Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für die kontinuierliche Glukosemessung - CGM im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit einem Transmitter sowie mit einem
Sensor für das kontinuierliche Glukosemesssystem der Firma M.
Der am ... 1971 geborene Kläger leidet seit dem Jahr 1982 an einem Diabetes mellitus Typ I. Das Landesversorgungsamt stellte
auf seinen Antrag ab dem 3. Dezember 1992 einen Grad der Behinderung von 50 fest.
Im März 2010 nahm der Antragsteller an einem Hypoglykämiewahrnehmungstraining bei seinem behandelnden Facharzt für Innere
Medizin und Diabetologie Dr. St. teil. Am 13. April 2011 beantragte er unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung und eines
ärztlichen Gutachtens von Dr. St. vom 4. April 2011 sowie eines Kostenvoranschlages über 1.188,81 EUR vom 12. April 2011 die
Kostenübernahme für ein kontinuierliches Glukosemonitoring Metronic MiniMed Paradigm (MM PDM) Real-Time CGM Start-Set. Dr.
St. hat in dem Gutachten mitgeteilt: Derzeit führe der Antragsteller sechs Blutzucker-Selbstmessungen täglich durch. Zur Abwehr
von Folgeerkrankungen müsse die Stoffwechseleinstellung eng geführt werden. Beim Antragsteller träten häufig nächtliche Hypoglykämien
mit einem erheblichen Risiko für Akut- und Folgeschäden auf. Er könne eine sich anbahnende Unterzuckerung nicht rechtzeitig
oder überhaupt nicht bemerken, was zu einer Beeinträchtigung im psychosozialen Bereich führe und die Lebensqualität einschränke.
Nach den bisherigen Verfahren habe die Ursache der hohen Glukose-Schwankungen nicht ermittelt werden können. Die letzten Hb1c-Werte
hätten 9,1 (6.5.2010), 9,4 (20.9.2010), 9,4 (17.12.2010), 10,2 (18.3.2011) betragen. Trotz der Insulinpumpentherapie sowie
einer optimierten Einstellung habe keine stabile Blutzuckereinstellung erreicht werden können. Zwischenzeitlich habe sich
beim Antragsteller eine übermäßige Angst vor Unterzuckerungen eingestellt. Das kontinuierliche Glukosemonitoring sowie eine
psychologische Betreuung könne die vorliegende Angststörung mildern. Bisher seien beim Antragsteller zur Therapie-Optimierung
durchgeführt worden:
BZ-Tagesprofile erstellt,
Fester BE-Plan eingerichtet,
Überprüfung der Korrekturfaktoren,
Basalinsulinregime wurde angepasst,
Basalraten-Profil der Insulinpumpte wurde überprüft und angepasst.
Die Antragsgegnerin veranlasste eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). In einem Gutachten vom
6. Mai 2011 gab Dipl.-Med. S. an: Beim Antragsteller bestehe eine schwerwiegende Erkrankung, die die Lebensqualität auf Dauer
nachhaltig beeinträchtige. Die kontinuierliche Glukosemessung sei nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA)
vom 9. Juli 2010 eine "Neue Untersuchungsmethode", die gemäß §
135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) vom GBA anerkannt werden müsse. Dies sei noch nicht erfolgt. Nach einer vorläufigen Bewertung der sozialmedizinischen Expertengruppe
"Methoden und Produktbewertung" SEG 7 vom 19. September 2009 wird wörtlich ausgeführt:
"Im begründeten Einzelfall ist es denkbar, dass bei Patienten mit Diabetes melltius, die gehäuft und nicht vorhersehbar unter
Insulinpumpentherapie immer wieder schwere Hypoglykämien erleiden, eine kontinuierliche Gewebemessung mit entsprechenden Sensoren
begründet sein kann. Voraussetzung ist jedoch, dass alle vertraglichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden und Hypoglykämien
dokumentiert wurden."
Diese Voraussetzungen seien beim Antragsteller nicht gegeben. Auch sei zunächst eine stationäre Behandlung angezeigt und eine
Reha-Maßnahme zu empfehlen. Dem folgend lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. April 2011 den Antrag ab. Hiergegen
richtete sich der Widerspruch des Antragstellers vom 14. Juni 2011, in dem dieser ausführte: Schwere hypoglykämische Schocks
mit Bewusstlosigkeit und anschließender stationäre Behandlung seien bei ihm seit 15 Jahren nicht aufgetreten. Die Unterzuckerungen
würden jedoch von ihm so spät wahrgenommen, dass die körperliche Gegenreaktion mit massiver Freisetzung von Glukagon nicht
mehr abzuwenden sei. Dies sei die Hauptursache für die schlechten Hb1c-Werte. Allein zur Abwehr der drohenden Folgeerkrankungen
und wegen seiner beruflichen sowie psycho-sozialen Situation sei das beantragte Hilfsmittel unverzichtbar. Die Antragsgegnerin
hat den MDK beauftragt, ein sozialmedizinisches Gutachten zu erstatten. Die MDK-Gutachterin Dr. B. führte in dem Gutachten
vom 20. Januar 2012 aus: Bei der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) mit dem Glukosesensor-System MiniMed Paradigm Veo handele
es sich nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes um eine neue Behandlungsmethode. Nach den derzeit vorliegenden fünf Publikationen
könne zwar festgestellt werden, dass sich durch den Einsatz dieser Geräte eine Verbesserung der Hb1c-Werte erzielen lasse.
Bezogen auf schwere Hypoglykämien sei dieser positive Wirkungseffekt jedoch nicht nachgewiesen. Dem folgend wies die Antragsgegnerin
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2012 zurück. Hiergegen hat der Antragsteller Klage beim Sozialgericht
Halle (S 25 KR 127/12) erhoben.
Am 5. Juli 2012 hat der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Halle die Versorgung mit
einem Transmitter sowie Sensoren für das kontinuierliche Glukosemesssystem der Firma M. beantragt. Am Morgen des 22. Juni
2012 habe er die örtliche Notfallambulanz wegen Schmerzen in der Schulter und Herzproblemen aufsuchen müssen. Hier sei ein
Blutzuckerwert von 57 mg/dl festgestellt worden. Die Versorgung mit einem Glukosemesssystem sei nunmehr dringend erforderlich
und ihm ein weiteres Abwarten nicht mehr zumutbar. Das beantragte System biete als zusätzlichen Schutz vor Entgleisungen eine
Hypo-Abschaltung, die automatisch die Zufuhr von Insulin für zwei Stunden unterbreche. Die kontinuierliche Glukosemessung
erfolge durch einen kleinen Sensor, der in das Unterhautgewebe eingeführt werde und bis zu sechs Tage getragen werden könne.
Der Sensor sei mit einem kleinen Transmitter verbunden, der die Glukosewerte per Funk an die Insulinpumpe weitergebe. Die
Pumpe erfasse die jeweiligen Glukosewerte und mache diese über ein Display visualisierbar. Der Antragsteller hat ein Konsenspapier
von A. L. und anderen Fachärzten, einen Bericht der Diabetes Klinik B. N. sowie einen Reha-Bericht der Klinik H. vorgelegt.
Der Chefarzt der Diabetesklinik B. N. Dr. E. berichtete über einen stationären Aufenthalt des Antragstellers vom 7. März 2012
bis 23. März 2012 und diagnostizierte:
Diabetes mellitus Typ I,
Verdacht auf autonome Neuropathie mit Gastroparese,
diabetische Retinopathie,
rezidivierende Hypoglykämien bei Hypoglykämiewahrnehmungsstörung,
Schulterbeschwerden rechts bei neu diagnostizierter Frozen-Schulter rechts,
Akuter Luftwegsinfekt.
Der HB1c-Wert habe 9 % betragen. Im Bereich der Augen zeige sich eine beginnende diabetische Retinopathie mit vereinzelten
punktförmigen Blutungen. Bei stationärer Aufnahme habe ein sehr labiler Stoffwechsel vorgelegen. Hierbei wechselten hyperglykämische
Blutzuckerspitzen mit häufig rezidivierenden Hypoglykämien bei einer bereits bekannten Hypoglykämiewahrnehmungsstörung. Der
Antragsteller sei bereits seit Jahren mit einer Insulinpumpe versorgt. Die Blutzuckerschwankungen stünden in einem Zusammenhang
zur körperlichen Aktivität und Stressbelastungen. Während der stationären Aufnahme sei eine gleichmäßigere Blutzuckereinstellung
sowie eine Reduktion der Hypoglykämienhäufigkeit erreicht worden. Aufgrund der starken Blutzuckerschwankungen und häufigen
Unterzuckerungen sei der Antragsteller stark verunsichert und deswegen eine psychologische Betreuung sinnvoll.
Dr. E. berichtete über einen stationären Aufenthalt des Antragstellers vom 25. April bis 30. Mai 2012 in der Rehabilitationsklinik
H. (R.): Der Antragsteller trage eine Insulinpumpe des Modells VEO (Fa. P.). In den letzten zehn Jahren habe er als Kommunikationsdesigner
in einem mittelständischen Betrieb gearbeitet. Wegen Stoffwechselentgleisungen sei er seit dem 10. Februar 2012 durchgehend
arbeitsunfähig. Seit dem September 2011 sei der Antragsteller arbeitslos und beziehe Krankengeld. Die stationäre Aufnahme
sei in labiler Stoffwechsellage mit stark schwankenden Blutzuckerwerten und rezidivierenden Unterzuckerungen bei einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung
erfolgt. Das Tragen eines Glukosemonitorringssystems sei zu empfehlen. Der Antragsteller sehe seine berufliche Situation gefährdet,
was ihm zunehmend Sorgen bereite. In psychiatrischer Hinsicht bestehe eine klinisch relevante depressive Symptomatik von mittlerer
Ausprägung. Im Verlauf der Reha-Maßnahme habe der Antragsteller eine gesonderte Diabetes-Schulung absolviert und sehr motiviert
mitgearbeitet. Bei Entlassung habe nach wie vor Arbeitsunfähigkeit wegen schwankender Blutzuckerwerte bestanden. Mittels Einsatzes
eines CGM (kontinuierliches Glukosemessgerät), eines Basalratentests sowie einer Bolusinsulinanpassung sei der Diabetes im
Verlauf der Maßnahme besser eingestellt worden. Insgesamt seien weniger Unterzuckerungen aufgetreten. In zwei Nächten sei
die Insulinpumpe von dem CGM-Sensor ausgeschaltet worden, was der Antragsteller selbst wohl nicht gemerkt hätte. Nach Angaben
des Antragstellers reagiere sein Diabetes bei größeren Belastungen oder Stress und sei unberechenbar. Der Antragsteller dürfte
durch die Verordnung eines CGM privat und beruflich erheblich profitieren. Hierbei sei auf die gefährdenden nächtlichen Hypoglykämien
hinzuweisen. Die Verordnung eines CGM sei auch hinsichtlich der Progressionsverminderung sowie der Abwendung von Folgekomplikationen
positiv zu bewerten. Aktuell seien alle Behandlungsoptionen ausgeschöpft.
Die Antragsgegnerin hat dagegen geltend gemacht: Beim kontinuierlichen Glukose- messsystem handele es sich um ein Verfahren,
bei dem Hilfsmittelkomponenten zum Einsatz kämen, deren medizinischer Nutzen noch nicht bewertet werden könne. Ein entsprechender
Hinweis lasse sich in der Bekanntmachung des GKV-Spitzenverbandes, Bundesanzeiger Nr. 118 vom 10. August 2010 finden. Zudem
habe Dr. St. darauf hingewiesen, dass es sich um eine relativ neue diagnostische Methode handele. Die Antragsgegnerin hat
eine sozialmedizinische Stellungnahme der MDK Gutachterin Dipl.-Med. S. vom 17. Juli 2012 vorgelegt, die ausgeführt hat: Nach
einer Information über die Sitzung des Gemeinsamen Bundessausschusses vom 24. November 2011 sei ein Antrag auf Bewertung der
Methode "kontinuierliche Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigen
Diabetes mellitus" gemäß §
135 SGB V sowie §
137 c SGB V gestellt worden. Nicht bemerkte Hypoglykämien seien akut lebensbedrohlich. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung nicht
erfüllt. So seien gehäufte, nicht vorhersehbar auftretende schwere, eine Fremdhilfe erfordernden Hypoglykämien nicht dokumentiert.
Mangels einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses sei der Versorgungsanspruch daher nicht begründbar.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. St. vom 16. August 2012 eingeholt. Hiernach
leide der Antragsteller seit Jahren an stark schwankenden Blutzuckerwerten mit Entgleisungen nach oben und unten. Dies habe
zu häufigeren Arbeitsunfähigkeitstagen geführt. Unterzuckerungen träten ca. acht Mal die Woche auf, in deren Folge es häufig
zu starken Gegenregulationen mit stark erhöhten Blutzuckerwerten komme. Dies gelte insbesondere für Situationen mit Stress
und körperlicher Aktivität. Die gesundheitliche Situation sei seit April 2011 im Wesentlichen unverändert. Für eine kontinuierliche
Blutglukosemessung bestehe eine klare medizinische Indikation. Der Antragsteller leide an einer Unterzuckerungwahrnehmungsstörung,
die bei langjährigen Diabetes Typ I-Patienten nicht selten vorkomme. Der Antragsteller führe derzeit konventionelle Blutzuckermessungen
in einer sehr hohen Frequenz durch. Auch durch diese erhöhte Messefrequenz sei es zu keiner Verbesserung der Blutzuckereinstellung
gekommen. Die kontinuierliche Blutzuckermessung habe den Vorteil, den aktuellen Blutzuckerwert in Echtzeit ablesen und umgehende
Reaktionen einzuleiten zu können. Konventionelle Maßnahmen (Schulung des Patienten, Optimierung der Insulintherapie, stationäre
Stoffwechseleinstellung) seien ausgeschöpft und daher keine sinnvolle Alternative zu einem CGM-Gerät erkennbar.
Das SG hat mit Beschluss vom 17. September 2012 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und im Wesentlichen
ausgeführt: Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Anspruchsgrundlage sei §
33 SGB V Abs.
1 Satz 1
SGB V. Der Glukosesensor sei ein Hilfsmittel, stehe jedoch unter dem Versorgungsvorbehalt des §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Hiernach sei eine Therapie bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur dann von der gesetzlichen Leistungspflicht
des
SGB V umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive Empfehlung hierzu abgegeben hat. Dies gelte auch für die Hilfsmittelversorgung.
Eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses liege aktuell noch nicht vor. Aus dem Beschluss des Gemeinsamen
Bundesausschusses vom 24. November 2011 sei erkennbar, dass es sich bei der kontinuierlichen Glukosemessung um eine Methode
der Therapiesteuerung handele. Diese sei auch als "neu" im Sinne des §
135 SGB V anzusehen. Hinweise für ein Systemversagen oder einen grundrechtlichen Anspruch des Antragstellers aus dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) seien nicht erkennbar. Insbesondere fehle es beim Antragsteller an einer notstandsähnlichen Situation.
Der Antragsteller hat gegen den ihm am 24. September 2012 zugestellten Beschluss am 20. Oktober 2012 Beschwerde beim Sozialgericht
Halle erhoben, das das Verfahren am 23. Oktober 2012 dem Landessozialgericht Sachsen Anhalt zur Entscheidung vorgelegt hat.
Zur Begründung hat er geltend gemacht: Er sei wegen seiner starken Blutzuckerschwankungen nach wie vor arbeitsunfähig. Die
Retinopathie am rechten Auge habe sich inzwischen verschlechtert (Befund aktuell nur noch als "mäßig" beschrieben). Infolge
der ständigen Blutzuckerschwankungen, dem Verlust der Arbeit, sowie dem damit verbundenen sozialen Abstieg sei es zu behandlungsbedürftigen
depressiven Verstimmungen gekommen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei die kontinuierliche Glukosemessung nicht als eine
neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach §
135 Abs.
1 SGB V zu werten. Aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 24. November 2011 lasse sich lediglich die Auffassung
des GBA entnehmen, dass er von einer neuen Methode im Sinne des §
135 Abs.
1 SGB V ausgehe. Eine Begründung hierzu stehe noch aus. Im Vergleich zur herkömmlichen Blutzuckermessungen ergänzen und präzisieren
die Informationen der Geräte einer kontinuierlichen Glukosemessung lediglich die weiterhin durchzuführende Glukosekontrolle
mit herkömmlichen Blutzuckermessgeräten. Von einer neuen Methode sei zu erwarten, dass die Messung für sich alleine genutzt
werden könne, was hier jedoch nicht der Fall sein. Wäre die Auffassung der Vorinstanz zutreffend, müssten weitere Hilfsmittel
einer Methodenkontrolle unterworfen werden (z.B. Pen). Das kontinuierliche Glukosemesssystem sei zudem bereits seit dem Jahr
2004 auf dem deutschen Markt vorhanden (Metronic Guardian Realtime) und daher nicht als "neu" zu bewerten. Zudem stehe dem
Antragsteller aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 ein entsprechender Anspruch zu. Auch habe
der Antragsteller am 24. Oktober 2012 einen schweren Hypoglykämieschock mit Bewusstlosigkeit erlitten, der eine stationäre
Behandlung erforderlich gemacht habe. Durch eine Zufallsmessung habe er einen kritischen Blutzuckerwert von 1,5 mmol/l festgestellt.
Körperliche Anzeichen einer Hypoglykämie hätten nicht bestanden, zumal der ca. 1 h vorher ermittelte Blutzuckerwert 10 mmol/l
betragen habe. Am Frühstückstisch sei er dann auf seinem Stuhl zusammengebrochen und habe das Bewusstsein verloren. Dies habe
zu einem stationären Aufenthalt vom 24. bis 26. Oktober 2012 in der M. -Klinik des Krankenhauses W. geführt. Wirksame Sofortmaßnahmen
seien nur möglich gewesen, weil sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Bewusstlosigkeit bei seinen Eltern befunden habe.
Aufgrund des Vorfalles führe er aktuell alle 2 h eine Blutzuckermessung durch. Auch habe er mit seinen Eltern vereinbart,
diese alle 2 h anzurufen, um mögliche Selbstgefährdungen zu vermeiden. In einem beigefügten Arztbrief der M. GmbH berichtete
Oberärztin G. - F. unter dem 26. Oktober 2012 über ein Koma des Antragstellers.
Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und sieht sich durch einen aktuellen Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts
vom 10. Oktober 2012 (L 1 KR 139/12 B ER) in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.
Der Senat hat einen aktuellen Befundbericht von Dr. St. vom 13. Dezember 2012 und vom Facharzt für Innere Medizin L. vom 3.
Januar 2013 eingeholt. Dr. St. hat angegeben: Der Antragsteller leide seit Jahren an starken und auch unkontrollierbaren Blutzuckerschwankungen.
Die Gefährdung, Stoffwechselentgleisungen zu erleiden, sei dabei als sehr hoch einzuschätzen. Insbesondere schwere Unterzuckerungen
stellten akute, im Einzelfall auch lebensbedrohliche Komplikationen dar. Herr L. hat mitgeteilt: Die Gefahr einer schweren
Hypoglykämiestörung mit schwerem Koma, wie dies im Oktober 2012 geschehen sei, sei bei einem Diabetes mellitus Typ I groß
und steige mit zunehmender Erkrankungsdauer noch an. Die Ursachen für derartige schwere Erkrankungsbilder könnten mit der
Dosierung, dem Zeitpunkt der Insulingabe u.a. Ursachen zusammenhängen. Nach der Leitlinie zur Behandlung des Diabetes mellitus
Typ I der Deutschen Diabetes Gesellschaft sei aus der Gesamtschau der Studien festzustellen, dass die kontinuierliche Glukosemessung
zu einer möglichen Senkung des Hb1c-Wertes führen könne. Zur Verbesserung von Hypoglykämien sei dagegen keine eindeutige Evidenz
bestätigt.
Die Gerichtsakte aus dem einstweiligen Rechtschutzverfahren sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die oben genannten
Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts
und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten und Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
II. Die statthafte Beschwerde des Antragsstellers ist form- und fristgerecht gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet, denn der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung
im Hauptsacheverfahren eine vorläufige Versorgung mit dem Transmitter sowie den Glukosesensoren zur kontinuierlichen Glukosemessung
verlangen.
Dem Antragsteller ist unter Berücksichtigung der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz
nach §
86b Abs.
2 SGG (dazu 1.) und der danach im vorliegenden Fall gebotenen Folgenabwägung (dazu 2.) nach Auffassung des Senats nicht zuzumuten,
bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache auf die Verwendung der begehrten Mittel zu verzichten.
1. Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Abs. 2 Satz 2 der Norm auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile
nötig erscheint. Da der Antragsteller in Bezug auf den Transmitter sowie die begehrten Glukosesensoren noch keine Rechtsposition
innehat, reicht eine Sicherungsanordnung im Sinne von §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG nicht aus. Der Antragsteller begehrt vielmehr die Regelung eines vorläufigen Zustandes und macht geltend, dass ihm ohne die
einstweilige Anordnung wesentliche Nachteile drohen. Dies ist nur im Wege einer Regelungsanordnung im Sinne von §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zu erreichen.
Die Regelungsanordnung kann vom Gericht erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Zivilprozessordnung -
ZPO), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht - Anordnungsanspruch - (dazu unter a) und dass er
ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbesondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentliche Nachteile
im Sinne von §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG erleiden würde - Anordnungsgrund - (dazu unter b).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen
Zusammenhangs ein bewegliches System: je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen
an den Anordnungsgrund und umgekehrt. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung
erforderlich. Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen
für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden Gefahr für die
Rechtsverwirklichung. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht
abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte
nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen
eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu
entscheiden (dazu unter 2.). Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen
(st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - BVerfGE 5, 237). Die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren
herausstellt, dass der Anspruch besteht, sind abzuwägen mit den Folgen, die entstünden, wenn das Gericht die einstweilige
Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (allg. Meinung, vgl. LSG
Berlin, Beschl. v. 28. Januar 2003 - L 9 B 20/02 KR ER; LSG Niedersachsen, Beschl. v. 12. Oktober 2005 - L 3 KR 128/05 ER; sowie Keller, aaO., Rn. 27 ff. mit weiteren Nachweisen).
a) Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind in rechtlicher (dazu aa) wie in tatsächlicher (dazu bb) Hinsicht
noch offen.
aa) Ein Anspruch des Antragstellers auf Versorgung mit dem Transmitter sowie den begehrten Glukosesensoren richtet sich nach
§
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln,
die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen
oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens
anzusehen oder nach §
34 Abs.
4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur,
soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des notwendigen nicht
überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß §
12 Abs.
1 SGB V nicht bewilligen. Hingegen ist weder die vertragsärztliche Verordnung (§
73 Abs.
2 Satz 1 Nr.
7 SGB V) des begehrten Hilfsmittels noch dessen Listung im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung (§
139 SGB V) verbindlich für die Leistungspflicht der Krankenkasse (st. Rspr., zuletzt BSG, Urt. v. 15.03.2012 - B 3 KR 2/11 R sowie Urt. v. 18.05.2011 - B 3 KR 12/10 R - Rn. 8, jeweils m. w. N., zitiert nach juris).
Bei den vom Antragsteller begehrten Glukosesensoren handelt es sich um Hilfsmittel im Sinne des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Zu den Hilfsmitteln zählen alle sächlichen medizinischen Leistungen, während in Abgrenzung hierzu dem Begriff der Heilmittel
(§
32 SGB V) alle persönlich erbrachten medizinischen Dienstleistungen unterfallen (BSG, Urt. v. 15.03.2012 - B 3 KR 2/11 R, zitiert nach juris).
Der Transmitter sowie die Glukosesensoren sind dem Antragsteller zur Sicherung einer Krankenbehandlung verordnet worden (§
33 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1
SGB V). Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich
verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Der spezifische Bezug zur ärztlich verantworteten
Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden,
auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht
und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V als erforderlich anzusehen ist (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.2012 - B 3 KR 2/11 R, m. w. N., zitiert nach juris).
Der Antragsteller steht aufgrund seines insulinpflichtigen Diabetes mellitus in andauernder ärztlicher Behandlung. Er wird
derzeit mittels einer Insulinpumpe therapeutisch versorgt. Im Zusammenhang mit der Reha-Maßnahme in der Klinik H. wurde der
Kläger zeitweise mit einem CGM-Sensor versorgt. Das Gerät schaltete die Insulinpumpe in zwei Nächten ab, was der Antragsteller
im Schlaf selbst nicht hätte machen können. Mit Hilfe der kontinuierlichen Gewebeglukosemessung wird der Antragsteller laufend
über die Glukosewerte informiert. Bei überhöhten oder zu niedrigen Werten, die ggf. durch eine manuelle Blutzuckermessung
zu überprüfen sind, kann er entsprechend reagieren. Zwar wird durch die kontinuierliche Messung der Glukosewerte mithilfe
der Sensoren nicht auf die Grunderkrankung des Antragstellers eingewirkt. Es geht aber dennoch um die Sicherung des Erfolgs
der Krankenbehandlung, weil der Krankheitsverlauf durch das kontinuierliche Glukosemonitoring positiv beeinflusst werden soll
(vgl. hierzu BSG, Urt. v. 22.04.2009 - B 3 KR 11/07 R, zitiert nach juris). Insbesondere kann dadurch zu niedrigen Blutzuckerwerten (Hypoglykämien) vorgebeugt oder begegnet werden.
In diesem Sinne wird auch ein gewisser therapeutischer Erfolg gefördert, der bei Diabetikern in der Einstellung möglichst
normnaher Blutzuckerwerte besteht. Auf den Eintritt eines therapeutischen Erfolges kommt es nicht an, es reicht aus, wenn
dieser angestrebt wird (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.2012 - B 3 KR 2/11 R, m. w. N., zitiert nach juris).
Möglicherweise soll das Hilfsmittel darüber hinaus auch zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung im Sinne von §
33 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
SGB V zum Einsatz kommen. Eine Behinderung "droht" nicht bereits dann, wenn sich nur ein abstrakt-theoretisches Behinderungsrisiko
verwirklichen könnte. Erforderlich ist vielmehr, dass eine bestimmte Art der Behinderung zu erwarten ist, die bei einer bestimmten
Erkrankung typischerweise als Folge eintreten kann (sachliche Komponente). Erforderlich ist darüber hinaus, dass aus einem
Krankheitsbild bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit ein Dauerzustand in Form einer nicht mehr behebbaren Funktionseinschränkung erwachsen kann (zeitliche Komponente
- vgl. hierzu BSG, Urt. v. 22.04.2009 - B 3 KR 11/07 R, zitiert nach juris). Ein dauerhaft schlecht eingestellter Diabetes mellitus ist typischerweise mit bestimmten, zum Teil
erheblichen Folgeerkrankungen verbunden, wozu u. a. die diabetische Nephropathie gehört. Diese Gefahr von Folgeerkrankungen
ist beim Antragsteller nach derzeitigem Sachstand größer als bei vergleichbaren anderen Diabetikern, da seine Blutzuckerwerte
offenbar besonders stark schwanken und er nur eingeschränkt in der Lage ist, drohende Unterzuckerungen (Hypoglykämien) rechtzeitig
wahrzunehmen. Im Übrigen sind bei ihm eine Polyneuropathie sowie eine Retinopathie als typische Folgeerkrankungen bereits
eingetreten (vgl. Arztbrief Gesundheitszentrum Wetterau sowie Stellungnahmen Dr. Steindorf). Da die Glukosesensoren bereits
der Sicherung der Krankenbehandlung zu dienen bestimmt sind, kann dahingestellt bleiben, ob zusätzlich beim Antragsteller
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt einer oder mehrerer bestimmter nicht mehr behebbarer Funktionseinschränkungen
in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Denn ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel besteht im Hinblick auf die "Erforderlichkeit
im Einzelfall" - unabhängig davon, ob es zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§
33 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1
SGB V) oder zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung (§
33 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
SGB V) zum Einsatz kommen soll - nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist
und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet.
Der rechtliche Maßstab, anhand dessen die objektive Erforderlichkeit eines Hilfsmittels im Sinne des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V zu prüfen ist, ist möglicherweise höchstrichterlich bisher nicht abschließend geklärt. Das Bundessozialgericht hat in einer
Entscheidung vom 15. März 2012 (B 3 KR 2/11 R, zitiert nach juris) ausgeführt, maßgebend für die Beurteilung der objektiven Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zur Erreichung
der in §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V genannten Versorgungsziele sei - ebenso wie für die Beurteilung der Funktionstauglichkeit und des medizinischen Nutzens eines
Hilfsmittels im Rahmen des §
139 Abs.
4 SGB V - der aktuelle, allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse. Der medizinische Nutzen sei bei Hilfsmitteln zur
Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung unter Berücksichtigung des jeweiligen Behandlungskonzepts zu beurteilen. Hiervon
ausgehend sei ein Hilfsmittel im Sinne des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V objektiv erforderlich, wenn die Mehrheit der einschlägigen Fachleute die objektive Eignung des Hilfsmittels zur Erreichung
des jeweiligen Versorgungsziels befürworte und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, insoweit
Konsens bestehe. Die Mehrheit der einschlägigen wissenschaftlichen und in einer ausreichenden Zahl von Fällen durchgeführten
Studien und Analysen müsse für den medizinischen Nutzen und die Funktionstauglichkeit des betreffenden Hilfsmittels im Rahmen
der ärztlichen Behandlung sprechen. Im Ergebnis hat das Bundessozialgericht den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückverwiesen,
da zur Beurteilung dieser Voraussetzungen die bisherigen Feststellungen nicht ausreichten.
Diese Entscheidung hat der 3. Senat vor dem Hintergrund seiner eigenen Rechtsprechung zur Aufnahme eines Hilfsmittels in das
Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung getroffen. Danach kann ein Hilfsmittel nicht in das GKV-Hilfsmittelverzeichnis
aufgenommen werden, wenn die zu Grunde liegende Behandlungsmethode ohne positive Empfehlung des GBA in der ambulanten Versorgung
nicht angewandt werden darf und eine solche Empfehlung nicht vorliegt (Urt. v. 12.08.2009 - B 3 KR 10/07 R, zitiert nach juris - Magnetodyn-Methode; Urt. v. 31.08.2000 - B 3 KR 21/99 R = BSG 87, 105 - Magnetodyn-Methode; Urt. v. 28.09.2006 - B 3 KR 28/05 R = BSGE 97, 133 - Vakuumstützsysteme). Soweit ein Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne von §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V eingesetzt werde und die Methode nicht durch eine entsprechende Richtlinie des GBA (§
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V) zur ambulanten Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sei, bestehe kein Anspruch auf Aufnahme des
Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis. Die Verwendung eines Hilfsmittels, welches im Rahmen einer Krankenbehandlung zur
Sicherung des Erfolgs der Behandlung eingesetzt werde, könne nicht von dem zu Grunde liegenden Behandlungskonzept und den
dafür geltenden Anforderungen nach §§
2 Abs.
1 Satz 3,
12 Abs.
1,
135 Abs.
1 SGB V getrennt werden. Solange eine bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandte "Methode" als neue Behandlungsmethode
nicht zur Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sei, stellten auch die dabei eingesetzten Hilfsmittel
keine von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfassten Hilfsmittel dar. Unter einer "Behandlungsmethode"
versteht das Bundessozialgericht eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept
zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung
bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. BSG, Urt. v. 23.07.1998 - B 1 KR 19/96 R, zitiert nach juris, Rn. 17 = BSGE 82, 233 (237) - Jomol).
Bei der kontinuierlichen Glukosemessung handelt es sich um eine solche Behandlungsmethode, da ihr ein theoretisch-wissenschaftliches
Konzept zu Grunde liegt. Der GBA hat den Antrag des GKV-Spitzenverbandes zur Bewertung der kontinuierlichen interstitiellen
Glukosemessung zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus nach §
135 Abs.
1 SGB V angenommen.
Die vom Antragsteller begehrten Hilfsmittel, die Glukosesensoren, sollen jedoch nicht im Rahmen einer vertragsärztlichen Behandlungsmethode
eingesetzt werden. Vielmehr soll der Antragsteller die Glukosesensoren in erster Linie selbst und eigenständig nutzen, um
Hypoglykämien rechtzeitig entgegenwirken zu können. Eine darüber hinausgehende Nutzung der Aufzeichnungen aus der kontinuierlichen
Glukosemessung im Rahmen der ärztlichen Behandlung ist dem Akteninhalt jedenfalls nicht zu entnehmen.
Der Erlaubnisvorbehalt nach §
135 SGB V bezieht sich nur auf solche Behandlungsmethoden, die im Rahmen der vertragsärztlichen (und vertragszahnärztlichen) Versorgung
erbracht werden. So ist auch im Rahmen einer Arzneimitteltherapie die positive Empfehlung des GBA nur erforderlich, wenn die
Verabreichung des Medikamentes sich nicht in seiner bloßen Verordnung erschöpft, sondern zwingend durch einen Arzt mittels
einer "ärztlichen Behandlungstätigkeit" zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R, zitiert nach juris, Rn. 23 = BSGE 93, 236).
In Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 15. März 2012 (B 3 KR 2/11 R, zitiert nach juris) geht der Senat davon aus, dass bei Hilfsmitteln, die zwar zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung
(oder vorliegend möglicherweise auch zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung), nicht aber im Rahmen einer vertragsärztlichen
Behandlung eingesetzt werden, eine positive Empfehlung des GBA im Sinne von §
135 SGB V nicht zwingend vorliegen muss. Diese Rechtsfrage ist allerdings höchstrichterlich bisher nicht ausdrücklich geklärt, so dass
der Antragsgegnerin insoweit eine gewisse Erfolgschance in der Hauptsache nicht abgesprochen werden kann. Denn bislang liegt
eine positive Empfehlung des GBA zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung im Sinne von §
135 SGB V nicht vor (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. November 2012, L 4 KR 36/12 B ER).
bb) Ist eine positive Empfehlung des GBA im Sinne von §
135 SGB V nicht erforderlich, sind die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache noch vollkommen offen. Denn dann hat das Gericht
der Hauptsache die objektive Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Erreichung der in §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V genannten Versorgungsziele anhand des aktuellen, allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse umfassend zu
prüfen und hierzu insbesondere die einschlägigen wissenschaftlichen Studien und Analysen zum medizinischen Nutzen und zur
Funktionstauglichkeit des Hilfsmittels heranzuziehen und auszuwerten. Dies kann im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
aus Zeitgründen nicht erfolgen.
Dem vorliegenden Datenmaterial, insbesondere den MDK-Gutachten und dem Gutachten von Dr. St., sowie den Befundberichten sind
Hinweise auf mehrere Studien zu entnehmen, die für eine signifikante Verbesserung des HbA1c-Wertes für Erwachsene beim Einsatz
dieses Hilfsmittels sprechen. Auch nach den aktenkundigen Daten und den Stellungnahmen des behandelnden Arztes des Antragstellers
sowie der Reha-Einrichtung Hohenelse spricht viel dafür, dass dem begehrten Hilfsmittel ein medizinischer Nutzen und die insoweit
erforderliche Funktionstauglichkeit jedenfalls nicht von vornherein abgesprochen werden kann. Nach der gegenwärtig ermittelbaren
Sachlage spricht daher - zumindest unter Vorliegen bestimmter Indikationen und unter Einhaltung bestimmter zeitlicher Grenzen
- mehr für als gegen die objektive Erforderlichkeit des Hilfsmittels.
Für die subjektive Erforderlichkeit der Glukosesensoren für den Antragsteller kann der offenbar positive Einsatz des Hilfsmittels
während des Reha-Aufenthaltes in Hohenelse herangezogen werden. Das zeitweise eingesetzte kontinuierliche Glukosemonitoring
konnte mehrere nächtliche Unterzuckerungen durch Abschaltung der Insulinpumpe verhindern, was dem schlafenden Antragsteller
selbst nicht gelungen wäre. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ist der langjährige Diabetes mellitus Typ 1 beim Antragsteller
therapeutisch schwer beeinflussbar und schwer einstellbar. Die therapeutischen Möglichkeiten sind bei ihm nach den durchgeführten
Schulungen sowie mehreren stationären Behandlungen als ausgeschöpft anzusehen (so Dr. St. und Reha-Klinik H.). Aktuell ist
der Antragsteller am 24. Oktober 2012 in ein hypoglykämisches Koma gefallen, das sogar ein notärztliches Handeln erforderlich
machte. Gerade dieser schwere Vorfall zeigt deutlich die Notwendigkeit auf, mittels einer kontinuierlichen Glukosemessung
eine Wiederholung einer schweren Unterzuckerung in Zukunft bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verhindern. Hierbei
darf auch nicht die kontinuierlich sich verschlechternde gesundheitliche Gesamtlage des Antragstellers übersehen werden, der
wegen seiner starken Stoffwechselschwankungen seine Arbeitsstelle als Kommunikationsdesigner verloren hat und seither arbeitsunfähig
ist. Die sozial-psychologischen Auswirkungen seiner Erkrankungen haben dabei offenbar auch eine mittelgradige behandlungsbedürftige
psychiatrische Erkrankung ausgelöst. Nach Auffassung von Dr. St. und der Reha-Klinik H. kann die Kombination der Insulinpumpentherapie
mit der kontinuierlichen Blutzuckermessung durch die Glukosesensoren beim Antragsteller zu einer normaleren Lebensführung
beitragen und damit neben der bereits stattfindenden psychologischen Behandlung zu einer wesentlichen Stabilisierung seines
gesundheitlichen Gesamtzustandes beitragen. Die subjektive Erforderlichkeit des begehrten Hilfsmittels einschließlich des
medizinischen Nutzens ist danach zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen.
2. Da dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, muss eine Folgenabwägung
erfolgen. Diese führt zur vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung, denn ohne die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes drohen dem Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das
Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine Orientierung an der nicht abschließend geklärten Sach- und Rechtslage
kommt daher nicht in Betracht. In die Folgenabwägung sind vielmehr die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend
einzustellen (st. Rspr., vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237).
Danach kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auf die Verwendung des Transmitters
und der Glukosesensoren zu verzichten. Ohne die Nutzung der begehrten Hilfsmittel kann nicht ausgeschlossen werden, dass es
beim Antragsteller erneut zu schweren Hypoglykämien kommt, die er aufgrund seiner Hypoglykämiewahrnehmungsstörung nicht rechtzeitig
bemerkt, um ihnen angemessen entgegenwirken zu können. Eine schwere Hypoglykämie kann zu Bewusstseinsstörungen bis hin zu
einem hypoglykämischen Schock führen (vgl. Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, 2011). In der Akutsituation sind damit erhebliche
Gefahren für Leben und Gesundheit verbunden. Dies gilt insbesondere für die beim Antragsteller häufiger in der Nacht auftretenden
Unterzuckerungen, auf die er während des Schlafes nicht reagieren kann. Die Gefahr von gefährlichen Unterzuckerungen hat sich
beispielhaft am 24. Oktober 2012 realisiert und hätte für den Antragsteller, wäre er zu dieser Zeit allein gewesen, lebensbedrohliche
Folgen haben können.
Zudem hat sich nach den bekannten Studien unter Verwendung der Glukosesensoren eine signifikante Verringerung der Zeit gezeigt,
welche die entsprechenden Probanden pro Tag im hypoglykämischen Bereich verbrachten. Die erheblichen, die Gesundheit auf Dauer
nachhaltig beeinträchtigenden Folgen, die mit einem dauerhaft schlecht eingestellten Diabetes verbunden sind, sind allgemein
bekannt. Dies zumal sich diese Begleitfolgen beim Antragsteller bereits konkret realisiert haben. Schließlich liegen bei ihm
eine diabetische Polyneuropathie sowie eine sich wohl verschlimmernde diabetische Retinopathie vor. Auch unter diesem Gesichtspunkt
sind daher erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen des Antragstellers bei Nichtverwendung der Glukosesensoren zu erwarten.
Es ist naheliegend, dass die Gefahr schwerer Hypoglykämien, zu denen es im Oktober 2012 gekommen ist, durch den Einsatz dieser
Therapie verringert werden kann. Da die Glukosewerte selbst unter dieser Therapie weiterhin so stark schwanken (vgl. Reha-Bericht),
dass bereits mehrfach das Alarmsignal ausgelöst wurde, scheint allein der Einsatz der Insulinpumpe zur Erreichung ausgeglichener
Glukosewerte nicht mehr ausreichend. Bei einem Verzicht auf den Einsatz der Glukosesensoren ist wieder eine erhöhte Gefahr
für schwere Hypoglykämien zu vermuten.
Der Antragsteller, dem ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, ist wegen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht
in der Lage, die Glukosesensoren vorläufig aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Andererseits droht der Antragsgegnerin im Falle
ihres späteren Obsiegens im Hauptsacheverfahren die Nichteinbringlichkeit der für die Versorgung des Antragstellers aufgebrachten
Kosten. Diese Kosten sind jedoch nach dem vorliegenden Kostenvoranschlag für ein sog. Starter-Set überschaubar, zumal als
kontinuierliche Kosten nur die alle sechs Tage auszuwechselnden Sensoren zusätzlich anfallen. Angesichts der nicht auszuschließenden
Erfolgsaussichten einer Klage in der Hauptsache und der dem Antragsteller drohenden Nachteile bei einer Ablehnung der vorläufigen
Versorgung ist dieses Kostenrisiko der Antragsgegnerin hinzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).