Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen
DDR; Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen durch den VEB Leitzentrum für Anwendungsforschung Berlin; Begriff des Forschungsinstituts
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage
1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG die Beschäftigungszeiten vom 1. Juli 1978 bis 31. März 1984 als weitere Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem
und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Die 1951 geborene Klägerin erwarb nach dem Besuch der Bergakademie F. am 17. September 1973 die Berechtigung zur Führung des
Titels Diplom-Ingenieurökonom. Vom 7. Februar 1977 bis 30. Juni 1978 arbeitete sie beim VEB R. der VVB M. R. (im Folgenden: VVB MR) und vom 1. Juli 1978 bis 31. März 1984 beim VEB L. für A. (im Folgenden: VEB LfA) als Problemanalytikerin. Vom 15. August
1985 bis 30. Juni 1990 war sie beim VEB B. E. beschäftigt.
Der VEB LfA der VVB MR wurde laut Gründungsanweisung des Generaldirektors der VVB MR vom 14. April 1971 mit Wirkung vom 1. April 1971 gegründet und arbeitete nach einem Betriebsplan und dem Forschungsplan
der VVB MR. Übergeordnetes Organ war die VVB MR. Nach dem Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft war der VEB LfA seit 1. Januar 1980 ein Kombinatsbetrieb
des volkseigenen Kombinates Datenverarbeitung, das am 27. Dezember 1979 mit Wirkung zum 1. Januar 1980 eingetragen wurde.
Dieses wurde laut Verfügung IV/79 des Ministerrats der DDR mit Wirkung zum 1. Januar 1980 gegründet und war Rechtsnachfolger
der VVB MR. Die Gründung erfolgte zur Sicherung der einheitlichen Leitung, Planung und Bilanzierung der Forschung, Projektierung
und Durchführung von Datenverarbeitungsleistungen für ganze Bereiche und Zweige der Volkswirtschaft. Übergeordnetes Organ
war die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik. Rechtsnachfolger des VEB LfA war die LfA - S. + S. GmbH. Nach dem Bericht
der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft H.-R. Sch. + H. GmbH über die Prüfung der DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 war der
VEB LfA ein leistungsstarkes Softwareunternehmen, dessen Auftraggeber in der Hauptsache das VE Kombinat Datenverarbeitung
mit seinen Kombinatsbetrieben war. Gegenstand des Unternehmens waren Entwicklung von Software und Vertrieb von Hard- und Software,
Service, Wartung und Schulung zur Rechentechnik, Software und Anwendungslösungen, betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung
und Dienstleistungen, Schulungen, Umschulungen, Aus- und Weiterbildung einschließlich Lehrmittelentwicklung, Kooperation mit
Niederlassungen und/oder Vertretungen von Firmen der Elektronischen Datenverarbeitung und Büroautomatisierung, Vermarktung
und Bewirtschaftung von Immobilien, einschließlich Dienstleistungen zur Versorgung, Betreuung, Instandhaltung, Wartung und
Reiseservice, gewerbliche Nutzung von Maschinen zur Herstellung und Verarbeitung von Druckerzeugnissen, einschließlich des
Vertriebes von Maschinen, Zubehör und Verbrauchsmaterialien, Transport von Gütern, Reiseservice.
Eine Versorgungszusage erhielt die Klägerin vor Schließung der Versorgungssysteme nicht; Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung
(FZR) zahlte sie nicht.
Auf ihren Antrag vom 8. Dezember 2006 stellte die Beklagte die Zeiten vom 15. August 1985 bis 30. Juni 1990 mit Bescheid vom
25. April 2008 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sowie die Anwendbarkeit des AAÜG nach dessen § 1 Abs. 1 fest. Wegen der Nichtberücksichtigung der Zeit vom 7. Februar 1977 bis 31. März 1984 erhob die Klägerin Widerspruch, den
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 zurückwies.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, bei dem VEB LfA habe es sich jedenfalls um einen Betrieb gehandelt, der dem
Begriff des "Forschungsinstituts" bzw. einer "sonstigen wissenschaftlichen Einrichtung" zuzuordnen sei. Er habe sich mit der
Entwicklung des Systems virtueller Maschinen, der Softwareentwicklung für die Rechner EC-1834.01 und EC 1835 sowie der Entwicklung
integrierter Softwarepakete (für Tabellenkalkulation, Geschäftsgrafik, Datenbanken und Datenfernübertragung) beschäftigt.
Mit Urteil vom 27. September 2010 hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August
2008 verurteilt, die Zeiten vom 7. Februar 1977 bis 31. März 1984 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung
der technischen Intelligenz einschließlich der währenddessen erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung hat das
SG u.a. ausgeführt, bei dem VEB LfA habe es sich um ein Forschungsinstitut im Sinne des § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung
zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten
Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB zur ZAVOtechInt, GBl. DDR Nr. 62 Seite 487) gehandelt. Sein Hauptzweck sei
die Anwendungsforschung gerade in der zweck- und betriebsbezogenen wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung zum Einsatz
eines Dialogbetriebes von Personalcomputern gewesen.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte unter Hinweis auf Auszüge aus einer Publikation des VEB LfA "INFORMATIONEN Aus der Arbeit
des VEB L. für A. Betrieb des Volkseigenen Kombinates D." aus dem Jahr 1981 und eine Betriebsinformationsbroschüre von Juli
1981 weiterhin die Ansicht vertreten, der VEB LfA sei weder ein Produktionsbetrieb noch ein Forschungsinstitut gewesen. Er
habe nicht hauptsächlich IT-Forschung betrieben, sondern neue Softwareprogramme entwickelt. Es fehle insoweit an der betrieblichen
Voraussetzung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 27. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, Aufgabe des VEB LfA sei nicht die reine Entwicklung von Software, sondern deren wissenschaftlicher Vorlauf
gewesen. Sie habe an der Entwicklung des Einwohnerdatenspeichers (EDS), einem eindeutigen Forschungsauftrag der Zentralverwaltung
für Statistik, mitgearbeitet. Mit dem EDS sollten den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik Daten über die Entwicklung
bestimmter Bevölkerungsschichten zur Verfügung gestellt werden. In vielfältigen Testläufen sei geprüft worden, ob die Anforderungen
der Zentralverwaltung für Statistik hinsichtlich der Anwendungsmöglichkeiten erfüllt werden. Soweit in dem Bericht der H.-R.
die Entwicklung von Software und der Vertrieb von Hard- und Software genannt werden, habe es sich tatsächlich um Forschung
gehandelt. Service, Wartung und Schulung zur Software und den gefundenen Anwendungslösungen sei die Weitergabe der erforschten
Anwendungslösungen gewesen. Zu dem Punkt Schulung, Umschulung, Aus- und Weiterbildung für Lehrmittelentwicklung sei auszuführen,
dass die Umsetzung der erforschten EDV-Prozesse spezielle Schulungen der Mitarbeiter erforderten.
In der mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2013 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der Feststellung der Zeit vom 7.
Februar 1977 bis 30. Juni 1978 zurückgenommen.
Der Senat hat u.a. Unterlagen aus der Registerakte (Altregister - Registernummer 110-15-1062) des VEB LfA B. beim Amtsgericht
C. sowie Unterlagen aus der Registerakte des VEB R. der VVB MR beim Sächsischen Staatsarchiv (registriert unter: 11463 Vertragsgericht Dresden Nummer 2947) und Auszüge aus den Veröffentlichungen
des VEB LfA "INFORMATIONEN Aus der Arbeit des VEB Leitzentrum für Anwendungsforschung Betrieb des Volkseigenen Kombinates
D." aus den Jahren 1984 bis 1988 beigezogen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. August 2008, soweit dort die Feststellung der Zeit vom 1. Juli 1978 bis 31. März 1984 als Zeit der Zugehörigkeit zur
zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich
erzielten Arbeitsentgelte, abgelehnt wurde. Aufgrund der teilweisen Klagerücknahme nach §
102 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ist das erstinstanzliche Urteil nach §
202 SGG in Verbindung mit §
269 Abs.
3 Satz 1 Halbs. 2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) wirkungslos geworden, soweit die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zur Feststellung der Zeit vom 7.
Februar 1977 bis 30. Juni 1978 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung zur Technischen Intelligenz einschließlich
der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte verurteilt wurde.
Aufgrund des insoweit bindend gewordenen Bescheids der Beklagten vom 25. April 2008 unterfällt die Klägerin dem persönlichen
Geltungs- und Anwendungsbereich des AAÜG (erste Prüfungsstufe, vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 - Az.: B 4 RA 49/03 R, nach juris). Es ist auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 bis 4 AAÜG sowie § 5 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob für den streitigen Zeitraum "Zugehörigkeitszeiten" und Arbeitsentgelte festzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 28/07 R, nach juris). Das ist für die streitgegenständliche Zeit vom 1. Juli 1978 bis 31. März 1984 der Fall.
Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 AAÜG gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden
ist, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Im streitigen Zeitraum hat die Klägerin in der DDR eine Beschäftigung
ausgeübt, die ihrer Art nach vom abstrakt-generell geregelten fachlichen Geltungsbereich der 2. DB z. ZAVOtechInt erfasst
worden ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Werktätige (d.h. der Arbeitnehmer im Sinne des Bundesrechts) u.a. berechtigt
war, die Berufsbezeichnung "Ingenieur", "Konstrukteur", "Architekt", "Techniker" oder "Werkdirektor" zu führen (persönliche
Voraussetzung), die Beschäftigung ihrem qualitativen Anforderungsprofil nach den Kriterien des entsprechenden Berufsbildes
entsprach (sachliche Voraussetzung) und sie für einen Arbeitgeber ausgeführt wurde, der ein volkseigener Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens oder ein diesen gleichgestellter Betrieb (betriebliche Voraussetzung) war. Die Klägerin war
berechtigt den Titel "Diplom-Ingenieurökonom" zu führen und entsprechend tätig. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Im streitigen Zeitraum vom 1. Juli 1978 bis 31. März 1984 war ihr Arbeitgeber der VEB LfA. Er war kein volkseigener Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz
in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (im Folgenden: ZAVOtechInt, GBl. DDR Nr. 93 Seite
844) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB z. ZAVOtechInt.
Der versorgungsrechtlich maßgebliche Betriebszweck ist durch die drei Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion (Industrie,
Bauwesen)" gekennzeichnet. Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden
Bauwesen) hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise
Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris). Die Massenproduktion i.S.d. Versorgungsordnung ist gekennzeichnet durch die potenzielle Unbegrenztheit der
betrieblichen Produktion (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - Az.: B 5 RS 8/11 R, nach juris). Der VEB LfA hat sein Gepräge nicht durch eine Massenproduktion von Sachgütern erhalten. Dies behauptet auch
die Klägerin nicht. Allerdings war er ein den VEB nach § 1 Abs. 1 und 2 der 2. DB ZAVOtechInt gleichgestellter Betrieb, nämlich
ein Forschungsinstitut, dessen Hauptzweck die Anwendungsforschung war. Nach § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVOtechInt werden den
volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt: wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien;
Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen, Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen;
Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesen; Maschinen-Ausleih-Stationen
und volkseigene Güter; Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe; Hauptverwaltungen
und Ministerien.
Zum Begriff des Forschungsinstituts im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 der 2. DB ZAVOtechInt hat das BSG in seinem Urteil vom 26. Oktober 2004 (Az.: B 4 RA/04 R, nach juris) wie folgt ausgeführt: "aa) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
ist ein Forschungsinstitut eine Forschung betreibende Einrichtung, wobei unter Forschung die planmäßige und zielgerichtete
Suche nach neuen Erkenntnissen in einem bestimmten Wissensgebiet (wissenschaftliche Forschung) verstanden wird (vgl Brockhaus,
Die Enzyklopädie, 20. Aufl (1997), Stichwort "Forschung"). Bei der Auslegung des Begriffs "Forschungsinstitut" iS des § 1
Abs 2 2. DB sind jedoch ebenso wie bei der Auslegung des Begriffs "Forschungsinstitut" iS des § 6 der VOAVIwiss als faktische
Anknüpfungspunkte die jeweiligen Besonderheiten in der DDR zu beachten. In der DDR wurde zwischen (staatlicher) Forschung
an der Akademie der Wissenschaften und an den dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellten Hochschulen und wissenschaftlichen
Einrichtungen einerseits (vgl Verordnung über die Aufgaben der Universitäten, wissenschaftlichen Hochschulen und wissenschaftlichen
Einrichtungen mit Hochschulcharakter vom 25. Februar 1970, GBl II 189; Verordnung über die Leitung, Planung und Finanzierung
der Forschung an der Akademie der Wissenschaften und an Universitäten und Hochschulen - Forschungs-VO - vom 23. August 1972,
GBl II 589) und der Forschung an den Wirtschaftseinheiten andererseits unterschieden (vgl dazu: Ulrich in Andersen/Woyke,
Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl (2003), Stichwort: "Wissenschaft, Forschung
und Technologie", S 710 f; Heuer, Wirtschaftsrecht (1985), S 402 ff). Die Akademie der Wissenschaften und die Hochschulen
hatten die Aufgabe, "nach neuen Erkenntnissen über bisher unbekannte objektive gesetzmäßige Zusammenhänge sowie nach neuen
Prozessen und Eigenschaften und ihren Nutzungsmöglichkeiten planmäßig zu forschen, neue wissenschaftliche Methoden und Erfahrungen
zu entwickeln und wissenschaftliche Grundlagen für die Beherrschung technologischer Prozesse und Verfahren zu schaffen sowie
die wissenschaftlichen Grundlagen für die angewandte Forschung, die Entwicklung und die Überleitung ihrer Ergebnisse in die
gesellschaftliche Praxis ständig zu erweitern" (§ 2 Abs 2 Forschungs-VO). Den Wirtschaftseinheiten oblag die zweck- und betriebsbezogene
Forschung und Entwicklung. Die Kombinate als grundlegende Wirtschaftseinheiten der materiellen Produktion verfügten auch über
wissenschaftlich-technische Kapazitäten (vgl § 1 Abs 1 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und
volkseigenen Betriebe - Kombinats-VO - vom 8. November 1979, GBl I 355). Sie hatten die Verantwortung nicht nur für die bedarfsgerechte
Produktion, sondern auch für die Entwicklung neuer Erzeugnisse mit wissenschaftlich-technischem Höchststand (vgl § 2 Kombinats-VO
1979; dazu auch: §§ 15, 24, 25 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28. März 1973, GBl I 129; §§ 1 Abs 2, 8, 18, 19 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar
1967, GBl II 121). Die Kombinate konnten die Aufgaben der Forschung und Entwicklung entweder selbst wahrnehmen oder auf Kombinatsbetriebe
bzw auf Betriebsteile von Kombinatsbetrieben übertragen (§§ 6 Abs 1, 7 Abs 1 und 2 Kombinats-VO 1979)."
Der nunmehr zuständige 5. Senat des Bundessozialgerichts hat diese Rechtsprechung aufrechterhalten und fortgeführt. Danach
sind Forschungsinstitute selbstständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche)
Forschung und Entwicklung ist; eine Bindung dieses Zweck- bzw. Betriebsbezugs an diejenigen Begrenzungen, die sich für den
grundsätzlichen Anwendungsbereich der ZAVOtechInt aus dem Produktionsbegriff ergeben, ist nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - Az.: B 5 RS 4/10, nach juris).
In der DDR wurden die Forschung in Grundlagenforschung und angewandte Forschung unterteilt. Das Wörterbuch der Ökonomie Sozialismus,
Neuausgabe 1989, Stichwort: Forschungskategorien, führt aus: "Die angewandte Forschung ist auf eine abgegrenzte, problembezogene
Vertiefung und Anwendung gesicherter Erkenntnisse der Grundlagenforschung gerichtet. Sie erarbeitet neue Arbeits- und Wirkprinzipien
für die Entwicklung von Erzeugnissen, Anlagen und Verfahren mit komplexen technologischen Prozessen sowie neue Methoden für
die Gewinnung von Materialien oder zur Weiterentwicklung bereits bekannter Erzeugnisse und Verfahren. Die angewandte Forschung
unterliegt direkt klaren ökonomischen Zielstellungen. Die Entwicklung von Erzeugnissen, technologischen Prozessen und Verfahren
umfasst alle auf den verwertbaren Erkenntnissen der anderen Forschung aufbauenden Arbeiten zur Konstruktion, zum Bau und zur
Erprobung des Funktionsmusters bzw. zur labormäßigen und kleintechnischen Erprobung von Verfahren. Die Arbeiten zur Überleitung
der Forschungsergebnisse in die Produktion umfassen alle wissenschaftlich-technischen und organisatorischen Aufgaben zur Ausarbeitung
der fertigungsgerechten Unterlagen zum Bau und zur Erprobung des Fertigungsmusters und der Nullserie bzw. zur Durchführung
des großtechnischen Versuchs bei Verfahrensüberleitung sowie alle Aufgaben, die sich für die massenwirksame Anwendung des
Ergebnisses unter Wahrung der in der Aufgabenstellung vorgesehenen Parameter und Qualitätskennziffern als notwendig erweisen.
Die Grenzen zwischen den Forschungskategorien sind fließend. Die Forschungskategorien sind Grundlage für die Planung und Abrechnung
von Leistungen in Wissenschaft und Technik. Die staatliche Nomenklatur der DDR sieht folgende Forschungskategorien vor: Prognose
von Wissenschaft und Technik Studien zur Vorbereitung komplexer Aufgabenstellungen Grundlagenforschung angewandte Forschung
Entwicklung und Einführung von Erzeugnissen, Verfahren, technologischen Prozessen, Rezepturen, Methoden und Projekten der
EDV und zentraler Fertigungen." Die angewandte Forschung hatte zu klären, in welcher Art und Weise die Ergebnisse der Grundlagenforschung
für die Produktion effektiv genutzt werden konnten. Sie entwickelte aus der Grundlagenforschung "Arbeits- und Wirkprinzipien
für neue Erzeugnisse, Verfahren und Technologien, konzipiert die dafür notwendige Technik und schafft die Grundlagen für die
effektivere Nutzung von Ressourcen. Die Entwicklung hat die Einführung von Erzeugnissen, Verfahren und Technologien einschließlich
erforderlicher Reorganisationslösungen in die Produktion zum Inhalt und umfasst Tätigkeiten wie Konstruktion, Musterbau, Erprobung
und Anlauf der Serienproduktion sowie damit verbundene Organisationsarbeiten (z.B. Standardisierung, Prozessanalysen, EDV-Organisation)
Die Planung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts erfolgt vor allem mit dem Plan Wissenschaft und Technik, der einerseits
aus dem Staatsplan und andererseits aus den Plänen der Ministerien, Kombinate und Betriebe besteht" (vgl. Streich/Osterland/Lotze
in Heuer, Wirtschaftsrecht, 1985, Seite 402, 408).
Das wissenschaftlich-technische Institut wurde als Forschungseinrichtung, die vor allem den Kombinaten angehört, definiert.
Das Wörterbuch der Ökonomie Sozialismus 1989 führt unter dem Stichwort "wissenschaftlich-technisches Institut" aus: "Als Organisationsform
der Forschung und Entwicklung dienen die wissenschaftlich-technischen Institute einer planmäßigen Konzentration des wissenschaftlich-technischen
Potenzials im jeweiligen Leitungsbereich. Sie tragen eine große Verantwortung für die umfassende und dauerhafte Intensivierung
In enger Zusammenarbeit mit den betrieblichen Forschungs- und Entwicklungsstellen, den Neuerern und Rationalisatoren der Produktion
arbeiten sie daran, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, sie im laufenden Produktionsprozess zu nutzen und gleichzeitig
den wissenschaftlichen Vorlauf für künftige Produktionsprozesse zu schaffen. Die wissenschaftlich-technischen Institute arbeiten
mit den Instituten der Akademie der Wissenschaften und den Hochschulen zusammen, um Ergebnisse der Grundlagenforschung rasch
produktionswirksam zu machen. Sie führen aber auch selbst Grundlagenforschung durch. Die wissenschaftlich-technischen Institute
schaffen grundlegende Voraussetzungen, um den wissenschaftlich-technischen Fortschritt in einer ganzen Breite und Vielfalt
zu nutzen."
Unter Beachtung der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien und Berücksichtigung der Definitionen der DDR handelte es
sich bei dem VEB LfA um ein Forschungsinstitut, dessen Hauptzweck die planmäßige und zielgerichtete Suche nach bereichsübergreifenden
Anwenderlösungen auf dem Gebiet der EDV war. Es handelte sich um eine zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung
und Entwicklung. Die Arbeit beschränkte sich nicht auf die reine Herstellung von Softwareprodukten (zur Definition vgl. unten).
Der VEB LfA war ein juristisch selbständiger Betrieb. Nach der Gründungsanweisung des Generaldirektors der VVB Maschinelles Rechnen vom 14. April 1971 arbeitet er nach einem Betriebsplan und dem Forschungsplan der VVB MR. Das Kombinat Datenverarbeitung - Rechtsnachfolger der VVB MR - wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1980 zur Sicherung der einheitlichen Leitung, Planung und Bilanzierung der Forschung,
Projektierung und Durchführung von Datenverarbeitungsleistungen für ganze Bereiche und Zweige der Volkswirtschaft gegründet.
Es unterstand der staatlichen Zentralverwaltung für Statistik. Aufgabengebiet des VEB LfA im Kombinat war die Forschung bzw.
Entwicklung von bereichsübergreifender Software einschließlich der Nutzbarmachung für Produktionsbetriebe und Verwaltungen.
Dies ergibt sich u.a. aus der Betriebsinformationsbroschüre aus 1981, die die Struktur des Betriebes beschreibt. Danach waren
dort 420 Mitarbeiter davon 80 v.H. mit Hoch- oder Fachschulausbildung in der Software-Entwicklung und EDV-Projektierung beschäftigt.
Der VEB LfA erarbeitete Basis-, basisnahe- und Querschnitts-Software sowie Anwendungslösungen und bot Beratungs-, Schulungs-
und Betreuungsleistungen an. Er entwickelte den Einsatz verschiedener komplexer CAD-/CAM-Lösungen in der DDR, baute den einzigen
praktisch genutzten landesweiten Dateitransferdienst auf, entwickelte das Datenbankverwaltungssystem TOPAS sowie die Unix-kompatible
Schnittstelle PSU für Eser-Betriebssysteme. Zielrechner der Softwarelösungen waren 16-Bit-PC-Technik, 32-Bit-Minirechentechnik,
Rechentechnik sowie Rechentechnik, die mit Unix-kompatiblen Betriebssystemen arbeitet. Es wurden Referenzlösungen auf verschiedenen
Software-Einsatzgebieten erarbeitet, die durch andere Einrichtungen mit ähnlicher Hardwareausstattung nutzbar waren. Eine
Kooperation bestand u.a. mit der Akademie der Wissenschaften der DDR sowie mit Hoch- und Fachschulen. Der Betrieb bot Projektierungs-,
Anpassungs-, Installations- und Wartungsarbeiten sowie Beratungs- und Schulungsleistungen an.
Die Problemstellung, die Ergebnisse seiner Entwicklungen und die Anwendungsmöglichkeiten machte der VEB LfA in den "INFORMATIONEN
Aus der Arbeit des VEB L. für Anwendungsforschung Betrieb des Volkseigenen Kombinates D." regelmäßig bekannt. Er war nach
der Betriebsbroschüre auf unterschiedlichsten Gebieten der Rechentechnik tätig und erarbeitete Lösungen für die Anwender.
In der Veröffentlichung aus 1984 (13. Ausgabe Seite 3 ff.) wurde die Entwicklung des Netzdatei- und Übertragungskonzeptes
von CCS 3 beschrieben, das die Grundlage für eine Verbundsoftware bildete, mit der zwischen Rechnern der Typen ESER, K1630
und Bürocomputern der Dateitransfer realisiert wurde. In einer weiteren Ausgabe aus 1984 wurden u.a. die ersten Anwendungen
der PILOT-Sprache beschrieben, in der 16. Ausgabe aus 1985 weitere Programmsysteme für Bürocomputer und ein Projekt bezüglich
des Problems der Verarbeitung von großen Datenmengen mit variablen Datenstrukturen. In der 17. Ausgabe aus dem Jahr 1985 finden
sich Ausführungen zur Entwicklung des Datenbankbetriebssystems TOPAS auf der Grundlage des relationalen Datenmodells und dessen
Einsatzmöglichkeiten. In der Märzausgabe aus 1985 arbeitete der Autor auf Seite 1 ff., ausgehend von einer Analyse produktivitätshemmender
Faktoren, die insbesondere in den vorgelagerten Phasen des Lebenszyklus der Software wirkten, Schlussfolgerungen für anwendungsbezogene
Forschung und Entwicklung heraus und führte u.a. aus, dass die Projektierung und Implementierung von Datenverarbeitungslösungen
mit mehr oder weniger komplexem Charakter enorme wissenschaftlich-technische Kapazitäten erforderten. Die Softwareentwicklung
und Wartung sei in den Mittelpunkt der Arbeit der Informatiker gerückt, nicht zuletzt deshalb, weil es gelingen müsse, mit
einem etwa gleich bleibenden Potenzial an wissenschaftlich-technischen Kapazitäten die qualitativ und quantitativ steigenden
Anforderungen zu erfüllen (Seite 3). Im Jahr 1986 (18. Ausgabe Seite 1 ff.) wurden die Projektierung, deren Voraussetzungen
und der Betrieb von CCS3-Rechnerverbundsystemen beschrieben, in einer weiteren Ausgabe aus 1986, ausgehend von theoretischen
Grundlagen und Problemen der Leistungsmessung im System virtueller Maschinen (SVM), zwei Möglichkeiten diskutiert, mit denen
programmtechnisch Engpasssituationen abgebaut und eine ausgewogene Systembelastung erreicht werden könnten. In der 22. Ausgabe
aus 1988 wurde angegeben, dass dem Nutzer von REDABAS - einer Standardsoftware beim Einsatz von Büro- und Personalcomputern
unter dem Betriebssystem SCP - standardmäßig keine Möglichkeiten zur Datenprüfung im Erfassungs- und Korrekturprozess zur
Verfügung standen und mit ERKOR ein variables, benutzerfreundliches System zur universellen Anwendung für den Datenerfassungsprozess
im Bereich der 8- bis 16-bit-Technik bereitgestellt wurde (Seite 2). Das Datenverarbeitungs-Projekt FEROP sollte die Organisation
und Planung im Fertigungsmittel- und Musterbau rechentechnisch unterstützen (Seite 9). Das Programm TPDK realisierte die Datenübertragung
zwischen Magnetband und Diskette (Seite 15). Für den Arbeitsplatzcomputer A7 100 wurde unter Steuerung des Betriebssystems
SCP 1700 das Textverarbeitungssystem TEPROS/SCP 1700 entwickelt (Seite 21), des Weiteren mit Multi-C ein syntax-orientierter
Editor für die Programmiersprache C. Er ermöglichte die Eingabe, Aufbereitung, Erweiterung und das Drucken von strukturierten
Programmtexten auf verschiedenen Präzisierungsebenen (Seite 28).
Dass der VEB LfA neben der Erarbeitung von Software und Anwenderlösungen auch Projektierungs-, Wartungs- und Schulungsmaßnahmen
anbot, steht seiner Qualifizierung als Forschungsinstitut nach den oben genannten Definitionen nicht entgegen, weil die Anwendungsforschung
die Überleitung der Ergebnisse in die Produktion beinhaltete und mit diesem Zweck betrieben wurde.
Dass in der DDR die Softwareentwicklung als Teil der Forschung angesehen wurde, ergibt sich auch aus der Anlage zu der Anordnung
über die Planung, Bilanzierung und Abrechnung von Software vom 13. Januar 1986 (GBl. DDR I Seite 33 ff.), wonach die Softwareentwicklung
als Bestandteil der in den Plänen Wissenschaft und Technik festgelegten Aufgaben, aus dem Fonds Wissenschaft und Technik sowie
Mitteln des Staatshaushaltes zu finanzieren war, es sei denn die Herstellung war Bestandteil der Eigenproduktion von Rationalisierungsmitteln
sowie von Produktion und Leistungen für Dritte. In Nr. 1 Abs. 3 der Anlage zur Anordnung ist ein Softwareprodukt Software,
die die Hersteller von Hardware für die multivalente Nutzung selbst herstellen und an Dritte absetzen. Damit waren Softwareprodukte
Bestandteil der industriellen Warenproduktion. Sie beinhalteten nach Nr. 1 Abs. 5 Basissoftware und Anwendersoftware gemäß
Absatz 7. Demgegenüber waren Softwareleistungen wissenschaftlich-technische Leistungen und sonstige Leistungen zur Nutzung
von Software für spezifische Anwenderlösungen (Nr. 1 Abs. 5 S. 1). Zu ihnen gehörten u.a. Projekte und Programme für neue
Anwendungen der Hardware, Ergebnisse der Anwendungsforschung für den Einsatz der Rechen- und Bürotechnik, Applikationsleistungen,
wie die Anpassung und Wartung (Aktualisierung und Erhaltung) vorhandener Programme und Projekte einschließlich der dazugehörigen
Dokumentationen (Nr. 1 Abs. 5 S. 3). Sie waren nach Nr. 1 Abs. 6 S. 2 Bestandteil der nichtindustriellen Warenproduktion.
Zur Basissoftware gehörten insbesondere Betriebssysteme, Funktions- und Steuerungssoftware, Compiler, Interpreter, Programmiersprachen,
Datenbanksysteme, Kommunikationssoftware, Dialogsysteme, Echtzeitsysteme und Grafiksoftware; Anwendersoftware ist Software
für die objektkonkrete Nutzung der technischen Mittel zur Bearbeitung eines spezifischen Anwenderproblems (Nr. 1 Abs. 7).
Nach Nr. 4 Abs. 1 war Software, die im Ergebnis von Aufgaben der Forschung und Entwicklung auf der Grundlage eines bestätigten
Pflichtenheftes bzw. Entwicklungsauftrages entwickelt wurde, als neuartige Software wie ein neues Erzeugnis zu planen und
abzurechnen. Das VE Kombinat Datenverarbeitung wurde in der Anlage 1 zur Anordnung konkret mit verschiedenen Softwareleistungen
beauftragt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.