtlich zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid
vom 17.04.2013 hinaus könne dahinstehen, ob sich die Beklagte als Einzugsstelle auf §
76 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB IV oder als im Wege der Übertragung für den Forderungseinzug zuständiger Träger (§ 44b Abs. 4 SGB II) auf die Sondervorschrift des § 44 SGB II hätte stützen müssen, da die Regelungen den Erlass betreffend in beiden Vorschriften wortgleich seien. Die Beklagte habe
in Ausfüllung der Vorschriften geprüft, ob persönliche oder sachliche Unbilligkeitsgründe bezüglich der Anspruchseinziehung
beim Kläger vorlägen. Da es sich um Ermessensvorschriften handele, deren Inhalt und Grenzen durch den Maßstab der Billigkeit
bestimmt werde, sei die Kammer auf die Prüfung von Ermessensfehlern beschränkt. Hierfür habe das Gericht keine Anhaltspunkte
gesehen. Erst recht bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, d.h. der Erlass
im vorliegenden Fall die einzig denkbare Entscheidungsmöglichkeit sei. Auch sei darauf hinzuweisen, dass der Erlass nicht
dazu bestimmt sei, die Folgen eines nicht eingeleiteten oder erfolglosen Rechtsbehelfs auszugleichen. Die Zahlungsforderungen
seien deshalb nur in Ausnahmefällen auf sachliche Richtigkeit zu überprüfen. Auch hier sei die Korrekturmöglichkeit nach §
44 SGB X vorrangig.
Schließlich sei auch der Antrag zu 4), die Verpflichtung der Beklagten zur Niederschlagung sämtlicher Forderungen (§
76 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB IV), die ihren Ursprung vor dem 01.10.2009 hätten, unbegründet. Niederschlagung bedeute, von der Durchsetzung eines fälligen
Anspruchs zeitweilig oder dauerhaft abzusehen. Hierbei handele es sich um eine rein verwaltungsinterne Entscheidung ohne Außenwirkung.
Der Anspruch als solcher bleibe bei einer Niederschlagung bestehen und durchsetzbar. Der Kläger habe mithin weder einen Anspruch
auf eine solche verwaltungsinterne Entscheidung, noch ein Rechtsschutzinteresse, da die Forderungen ihm gegenüber bestehen
blieben. Er könne sich daher auch nicht darauf berufen, die Beklagte habe bisher nicht über seinen Antrag auf Niederschlagung
entschieden.
Gegen dieses ihm am 02.12.2015 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 30.12.2015 eingelegten Berufung, die er
wie folgt begründet:
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Feststellungsklage zulässig. Denn es werde die Feststellung des Nichtbestehens
konkret bezeichneter Erstattungsforderungen geltend gemacht. Auch diene die Feststellungsklage vorliegend nicht der Umgehung
der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte. Denn es gehe hier nicht in erster Linie darum, dass er - der Kläger
- materiell-rechtliche Einwendungen gegen bestandskräftige Erstattungsforderungen erheben würde (dies sei insoweit eine reine
Hilfserwägung), sondern er grundsätzlich in Abrede stelle, dass die betreffenden Bescheide überhaupt als Erstattungsbescheide
qualifiziert werden könnten. Handele sich es bei den Bescheiden entgegen dem Vorbringen des Beigeladenen aber um reine Änderungsbescheide,
so habe dies notwendig zur Folge, dass durch die in Rede stehenden Bescheide gerade keine Erstattungsforderungen festgesetzt
worden seien. In Ermangelung von Erstattungsbescheiden seien aber auch die geltend gemachten Erstattungsforderungen nicht
existent, nicht fällig und nicht durchsetzbar. Genau dies begehre er mit der entsprechenden Feststellung. Soweit die Änderungsbescheide
dennoch als Erstattungsbescheide auszulegen seien, was er für abwegig halte, seien diese gänzlich unbestimmt, weil ihnen nicht
entnommen werden könne, in welcher Höhe Erstattungsforderungen geltend gemacht würden. Damit wären diese Erstattungsbescheide
sogar nichtig, also ebenso nicht existent. Wäre das Ergebnis des Sozialgerichts zutreffend, so könne der Beigeladene, statt
Rückforderungsbescheide zu erlassen, die Beklagte einfach mit dem Forderungseinzug betrauen, um eine nicht existente Forderung
gegen ihn durchzusetzen. Bei Nichtexistenz angreifbarer Bescheide aber könne er aber nicht auf Rechtsmittel gegen den Beigeladenen
verwiesen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.10.2015 abzuändern und
1.
festzustellen, dass
a)
die von der Beklagten im Auftrag des Beigeladenen unter den Geschäftszeichen xxx und xxx geltend gemachten Forderungen lediglich
in Höhe von 641,40 EUR bestehen bzw. bestanden haben,
b)
die ratenweise Aufrechnung durch den Beigeladenen allenfalls bis zu einem Betrag in einer Gesamthöhe von 641,40 EUR zulässig
war mit der Folge, dass die über den vorgenannten Betrag hinausgehenden Zahlbeträge an den Kläger zu erstatten sind,
2.
hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2013
zu verpflichten, sämtliche Forderungen, die ihren Ursprung vor dem 01.10.2009 haben, gemäß § 44 SGB II zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts, die sie für überzeugend hält. Die Berufungsbegründung enthalte
keine Ausführungen, die nicht schon im Urteil des Sozialgerichts Berücksichtigung gefunden hätten.
Der Beigeladene, der keinen Terminsvertreter zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat entsandt hat, hat das Folgende ausgeführt:
Mit den vom Kläger benannten Bescheiden seien von der Beigeladenen jeweils die Erstattung überzahlter Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts gefordert worden. Soweit der Kläger vortrage, dass es sich bei diesen Bescheiden nicht um Erstattungsforderungen
handele, die einer rechtlichen Überprüfung zugänglich wären, sei dies nicht nachvollziehbar. Tatsache sei, dass der Kläger
seinerzeit gegen keinen dieser Bescheide Widerspruch eingelegt habe. Wenn nunmehr nach Bestandskraft dieser Bescheide vorgetragen
werde, diese würden nicht die Voraussetzungen an ordnungsgemäße Erstattungsbescheide erfüllen, sei dies der "klassische" Fall
für eine Überprüfung im Rahmen des § 44 SGB X, nicht aber im Rahmen einer Feststellungsklage gegen die Beklagte, mit der er nicht erreichen könne, dass die mit dem bestandskräftigen
Bescheid festgestellten Erstattungsansprüche erlassen würden.
Nach einer von dem Kläger eingereichten Forderungsaufstellung der Beklagten vom 05.08.2016 beläuft sich die noch offene Forderung
des Beigeladenen auf 1.130,64 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die zulässige, insbesondere statthafte und auch fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
ist unbegründet. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren seine Anträge aufrechterhalten hat, hat das Sozialgericht die Klage
im Hauptantrag zu Recht als unzulässig sowie im Hilfsantrag als unbegründet abgewiesen.
a) Nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die
Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder zwischen Personen und Gegenständen, die sich aus einem Sachverhalt aufgrund einer
Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. statt vieler Keller,
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
55 Rn. 4 m.w.N.). Bestehen, Art und Umfang dieses Rechtsverhältnisses wird somit von dem zu Grunde liegenden materiellen Recht
bestimmt. Soweit der rechtskundig vertretene Kläger ausweislich seines insoweit eindeutigen Antrages (§
123 SGG) die (negative) Feststellung des Nichtbestehens oder - hilfsweise - der Rechtswidrigkeit einer Aufrechnung von Forderungen
des Beigeladenen über den Betrag von 641,40 EUR hinaus gegenüber der Beklagten begehrt, fehlt es insoweit bereits an einem
konkreten feststellungsfähigen Rechtsverhältnis zwischen ihm und der beklagten Bundesagentur. Denn für die Frage der Feststellung
des Nichtbestehens von Rückforderungen des Beigeladenen oder deren fehlender Aufrechnungsbefugnis fehlt es der Beklagten in
ihrer Eigenschaft als gegenüber dem Beigeladenen mit der Wahrnehmung des Forderungseinzuges beauftragter Träger (§ 44b Abs. 4 i.V.m. § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II) an der Passivlegitimation. Ungeachtet der durchaus streitigen Frage, ob ein mit dem Forderungseinzug betrauter Träger die
Forderung im Namen der gemeinsamen Einrichtung oder im eigenen Namen geltend machen darf (vgl. zum Streitstand LSG NRW, Beschl.
v. 24.10.2016 - L 7 AS 882/16 B ER -, juris Rn. 13 m.w.N.), hat die Beklagte, was auch von dem Kläger nicht in Abrede gestellt wird, ausweislich sämtlicher
aktenkundiger Schreiben und Bescheide ersichtlich im Namen des Beigeladenen gehandelt, indem sie stets auf die Beauftragung
des Einzugs der Forderungen durch das beigeladene Jobcenter hingewiesen und auch ausweislich des Widerspruchsbescheides vom
17.04.2013 auf die Prüfungskompetenz des Jobcenters etwa im Hinblick auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Aufrechnung von
Forderungen nach dem SGB II mit gleichartigen Ansprüchen des Klägers verwiesen hat (s. hierzu auch LSG NRW, Beschl. v. 24.10.2016 - L 7 AS 882/16 B ER -, juris Rn. 14). Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten fehlt als bloßer "Inkasso-Stelle" die Kompetenz,
sowohl das Bestehen als auch die Höhe der von dem Beigeladenen zum Forderungseinzug angemeldeten Rückforderungen materiell-rechtlich
zu überprüfen, was auch das Bestehen einer eventuellen Aufrechnungsbefugnis nach § 43 SGB II umfasst. Insoweit kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Bescheiden des Beigeladenen vom 12.12.2008, 30.03.2009,
04.08.2009, 02.11.2009, 01.12.2009, 11.01.2010, 25.01.2010, 01.03.2010, 06.04.2010, 10.05.2010, 01.06.2010, 04.10.2010, 19.10.2010,
20.12.2010, 26.01.2011, 22.02.2011 und 26.04.2011 überhaupt um Erstattungsbescheide handelt, die einen Rückforderungsanspruch
gegen den Kläger begründet haben. Schon gar nicht ist die Beklagte befugt, darüber zu entscheiden, ob diese Bescheide rechtswidrig
oder gar nichtig sind. Da es insoweit an einem entsprechenden konkreten Rechtsverhältnis der Beklagten zum Kläger fehlt, kann
das Gericht eine entsprechende Feststellung wie von dem Kläger begehrt schon aus diesem Grund nicht aussprechen. Die Beklagte
kann allenfalls darüber entscheiden, ob die bei ihr zum Zwecke des Einzuges angemeldeten Forderungen entweder nach Maßgabe
des §
76 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB IV oder - was näherliegt, aber im Ergebnis dahingestellt bleiben kann - des § 44 SGB II erlassen werden können (s. unter 2).