Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Unterlassung der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Qualitätsprüfung in Form eines Transparenzberichts
Glaubhaftmachung eines offensichtlichen und entscheidungserheblichen Verfahrens- oder Bewertungsfehlers
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin ist nach §
172 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat im angefochtenen Beschluss zu Recht entschieden, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung hat, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Veröffentlichung - im Internet oder
in sonstiger Weise - der Ergebnisse der Qualitätsprüfung in Form des Transparenzberichtes der Qualitäts- und Transparenzprüfung
vom 21. und 22. Oktober 2019 über die Einrichtung der Antragstellerin und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung
zu unterlassen.
Vorläufiger Rechtsschutz zur Abwehr der Veröffentlichung eines Transparenzberichts kann nur über den Erlass einer Sicherungsanordnung
nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG erreicht werden. Weder in der Ankündigung der Veröffentlichung noch in dem Transparenzbericht oder der Veröffentlichung selbst
ist ein Verwaltungsakt zu sehen. Dazu fehlt es an einer verbindlichen Regelung der Rechtslage gegenüber der Antragstellerin
(vgl. § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Die Pflicht der Pflegeeinrichtung, die Veröffentlichung zu dulden, folgt unmittelbar aus dem Gesetz (§
115 Abs.
1a des
Elften Buches Sozialgesetzbuch [SGB XI]) und nicht aus der als Realakt zu qualifizierenden Veröffentlichung oder ihrer Ankündigung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 21. September 2016 - Az.: L 5 P 61/16 B ER, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Oktober 2010- Az.: L 4 P 12/10 B ER, Sächsisches LSG, Beschluss vom 24. Februar 2010 - Az.: L 1 P 1/10 B ER sowie Bayerisches LSG, Beschluss vom 30. März 2010 - Az.: L 2 P 7/10 B ER, jeweils nach juris). Die Pflicht zum Handeln nach bestimmten Vorgaben ergibt sich für den Träger der Pflegeeinrichtung
dagegen erst aus dem späteren Maßnahmebescheid nach §
115 Abs.
2 SGB XI.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Diese sogenannte Sicherungsanordnung dient der Bewahrung des Status quo. Damit soll
die Veränderung eines bestehenden Zustandes wenigstens vorläufig verhindert werden, indem der Antragsgegner zur Unterlassung
der Veränderung verpflichtet wird. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf das materielle Recht des Antragstellers,
für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird, während der Anordnungsgrund bei der Sicherungsanordnung in der Gefahr einer
Rechtsvereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes liegt. Wenn eine
Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre, liegt kein Recht vor, das geschützt werden muss,
so dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen ist. Wäre hingegen eine Klage offensichtlich zulässig und begründet,
vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei einem offenen Ausgang ist eine umfassende Interessenabwägung
erforderlich. Abzuwägen sind dabei die Folgen, die eintreten, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende
im Hauptsacheverfahren aber obsiegt, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende
im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte. Bei der Interessenabwägung ist insbesondere eine drohende Verletzung von
Grundrechten und deren Intensität zu berücksichtigen, aber auch sonstige Kriterien, wie beispielsweise die wirtschaftlichen
Verhältnisse (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020,
SGG, §
86b Rdnrn. 27ff.). Daher stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden auf
Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit
der Versagung des begehrten Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder
Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art.
19 Abs.
4 GG verlangt jedenfalls vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden,
zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht
[BVerfG], Beschluss vom 25. Oktober 1999 - Az.: 2 BvR 745/88 sowie Kammerbeschluss vom 25. Februar 2009 - Az.: 1 BvR 120/09).
Ein solcher Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis
durch Glaubhaftmachung (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordung [ZPO]) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§
103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren
fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es unzumutbar
erscheint, den Antragsteller auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verweisen.
Dabei ist in Zusammenhang mit Pflegequalitätsberichten zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das Informationsinteresse
von Pflegebedürftigen und Angehörigen mit der Pflegetransparenzberichterstattung über das Interesse von Anbietern an einem
von staatlicher Bewertung freien Auftreten am Markt gestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 - B 3 P 5/12 R -). Diese können durch eine (negative) öffentliche Bewertung erheblichen Belastungen ausgesetzt sein, doch die Herstellung
von Markttransparenz ist ein legitimes gesetzgeberisches Regelungsziel. Pflegeleistungen rechnen zur öffentlichen Daseinsvorsorge
und werden wesentlich über Beiträge und aus öffentlichen Haushalten finanziert. Das verleiht den Leistungen auch in privatrechtlicher
Trägerschaft eine besondere Qualifikation, die schon für sich eine gesteigerte öffentliche Beobachtung und Bewertung rechtfertigen
kann. Zudem sind Pflegebedürftige wegen ihrer angegriffenen Gesundheit und des in der Regel hohen Alters in außergewöhnlich
hohem Maß auf die Güte der Leistungserbringung angewiesen und haben deshalb besonderen Orientierungsbedarf bei Pflegeleistungen
und deren Anbietern.
Für die bei einem die Veröffentlichung eines Pflegequalitätsberichts betreffenden Eilverfahren grundsätzlich nur mögliche
summarische Prüfung bedeutet dies, dass ein Anordnungsanspruch nur dann besteht, wenn ein offensichtlicher (und entscheidungserheblicher)
Verfahrens- oder Bewertungsfehler glaubhaft gemacht worden ist.
Dies ist hier nicht der Fall: Weder den erstinstanzlichen Schriftsätzen noch der Beschwerdebegründung ist ein in diesem Sinne
offensichtlicher Fehler zu entnehmen, der es rechtfertigen würde, das Interesse von Pflegebedürftigen und Angehörigen an aktuellen
Informationen hinter dem Interesse des Anbieters an einem vor Veröffentlichung bis ins kleinste Detail überprüften Prüfbericht
zurücktreten zu lassen. Soweit die Antragstellerin Einzelheiten rügt, hält es der Senat für zumutbar, diese der Klärung in
einem Hauptsacheverfahren zu überlassen. Dass sie dies unverhältnismäßig belaste, trägt die Antragstellerin nicht vor. Davon
geht der Senat auch deshalb nicht aus, weil die Qualitätsprüfung ein rechnerisches Gesamtergebnis der Note „2,4 (gut)“ ergeben
hat, so dass auch nicht von einer dem Ansehen der Antragstellerin gravierend abträglichen Abwertung gesprochen werden kann,
zumal die schlechteste Einzelnote eine „3,0 (befriedigend)“ ist. Dies gilt umso mehr, als die Befragung der pflegebedürftigen
Menschen (als weiterer der Prüfveröffentlichung zu entnehmender Faktor, der aber für das Informationsbedürfnis von Pflegebedürftigen
auch von Bedeutung sein dürfte) die Note „1,0 (sehr gut)“ ergeben hat. Im Übrigen weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass
in der Veröffentlichungsplattform die Möglichkeit zur Beifügung eines Kommentars gegeben wird, der von möglichen Interessenten
gelesen werden kann, so dass diese sich ein eigenes Bild machen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1 und
2 SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 und
2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) in entsprechender Anwendung. §
197a SGG ist anzuwenden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte, hier weder die Antragstellerin noch die Antragsgegner,
zu den in §
183 SGG genannten Personen gehören. Dies ist vorliegend der Fall, da weder die Antragstellerin noch die Antragsgegner zu den Versicherten,
Leistungsempfängern oder sonstigen in §
183 SGG genannten Personengruppen gehören. Danach waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens zwingend der Antragstellerin aufzuerlegen,
nachdem ihre Beschwerde wie ausgeführt erfolglos geblieben ist.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 4, 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung (GKG).
Nach § 52 Abs. 2 GKG ist hier entsprechend der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung (§ 63 Abs. 3 GKG) auch für das Beschwerdeverfahren ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung
des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Dies ist im vorliegenden Rechtsstreit, dem ein Unterlassungsbegehren
zugrunde liegt, der Fall, denn Anhaltspunkte für die Bemessung der Bedeutung einer Verpflichtung der Antragsgegnerseite zur
Unterlassung sind mangels Bezifferbarkeit der mit einer Veröffentlichung des Transparenzberichts einhergehenden möglichen
wirtschaftlichen Einbußen nicht ersichtlich. Eine Reduzierung des Auffangstreitwerts wegen der grundsätzlichen Vorläufigkeit
des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens und des damit grundsätzlich verbundenen geringeren Bedeutung der Sache für den Antragsteller
ist im vorliegenden Fall nicht geboten, da durch den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen
würde. Diese eigentlich nur vorläufige Vorwegnahme käme faktisch in den überwiegenden Fällen einer endgültigen gleich, da
die Aktualität der Transparenzberichte zeitlich begrenzt ist und sie sich durch neuere Qualitätsprüfungen regelmäßig tatsächlich
erledigen.
Die Entscheidung ist nach §
177 SGG, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.