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OLG Brandenburg, Urteil vom 11.03.2004 - 10 UF 176/03
Anspruch auf Herabsetzung von Volljährigenunterhalt
1. Bei einem volljährigen behinderten Kind, das eine eigene Wohnung unterhält, in der es im Rahmen seiner Möglichkeiten ein eigenständiges Leben führt, scheidet eine schematische Gleichstellung des Unterhaltsberechtigten mit einem in Ausbildung befindlichen volljährigen Kind mit eigenem Hausstand aus.
2. Auch für die Bestimmung des angemessenen Lebensbedarfs im Bereich des Verwandtenunterhalts besteht in der Praxis ein Bedürfnmis nach festen Bedarfsätzen. Es erscheint insoweit sachgerecht, die Untergrenze des Bedarfs an den in den Unterhaltstabellen für den Ehegattenunterhalt angesetzten Beträgen zu orientieren.
3. Es ist demnach auf die in den Unterhaltstabellen enthaltenen Eigenbedarfssätze eines unterhaltsberechtigten Ehegatten abzustellen und als Untergrenze derjenige Betrag pauschal als Bedarf anzusetzen, welcher der konkreten Lebenssituation des unterhaltsberechtigten Kindes entspricht.
4. Entgelt, das ein Behinderter im Arbeitsbereich einer Behindertenwerkstatt erzielt, ist unterhaltsrechtlich anrechenbares Arbeitseinkommen.
5. Die Vergütung, die die unterhaltsberechtigte Beklagte nach der Geburt ihres Kindes von der Behindertenwerkstatt erhalten hat, ist nicht in voller Höhe, sondern nur im Umfang des Betrages, der dem Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG entspricht, als bedarfsminderndes Einkommen im Sinne von § 1602 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.
6. Das an die Beklagte gezahlte Ausbildungsgeld sowie das ihr gewährte Wohngeld ist einkommenserhöhend zu berücksichtigen.
7. Ein anrechenbarer Anspruch auf Unterhaltsleistungen nach § 1615l BGB gegen den Erzeuger des nichtehelichen Kindes scheidet solange aus, als die Vaterschaft nicht rechtswirksam für und gegen alle durch gerichtliche Entscheidung oder Anerkennung festgestellt ist.
8. Das der Beklagten gewährte Kindergeld ist in vollem Umfang anzurechnen.
9. Die Möglichkeit, Ansprüche auf Grundsicherung geltend zu machen, führt zu einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten, einen entsprechenden Antrag zu stellen, um den Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Unterläßt der Unterhaltsberechtigte gleichwohl die Antragstellung, so ist ihm die Grundsicherung als fiktives Einkommen zuzurechnen.
10. Das Grundsicherungsgesetz sieht für privilegierte Unterhaltsverhältnisse, anders als das Bundessozialhilfegesetz, nicht die Möglichkeit vor, den Anspruchsteller auf die Selbsthilfe durch Verwertung seines Vermögens zu verweisen. Deshalb besteht für den berechtigten Volljährigen keine Obliegenheit, Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern vorrangig durchzusetzen, deren Einkommen unter 100.000 EURO liegt.
11. Tatsächlich geleisteter Kindesunterhalt ist auf die Grundsicherung anzurechnen. Dies gilt nicht, wenn die Unterhaltszahlungen nur der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Leistung der durch die Grundsicherung ungedeckten bürgerlichrechtlichen Unterhaltsspitze dienen.
Fundstellen: NJ 2004, 424
Normenkette:
BGB § 362
,
BGB § 366
,
BGB § 1592 Nr. 2
,
BGB § 1592 Nr. 3
,
BGB § 1600 Abs. 4
,
BGB § 1601
,
BGB § 1602 Abs. 1
,
BGB § 1603 Abs. 1
,
BGB § 1610 Abs. 1
,
BGB § 1612b Abs. 3
,
BGB § 1615l Abs. 3 Satz 2
,
BGB § 1896
,
BGB § 1902
,
GSiG § 1
,
GSiG § 1 Nr. 2
,
GSiG § 2
,
GSiG § 2 Abs. 1
,
GSiG § 2 Abs. 1 Satz 1
,
GSiG § 2 Abs. 1 Satz 3
,
GSiG § 2 Abs. 3 Satz 2
,
GSiG § 3
,
GSiG § 6
,
SGB IX § 1
,
SGB IX § 2
, ,
SGB IX § 81 Abs. 3
, ,
SGB IX § 136 Abs. 2 Satz 1
,
SGB IX § 138 Abs. 1
,
SGB IX § 138 Abs. 2
,
MuSchG § 3 Abs. 2
, , ,
BErzGG § 7
,
BErzGG § 9 Satz 1
,
EStG § 62 Abs. 1
,
EStG § 63 Abs. 1 Satz 1
,
EStG § 63 Abs. 1 Satz 2
,
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
,
SGB VI § 43 Abs. 2
,
BSHG § 22
,
BSHG § 77 Abs. 1
,
BSHG § 91
,
BSHG § 91 Abs. 1 Satz 2
,
GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2
,
GG Art. 1 Abs. 3
,
AltersvermögensG Art. 35 Abs. 6
Vorinstanzen: AG Eisenhüttenstadt 14.07.2003 7 F 222/02

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