Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Honorarabrechnung für die Quartale II/13 und III/13. Strittig ist zwischen
den Beteiligten dabei insbesondere die Vergütung ihrer Mitglieder, die anteilige Arztstellen innehaben. Zuvor stritten die
Beteiligten auch noch um die Vergütung sog. Wachstumsärzte auf Grundlage der Bildung einer Obergrenze anstelle eines Regelleistungsvolumens
/ qualifikationsgebundenes Zusatzvolumens (RLV/QZV) nach den allgemeinen Regelungen.
Die Klägerin ist eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) für Orthopädie, Unfallchirurgie und Chirurgie. Ihre Mitglieder
Dr. F________, Dr. R______, Dr. B_____, Dr. S_____, Dr. K___, Dr. G__________, Dr. Ka_______ und Frau G__________ sind Fachärzte
für Orthopädie. Dr. H_____, Herr J_____ und Dr. L____ sind Fachärzte für Chirurgie und Dr. D_____ ist Facharzt für Neurochirurgie.
In den streitgegenständlichen Quartalen II/13 und III/13 waren Dr. H_____, Dr. K___, Dr. L____, Frau G__________, und Herr
J_____ noch Wachstumsärzte. Herr und Frau G__________ sowie Dr. R______ und F________ füllten in den streitigen Quartalen
anteilige Arztstellen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag aus. Dr. R______ und F________ haben zum 1. Januar 2011 je
einen halben Arztsitz von dem vormaligen Mitglied der Klägerin Dr. R_______ übernommen.
Mit Bescheid vom 18. April 2013 wies die Beklagte der Klägerin eine Obergrenze ihres Gesamtvolumens für das Quartal II/13
in Höhe von 360.907,36 € zu. Die Beklagte ermittelte für die (etablierten) Ärzte Dr. D_____, B_______, Dr. Ka______ und Dr.
S_____l ein in RLV und QZV aufgeteiltes Gesamtvolumen. Für die Wachstumsärzte Dr. H_____, Herrn J_____, Dr. K___ und Dr. L____ ermittelte sie
eine Obergrenze. Diese ermittelte sie aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert
(RLV und QZV). Für die anteilig tätigen Ärzte wurde das RLV ebenfalls aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV) gebildet, wobei dieses Produkt mit einen Anpassungsfaktor von 0,5 multipliziert wurde. Die maßgebliche Durchschnittsfallzahl
der Arztgruppe der Orthopäden lag dabei bei 1.038,7, so dass für das RLV der Ärzte mit anteiligen Arztstellen effektiv 519,4 Fälle zugrunde gelegt wurde. Tatsächlich war die Fallzahl der Ärzte Dr.
R______ und F________ im Quartal II/12 höher. Diese lag zusammen bei insgesamt 1.615,3. Die Beklagte sah für alle Ärzte einen
BAG-Aufschlag in Höhe von 10 % des ermittelten Volumens vor.
Mit Honorarbescheid vom 14. Oktober 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin für das Quartal II/13 ein Honorar in Höhe von
604.808,68 €. Die Forderung der Klägerin für RLV/QZV-relevante Leistungen betrug 408.213.02 €, die Beklagte legte der Abrechnung
aber nur ein bereitgestelltes Gesamtvolumen in Höhe von 334.930,82 € zu Grunde. Die Differenz zur vorhergegangenen RLV-Mitteilung ergab sich aus der Berechnung niedriger Volumina für Dr. H_____ und Herrn J_____ gegenüber dem Mitteilungsbescheid.
Für diese Ärzte war im Mitteilungsbescheid ein Volumen in Höhe von 25.650,35 € erhöht um einen BAG-Aufschlag in Höhe von 2.565.04
€ zu Grunde gelegt worden. In der Honorarabrechnung fanden sich eine individuelle Obergrenze in Höhe von 11.950,65 € (H_____)
und 7.168,33 € (J_____), jeweils erhöht um einen 10%igen BAG-Zuschlag. Die individuelle Obergrenze ermittelte die Beklagte
jeweils aus der individuellen Fallzahl, multipliziert mit dem 1,5 fachen des arztgruppenspezifischen Fallwerts. Für die anteilig
tätigen Ärzte wurde das im Mitteilungsbescheid ermitteltet pauschalierte Volumen zu Grunde gelegt.
Gegen die genannten Bescheide richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 30. Oktober 2013.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2013 wies die Beklagte der Klägerin eine Obergrenze ihres Gesamtvolumens für das Quartal III/13 in
Höhe von 346.280,83 € zu. Die Beklagte ermittelte für die (etablierten) Ärzte Dr. D_____, B_______, Dr. Ka______ und Dr. S_____
ein in RLV und QZV aufgeteiltes Gesamtvolumen. Für die Wachstumsärzte Dr. H_____, Dr. K___, Herrn J_____ und Dr. L____ ermittelte sie
eine Obergrenze aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV). Für die anteilig tätigen Ärzte wurde das RLV ebenfalls aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV) gebildet, wobei dieses Produkt mit einem Anpassungsfaktor von 0,5 multipliziert wurde. Die maßgebliche Durchschnittsfallzahl
der Arztgruppe der Orthopäden lag dabei bei 1.060,1, so dass für das RLV der Ärzte mit anteiligen Arztstellen effektiv 530,1 Fälle zugrunde gelegt wurde. Tatsächlich war die Fallzahl der Ärzte Dr.
R______ und F________ im Quartal III/12 höher. Diese lag zusammen insgesamt bei 1.552,0. Die Beklagte sah für alle Ärzte einen
BAG-Aufschlag in Höhe von 10 % des ermittelten Volumens vor.
Mit Honorarbescheid vom 14. Januar 2014 gewährte die Beklagte der Klägerin für das Quartal III/13 ein Honorar in Höhe von
644.941,14 €. Die Forderung der Klägerin für RLV/QZV-relevante Leistungen betrug 410.017,26 €, die Beklagte legte der Abrechnung
aber nur ein bereitgestelltes Gesamtvolumen in Höhe von 346.280,83 € entsprechend der im Mitteilungsbescheid vom 2. Juli 2013
genannten Summe zu Grunde. Auch Dr. H_____ und Herr J_____ "erwirtschafteten" das mitgeteilte Volumen durch ihre individuelle
Fallzahl und den 1,5 fachen Fallwert. Für die anteilig tätigen Ärzte wurde das im Mitteilungsbescheid ermitteltet pauschalierte
Volumen zu Grunde gelegt.
Gegen diese Bescheide richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 14. Februar 2014.
Einen Antrag der Ärzte Dr. F_____ und Dr. R______ auf Aussetzung der Reduktion von RLV und QZV (gemeint sind Sonderregelungen für anteilig tätige Ärzte) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2013 ab.
Dagegen richtet sich der Widerspruch vom 19. August 2013.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2014 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung stellte
sie die gesetzlichen Regelungen zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ab 1. Januar 2012 und die in Sa_________________
aufgrund des dortigen Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) geltenden Ausführungsregelungen dazu dar. Rechtliche Bedenken gegen
die Sonderregelung für Vertragsärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag ab dem Quartal II/13 teile sie nicht. In Hinblick auf
die Möglichkeit eines hälftigen Versorgungsauftrages nach §
95 Abs.
3 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) sehe das Gesetz in §
87b Abs.
2 SGB V ausdrücklich Maßnahmen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes über seinen Versorgungsauftrag
hinaus vor. Eine sachliche Rechtfertigung für die Regelung ergebe sich daher bereits aus dem Gesetz. Sie sei auch verpflichtet
die bundesrechtlichen Vorgaben umzusetzen. Eine Rechtsgrundlage, aufgrund derer dem Anliegen der Klägerin zu Ungunsten anderer
Mitglieder hätte entsprochen werden können, sei nicht zu erkennen. Anzumerken sei, dass Entscheidungen über die Erhöhung von
RLV äußerst restriktiv zu treffen seien. Das klägerische Anliegen falle auch nicht unter die im gültigen HVM genannten Regelungen
zu Praxisbesonderheiten, Härtefällen und Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung. Es liege auch keine unbillige Härte
vor.
Mit der am 18. Dezember 2014 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung
hat sie vorgetragen, sie halte das Verteilungssystem der Beklagten für die nicht eindeutig zuordbaren RLV-Fälle anhand von Versichertenpauschalen für rechtswidrig. Dieser Verteilungsmechanismus ermögliche keine Kalkulierbarkeit
im Abrechnungsquartal. Rechtswidrig sei auch die RLV-Bemessung für Ärzte mit anteiligen Arztstellen. Diesbezüglich sei die Beklagte gehalten gewesen, jedenfalls im Rahmen einer
Einzelfallentscheidung eine für sie günstigere Entscheidung zu treffen, da sich die Gesamtzahl ihrer RLV-Fälle nicht signifikant verändert habe. Es sei lediglich zu einer Verschiebung der Fallzahlen innerhalb der BAG gekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Honorarabrechnungen für die Quartale II/13 und III/13 sowie die zugrunde liegenden RLV-/QZV-Mitteilungen in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,
hilfsweise,
den Härtefallbescheid vom 16. Juli 2013 und die Honorarabrechnung für die Quartale II/13 und III/13 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 3. Dezember 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu
zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid wiederholt und vertieft. So habe die Begründung zum damaligen §
85 Abs.
4 SGB V ausgeführt, dass Regelungen sicherzustellen hätten, dass Vertragsärzte, die nur über einen hälftigen Versorgungsauftrag verfügten,
nicht über diesen Versorgungsauftrag hinaus tätig würden und entsprechend abrechneten. Es sei auch sachgerecht, zur Begrenzung
der Vertragsärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag den arztstellengewichteten durchschnittlichen Umsatz der jeweiligen Arztgruppe
im Vorjahresquartal heranzuziehen. Dadurch finde eine Entwicklung an die Anpassung der Fachgruppe statt. Wenn die gesamte
Vergleichsgruppe im Durchschnitt mehr Leistungen erbringe, steige auch die Vergütungsobergrenze der Vertragsärzte mit anteiligem
Versorgungsauftrag. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei nicht festzustellen. Vertragsärzte
mit einem anteiligen Versorgungsauftrag hätten sich bewusst und freiwillig in die Situation einer verringerten Tätigkeit begeben,
die naturgemäß wegen der damit einhergehenden Leistungsbeschränkung mit geringeren Einkommen verbunden sei.
Mit Urteil vom 14. Juni 2016 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der RLV-Mitteilungen und Honorarbescheide für die Quartale II und III/13 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember
2014 verurteilt den Honoraranspruch der Klägerin neu zu bescheiden. In der Begründung hat es ausgeführt, entgegen der Auffassung
der Klägerin halte es die Regelungen über die Zuweisung und Festlegung einer Obergrenze für Wachstumsärzte nicht für rechtswidrig.
Auch gegen die Verteilung der nicht eindeutig zuordbaren Fälle anhand der anteiligen Versichertenpauschalen innerhalb der
BAG habe es keine Bedenken. Die Beklagte habe den Honoraranspruch der Klägerin jedoch betreffend der Ärzte F________ und Dr.
R______ neu zu bescheiden. Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag würden durch die Sonderregelungen im HVM gegenüber Ärzten
mit vollem Versorgungsauftrag teilweise benachteiligt. Es liege ein Verstoß gegen Art.
3 Grundgesetz (
GG) darin, dass es Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag überhaupt nicht ermöglicht werde, über die zugewiesene anteilige
durchschnittliche Fallzahl hinaus Patienten zu gewinnen, die in die Berechnung mit dem vollen Fallwert eingestellt würden,
wohingegen Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag jedoch bis zu einem Anteil von 150 % der durchschnittlichen Fallzahl diese
Möglichkeit eingeräumt werde. Dadurch werde es einem Arzt mit anteiligem Versorgungsauftrag nicht einmal ermöglicht, eine
im Vorjahresquartal um 10 Fälle über dem anteiligen Durchschnitt liegende Fallzahl nutzbar zu machen oder im Abrechnungsquartal
10 weitere RLV-relevante Fälle hinzu zu gewinnen, die im Folgequartal mit dem vollen Fallwert in die Berechnung eingestellt würden. Den
betroffenen Ärzten werde jegliche Möglichkeit, über den anteiligen Durchschnitt hinaus zu wachsen, genommen. Ein Arzt mit
vollem Versorgungsauftrag könne dagegen bis zu 50 % mehr Fälle generieren, bevor er von einer Fallwertabstaffelung betroffen
sei. Zwar sei einzusehen, dass Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag nicht faktisch für 0,75 oder gar eine volle Arztstelle
arbeiten und eine Vergütung aus dem Honorarvolumen der Arztgruppe sollten beanspruchen können, denn eine solche Wirkung würde
jegliche Bedarfsplanung zunichtemachen. Es wäre aber beispielsweise denkbar, die Regelung zur Fallwertabstaffelung für volle
Arztstellen entsprechend gewichtet auf anteilige Arztstellen zu übertragen und ihnen eine entsprechend gewichtete Überschreitung
des hälftigen Versorgungsauftrags zu ermöglichen. So sei es denkbar, Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag ab etwa 125 %
des anteiligen Durchschnitts einer Fallwertabstaffelung zu unterziehen und ihnen bei Überschreitung beispielsweise nur noch
50 % des durchschnittlichen Fallwertes zu gewähren. Denkbar wären auch andere prozentuale Abstaffelungen, solange es noch
möglich sei, Patienten über den Durchschnitt hinzu zu gewinnen. Mit der streitigen HVM-Regelung habe die Beklagte indessen
ihren Beurteilungsspielraum zur Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen überschritten. Diese Regelung stelle eine Übererfüllung
des gesetzlichen Auftrages dar. Der Umstand, dass diese Regelung nur für 2 Quartale, nämlich II/13 und III/13 zur Anwendung
gelangt sei, weil ab IV/13 eine gänzlich andere Honorarverteilungssystematik mit Punktzahlvolumina in Kraft getreten sei,
führe nicht dazu dass diese Regelung Bestand haben könne. Der Klägerin sei daher für F________ und Dr. R______ für die Quartale
II/13 und III/13 ein RLV auf Grundlage ihrer tatsächlichen Fallzahlen des Vorjahresquartales zuzuweisen und der Honoraranspruch der Klägerin sei entsprechend
unter Berücksichtigung des so erhöhten Volumens neu zu bescheiden.
Gegen dieses dem Klägerbevollmächtigten am 23. Juni 2016 und der Beklagten am 27. Juni 2016 zugestellte Urteil richteten sich
die Berufung der Klägerin vom 25. Juni 2016 und der Beklagten vom 27. Juli 2016.
Die Klägerin trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht entschieden, dass die Beklagte für das Quartal II/13 rechtmäßig
in der Honorarabrechnung eine Obergrenze für die Wachstumsärzte Dr. H_____ und Herrn J_____ ermittelt habe, die sich auf Grundlage
derer tatsächlicher Fallzahlen im Quartal II/13 ergeben habe. In der RLV/ QZV-Mitteilung vom 18. April 2013 habe die Beklagte
der Klägerin noch ein um 35.399,90 € höheres RLV/QZV zugewiesen. Eine nachträgliche Absenkung des zugewiesenen RLV der Praxis sei aber unzulässig und verstoße sowohl gegen gesetzliche als auch gegen die Bestimmungen des HVM der Beklagten.
Zu berücksichtigen sei, dass nach dem HVM in Verbindung mit dem darin inkorporierten Beschluss des Bewertungsausschusses vom
26. März 2010 eine Zuweisung der Regelleistungsvolumina praxisbezogen und nicht arztbezogen erfolge. Eine nachträgliche Korrektur
des RLV-Volumens hätte daher nur nach den gesetzlichen Regelungen für die Praxis in Gestalt der BAG und nicht arztbezogen erfolgen
dürfen. Sowohl das Sozialgericht als auch die Beklagte würden in diesem Zusammenhang die Rechtsfolgen aus §
87b Abs.
5 Satz 1
SGB V verkennen. Die Eigenschaft der betroffenen Ärzte als sogenannte Wachstumsärzte führe zu nichts anderem. Dadurch würde der
Status der klagenden BAG als abrechnende Praxis nicht geändert. Eine rückwirkende Reduktion des zugewiesenen Gesamtvolumens
der BAG komme daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Das Sozialgericht hätte erkennen müssen, dass die
Beklagte rückwirkend eine Herabsetzung des zugewiesenen Volumens an die Klägerin nicht hätte vornehmen dürfen.
Zutreffend habe das Sozialgericht aber entschieden, dass es rechtswidrig gewesen sei, für F________ und Dr. R______ ein RLV gemäß der Regelung für anteilige Arztstellen auf Grundlage der Hälfte der durchschnittlichen Fallzahl zuzuweisen. Die Verhinderung
einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit könne dies nicht rechtfertigen. Die Argumentation der Beklagten
zu den Unterschieden zwischen Ärzten mit vollem und hälftigem Versorgungsauftrag greife zu kurz. Sie erwecke den Eindruck,
dass die streitige Sonderregelung für nicht vollzeittätige Ärzte einen Sanktionscharakter manifestieren solle. Es sei nicht
erkennbar, warum nicht ein mit halbem Versorgungsauftrag zugelassener Arzt mit der gleichen Leidenschaft und vor allem mit
dem gleichen Anspruch an sein ärztliches Leistungsvermögen gegenüber seinen Patienten auftrete wie ein Arzt mit vollem Versorgungsauftrag.
Zu berücksichtigen sei, dass die Einführung des hälftigen Versorgungsauftrages 2007 der Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten
für Vertragsärzte, insbesondere auch der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gedient habe. Dieses Instrument
diene gerade nicht der Steuerung der Versorgungslage. Durch die Handhabung der Beklagten werde die Versorgungslage aber derart
gesteuert, dass Ärzte von einer hälftigen Zulassung Abstand nähmen und Ärzten mit Teilzulassungsstatus, die ihren Sitz nachbesetzen
wollten, nur die Möglichkeit des Verzichts bleibe. Auch der Einwand der Beklagten, dass Vertragsärzten mit hälftiger Zulassung
eine Anpassung an die Entwicklung der jeweiligen Fachgruppe bleibe, überzeuge nicht. Richtig sei zwar, dass der Verteilungsmaßstab
Regelungen vorzusehen habe, die verhinderten, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach
§
95 Abs.
3 SGB V hinaus übermäßig ausgedehnt werde. Die Konsequenz, Ärzte mit hälftigem Versorgungsauftrag von jedweder honorarmäßigen individuellen
Entwicklung auszugrenzen, entbehre aber jeder Rechtfertigung.
Die Klägerin hat zunächst schriftlich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. Juni 2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Honorarabrechnung für
die Quartale II/13 und III/13 sowie die diesen zugrunde liegenden RLV/QZV Mitteilungen in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 3. Dezember 2014 bezüglich der in die Honorarabrechnung eingestellten Obergrenzen für Dr. H_____ und Herrn J_____ zu verurteilen,
sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zunächst schriftlich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. Juni 2016 aufzuheben, die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung der Klägerin
zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es liege kein Verstoß gegen Art.
3 GG vor und sie habe ihren Beurteilungsspielraum zur Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen auch nicht überschritten.
Das Gesetz sehe in §
87b Abs.
2 SGB V Regelungen vor, die verhinderten, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach §
95 Abs.
3 SGB V hinaus übermäßig ausgedehnt werde. Insofern gebe der Gesetzgeber selbst den Auftrag hälftige Arztstellen im Rahmen der Honorarverteilung
auf den hälftigen Versorgungsauftrag zu beschränken. Mit der von ihr gewählten Regelung gehe sie auch nicht über den gesetzlichen
Auftrag hinaus. Es sei auch nicht richtig, dass ein Vertragsarzt mit hälftiger Zulassung keinerlei Möglichkeit habe seine
Tätigkeit auszudehnen. Dieses sei vielmehr nur teilweise richtig. Es erfolge nämlich eine Anpassung an die Entwicklung der
Fachgruppe. Erbringe diese im Durchschnitt mehr Leistungen, wachse auch die Vergütungsgrenze der Vertragsärzte mit anteiligem
Versorgungsauftrag. Eine Ausdehnung der Tätigkeit könne folglich stattfinden. Es beständen zwischen Vertragsärzten mit vollem
Versorgungsauftrag und solchen mit hälftigem Versorgungsauftrag auch signifikante Unterschiede, die eine Differenzierung nach
Art.
3 GG rechtfertigten. Ein Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag wolle sich mit unbeschränktem Einsatz der vertragsärztlichen
Versorgung widmen und dieser im Rahmen seiner eigenen individuellen Möglichkeiten voll zur Verfügung stehen. Dieser individualisierte
Tätigkeitsumfang finde dadurch Berücksichtigung, dass eine Abstaffelung der Fallwerte erst bei einer gewissen Überschreitung
der durchschnittlichen RLV-relevanten Fallzahl vorgenommen werde und die über das RLV und QZV noch abgerechneten Leistungen quotiert vergütet würden. Einer solchen individuellen Betrachtung bedürfe es beim Vertragsarzt
mit halber Zulassung jedoch gerade nicht, denn dieser gebe zu erkennen, dass er der vertragsärztlichen Versorgung eben nicht
in vollem Umfang zur Verfügung stehen wolle, sondern ganz bewusst nur in einem begrenzten (auch zeitlichen) Rahmen. Dieser
Arzt begebe sich - aus welchen Gründen auch immer - willentlich in eine Position, die es ihm ermögliche nur eingeschränkt
tätig zu sein. Dies stelle einen maßgeblichen Unterschied zwischen beiden Zulassungsarten dar, der es rechtfertige für diese
bei der Honorarverteilung anderslautende Regelungen zu treffen.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, sie habe auf Grundlage der bundessozialgerichtlichen Entscheidung vom
24. Januar 2018 im Verfahren B 6 KA 2/17 R eine Berechnung vorgenommen und simuliert, ob der klägerischen Praxis auf Basis mindestens der RLV-Fallzahl im Quartal II/12 beziehungsweise III/12 ein höheres Gesamtvolumen zustehen würde. Dies sei allerdings nicht der
Fall, da eine teilweise höhere Fallzahl im Aufsatzquartal gegenüber den streitigen Quartalen durch den 1,5- fachen Fallwert
zur Berechnung der Obergrenze im aktuellen Quartal kompensiert werde. Diesbezüglich stützt sie sich auf von ihr eingereichte
Anlagen zur Bestimmung des Volumens der Wachstumsärzte unter Berücksichtigung des Gesamtvolumens auf Basis des Vorjahresquartals
als Untergrenze.
In Hinblick auf Letzteres hat die Klägerin ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 209 für erledigt erklärt.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. Juni 2016 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Zu entscheiden war nur noch über die Berufung der Beklagten, nachdem die Klägerin ihre Berufung in Ausübung der ihr zustehenden
Dispositionsbefugnis für erledigt erklärt hat.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei dem Landessozialgericht eingegangen. Der Beschwerdewert überschreitet auch den Grenzwert aus §
144 Abs.
1 S. 1
SGG.
Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht Kiel die Beklagte mit dem
angefochtenen Urteil verurteilt über die Honoraransprüche der Klägerin für die Quartale II/13 und III/13 erneut zu entscheiden.
§
87b Abs.
1 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -) sah in der zwischen 1. Januar 2009 und 31. Dezember
2011 geltenden Fassung abweichend von §
85 SGB V die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach fallwertorientierten Regelleistungsvolumina, ab 1. Juli 2010 ergänzend unter
Berücksichtigung von QZV, zwingend vor. Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben ist auf Bundesebene wesentlich durch die
Beschlüsse des (erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008, 20. April 2009 und 26. März 2010 erfolgt. Vereinfacht
ausgedrückt war dabei ein arztbezogenes RLV als das Produkt aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal und dem arztgruppenspezifischen Fallwert definiert.
Zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV in Berufsausübungsgemeinschaften war dabei durchgängig eine arztbezogene Ermittlung des RLV vorgesehen. Die Zuweisung der RLV und die Abrechnung erfolgten dann aber praxisbezogen, wobei sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV je Arzt, der in der Arztpraxis tätig ist, ergab.
Mit Wirkung ab 1. Januar 2012 sieht §
87b Abs.1
SGB V wieder die Festlegung der Regelungen für die vertragsärztliche Vergütung durch einen im Benehmen mit den Landesverbänden
der Krankenkassen und den Ersatzkassen zu erlassenden Honorarverteilungsmaßstab der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung
vor. §
87b Abs.
1 Satz 3
SGB V sieht dabei vor, dass bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen RLV, vorläufig weitergelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab.
Die Beklagte hat in dem mit Wirkung ab 1. Januar 2013 geltenden Honorarverteilungsmaßstab (HVM) vom 22. März 2013 den die
Vergütung ärztlicher Leistungen nach RLV regelnden Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 und die nachfolgenden Änderungen dieses Beschlusses durch
den Bewertungsausschuss zur Grundlage der Honorarverteilung in S_________________ gemacht und diese Beschlüsse als Anlagen
in den HVM inkorporiert (Teil B Nr. 2.1 HVM).
Die Beklagte hat gemeinsam mit den Krankenkassen in den jeweiligen Honorarverteilungsverträgen (HVV) für Wachstumsärzte (Ärzte
die noch keine 5 Jahre zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind) seit 2009 Sonderregelungen gegenüber der Vergütung
nach RLV/QZV getroffen. Vereinfacht ausgedrückt wurde bei Wachstumsärzten nicht auf die Vorjahresfallzahl, sondern auf die
individuelle Fallzahl im Abrechnungsquartal, maximal jedoch begrenzt bis zum Fachgruppendurchschnitt, abgestellt.
Derartige Privilegierungen von Ärzten, die noch nicht sehr lange vertragsärztlich tätig sind, sind grundsätzlich zulässig,
oftmals auch geboten, um neu zugelassenen Vertragsärzten die Möglichkeit eines Wachstums bis zum Fachgruppendurchschnitt zu
ermöglichen. Nicht zulässig ist indessen die Diskriminierung von Wachstumsärzten gegenüber etablierten Vertragsärzten, die
sich auch daraus ergeben kann, dass die Bildung eines RLV/QZV auf Basis der Fallzahl im Vorjahresquartal sich im Einzelfall
günstiger darstellt als die Bildung einer individuellen Obergrenze auf Basis der Fallzahl im Abrechnungsquartal, den Wachstumsärzten
die Bildung eines arztbezogenen RLV auf Basis der Vorjahresfallzahlen aber gleichwohl vorenthalten wird. Diese von der Beklagten langjährig geübte Praxis beinhaltet
einen Verstoß sowohl gegen §
87b Abs.
2 Satz 1
SGB V in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung (a.F.) als auch gegen den aus Art.
3 Abs.
1 in Verbindung mit Art.
12 Abs.
1 Grundgesetz abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. (BSG, Urteil vom 24. Januar 2018, B 6 KA 2/17 R; Urteil des erkennenden Senats vom 18. September 2018, L 4 KA 11/16).
Bedeutung erlangt dies grundsätzlich auch für die Quartale II und III/2013. Zwar ist §
87b SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2012 geändert worden und die Verteilung der vereinbarten Gesamtvergütungen auf die an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzte und Institutionen in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift den Kassenärztlichen Vereinigungen überlassen
worden. Die Vorschrift sieht so auch nicht mehr zwingend die Zuweisung eines RLV vor Quartalsbeginn vor. In §
87b Abs.
2 Satz 1 2. Halbsatz
SGB V ist lediglich bestimmt, dass dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden
Honorars ermöglicht werden soll.
Die Beklagte hat aber - wie bereits dargelegt - in dem mit Wirkung ab 1. Januar 2013 geltenden HVM den die Vergütung ärztlicher
Leistungen nach RLV regelnden Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 und die nachfolgenden Änderungen dieses Beschlusses durch
den Bewertungsausschuss zur Grundlage der Honorarverteilung in S_________________ gemacht und diese Beschlüsse als Anlagen
in den HVM inkorporiert (Teil B Nr. 2.1 HVM). Abweichungen zu den Regelungen der (historischen) Beschlüsse des Bewertungsausschusses
sind für Wachstumsärzte in Teil B Nr. 4.1 HVM geregelt.
Teil B Nr. 4.1.1 HVM lautet:
"Wachstumsärzte sind Ärzte, deren Vorjahresquartal für die Bildung von RLV und QZV innerhalb der ersten 16 Quartale nach Niederlassung liegt. Sie erhalten ein auf Basis ihres Vorjahresquartals gebildetes
RLV/QZV gemäß Teil B, Ziffer 2 dieses HVM. Liegt dieses unterhalb des entsprechenden Arztgruppendurchschnitts, wird es auf
den 1,5 fachen RLV/QZV-Fallwert der Arztgruppe, multipliziert mit der individuellen RLV-Fallzahl des aktuellen Abrechnungsquartal, maximal jedoch auf das arztbezogene, durchschnittliche Honorar über den RLV- und QZV-Vergütungsbereich der Arztgruppe erhöht."
Teil B Nr. 4.2.2 HVM sah wiederum vor, dass bei Eintritt eines in der Wachstumsphase befindlichen Arztes in eine Berufsausübungsgemeinschaft
neben bestehenden RLV/QZV der einzelnen Partner die Regelung nach 4.1 hinzutrete, sodass sich insgesamt eine Obergrenze für
die Berufsausübungsgemeinschaft ergebe.
Diese Regelung sieht im Grundsatz - wie vom BSG in dem Urteil vom 24. Januar 2018 später gefordert - auch für Wachstumsärzte die Bildung eines RLV nach allgemeinen Kriterien, d.h. anhand ihrer Fallzahlen im Vorjahresquartal vor. Zusätzlich kommt eine individuelle Obergrenze
nur zur Anwendung, wenn dieses RLV unterdurchschnittlich ist. Dann kommt eine zweifache Privilegierung der Wachstumsärzte zur Anwendung. Wie bereits in den
Vorgängerregelungen wird dann auf die Fallzahl im aktuell abgerechneten Quartal abgestellt und zusätzlich wird der Fallwert
der Arztgruppe auf das 1,5 fache erhöht. Gedeckelt wird dies auf das durchschnittliche Honorar der Arztgruppe im RLV/QZV-Bereich.
Die Beklagte hat indessen für die Wachstumsärzte mit vollem Versorgungsauftrag in den RLV/QZV -Mitteilungen kein RLV anhand ihrer eigenen Fallzahl im Vorjahresquartal gebildet, sondern wie bisher eine maximale Obergrenze aus Durchschnittsfallzahl
der Arztgruppe und dem Fallwert der Arztgruppe. Der so ermittelte Wert entspricht dem durchschnittlichen Honorar der jeweiligen
Arztgruppe und ist in Teil B Nr. 4.1.1 HVM als Deckel für die geschilderte Privilegierung der Wachstumsärzte im Falle der
Unterdurchschnittlichkeit vorgesehen.
In der Honorarabrechnung hat die Beklagte dann den so ermittelten Wert mit dem Wert verglichen, der sich ergibt, wenn die
individuelle Fallzahl der Wachstumsärzte im Abrechnungsquartal mit dem um das 1,5 fache erhöhten Fallwert der Arztgruppe multipliziert
wird. War dieser Wert höher als der zuvor ermittelte Durchschnittswert, wurde dieser Durchschnittswert als individuelle Obergrenze
der Vergütung zu Grunde gelegt. Dies war bei Dr. H_____ und Herrn J_____ im Quartal II/13 nicht der Fall. Für sie lag das
Produkt aus dem 1,5 fachen Fallwert und der individuellen Fallzahl im Abrechnungsquartal unter dem Durchschnittswert der Arztgruppe
und es wurde dieser niedrigere Wert als individuelle Obergrenze der Honorierung zu Grunde gelegt.
Diese Vorgehensweise der Beklagten entspricht somit schon nicht dem eigenen Honorarverteilungsmaßstab. Sie hat es entgegen
ihren darin selbst gesetzten Regelungen unterlassen für die Wachstumsärzte ein RLV/QZV auf Basis des Fallwertes der Arztgruppe
und der individuellen Fallzahl im Vorjahresquartal zu bilden. Es hätte dann eine Bestregelung angewandt werden müssen, bei
der das RLV auf Basis der Vorjahresfallzahl mit der Obergrenze auf Basis der aktuellen Fallzahlen und einer Erhöhung des Fallwertes auf
das 1,5 fache verglichen werden musste.
Diese Berechnung hat die Beklagte erst während des Berufungsverfahrens am 7. Juni 2018 nachgeholt. Die Berechnung hat ergeben,
dass auch im Quartal II/13, in dem allein für die Ärzte Dr. H_____ und J_____ ein unterdurchschnittliches Volumen der Vergütung
zu Grunde gelegt wurde, ein auf Basis der Fallzahl des Vorjahresquartals gebildetes RLV nicht höher gewesen wäre als das tatsächlich der Vergütung zu Grunde gelegte Volumen auf Basis der tatsächlichen Fallzahlen
im Abrechnungsquartal und des 1,5 fachen Fallwertes der Arztgruppe. Die Klägerin hat deshalb trotz der fehlerhaften bzw. unvollständigen
Berechnung der Beklagten in den angefochtenen Verwaltungsakten auch keinen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche
für die streitigen Quartale aus den soeben ausgeführten Gesichtspunkten.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Neubescheidung der Honoraransprüche der Klägerin in den Quartalen II/13 und
III/13 in Hinblick auf die mit anteiligem Versorgungsauftrag zugelassen Ärzte Dr. R______ und F________ verurteilt. Es hat
zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht berechtigt war die Vergütung der ärztlichen Leistungen der Ärzte mit anteiligem
Versorgungsauftrag auch dann anhand eines pauschalen Gesamtvolumens, welches sich allein aus dem Durchschnitt der Arztgruppe
errechnet, zu vergüten, wenn eine Berechnung anhand der individuellen Fallzahl ein höheres RLV ergeben hätte.
Mit Wirkung zum 1. April 2013 hat die Beklagte in dem für 2013 geltenden HVM in Teil B Nr. 1.1 Abs. 2 geregelt, dass abweichend
von Abs. 1 Ärzten mit anteiligen Arztstellen ein Gesamtvolumen (Regelleistungsvolumen, QZV einschließlich Praxisbesonderheiten)
maximal bis zum anteiligen Durchschnitt der Arztgruppe zugewiesen wird.
Weitere Regelungen dazu finden sich in Teil C Nr. 1 Abs. 3-5. Diese Bestimmungen lauten:
(3) abweichend von (1) und (2) unterliegen Ärzte und Psychotherapeuten mit einer anteiligen Arztstelle aus Gründen der Verhinderung
der übermäßigen Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit einer arztgruppenspezifischen Vergütungsobergrenze. Die Vergütungsobergrenze
bemisst sich nach dem entsprechenden anteiligen arztstellengewichteten durchschnittlichen Umsatz seiner Arztgruppe im Vorjahresquartal.
Diese Regelung bezieht sich für
- Ärzte, die der RLV Systematik unterliegen, auf ihrer Honorare innerhalb der RLV Systematik
- Ärzte, deren Leistung zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen unterliegen, auf ihre Honorare innerhalb der Kapazitätsgrenzen
- für die übrigen Ärzte auf ihre Honorare innerhalb der MGV.
Honorare außerhalb der MGV sowie Kostenerstattungen nach Kapitel 40 EBM bleiben unberücksichtigt.
(4) Vergütungsanteile oberhalb der Vergütungsobergrenzen werden abgestaffelt vergütet. Der Abstaffelungsfaktor beträgt 0,1.
Der von der KVSH einbehaltene Honoraranteil ((Vergütung - Vergütungsobergrenze) * 0,9) wird dem Honorarausgleichsfonds zugeführt.
(5) Von den Regelungen in (3) und (4) können Ärzte ausgenommen werden, die einen vorherigen Arztsitz anteilig übernommen haben.
Das Sozialgericht hat richtig ausgeführt, dass diese Regelung eine Ungleichbehandlung von Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag
und Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag beinhaltet, denn während Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag ein Wachstum über
den jeweiligen Fachgruppendurchschnitt über die individuelle Fallzahl hinaus ermöglicht wird, ist dies bei Ärzten mit anteiligem
Versorgungsauftrag nicht der Fall. Zutreffend hat das Sozialgericht auch dargelegt, dass diese Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich
nicht zu rechtfertigen ist, auch wenn es gerechtfertigt und sogar geboten erscheint, zu verhindern, dass Ärzte mit nur anteiligem
Versorgungsauftrag in einem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, der ihrem anteiligen Versorgungsauftrag
nicht entspricht. Das Sozialgericht hat auch dargelegt, welche Möglichkeiten bestehen, eine Ausdehnung der vertragsärztlichen
Tätigkeit über den anteiligen Versorgungsauftrag zu verhindern und gleichzeitig ein individuelles Wachstum über die Fallzahlen
zuzulassen, etwa durch modifizierte Anwendung der für Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag geltenden Abstaffelungsregelung.
Der Senat schließt sich in diesem Punkt vollumfänglich den auch aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründen des angefochtenen
Urteils an, nimmt auf diese Bezug und sieht gemäß §
153 Abs.
2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. In Hinblick auf die Berufungsbegründung der Beklagten ist dabei
folgendes zu ergänzen:
Klarzustellen ist, dass die Beklagte nicht gehindert ist, den gesetzlichen Auftrag aus §
87b Abs.
2 S. 2
SGB V umzusetzen, nämlich Regelungen im HVM vorzusehen, die eine Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit über den Versorgungsbereich
nach §
95 Abs.
3 SGB V verhindern. Dieses gesetzliche Ziel rechtfertigt aber nicht jede erdenkliche Maßnahme, die zu seiner Verwirklichung geeignet
ist. Darauf hatte auch bereits das Sozialgericht hingewiesen. So ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, Ärzten mit anteiligem
Versorgungsauftrag ebenso wie Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag ein Fallzahlwachstum bis zum 1,5-fachen des Gruppendurchschnitts
ohne Abstaffelung des Fallwerts zu ermöglichen. Sie darf aber die beiden Gruppen nicht derart unterschiedlich behandeln, dass
sie der einen ein individuelles Wachstum über den ihrem Versorgungsauftrag entsprechenden Durchschnitt weitgehend ermöglicht,
dies der anderen Gruppe aber gänzlich verwehrt.
Soweit die Beklagte auf eine Wachstumsmöglichkeit von Ärzten mit anteiligem Versorgungsauftrag über die Veränderung des jeweiligen
anteiligen Fachgruppendurchschnitts verweist, ist dies nicht geeignet, die vom Sozialgericht dargestellte Ungleichbehandlung
gegenüber Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag zu entkräften. Entscheidend ist, dass eine Veränderung der Vergütungsobergrenze
für Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag nur über die Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts, also das Leistungsverhalten
der gesamten Ärzteschaft der Fachgruppe möglich ist, nicht jedoch durch individuelles Leistungsverhalten. Gerade darauf kommt
es aber an, denn Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag wird es über die Abstaffelungsregelung gemäß Teil F Nr. 3.2.1 des Beschlusses
des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010, die gemäß Teil B Nr.1.1 HVM auch im Bezirk der Beklagten in den streitigen Quartalen
anzuwenden ist, ermöglicht, durch individuelle Fallzahlsteigerung bis zum anderthalbfachen des Fachgruppendurchschnitts ungekürzt
Honorarzuwächse zu erwirtschaften. Ärzten mit anteiligem Versorgungsantrag ist aber gar keine Steigerung des Honorarvolumens
über den anteiligen Fachgruppendurchschnitt durch ihr individuelles Leistungsverhalten, insbesondere eine Steigerung der individuellen
Fallzahl, möglich.
Soweit die Beklagte meint, es gebe gewichtige Unterschiede zwischen Ärzten mit vollem und anteiligem Versorgungsauftrag, die
die Ungleichbehandlung rechtfertigen, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Beklagte zeichnet ein idealisiertes Bild
von Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag, indem sie vorträgt, diese würden sich mit unbeschränktem Einsatz der vertragsärztlichen
Versorgung widmen und dieser im Rahmen ihrer eigenen individuellen Möglichkeiten voll - gemeint wohl auch zeitlich unbegrenzt
- zur Verfügung stehen, während sich Ärzte mit anteiligem Versorgungsauftrag bewusst nur in einem begrenzten zeitlichen Rahmen
der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stellen wollten. Dabei übersieht die Beklagte schon, dass auch Ärzte mit vollem
Versorgungsauftrag nicht ausschließlich vertragsärztlich tätig sind, sondern sich im Regelfall anteilig auch anderen ärztlichen
Tätigkeiten widmen, etwa der Behandlung von Privatversicherten oder der Erstellung von Gutachten und Befundberichten für Versicherungen,
Behörden und Gerichte. Vor allem aber verkennt die Beklagte, dass sich auch Ärzte mit einem vollen Versorgungsauftrag naturgemäß
nur in einem zeitlich beschränkten Ausmaß der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stellen. Auch Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag
haben neben ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit ein Privat- und Familienleben und halten sich nicht in jeder wachen Minute
in ihrer Praxis auf. Ärzte mit vollem und mit anteiligem Versorgungsauftrag unterscheiden sich als Gruppen nicht in ihrem
Berufsethos und ihrer beruflichen Leistungsbereitschaft, sondern allein in dem zeitlichen Umfang ihrer Berufsausübung, die
aber in jedem Fall begrenzt ist. Dieser Unterschied rechtfertigt eine ausgeprägte ungleiche Behandlung hinsichtlich der Möglichkeit,
über aus der Fachgruppe ermittelte Durchschnittswerte hinaus durch das individuelle Leistungsgeschehen Einfluss auf den Umfang
der Honorierung zu nehmen, aber gerade nicht. Die Beklagte verkennt auch das mit der Ermöglichung eines anteiligen Versorgungsauftrags
in §
95 Abs.
3 Satz 1
SGB V verfolgte Ziel, nämlich die bessere Vereinbarkeit der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit der Erziehung von Kindern
(Pawlitta in jurisPK-
SGB V §
95 Rn. 353). Insoweit ist schon fraglich, ob die streitige Regelung nicht auch eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Vertragsärztinnen
gegenüber männlichen Vertragsärzten beinhalten würde. Davon wäre wohl auszugehen, wenn deutlich mehr Frauen als Männer von
der Möglichkeit des anteiligen Versorgungsauftrags Gebrauch machen würden. (Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 10.03.2005, C-196/02 Nikoloudi Rn.57). Vor allem aber bestätigt die Zielrichtung der Erleichterung der Kinderziehung eindrücklich, dass aus der
Inanspruchnahme des anteiligen Versorgungsauftrages nicht auf eine nur eingeschränkte Leistungsbereitschaft im beruflichen
Bereich aufgrund einer anderen berufsethischen Grundeinstellung geschlossen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §§
154,
161 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits in der Sache. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Berufung der Beklagten
keinen Erfolg hatte. Die Berufung der Klägerin hatte zwar im Ergebnis auch keinen Erfolg, die Beklagte hatte aber durch die
von ihr praktizierte Vorenthaltung eines RLV nach den allgemeinen Regeln für Wachstumsärzte, die sich als dem Grunde nach rechtswidrig erwiesen hat, insoweit Anlass zur
Klage und Berufung gegeben.
Die Entscheidung zur Zulassung der Revision trifft der Senat auf Grundlage von §
160 Abs.
2 SGG. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die streitige Regelung nach den Angaben beider Beteiligter in der mündlichen Verhandlung
vom 15. Januar 2019 Vorbild für Regelungen mit gleicher Zielrichtung für die Vergütungszeiträume ab dem Quartal IV/13 war
und in dieser abgewandelten Form Gegenstand eine Vielzahl von vor dem Sozialgericht anhängigen Auseinandersetzungen ist.
Gemäß §
197 a Abs.
1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) war abschließend der Streitwert festzusetzen. Auch insoweit folgt der Senat den Überlegungen des Sozialgerichts, welches
dieses in seinem Beschluss vom 20. Juni 2016 angestellt hat. Das gemäß § 52 Abs.1 GKG zu berücksichtigende wirtschaftliche Interesse ergibt sich hier zum einen aus der Differenz der für Dr. H_____ und Herrn
J_____ mitgeteilten Obergrenzen im Mitteilungsbescheid für das Quartal II/13 und der tatsächlich der Honorierung für dieses
Quartal zu Grunde gelegten individuellen Obergrenzen. Ferner ist die Differenz zwischen den der Vergütung in beiden Quartalen
tatsächlich zu Grunde gelegten Vergütungsobergrenzen für F________ und Dr. R______ und einem aufgrund ihrer tatsächlichen
Fallzahlen im Vorjahresquartal zu bildenden RLV abzüglich der abgestaffelten Mehrleistungsvergütung zu berücksichtigten.