Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Einstandspflicht des Grundsicherungsträgers für Stromschulden
bei laufendem zivilrechtlichen Verfahren; Rechte aus dem Stromversorgungsvertrag nach Trennung der Ehegatten
Gründe:
I. Streitig ist die (vorläufige) Übernahme von Stromschulden.
Die 1975 geborene Antragstellerin (Ast.) zu 1., die für sich und ihre drei minderjährigen Kindern, die Ast. zu 2. bis 4. (geboren
1996, 1999 und 2000), von dem Antragsgegner (Ag.) laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, ist verheiratet mit dem 1973 geborenen Herrn G_____ O________ (O.). Bis zur Trennung
der Eheleute im Februar 2011 haben beide mit den Kindern der Ast. zu 1. unter der im Rubrum genannten Anschrift gewohnt; seit
dem Auszug des Herrn O. leben die Ast. zu 1. bis 4. dort allein. Zwischen Herrn O. und der Beigeladenen besteht für die dortige
Wohnung weiterhin ein ungekündigter Stromversorgungsvertrag. Die Beigeladene hat die Stromversorgung am 17. Mai 2011 nach
Androhung und Ankündigung unterbrochen, nachdem Herr O. mit der Bezahlung der Stromlieferungen in Rückstand geraten war. Die
Schlussrechnung bis zum 17. Mai 2011 beläuft sich auf 1.296,27 EUR. Seit dem 17. Mai 2011 berechnet die Beigeladene nur noch
monatliche Grundgebühren. Die Ast. zu 1., die derzeit im 6. oder 7. Monat schwanger ist, erfuhr von den Rückständen nach eigenen
Angaben erstmals durch eine Rechnung der Beigeladenen vom 2. März 2011 (Zahlungsbetrag unter Einbeziehung einer früheren Forderung
in Höhe von 286,27 EUR 1.042,22 EUR, monatliche Abschläge ab April 2011 nach dieser Rechnung 73,00 EUR). Ihren Antrag vom
29. August 2011 auf Übernahme der Stromschulden lehnte der Ag. mit Bescheid vom 25. Oktober 2011 mit der Begründung ab, dass
die Stromkosten mit dem Regelbedarf abgegolten und daraus zu bestreiten seien. Über den dagegen am 21. November 2011 eingelegten
Widerspruch ist - soweit ersichtlich - bisher nicht entschieden worden.
Den am 30. November 2011 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit
dem Begehren,
dem Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Ast. - ggf. direkt an die Beigeladene - für die beantragte Übernahme
der Stromschulden in Höhe von 1.042,22 EUR, 286,27 EUR sowie 8 x 73,00 EUR (584,00 EUR) insgesamt 1.912,49 EUR zu zahlen sowie
die noch anfallenden Kosten der Beigeladenen für die Unterbrechung und Wiederherstellung der Stromversorgung zu übernehmen
sowie die gesonderten Kosten eines Installationsunternehmens für die Inbetriebnahme der Kundenanlage,
hilfsweise festzustellen, dass der Ag. verpflichtet ist, alle für die unverzügliche Aufhebung der Stromsperre entstehenden
Kosten zu übernehmen,
hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 bei gleichzeitiger Versagung der für das Anordnungsverfahren nachgesuchten
Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt; auf die Gründe der Entscheidungen wird Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die am 22. Dezember 2011 eingegangene und gleichzeitig näher begründete Beschwerde der Ast., zu deren
Durchführung sie wiederum die Gewährung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt S_____ beantragen. Die Antragsteller machen
unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens geltend, dass eine - ggf. darlehensweise - Schuldenübernahme durch den Ag.
schon im Hinblick auf die fortschreitende Schwangerschaft der Ast. zu 1. geboten sei. Die bisherige Situation ohne Kühlschrank
und elektrisches Licht sei unzumutbar. Die Ast. zu 1. habe die Notlage keineswegs gezielt herbeigeführt; sie habe stets alles
ihr Mögliche getan und hätte sich bei früherer Kenntnis von den aufgelaufenen Rückständen um eine Regulierung bemüht.
Der Ag. tritt der Beschwerde entgegen. Er stützt die angefochtene Entscheidung.
Die Beigeladene ist der Auffassung, dass die Stromsperre rechtmäßig sei. Der Vertrag mit Herrn O., aus dem die Ast. zu 1.
berechtigt und verpflichtet werde, bestehe fort; der Abschluss eines weiteren Versorgungsvertrages mit der Ast. zu 1. würde
zivilrechtlichen Grundsätzen widersprechen. Im Übrigen sei es ihr - der Beigeladenen - aufgrund der finanziellen Verhältnisse
der Ast. zu 1. unzumutbar, die Versorgung wieder aufzunehmen. Nunmehr sei es Sache der Sozialbehörden, den Strombezug durch
Übernahme der Verbindlichkeiten zu ermöglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Ag. Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Ast. ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht und aus zutreffenden Gründen abgelehnt. Das Vorbringen
der Beteiligten im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach den vom Sozialgericht zutreffend beschriebenen
Maßstäben, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann, haben die Ast. auch weiterhin keinen Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht. Darüber hinaus teilt der Senat die vom Sozialgericht geäußerten Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes
im Sinne der besonderen Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung, nachdem die von den Ast. bewohnte Wohnung bereits seit
dem 17. Mai 2011 ohne Strom ist. Im Übrigen ist der Behalt der Wohnung als solcher derzeit nicht gefährdet, und die Wohnung
ist beheizbar und mit Warmwasser versorgt; Gas zum Kochen ist vorhanden. Aus den Gegebenheiten und dem zeitlichen Ablauf kann
auch der Senat nur den Schluss ziehen, dass die Ast. bisher offenbar ohne Strom ausgekommen sind.
Dass ein Anordnungsanspruch weiterhin nicht glaubhaft gemacht ist, ergibt sich aus Folgendem: Das Sozialgericht hat zu Recht
ausgeführt, dass als Anspruchsgrundlage allein § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II in entsprechender Anwendung (nicht Satz 2 der Vorschrift,
da keine Wohnungslosigkeit einzutreten droht) in Betracht kommt. Nach § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II können unter den in der Vorschrift
genannten näheren Voraussetzungen auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung
einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Da es sich um eine "Kann-Regelung" handelt, ist dem Grundsicherungsträger
insoweit Ermessen eröffnet. Ergänzend bestimmt § 22 Abs. 8 Satz 4 SGB II, dass Geldleistungen als Darlehen erbracht werden
sollen. Durch die Stromsperre dürfte - wie bereits das Sozialgericht ausgeführt hat - eine der Sicherung der Unterkunft vergleichbare
Notlage vorliegen. Allerdings teilt der Senat auch die ebenfalls bereits vom Sozialgericht vertretene Auffassung, dass das
dem Ag. eröffnete Ermessen nicht in dem Sinne reduziert ist, dass hier allein die Schuldenübernahme ermessensfehlerfrei wäre.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ast. nicht alle Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft haben. Der Senat
teilt nach eigener Überprüfung im Beschwerdeverfahren die hierzu vom Sozialgericht gegebene Begründung, macht sich diese ausdrücklich
zu Eigen und weist die Beschwerde in Anwendung von §
142 Abs.
2 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist Folgendes noch einmal hervorzuheben bzw. zu ergänzen: Wie bereits das Sozialgericht
zutreffend ausgeführt hat, hält auch der Senat ein zivilrechtliches einstweiliges Verfügungsverfahren der Ast. zu 1. gegen
die Beigeladene keineswegs für aussichtslos. Insbesondere ist nämlich nicht ersichtlich, warum die Beigeladene nicht auf eigenständiger
vertraglicher Grundlage bzw. in Änderung der mit Herrn O. getroffenen Vereinbarungen die Stromversorgung der Ast. zu 1. übernehmen
sollte. Dabei zieht auch der Senat nicht in Zweifel, dass die Ast. zu 1. aus dem von ihrem Ehemann mit der Beigeladenen geschlossenen
Versorgungsvertrag zunächst nach §
1357 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) berechtigt und verpflichtet wurde. Nach §
1357 Abs.
3 BGB gilt Abs.
1 der Vorschrift jedoch nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben. Insoweit ist die gesamtschuldnerische Haftung der Ast. zu
1. für die die Ehewohnung betreffenden Zahlungsrückstände nach der Trennung von ihrem Ehemann jedenfalls insoweit zweifelhaft,
als es um nach der Trennung und deren Anzeige an die Beigeladene (vgl. dazu LG Oldenburg, Urteil vom 5. Oktober 2005, 5 S 590/04 [juris]) aufgelaufene Verbindlichkeiten geht. Entscheidender ist, dass die Ast. zu 1. nach der erfolgten Trennung der Eheleute
aus dem von Herrn O. abgeschlossenen Stromversorgungsvertrag aufgrund der Regelung des §
1357 Abs.
3 BGB nicht ohne Weiteres Ansprüche auf Belieferung geltend machen könnte, selbst wenn keine Stromsperre erfolgt wäre. Vor diesem
Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum nicht die Beigeladene unabhängig von dem durch Herrn O. abgeschlossenen Vertrag eine
Versorgungsvereinbarung mit der Ast. zu 1. schließen bzw. den bestehenden Vertrag ändern sollte. Soweit es hierzu der Zustimmung
des Herrn O. bedarf, wäre die Ast. zu 1. gehalten, die erforderlichen Erklärungen beizubringen. Ob die Ast. zu 1. als ehemals
Mitberechtigte aus dem von Herrn O. geschlossenen Vertrag gegen die Beigeladene einen Anspruch auf entsprechende Vertragsänderung
hat, muss zwar letztlich der Beurteilung der Zivilgerichte vorbehalten bleiben. Soweit die Beigeladene den Abschluss eines
Versorgungsvertrages mit der Ast. zu 1. für unzumutbar hält, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Ast. zu 1. die zukünftigen
laufenden Kosten der Stromversorgung aus der Regelleistung erbringen könnte und müsste; es bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass es insoweit bei den laufenden Kosten zu weiteren Rückständen käme. Wenn die Beigeladene in ihrer Beschwerdeerwiderung
meint, der Abschluss eines Versorgungsvertrages mit der Ast. zu 1. widerspreche wegen des mit Herrn O. geschlossenen Vertrages
und daraus für die Ast. zu 1. resultierender Ansprüche und Verpflichtungen zivilrechtlichen Grundsätzen, vermag dies den Senat
nach Vorstehendem nicht zu überzeugen. Im Übrigen erschiene es bei Zweifeln, ob die Beigeladene zum Abschluss eines Neu- bzw.
Änderungsvertrages und entsprechender Strombelieferung verpflichtet ist, bei Abwägung aller Umstände keineswegs ausgeschlossen,
dass die Beigeladene im Wege einer zivilgerichtlichen einstweiligen Verfügung zunächst zur vorläufigen weiteren Strombelieferung
verpflichtet würde. In dieser Situation kann von einer Ermessensreduzierung auf Seiten des Ag. in Anwendung von § 22 Abs.
8 Satz 1 SGB II nicht die Rede sein.
Soweit die Ast. zu 1. bisher das nach allem nicht aussichtslose Verfahren gegen die Beigeladene vor den Zivilgerichten unterlassen
hat, vermag dies eine Einstandspflicht des Ag. als Grundsicherungsträger auch vor dem Hintergrund der inzwischen fortgeschrittenen
Schwangerschaft der Ast. zu 1. nicht zu begründen. Ob und inwieweit der Ag. zukünftig - etwa aus ordnungsrechtlichen Gründen
- gehalten sein wird, nach der Geburt des Kindes für die Unterbringung der Familie in einer strombelieferten Wohnung zu sorgen,
ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Nach allem kann die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben.
Den Antrag auf Gewährung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren hat das Sozialgericht zu Recht wegen Fehlens hinreichender
Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung abgelehnt (§
73a SGG i.V.m. §§ 114ff.
Zivilprozessordnung [ZPO]). Insoweit kann zur weiteren Begründung auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.
Aus denselben Gründen ist auch der PKH-Antrag für das Beschwerdeverfahren nicht begründet. Wegen der Eilbedürftigkeit einer
Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Senat davon abgesehen, über die Frage der PKH-Gewährung
entsprechend dem in der Beschwerdeschrift gestellten Antrag vorab zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Dieser Beschluss kann gemäß §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.