LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.12.2006 - 9 SO 3/06
Anspruch auf Sozialhilfe, Einsatz eines Bestattungsvorsorgevertrages als Vermögen
1. Eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII ist bei einer Vorsorge der Hilfesuchenden für die Zeit nach ihrem Tod
schon deshalb zu verneinen, weil nach dieser Vorschrift Vermögen nur dann der Verschonung unterliegen kann, wenn es um die
Deckung eines Bedarfs geht, welchen der Hilfesuchende noch zu seinen Lebzeiten hat.
2. Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist in Übereinstimmung mit der Begründung der Ausschüsse des Bundesrats die Verwertung
von Mitteln aus einem Bestattungsvorsorgevertrag nicht generell als Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII anzusehen.
3. Wenn eine langfristige Vorsorge unter Verwendung nahezu des gesamten Vermögens getroffen wurde und keine bestattungspflichtigen
Verwandten/Erben vorhanden sind, so dass der Sozialhilfeträger ohnehin die Bestattungskosten tragen müsste, kann eine Härte
iS des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII vorliegen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette: BSHG § 88 Abs. 2
,
SGB XII § 1 S. 1 § 74 § 90 Abs. 1 § 90 Abs. 2 § 90 Abs. 3 S. 1 § 90 Abs. 3 S. 2
Vorinstanzen: SG Schleswig 21.10.2005 S 11 SO 271/05
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Heimpflegekosten zu gewähren, ohne bei deren
Berechnung den Bestattungsvorvertrag der Klägerin mit der Firma D...... Bestattungen in H.... als Vermögen mit einzubeziehen.
Die am 23. Mai 1923 geborene Klägerin befand sich im Sommer 2004 wegen eines beginnenden Demenzprozesses und eines depressiven
Syndroms in stationärer Krankenhausbehandlung. Seit dem 2. September 2004 lebt die Klägerin in einem Alten- und Pflegeheim
und wird dort vollstationär betreut. Die Klägerin bezieht seit April 2004 eine Altersrente in Höhe von 125,56 EUR, Unterhaltshilfe
in Höhe von 387,00 EUR sowie ab Aufnahme in das Heim Pflegewohngeld in Höhe von 466,95 EUR.
Am 31. August 2004 beantragte die Klägerin erstmals bei dem Beklagten die Übernahme der ihr durch die Heimaufnahme entstehenden
Kosten. Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin über ein Vermögen in Höhe von 820,80 EUR auf ihrem
Girokonto verfügte. Außerdem legte die Klägerin einen Bestattungsvorvertrag mit dem Bestattungsunternehmen D...... in H....
vor, den sie am 24. September 1997 abgeschlossen und mit dem sie das Unternehmen beauftragt hatte, ihre Beerdigung unter Zugrundelegung
einer in der Anlage zu diesem Vertrag enthaltenen Leistungsbeschreibung gegen ein Entgelt von voraussichtlich 9.019,00 DM
durchzuführen. Darin wurde Folgendes festgelegt: Eichensarg/Natur-Antik, Ausstattung und Sarg, Damentalar, Steppdecke und
Kissen, Pflege, Einkleiden und Einbetten, Aufbahrung im Hause D......, Aufbahrung zur Trauerfeier, Organisation und Leitung,
Eigenbemühungen mit den Ämtern usw., Überführung vom Sterbeort zur Einstell-Kapelle D......, Überführung zur Trauerfeier,
Träger bei den Überführungen, Träger zur Beisetzung, Blumendekoration auf dem Sarg, Anzeige in den "H....er Nachrichten",
Telefongebühren, ärztliche Bescheinigung, Sterbeurkunden, Grabpflegelegat. Unter Ziff. III hieß es: Eine Verpflichtung des
Bestattungsinstituts "zur Bestattung ist aufgrund dieses Vertrages nur dann gegeben, wenn der vereinbarte Preis, unter Berücksichtigung
der Ziffern II. bis IV., zum Zeitpunkt des Beginns der Ausführung der Bestattung voll gedeckt ist. a) Durch Barzahlung, welche
mit einem besonderen Sperrvermerk, z. B. Auflösung des Kontos nur in Verbindung mit der Sterbeurkunde des Kontoinhabers durch
das B.J." (Beerdigungsinstitut). "Die Zinsen werden dem Konto gutgeschrieben und bei Durchführung des Auftrages verrechnet."
Unter Ziff. VII war als besondere Vereinbarung eine anonyme Erdbestattung auf dem Südfriedhof getroffen worden. Nach einer
vom 13. November 1995 stammenden "Bestätigung" hatte das Bestattungsinstitut den Erhalt von 9.000,00 DM für die Bestattung
der Klägerin einschließlich Grabstein und Grabpflege mit Frühjahrsbepflanzung, Sommerbepflanzung und Wintereindeckung quittiert.
Der Erhalt des Geldes wurde nachträglich nochmals am 24. September 1997 zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bestattungsvorvertrages
bestätigt.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 lehnte der Beklagte die Übernahme der nicht durch ihr eigenes Einkommen und Vermögen gedeckten
Heimpflegekosten im DRK-Heim H.... ab Heimaufnahme ab. Der Beklagte stützte sich auf § 2 i.V.m. § 68 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und wies darauf hin, dass gemäß § 2 BSHG Sozialhilfe grundsätzlich nachrangig zu gewähren sei, so dass die Klägerin zunächst ihr eigenes Einkommen und Vermögen einzusetzen
habe. Weiter hieß es, dass nach den vorliegenden Unterlagen die Klägerin über Sparguthaben in Höhe von insgesamt 5.422,43
EUR (Girokonto 820,80 EUR ohne Renteneingänge für September; Bestattungsvorsorge beim Bestattungshaus D...... 4.601,63 EUR
entsprechend 9.000,00 DM) verfüge. Dieses Guthaben gehöre zum Vermögen im Sinne von § 88 BSHG und sei von der Klägerin zur Deckung ihres Lebensunterhalts einzusetzen. Denn der nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG kleinere Barbetrag, von dem die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden dürfe, betrage z. Zt. 2.301,00 EUR, so dass das
darüber liegende Vermögen in Höhe von 3.121,43 EUR zur Deckung der Heimpflegekosten einzusetzen sei. Neben dem einzusetzenden
Vermögen verfüge die Klägerin noch über monatliches Einkommen, welches ebenfalls von ihr zur Deckung der Heimpflegekosten
einzusetzen sei.
Am 11. Januar 2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten erneut die Übernahme von Heimpflegekosten. Mit Bescheid vom 12.
Januar 2005 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab, weil die Klägerin über Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 4.927,14
EUR (Girokonto 325,80 EUR, Bestattungsvorsorgevertrag 4.611,34 EUR) verfüge. Auch unter Berücksichtigung des nach § 90 Abs.
2 Ziff. 9 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) nicht zu berücksichtigenden kleineren Barbetrags von z. Zt. 2.600,00 EUR
verfüge sie über ein Vermögen von 2.337,14 EUR, welches sie vorrangig einzusetzen habe. Hiergegen legte die Klägerin am 24.
Januar 2005 Widerspruch ein. Nach ihrer Auffassung sei der Bestattungsvorvertrag nicht mit in die Berechnung einzubeziehen.
Sie stützte sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003 (Az.: 5 C 84/02).
Am 22. Februar 2005 beantragte die Klägerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, die Beklagte vorläufig zu verpflichten,
ihr Sozialhilfeleistungen zu gewähren ohne Einbeziehung des Bestattungsvorvertrages als Vermögen. Zur Begründung führte sie
weiter aus, dass durch den Bestattungsvorvertrag keine überteuerte Bestattung abgesichert werden solle. Außerdem stünde ihr
der Bestattungsvorvertrag geldmäßig nicht zur Verfügung. Die Klägerin verwies erneut auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,
Urteil vom 11. Dezember 2003 - 5 C 84/02 - (NJW 2004, S. 2914 ff.). Im Übrigen sei eine Bestattung entgegen der Auffassung des Beklagten nicht für 2.600,00 EUR durchzuführen, da nicht
nur Eigenleistungen des Bestattungsunternehmens, sondern auch Fremdleistungen durchgeführt werden müssten. Nach der Verwaltungspraxis
der Stadt Hannover seien Vorsorgeaufwendungen sogar bis zu einer Höhe von 5.200,00 EUR neben dem Vermögensfreibetrag anrechnungsfrei.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Klägerin den Vorsorgevertrag zivilrechtlich rückabwickeln könne. Die Verwertung
stelle auch keine Härte dar. Der der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt sei mit dem
hier vorliegenden nicht vergleichbar. Im Übrigen sehe das Sozialhilferecht eine Übernahme von Bestattungskosten bei Mittellosen
vor.
Mit Beschluss vom 7. März 2005 entsprach das Sozialgericht Schleswig dem Antrag der Klägerin. Zur Begründung des Anordnungsgrundes
führte das Sozialgericht im Wesentlichen aus, dass der Einsatz des Vermögens nicht nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII verlangt
werden könne, da dies für die Klägerin eine Härte darstellen würde.
Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Beschwerde trug der Beklagte vor, dass aus einer möglichen Rückabwicklung des
Bestattungsvorvertrages die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Klägerin nicht über Gebühr eingeschränkt würde. Die Hinzurechnung
der Kosten für die Bestattung sei vom gesetzlich eingeräumten Bewegungsspielraum nicht mehr gedeckt und auch der Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen. Vorliegend seien auch keine vom Bundesverwaltungsgericht geforderten atypischen
Umstände gegeben, die eine Härte begründen könnten. Dass die Grabpflegevorsorge in jedem Fall von der Verwertung verschont
werden müsse, sei gerade nicht entschieden worden. Zudem sei vorliegend auch nicht eine angemessene Bestattungsvorsorge getroffen
worden. Die vereinbarten Kosten wären gegenüber den Höchstbeträgen, wie sie von ihm - dem Beklagten - für Bestattungskosten
nach § 15 BSHG anerkannt würden, etwa doppelt so hoch. Da die Bestattung in einem anonymen Grab erfolgen solle, fielen auch keine Grabpflegekosten
an. Die Klägerin machte geltend, dass die Sozialbestattung nach § 15 BSHG qualitativ unter dem normalen Bestattungsaufwand liege und deshalb kein geeigneter Maßstab sei. Aus der eingereichten Kostenzusammenstellung
der Firma D...... sowie der Friedhofsverwaltung jeweils vom 19. April 2005 ergebe sich die Angemessenheit der Aufwendungen.
Da sie in H.... keine Verwandtschaft habe, die sich um die Grabpflege kümmern könnte, habe sie hierfür selbst Vorsorge getroffen.
Sie habe die einfachste Grablage gewählt, zudem solle nur ein Drittel der Fläche bepflanzt werden. Hierfür würden Kosten von
2.560,00 EUR anzusetzen sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2005 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er
aus, dass die Klägerin das über dem Schonbetrag liegende Vermögen in Höhe von 2.337,14 EUR zur Deckung der Heimpflegekosten
einzusetzen habe. Aus den bereits im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen könne kein sog. Härtefall angenommen werden.
Mit Beschluss vom 15. Juli 2005 hat der Senat die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig
zurückgewiesen (L 9 B 76/05 SO ER). Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 2005 (1 BvR 569/05) sei bei der Beurteilung des Anordnungsanspruchs maßgeblich auf die Abwägung der Folgen der Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes
für die Antragstellerin auf der einen Seite und die Folgen seiner Gewährung für den Antragsgegner auf der anderen Seite abzustellen.
Dies führe hier zu dem Ergebnis, dass keine durchgreifenden Argumente dafür vorhanden wären, die vom Sozialgericht erlassene
einstweilige Anordnung aufzuheben.
Gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 12. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2005 hat
die Klägerin am 3. Juni 2005 vor dem Sozialgericht Schleswig Klage erhoben und im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren
wie auch im einstweiligen Anordnungsverfahren verwiesen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. Oktober 2005 den Beklagten verpflichtet, der Klägerin Heimpflegekosten unter Außerachtlassung
des abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrages zu gewähren.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt:
"Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Heimpflegekosten unter Außerachtlassung des abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrages.
Der angefochtene Bescheid vom 12. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Mai 2005 verletzt die Klägerin
in ihren Rechten. Er ist daher antragsgemäß aufzuheben und der Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab Antragstellung Heimpflege
unter Außerachtlassung des abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrages zu gewähren.
Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2005 die Voraussetzungen eines Anspruches auf Gewährung von Hilfe zur
Pflege nach § 61 SGB XII dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen. Die Klägerin gehört zum Personenkreis
nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Sie ist in die Pflegestufe I eingestuft und wird in einer voll stationären Pflegeeinrichtung
(Pflegeheim) versorgt. Sie erhält damit Leistungen, die als Hilfe zur Pflege in Form der stationären Pflege vom Leistungskatalog
des § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII erfasst werden. Diese Voraussetzungen sind zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig, dass
die Rente der Klägerin, die Unterhaltshilfe sowie das der Klägerin ab September 2004 bewilligte Pflegewohngeld nach § 6 Abs.
4 Landespflegegeldgesetz zusammen nicht ausreichen, um den Eigenanteil der Klägerin den Heimpflegekosten (1.401,78 Euro) zu
decken; nicht gedeckt ist ein Betrag von 423,27 Euro pro Monat.
Entsprechend dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor
allem u. a. durch den Einsatz seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere
von Angehörigen erhält. Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte Vermögen einzusetzen. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten,
dass die Klägerin über keine weiteren Vermögenswerte verfügt, als den zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellten Girokontostand
von 325,80 Euro sowie den Ansprüchen aus dem Bestattungsvorvertrag gegenüber der Firma D...... Bestattungen, die als Leistung
die Durchführung für die dereinstige Bestattung sowie eines Grabpflegelegats zu dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im September
1997 in Höhe von 9.019,00 DM (= 4.611,34 Euro) schuldet. Im Katalog des § 90 Abs. 2 SGB XII sind die zur Bestattungsvorsorge
zweckgerichteten Vermögensansammlungen nicht erwähnt. Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht abhängig
gemacht werden vom Einsatz und von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte, wobei eine besondere Notlage
der Nachfrage in Person zu berücksichtigen ist. Dieser kleinere Betrag beträgt zur Zeit 2.600,00 Euro (vgl. § 1 Abs. 1 Nr.
1 b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vom 11. Februar 1988 in der zuletzt geänderten Fassung vom
27.12.2003 [BGBL I Seite 3022]). Da der Klägerin ein entsprechender Barbetrag in dieser Höhe nicht zur Verfügung steht, stellt
sich die Frage, ob die Klägerin vor Inanspruchnahme des Beklagten - da eine Verwertung des Bestattungsvorsorgevertrages wegen
der individuell geschuldeten vertraglichen Leistungen durch das Bestattungsunternehmen nicht in Betracht kommen dürfte - verpflichtet
wäre, den Bestattungsvertrag zu kündigen und die hieraus frei werdenden Mittel einzusetzen hätte. Anerkannt ist, dass ein
Hilfeempfänger auch sogenannte "bereite Mittel" einzusetzen hat; hierzu gehören diejenigen Mittel, über die der Hilfeempfänger
nach einer ihm möglichen und zumutbaren Rechtsgestaltung wie z. B. Vertragskündigung rechtzeitig zur Bedarfszeit verfügen
kann (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 5 C 84/02 - m.w.N.). Im Anschluss an den Beschluss im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens geht auch die Kammer davon aus,
dass der Bestattungsvorvertrag zu den verwertbaren Mitteln und damit von der Klägerin auch grundsätzlich einsetzbarem Vermögen
gehört. Ob der Klägerin auch im konkreten Fall ein Kündigungsrecht, ggf. in Form eines außerordentlichen Kündigungsrechts
zusteht (vgl. hierzu Beschluss der 15. Kammer vom 07.03.2005 [aaO.]), konnte auch die Kammer vorliegend offen lassen, weil
es der Klägerin unter den konkreten Umständen nicht zumutbar ist, den Bestattungsvorvertrag zu kündigen, weil die Kammer vorliegend
den Bestattungsvorvertrag als durch § 90 Abs. 3 SGB XII als geschützt ansieht. In dem hier allein einschlägigen Absatz 1 der
Vorschrift des § 90 Abs. 3 SGB XII heißt es, dass die Sozialhilfe ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens
abhängig gemacht werden darf, soweit dies für den, der Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen
eine Härte bedeuten würde. Während es in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003 (aaO.) zu
Grunde liegenden Sachverhalt zwar um die mögliche Verschonung der für die Grabpflege zurückgelegten Mittel ging, hat das Bundesverwaltungsgericht
sich in seiner Entscheidung jedoch auch grundsätzlich zur Verschonung von für die Bestattung (und Grabpflege) zurückgelegten
Mitteln geäußert und hierzu unter Hinweis auf die Entscheidungen des OVG Lüneburg vom 23. Juli 2003 (- 4 LC 523/02 - und -
4 LB 178/03 -) ausgeführt, dass es gerechtfertigt sei, "eine angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall nach [dem zum Zeitpunkt
der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht maßgeblichen] § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG zu verschonen". Dies hat das Bundesverwaltungsgericht aus § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG hergeleitet. Dieses Würdeprinzip ist auch in der hier maßgeblichen Vorschrift des § 1 Satz 1 SGB XII verankert, so dass die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts auch unter Geltung des SGB XII weiterhin Gültigkeit
hat. Dieser grundsätzlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und weiterer Oberverwaltungsgerichte (z.B. OVG Münster
Beschluss vom 19.12.2003 - 16 B 2078/03 -) und Teilen der Literatur (vgl. Kruse/Wahrendorf SGB XII § 90 Anm. 44) zu der möglichen Verschonung der für Bestattung
und Grabpflege zurückgelegten Mittel schließt sich die Kammer an. Die insoweit gegenteilige Auffassung des Beklagten (gegen
die Annahme einer Härte auch OVG Rheinland-Pfalz vom 24.03:2003 - 12 A 10302/03 -) vermochte die Kammer nicht zu überzeugen. Insbesondere erfolgte die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz durch das
Bundesverwaltungsgericht nicht deshalb, weil nicht "in jedem Fall" der Grabpflege von der Verwertung verschont bleiben müsse,
sondern weil sich die Angemessenheit der im dortigen Fall getroffenen Vorsorge nicht abschließend beurteilen ließ (siehe Entscheidungsgründe
des Bundesverwaltungsgerichts aaO. letzter Absatz). Eine angemessene Grabpflege sollte nach der Entscheidung aber in jedem
Fall erhalten bleiben. Auch hat das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Ansicht des Beklagten nicht gefordert, dass atypische
Umstände gegeben sein müssten, um überhaupt eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG bei der konkret streitigen Frage annehmen zu können. Soweit der Beklagte argumentiert, dass es nicht einer juristisch korrekten
Auslegung der Härteklausel entspreche, wenn hier ein Vorgang subsumiert werde, der jeden Menschen treffen könne und eine überwiegende
Gruppe von Menschen zu bestimmten Vorsorgehandlungen veranlasse, vermochte dies nicht zu überzeugen. Nach Auffassung der Kammer
macht es sehr wohl einen Unterschied, in welcher Form diese Vorsorgehandlungen vorgenommen werden. Denn entscheidend dürfte
auch hier sein, ob der Wille zur Bestattungsvorsorge sich in äußerlich erkennbarer Form dokumentiert wie z. B. dadurch, dass
ein Bestattungsvorvertrag abgeschlossen wird. Denn im Gegensatz dazu bestünde bei dem auf einem Sparbuch eingezahlten Betrag
oder beim Abschluss einer Lebensversicherung immer noch die Möglichkeit, auf diese Mittel zurückzugreifen oder (ggf. betr.
die Lebensversicherung) zu beleihen. Natürlich ist der Betroffene in seiner Entscheidung frei, welche Art von Bestattungsvorsorge
er trifft. Es entspricht aber auch hier wieder dem durch Art. 1 Grundgesetz verfassungsrechtlich fundierten Anspruch einer würdigen Bestattung, eine entsprechende Bestattungsvorsorge treffen zu können
und dass das so zur Bestattung und Grabpflege angesammelte Vermögen auch ohne ausdrückliche gesetzgeberische Regelung geschont
und geschützt wird (vgl. Kruse/Wahrendorf aaO.). Nach Auffassung der Kammer ergibt sich aus dem oben Ausgeführten damit zugleich,
dass neben dem allgemeinen Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Höhe von 2.600,00 Euro ein für eine angemessene
Bestattungsvorsorge vorgesehener Betrag anrechnungsfrei bleibt, dieser - weitere Schonbetrag - nicht lediglich den Betrag
nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII erhöht.
Nach Auffassung der Kammer ist auch die Höhe des konkret abgeschlossenen Bestattungsvorvertrages von 9.019,00 (= 4.611,34
Euro) als (noch) angemessen anzusehen. Die Prüfung der Angemessenheit orientiert sich an den von der Klägerin mit dem Bestattungsunternehmen
im September 1997 für die dereinstige Bestattung festgelegten Leistungen. Hieraus ergeben sich keine über das Notwendige hinaus
gehende Leistungen. Soweit in dem Vorvertrag unter Ziff. VII eine anonyme Erdbestattung auf dem Südfriedhof im Vertragstext
mit aufgeführt ist, erfährt dieser Punkt bereits eine Modifizierung durch die am gleichen Tag erfolgte nachträgliche Bestätigung
für die am 13. November 1995 erfolgte Bestätigung, nämlich für den Erhalt 9.000,00 DM für die dereinstige Bestattung der Klägerin
einschließlich Grabstein und Grabpflege mit Frühjahrsbepflanzung, Sommerbepflanzung und Wintereindeckung. Soweit der Beklagte
dem entgegenhält, dass nach seinen Erkenntnissen die vertraglich vereinbarte Bestattung nur die Hälfte der im Vorvertrag angenommenen
Bezahlung vorgenommen werden könnte, überzeugt die Kammer demgegenüber nicht. Zum einen stellt der Beklagte hier auf die reinen
Bestattungskosten ab. Nach der handschriftlich erfolgten Bestätigungserklärung beinhaltet der Vertrag darüber hinaus aber
auch einen Grabstein sowie die Grabpflege mit den entsprechenden Bepflanzungen als Leistung. Diese dürften daher in jedem
Falle zu den von dem Beklagten angenommenen Kosten hinzu kommen. Hinzu tritt, dass der Beklagte die Grundlage seiner Erkenntnisse
nicht offen legt. Demgegenüber hat die Klägerin im Beschwerdeverfahren eine genaue Zusammenstellung der Kosten zum Bestattungsvorsorgevertrag
von der Firma D...... Bestattungen bezogen auf April 2005 unter Einschluss der Kosten der Friedhofsverwaltung für ein Reihengrab
auf dem H....er Südfriedhof beigebracht. Aus dieser Aufstellung ergeben sich keine über den Bestattungsvorvertrag hinausgehenden
Leistungen, sie entsprechen auch in ihrer Höhe den durchschnittlichen Kosten. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch,
dass beispielsweise die Landeshauptstadt Hannover Guthaben aus Sterbeversicherungen bzw. Bestattungsvorsorgeverträgen, die
eine menschenwürdige Bestattung sicherstellen sollen, bis zu einer Höhe von insgesamt 5.200,00 Euro neben dem Vermögensfreibetrag
anrechnungsfrei sind.
Nach alledem ist der Beklagte verpflichtet, die nicht gedeckten Heimkosten für die Klägerin ab Antragstellung am 11.01.2005
zu übernehmen."
Gegen dieses dem Beklagten am 30. Dezember 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 20. Januar 2006 bei
dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt der Beklagte sein bisheriges Vorbringen
und macht ergänzend geltend, dass das im Rahmen eines Bestattungs- bzw. Grabpflegevorsorgevertrags zweckgebundene Vermögen
nicht generell zu verschonen sei. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls. Die aus einem Grabpflegevertrag bereitzustellenden
Mittel seien nur insoweit geschützt, als sie für eine angemessene Grabpflege bestimmt seien. Die Angemessenheit richte sich
danach, ob sich eine Vertragsrückabwicklung nach den Umständen des Einzelfalls als eine verhältnismäßige Vermögensdisposition
darstelle. Darüber hinaus sei die hier getroffene Bestattungsvorsorge in einem Umfang von 4.611,34 EUR nicht angemessen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 21. Oktober 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz ( GG) das Recht folge, für eine angemessene Bestattung Sorge zu tragen. Sie verweist darauf, dass andere Sozialhilfeträger Obergrenzen
zwischen 5.000,00 und 6.000,00 EUR akzeptierten. Die Klägerin macht weiterhin geltend, dass sie den Vorsorgevertrag bereits
zu einem Zeitpunkt geschlossen habe, zu dem sie nicht damit habe rechnen können, jemals Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu
müssen. Sie beruft sich u. a. auf eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, in § 90 SGB XII einzufügen, dass Sozialhilfe nicht
vom Einsatz oder der Verwertung einer Versicherung, mit der eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende angemessene Bestattung
sichergestellt werden solle, abhängig gemacht werden dürfe. Abschließend verweist die Klägerin darauf, dass es in ihrem Fall
niemanden gebe, der für die Kosten ihrer Bestattung aufkommen würde, so dass ohnehin der Beklagte die Bestattungskosten übernehmen
müsste.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten in dem Verfahren L 9 B 76/05 SO ER. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Heimpflegekosten unter Außerachtlassung
des abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrages zu gewähren. Dieser gehört nicht zum einzusetzenden Vermögen. Das ist hier
die allein streiterhebliche Frage. Dass die übrigen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen, hat das Sozialgericht
zutreffend dargelegt. Hierauf nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) Bezug.
Zum verwertbaren Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII gehört jeder Vermögensgegenstand, der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten
tatsächlich verwertet werden kann und damit grundsätzlich geeignet ist, der bestehenden Hilfebedürftigkeit zu begegnen. Hierunter
fallen auch Mittel für Bestattungsvorsorgeverträge, denn diese sind nicht in der Aufzählung verschonter Vermögensgegenstände
in § 90 Abs. 2 SGB XII genannt. Ihre Verschonung ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 90 Abs. 3 SGB XII möglich,
wobei nur unmittelbar Satz 1 und nicht Satz 2 dieser Norm einschlägig ist (vergl. Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 11. Dezember
2003, 5 C 84/02).
Nach § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII bedeutet der Vermögenseinsatz bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen eine Härte vor allem,
soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
Eine Härte im Sinne dieser Vorschrift ist schon deshalb zu verneinen, weil nach ihr Vermögen nur dann der Verschonung unterliegen
kann, wenn es um die Deckung eines Bedarfs geht, welchen der Hilfesuchende noch zu seinen Lebzeiten hat. Denn sowohl die "angemessene
Lebensführung" als auch die "angemessene Alterssicherung" finden begriffsnotwendig ihr Ende mit dem Tod des Betreffenden.
Eine Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann daher weder unter dem Begriff "angemessene Lebensführung"
noch unter dem Begriff Aufrechterhaltung einer "angemessenen Alterssicherung" subsumiert werden. Eine Auslegung dahingehend,
dass der Lebensabschnitt "Alter" auch den diesen Lebensabschnitt abschließenden Todesfall umfasse, überdehnt den Gesetzeswortlaut
(Hauck/Noftz-Lücking, SGB XII, § 90 Rdnr. 73, anderer Ansicht Spranger NVwZ 2001, S. 877).
Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht
werden, soweit dies für denjenigen, der Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift zielt auf atypische
Fälle ab, die nicht von § 90 Abs. 2 SGB XII erfasst, aber unter wertenden Gesichtspunkten mit diesen Fällen vergleichbar sind
(vergl. BVerwGE 92, 254). Dabei ist zum einen auf die Leitvorstellungen des Gesetzes für die Verschonung zurückzugreifen, die in § 90 Abs. 2 SGB
XII zum Ausdruck gekommen sind, und zum anderen sind auch Schutzwertungen aus anderen Bestimmungen des SGB XII zu berücksichtigen.
Letztlich sind die Wertvorstellungen der Grundrechte zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Härte zu beachten.
Dabei stellt das für die eigene Bestattung angesammelte Vermögen nicht generell ein Vermögen dar, das durch § 90 Abs. 3 SGB
XII geschützt wird. Dies würde der Zielrichtung des Gesetzgebers widersprechen, der diesen Tatbestand gerade nicht in § 90 Abs. 2 SGB XII (und vorher auch nicht in § 88 Abs. 2 BSHG) aufgeführt hat. Nach dem Beschluss der 816. Sitzung des Bundesrats am 4. November 2005 soll nun ein Gesetzentwurf (§ 90
Abs. 2 a SGB XII) beim Deutschen Bundestag eingebracht werden, wonach eine Versicherung, mit der eine den örtlichen Verhältnissen
entsprechende angemessene Bestattung sichergestellt werden soll, verschont werden soll. Zur Begründung wird auf die "höchst
unbefriedigende" derzeitige Rechtslage verwiesen. Außerdem soll mit der Erweiterung des Katalogs für das "Schonvermögen" der
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem genannten Urteil vom 11. Dezember 2003 (5 C 84/02) Rechnung getragen werden. Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist jedoch in Übereinstimmung mit der Begründung der Ausschüsse
des Bundesrats die Verwertung von Mitteln aus einem Bestattungsvorsorgevertrag nicht generell als Härte im Sinne von § 90
Abs. 3 Satz 1 SGB XII anzusehen. Vielmehr müssen die Gesamtumstände des Einzelfalls das Vorliegen einer Härte ergeben (Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 2. Februar 2006 - L 8 SO 135/05 ER; Hauck/Noftz-Lücking, ebenda; Fichtner/Wenzel, Kommentar
zur Grundsicherung, 3. Aufl., § 90 SGB XII Rdnr. 21; Mergler/Zink, SGB XII, § 90 Rdnr. 78 mit Nachweisen auf die Rechtsprechung
der Oberverwaltungsgerichte; anderer Ansicht: Brühl in LPK-SGB XII, § 90 Rdnr. 12 und Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 90 Rdnr.
44, Widmann ZfSH/SGB 2001, 653, nach deren Auffassung für Bestattung und Grabpflege angesammeltes angemessenes Vermögen in verfassungskonformer Auslegung
generell durch die Härteregelung zu verschonen ist - so im Ergebnis wohl auch Bundesverwaltungsgericht, ebenda).
Eine generelle Härte kann schon deswegen nicht angenommen werden, weil es eine Vielzahl von Personen gibt, die zur Deckung
von Bestattungskosten Vermögen ansparen. Wenn der Gesetzgeber eine Härtevorschrift einführt, so regelmäßig deshalb, weil er
mit den Regelvorschriften zwar den dem Gesetz zugrunde liegenden typischen Sachverhalten gerecht werden kann, nicht aber den
atypischen. Da die atypischen Fälle nicht mit den abstrakten Merkmalen der Gesetzessprache erfasst werden können, muss der
Gesetzgeber neben dem Regeltatbestand einen Ausnahmetatbestand setzen, der zwar in den einzelnen Merkmalen unbestimmt ist,
jedoch bei einer sinngerechten Anwendung ein Ergebnis gestattet, das dem Regelergebnis in seiner grundsätzlichen Zielsetzung
gleichwertig ist. Danach kommt es bei der Bestimmung des Begriffs der Härte darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschrift
zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs. 2 SGB XII nicht entsprechendem Ergebnis führen würde. Die Systematik des Vermögensschutzes
in diesen Vorschriften verbietet es, den unbestimmten Rechtsbegriff der Härte in der Weise auszulegen, dass dadurch in einer
Vielzahl von Fällen generell die Pflicht zum Vermögenseinsatz weiter eingeschränkt wird.
Im Übrigen ist die Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII im Zusammenhang mit § 74 SGB XII zu sehen, wonach die erforderlichen
Kosten einer Bestattung übernommen werden, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Dadurch wird gewährleistet, dass selbst dann, wenn kein Schonvermögen vorhanden ist, eine angemessene Bestattung erfolgt.
Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Verwertung des in den Bestattungsvorsorgevertrag
eingezahlten Geldes für die Klägerin objektiv eine Härte bedeutet. Prüfungsmaßstab ist dabei, ob der Einzelfall Besonderheiten
gegenüber der Situation anderer vergleichbarer Gruppen von Leistungsberechtigten aufweist (Mergler/Zink, aaO., Rdnr. 74).
Das ist hier der Fall.
Vorliegend hat die ansonsten in bescheidenen Verhältnissen lebende Klägerin im Jahre 1995 im Alter von 72 Jahren einen Betrag
von 9.019,00 DM für die Bestattungsvorsorge aufgewendet. Hierbei handelte es sich nahezu um ihr gesamtes Vermögen. Dies unterstreicht
die Bedeutung für die Klägerin. Sie lebte damals von Altersrente (jetzt ca. 125,00 EUR) und Unterhaltshilfe (jetzt ca. 386,00
EUR). Ergänzend wurde evtl. Wohngeld gezahlt. Weiteres Vermögen besaß und besitzt die Klägerin nicht. Zum damaligen Zeitpunkt
war die zukünftige Sozialhilfebedürftigkeit (ab September 2004) nicht erkennbar. Es handelt sich also um einen lange bestehenden
Vertrag. Die Klägerin hat mithin jetzt vor über zehn Jahren die Entscheidung getroffen, ihr (ganzes) Vermögen für ihre Bestattung
zu binden, statt dieses für die alltägliche Lebensführung zu verwenden bzw. zu verbrauchen. Sie hat andauernd in sehr bescheidenen
Verhältnissen gelebt, um dadurch eine Bestattung nach ihren Vorstellungen zu ermöglichen. Dieser Umstand rechtfertigt es auch,
einen Bestattungsvorsorgevertrag anders zu bewerten als z. B. ein grundsätzlich nicht verschontes Sparbuch. Es kommt für die
Verschonung entscheidend darauf an, dass sichergestellt ist, dass die eingezahlten Beträge nur für die Bestattung verwendet
werden können. Hinzu kommt die Besonderheit, dass hier aller Wahrscheinlichkeit nach der Beklagte mangels anderer Verpflichteter
die Kosten der Beerdigung der mittlerweile 83-jährigen Klägerin ohnehin zu tragen hätte. Es gibt keine Verwandten außer einem
Neffen, der nach dem "Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein" vom 4. Februar
2005 (GVOBl. Schl.-H. 2005, 70) nicht verpflichtet ist, für die Bestattung aufzukommen. Er gehört nicht zu den dort genannten
bestattungsverpflichteten Hinterbliebenen (§ 2 Nr. 12 i.V.m. § 13 Abs. 2). Wegen der Vermögenslosigkeit der Klägerin ist auch
nicht zu erwarten, dass der Neffe die Erbschaft annehmen wird. Er kommt daher auch als Verpflichteter gemäß § 74 SGB XII i.V.m. § 1968 BGB nicht mit Wahrscheinlichkeit in Betracht. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass sich bei Auflösung des Bestattungsvorsorgevertrags
durch die Klägerin für den bestattungsverpflichteten Sozialhilfeträger kein wirtschaftlicher Vorteil ergeben würde. Das Vermögen
der Klägerin in Höhe von 4.937,14 EUR, wie es einschließlich des Bestattungsvorsorgevertrags im angefochtenen Bescheid vom
12. Januar 2005 zugrunde gelegt ist, überschreitet den allgemeinen Betrag für das Schonvermögen von 2.600,00 EUR um 2.337,14
EUR. Von diesem Betrag wären jedenfalls noch ca. 50,00 EUR abzusetzen wegen der Verwaltungsgebühr, die bei Auflösung des Bestattungsvorsorgevertrags
anfiele. Damit verbliebe ein Betrag von 2.287,00 EUR. Bereits Bestattungskosten von 2.300,00 EUR, die der Beklagte nach eigenem
Vortrag für angemessen hält, würden diesen Betrag überschreiten.
Diese Umstände nicht als Härte anzuerkennen, liefe den in § 1 SGB XII normierten Leitvorstellungen des Gesetzes zuwider. Danach
gehört zu den vorrangigsten Aufgaben der Sozialhilfe, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das
der Würde des Menschen entspricht, wobei die Sozialleistung die Empfänger so weit wie möglich dazu befähigen soll, unabhängig
von ihr zu leben. Hierauf haben die Leistungsempfänger nach Kräften hinzuwirken. Diese Grundsätze sind auch auf Situationen
übertragbar, in denen (noch) keine Hilfebedürftigkeit besteht. Das bedeutet, dass sich insbesondere Bemühungen nicht hilfebedürftiger
Personen, Hilfebedürftigkeit auch in Zukunft zu vermeiden, grundsätzlich nicht negativ auswirken dürfen, wenn schließlich
dennoch Hilfebedürftigkeit eintritt. Gerade die rechtzeitige Vorsorge für das eigene Ableben in dem bewussten Bemühen, insbesondere
der Allgemeinheit nicht zur Last zu fallen, muss vor diesem Hintergrund als grundsätzlich geeignet angesehen werden, eine
Schonung der dafür aufgewendeten Mittel auszulösen. Dem kann von vornherein gerade nicht entgegengehalten werden, die Vorsorge
für das eigene Ableben sei unnötig und der Einsatz der dafür aufgewendeten Mittel deshalb keine Härte, weil der Sozialhilfeträger
ohnehin für die Kosten einer würdigen Bestattung aufkomme. Diese Sichtweise würde den Einzelnen jedenfalls wirtschaftlich
zum bloßen Objekt staatlichen Handels herabwürdigen und damit den Zielen des § 1 Satz 1 SGB XII nicht gerecht werden.
Der Senat sieht den hier abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrag in Höhe von 4.611,34 EUR aus den vom Sozialgericht genannten
Gründen als (noch) angemessen an, zumal der Beklagte nicht konkret dargelegt hat, aus welchen Gründen die "Zusammenstellung
der Kosten zum Bestattungsvorsorgevertrag" der Firma D...... vom 19. April 2005 nicht angemessene Einzelleistungen enthalten
würde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in der Endsumme von 5.528,57 EUR Kosten in Höhe von 2.436,82 EUR enthalten
sind, die von der Friedhofsverwaltung in Rechnung gestellt werden und nicht reduzierbar sind. Diese beziehen sich im Wesentlichen
auf das Grabnutzungsrecht für ein Reihengrab auf 25 Jahre, das Ausheben und Schließen der Grabstätte sowie auf eine einfache
Grabpflege ohne Bepflanzung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Zu der hier streitentscheidenden Rechtsfrage gibt es bislang keine Urteile von Landessozialgerichten bzw. dem Bundessozialgericht.
Die Verwaltungspraxis der Sozialhilfeträger ist im höchsten Maße uneinheitlich.
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