Anspruch auf Herabsetzung von Volljährigenunterhalt
Entscheidungsgründe:
A.
Die Parteien streiten im Rahmen einer Abänderungsklage über die Herabsetzung von Volljährigenunterhalt ab 8.8.2002.
Die am 31.7.1979 geborene Beklagte ist die Tochter des am 1.3.1953 geborenen Klägers aus seiner im Jahr 1988 geschiedenen
Ehe mit der Mutter der Beklagten. Der Kläger ist wieder verheiratet und lebt in Süddeutschland.
Die Beklagte, die ohne eine Berufsausbildung ist, steht seit 1998 unter Betreuung. Nach ihrem Schwerbehindertenausweis liegt
ein Körperschaden von 100 % wegen einer frühkindlichen Hirnschädigung mit Anfallsleiden sowie eine Funktionseinschränkung
der Kniegelenke vor. Ferner ist das Merkzeichen "G" (Beeinträchtigung der Gehfähigkeit im Straßenverkehr) eingetragen. Seit
April 2002 lebt die Beklagte in einer eigenen Wohnung in E... . Am 18.9.2003 brachte sie eine Tochter, V... A... , zur Welt.
Bis zu ihrer Entbindung war die Beklagte in den Lebenshilfe ...-Werkstätten in E... , einer Werkstatt für behinderte Menschen,
beschäftigt. Auf ihren Antrag hin wurden der Beklagten mit Bescheid des Landkreises O... , Sozialamt, vom 25.3.2003 erstmalig
Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz ab 1.1.2003 bewilligt. Die Bewilligung erfolgte unter Anrechnung von Unterhaltszahlungen
ihres Vaters. Seit dem 23.1.2004 nimmt die Beklagte Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz in Anspruch. Für ihre Tochter bezieht sie Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Der Kläger hat sich durch Urkunde des Landratsamts G... - Kreisjugendamt - Außenstelle ... vom 29.11.1995 verpflichtet, an
die Beklagte ab Januar 1996 eine Unterhaltsrente von monatlich 536 DM, umgerechnet 274,05 EURO, zu zahlen.
Eine bereits im Jahr 1999 eingereichte Abänderungsklage des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der vorliegenden Klage macht der
Kläger im Wege der Abänderungsklage erneut die Herabsetzung des Unterhalts und den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung
geltend. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den vom Kläger zu leistenden Unterhalt auf monatlich
- 182 EURO vom 8. August bis Oktober 2002,
- 154 EURO für November und Dezember 2002,
- 120 EURO für Januar 2003 und
- 169 EURO ab Februar 2003
herabgesetzt. Dabei ist es von einem Unterhaltsbedarf der Beklagten von monatlich 555 EURO ausgegangen und hat darauf ihre
Eigeneinkünfte bedarfsmindernd angerechnet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, der sich weiterhin auf einen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung
beruft. Zur Begründung macht er vor allem geltend:
- Das Amtsgericht habe das eigene Einkommen der Beklagten unzutreffend in die Unterhaltsberechnung einbezogen.
- Die Beklagte hätte bereits seit Beginn des Abänderungszeitraums bedarfsdeckende Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz
erhalten können. Da das Sozialamt diese zu Unrecht unter Einbeziehung ihres in der Jugendamtsurkunde titulierten Unterhaltsanspruchs
berechnet habe, sei sie bzw. ihre Betreuerin verpflichtet gewesen, ein Rechtsmittel gegen den Bewilligungsbescheid vom 25.3.2003
einzulegen. Das sei pflichtwidrig nicht geschehen, sodass sich die Beklagte eine fiktive Grundsicherung in bedarfsdeckender
Höhe zurechnen lassen müsse.
- Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, sich um Arbeit zu bemühen.
Da das nicht geschehen sei, müsse sie sich ein fiktives Erwerbseinkommen von monatlich mindestens 350 EURO zurechnen lassen.
- Weiterhin sei der Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den leistungsfähigen Vater ihres Kindes gemäß §
1615 l
BGB zu berücksichtigen. Dieser Unterhaltsanspruch sei gegenüber demjenigen gegen die Eltern vorrangig.
- Schließlich sei das Erziehungsgeld, das die Beklagte seit der Geburt ihrer Tochter beziehe, bedarfsmindernd anzurechnen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 14.7.2003 die Urkunde des Kreisjugendamtes, Außenstelle
..., vom 29.11.1995 zur Urk.-Reg.-Nr. .../1995 dahingehend abzuändern, dass ab 8.8.2002 kein Unterhalt mehr geschuldet wird.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers hat nur für die Zeit ab Februar 2004 und insoweit auch nur zum Teil Erfolg. Die Wiedergabe
des nicht abgeänderten Teils der angefochtenen Entscheidung im Tenor dieses Urteils erfolgt aus Gründen der Klarheit.
Bis Januar 2004 schuldet der Kläger seiner volljährigen Tochter gemäß §§
1601,
1603,
1610 BGB jedenfalls den vom Amtsgericht ermittelten Unterhalt, sodass eine weitere Abänderung der Urkunde des Landratsamts G... vom
29.11.1995 nicht gerechtfertigt ist. Ab Februar 2004 kann der Kläger dagegen eine Herabsetzung des titulierten Unterhaltsanspruchs
auf monatlich 41,20 EURO verlangen. Die Inanspruchnahme der Beklagten scheitert nicht an ihrer mangelnden Prozessfähigkeit,
§
52 ZPO. Sie wird durch ihre Ergänzungsbetreuerin in dem dieser übertragenen Aufgabenkreis der Unterhaltsangelegenheiten im vorliegenden
Rechtsstreit ordnungsgemäß vertreten, §§
1896,
1902 BGB,53
ZPO.
I.
Die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner unterhaltsbedürftigen Tochter steht dem Grunde nach zwischen den Parteien
nicht im Streit. Sie ergibt sich aus §§
1601 ff.
BGB, denn die Beklagte ist auf Grund ihrer Behinderung außer Stande, sich selbst zu unterhalten.
Unstreitig ist ferner die Höhe des vom Kläger in dem hier maßgeblichen Zeitraum erzielten Einkommens. Ebenso steht seine Leistungsfähigkeit
zur Zahlung der vom Amtsgericht ausgeurteilten Beträge außer Frage. Nicht im Streit ist schließlich der Umstand, dass sich
die geschiedene Ehefrau des Klägers und Mutter der Beklagten auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse, die durch den Bezug von
Arbeitslosengeld bestimmt werden, nicht am Barunterhalt der Tochter beteiligen muss.
II.
Der Streit der Parteien betrifft die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Beklagten. Insoweit beruft sich der Kläger in erster
Linie auf eine falsche Berechnung der eigenen Einkünfte der Beklagten durch das Amtsgericht. Vor einer Prüfung dieser Frage
bedarf es allerdings der Feststellung des gesamten Lebensbedarfs der Beklagten.
1.
Was die Höhe des allgemeinen Unterhaltsbedarfs der Beklagten betrifft, ist das Amtsgericht davon ausgegangen, zwischen den
Parteien sei nicht umstritten, dass dieser mit dem Betrag von 555 EURO monatlich zu Grunde zu legen sei, der in den Unterhaltsleitlinien
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für ein in der Ausbildung befindliches Kind angesetzt werde, das nicht im Haushalt
eines Elternteils lebe. Diesem Ansatz folgt der Senat nicht.
Die Höhe des Unterhaltsanspruchs, und damit dessen konkretes Bestehen, stellt keine Tatsache dar, welche die Parteien unstreitig
im Sinne von §
138 Abs.
3 ZPO stellen können. Vielmehr handelt es sich um das Ergebnis einer dem Gericht obliegenden rechtlichen Prüfung, für die es maßgeblich
auf den Bedarf des Unterhaltsberechtigten einerseits und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten andererseits
ankommt (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2003, 1468/1469). Im Hinblick darauf sind entsprechende Feststellungen hier nicht schon deshalb
entbehrlich, weil die Beklagte dem Vorbringen des Klägers zu der von ihm behaupteten Höhe ihres Unterhaltsbedarfs nicht entgegengetreten
ist.
Es kann ferner nicht davon ausgegangen werden, der Unterhaltsbedarf der Beklagten sei durch Rückgriff auf das als Artikel
12 des Altersvermögensgesetzes vom 26.6.2001 eingeführte Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz - GSiG -) im Sinne eines konkreten Mindestunterhalts (vgl. hierzu Graba, FamRZ 2004, 1/3; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der
familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2, Rz. 405) zu bestimmen. Der familienrechtliche Unterhaltsbedarf der Beklagten
kann höher liegen als die Grundsicherungsleistungen gemäß § 3 GSiG. Denn der nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen errechnete Bedarf, der für die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt maßgebend
ist, deckt sich nicht zwangsläufig mit dem nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen ermittelten Bedarf (vgl. hierzu BGH, FamRZ
2003, 1468/1469). Das wird im vorliegenden Fall auch daran deutlich, dass der Zweck des Gesetzes über eine bedarfsorientierte
Grundsicherung als einer eigenständigen Sozialleistung darin besteht, den grundlegenden Lebensbedarf alter und voll erwerbsgeminderter
Menschen zu sichern [vgl. hierzu BT-Drucksache 14/5150 (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung), S. 48]. Die
aus Steuermitteln finanzierte Grundsicherungsgewährung ist also lediglich am Bedarf der Antragsberechtigten orientiert und
nicht bedarfsdeckend [vgl. hierzu Schoch in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) - GSiG, § 2, Rz. 12). Demgegenüber geht die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht auf Grund eines unterschiedlichen Bedarfsbegriffs
über die sozialrechtliche Hilfeleistung hinaus.
2.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Gleichstellung der Beklagten mit einem in der Ausbildung befindlichen volljährigen
Kind mit eigenem Hausstand nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist ihr monatlicher Unterhaltsbedarf im Abänderungszeitraum mit
775 EURO von 11/2002 bis zum 17.9.2003 und 675 EURO bis10/2002 sowie ab 18.9.2003 anzusetzen.
a)
Der vorliegende Sachverhalt weist insofern eine Besonderheit auf, als die Beklagte trotz ihrer Behinderung weder in einer
stationären Einrichtung (z. B. einem Wohn- oder Pflegeheim) lebt, noch im Haushalt eines Elternteils betreut und versorgt
wird. Sie unterhält vielmehr seit April 2002 eine eigene Wohnung in E... und führt in dem ihr möglichen Rahmen ein eigenständiges
Leben, das nach Darstellung der Betreuerin der Beklagten die Selbstversorgung einschließt. Ferner ist die Beklagte in der
Lage, auf Hygiene und Kleidung zu achten. Sie hat entsprechend ihrer individuellen Erwerbsfähigkeit auch bis September 2003
am Arbeitsleben in einer Werkstatt für Behinderte teilgenommen. Schließlich hat die Beklagte am 18.9.2003 eine Tochter, V...
, zur Welt gebracht, die im Haushalt der Beklagten lebt und von ihr betreut und versorgt wird.
Damit hat sich die Beklagte einen eigenen und eigenständigen Bereich der Lebensführung geschaffen. Das entspricht dem zur
grundlegenden Neuordnung des Behindertenrechts am 6.4.2001 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten "Sozialgesetzbuch - Neuntes
Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen", das sich zur Richtschnur macht, die Eigenständigkeit und Selbstbestimmung
von Menschen mit Behinderungen zu fördern und ihnen eine selbstbestimmte Teilhabe in Alltag und Beruf zu ermöglichen [vgl.
hierzu Kossens/von der Heide/Maaß, Praxiskommentar zum Behinder-tenrecht (
SGB IX), Geleitwort, S. V]. Diesem Ziel dienen auch die Leistungen nach §
1 SGB IX.
Die von ihr tatsächlich gelebte Selbstständigkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte nach Angaben der
Betreuerin bei der Versorgung ihres Haushalts durch einen Sozialbetreuer der Arbeiterwohlfahrt als Maßnahme der Eingliederungshilfe
unterstützt wird bzw. sie seit der Geburt von V... über das Jugendamt Familienhilfe erhält. Hierbei handelt es sich lediglich
um Fördermaßnahmen, die für die Lösung von Problemen, die in der Behinderung selbst angelegt sind, erforderlich werden. Die
selbstbestimmte eigene Lebensgestaltung der Beklagten wird davon nicht berührt.
b)
Die Beklagte ist nicht stationär untergebracht und auch nicht pflegebedürftig, sodass für sie weder Heim- noch Pflegekosten
anfallen, welche in derartigen Fällen den Unterhaltsbedarf objektiv vorgeben (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2003, 1468/1469). Auch
lebt sie nicht im Haushalt eines Elternteils, von dem sie versorgt, betreut und in gewissem Umfang beaufsichtigt wird. Es
ist deshalb hier von der unterhaltsrechtlichen Grundregel des §
1610 Abs.
1 BGB auszugehen, wonach sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der - nicht von den Eltern abgeleiteten - Lebensstellung
des Bedürftigen richtet (angemessener Unterhalt).
Wenn sich aber der Unterhaltsbedarf der Beklagten nach ihrem persönlichen Bedarf richtet, der sich aus ihrer tatsächlich erlangten
selbstständigen Lebensstellung ableitet, scheidet eine schematische Gleichstellung der unterhaltsbedürftigen Beklagten mit
einem in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kind mit eigenem Hausstand aus. Auf Grund seiner Ausbildungssituation hat
dieses gerade noch keine eigene Lebensstellung erreicht, sondern leitet diese von seinen unterhaltspflichtigen Eltern ab.
Diese Voraussetzungen liegen in der Person der Beklagten dagegen nicht vor.
Mit der Verfassungsreform von 1994 (42. Änderungsgesetz zum
Grundgesetz, BGBl. I, S. 3146) wurde der Katalog der Diskriminierungsverbote um ein neues Grundrecht für behinderte Menschen erweitert:
"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG. Das Benachteiligungsverbot entfaltet als Grundrecht zum Schutz gegen Diskriminierungen zu Lasten behinderter Menschen unmittelbare
Wirkung gegenüber der öffentlichen Gewalt. Es bindet Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar
geltendes Recht, Art.
1 Abs.
3 GG. Diese Bindung gilt nicht nur für die Organe des Bundes, sondern unmittelbar auch für Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz
der Länder. Für den Fall einer zivilrechtlichen Unterhaltsstreitigkeit zwischen Eltern und einem volljährigen Kind mit eigener
selbstbestimmter Lebensgestaltung, wie im Fall der Beklagten, aber ohne die Besonderheit einer Behinderung der Betroffenen
im Sinne von §
2 SGB IX ist ohne weiteres von einer selbstständigen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten auszugehen. Da eine Ungleichbehandlung
zu Lasten der behinderten Beklagten sachlich nicht geboten und der Begriff der Benachteiligung im Sinne von Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG weit zu fassen ist (vgl. hierzu Kossens/Schäfer, a.a.O., § 1, Rz. 14), entfaltet das Grundrecht des Diskriminierungsverbots Auswirkungen bei der Auslegung von §
1610 Abs.
1 BGB. Das führt hier dazu, dass sich die Lebensstellung der Beklagten nicht mehr als unselbstständige, von ihren unterhaltspflichtigen
Eltern und deren Einkommen abgeleitete darstellt. Vielmehr besitzt die Beklagte eine selbstständige und nicht vom barunterhaltspflichtigen
Kläger abhängige eigene unterhaltsrechtlich zu beachtende Lebensstellung im Sinne von §
1610 Abs.
1 BGB. Das bestätigt auch der persönliche Eindruck, den der Senat von ihr im Verhandlungstermin gewonnen hat. Dementsprechend ist
der Bedarf der Beklagten zu bestimmen.
Unabhängig von der Frage der Selbstständigkeit des Bedürftigen und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten hat der Verwandtenunterhalt
das Ziel, demjenigen, der bedürftig im Sinne von §
1602 BGB ist, jedenfalls die Mittel zu gewährleisten, die er für sein Leben notwendig braucht. Was danach als angemessener Unterhalt
im Sinne des §
1610 Abs.
1 BGB anzusehen ist, der nach seinem Abs.
2 den gesamten Lebensbedarf umfasst, ist trotz der subjektiven Fassung des Gesetzeswortlauts weitgehend objektivierbar und
pauschalierbar. Bei der Konkretisierung helfen insbesondere die von der Rechtsprechung entwickelten Unterhaltstabellen und
Leitlinien, wie sie sich in der Praxis der Oberlandesgerichte durchgesetzt haben. Auch für die Bestimmung des angemessenen
Lebensbedarfs im Bereich des Verwandtenunterhalts besteht in der Praxis ein Bedürfnis nach festen Bedarfssätzen. Insoweit
erscheint es sachgerecht, die Untergrenze des Bedarfs an den in den Unterhaltstabellen für den Ehegattenunterhalt angesetzten
Beträgen zu orientieren. Diese von der Rechtsprechung für das Unterhaltsbegehren von Eltern aufgestellten Grundsätze hat der
Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen aus dem Jahr 2003 zum Elternunterhalt ausdrücklich gebilligt (vgl. hierzu BGH,
FamRZ 2003, 860/861). Berücksichtigt man, dass der Unterhaltsanspruch der Eltern (weil nicht der "natürlichen" Generationenfolge
entsprechend) rechtlich vergleichsweise schwach ausgestaltet ist (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2004, 186/188; FamRZ 2002, 1698/1700),
so besteht sachlich kein Anlass für eine Ungleichbehandlung von Volljährigen- und Elternunterhalt (vgl. dazu auch Klinkhammer,
FamRZ 2004, 266/268). Vielmehr liegt es nahe, die entsprechenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs auch bei der Beurteilung
der Unterhaltsverpflichtung von Eltern gegenüber Kindern zu berücksichtigen. Danach ist im Bereich des Volljährigenunterhalts
zur Ermittlung des angemessenen Unterhalts ebenfalls auf die in den Unterhaltstabellen enthaltenen Eigenbedarfssätze eines
unterhaltsberechtigten Ehegatten abzustellen und als Untergrenze derjenige Betrag pauschal als Bedarf anzusetzen, welcher
der jeweiligen konkreten Lebenssituation des unterhaltsberechtigten Kindes entspricht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2003, 860/861
betreffend den Elternunterhalt). Insoweit bleibt das Gericht auch bei einer pauschalierenden Betrachtung an das generelle
Gebot gebunden, den Unterhalt individuell und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bemessen (vgl. hierzu
BGH, FamRZ 1982, 587/589).
Hiervon ausgehend beläuft sich der Bedarf der Beklagten für die Dauer ihrer Teilnahme am Arbeitsleben auf der Grundlage der
Brandenburgischen Unterhaltsleitlinien, Stand 1.1.2002 und 1.7.2003, auf monatlich 775 EURO und für die übrige Zeit auf monatlich
675 EURO (vgl. Anm. B. V. der Düsseldorfer Tabelle in der jeweils geltenden Fassung; BGH, FamRZ 2003, 860 ff).
c)
Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Frage nach einer abgeleiteten oder unterhaltsrechtlich bedeutsamen unabgeleiteten
eigenen Lebensstellung eines behinderten volljährigen Kindes mit Urteil vom 20.11.1996 (vgl. FamRZ 1997, 281 - 285) für die jenem Urteil zu Grunde liegende Fallgestaltung im ersteren Sinne beantwortet. Der Entscheidung lag der Sachverhalt
eines - zunächst in der Wohnung der Eltern, dann in derjenigen der Schwester im selben Haus wie die Eltern lebenden - volljährigen
Behinderten zu Grunde, der wegen seiner Behinderung durchgängig von seiner Mutter betreut und versorgt wurde und in einer
Behindertenwerkstatt 90 DM bzw. 110 DM verdiente. Hier liegt der Fall jedoch anders.
Die Beklagte hat sich einen eigenen Bereich der Lebensführung geschaffen und wohnt weder in der Wohnung noch (mit) im Hause
eines Elternteils, lebt vielmehr selbstständig in einer eigenen Wohnung und versorgt sich selbst, ist auch in der Lage, auf
Hygiene und Kleidung zu achten. Ferner hat sie im Senatstermin in eindrucksvoller Weise gezeigt, dass sie ihre Wünsche und
Gefühle deutlich äußern, einen eigenen Willen bilden sowie ihre Interessen vertreten und durchsetzen kann. Auf diese Weise
gelangt sie zu einer ihr im Rahmen der bestehenden Behinderung möglichen eigenständigen Gestaltung ihrer persönlichen Lebensführung.
Damit sind alle Merkmale einer nicht abgeleiteten Lebensstellung gegeben. Dass weiterhin eine finanzielle Abhängigkeit besteht,
führt zu keiner anderen Beurteilung.
Nicht zu verkennen ist, welchen besonderen psychischen und physischen sowie finanziellen Zusatzbelastungen Eltern von behinderten
Kindern ausgesetzt sein können. Diese gehen in der Regel weit über den Umfang hinaus, der von Eltern gesunder Kindes üblicherweise
erbracht wird und können gegenüber dem üblichen Maß der den Eltern nicht behinderter Kinder abzuverlangenden Leistungen eine
große Härte bedeuten.
Die Schwerbehinderung eines Kindes gehört, wie die Notwendigkeit einer etwa demenzbedingten Heimunterbringung der eigenen
Eltern eines Unterhaltspflichtigen oder eine beispielsweise unvorhergesehene unfallbedingte Pflegebedürftigkeit des Ehegatten,
zu den schicksalhaften Ereignissen, die den Familienverband als Ganzen treffen. Das Unterhaltsrecht, insbesondere die Bedarfsbestimmung,
hat aber nicht die Funktion, den Konflikt um die in Abhängigkeit vom jeweiligen Standpunkt als "ungerecht" angesehene Verteilung
der gesteigerten Elternbelastung im Falle eines behinderten Kindes und der geringeren Elternbelastung im Falle eines nicht
behinderten Kindes zu lösen. Auch wenn in die Ausfüllung der Rechtsbegriffe "Lebensstellung des Bedürftigen" bzw. "angemessener
Unterhalt" im Sinne von §
1610 Abs.
1 BGB gesellschaftspolitische Vorstellungen und Bewertungen mit einfließen, sind diese, wie bereits ausgeführt, weitgehend objektivierbar
und pauschalierbar, und es ist vom Bundesgerichtshof als sachgerecht angesehen worden, für die Konkretisierung die Unterhaltstabellen
und Leitlinien heranzuziehen. Das gilt im Hinblick auf den grundgesetzlichen Diskriminierungsschutz für behinderte und nicht
behinderte Menschen gleichermaßen. Das an gesellschaftlicher Bedeutung zunehmende Problem der unterhaltsrechtlichen Verantwortung
im Falle eines hilfsbedürftigen (behinderten) Angehörigen (vgl. hierzu Klinkhammer, FamRZ 2004, 266), lässt sich weder im konkreten Fall noch allgemein durch eine einschränkende Bedarfsbestimmung lösen. Vielmehr ist eine
Korrektur und Unterhaltsentlastung für den Unterhaltspflichtigen im Rahmen der Festlegung und einer etwaigen Anhebung des
angemessenen Selbstbehalts nach §
1603 Abs.
1 BGB vorzunehmen (vgl. hierzu auch Klinkhammer, FamRZ 2004, 266/267 f.).
Geht man davon aus, dass die Beklagte auf Grund ihrer Behinderung ihr ganzes Leben lang außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten,
so stellt sich nach einem Ableben des unterhaltspflichtigen Klägers die Frage, ob dann nicht die Tochter V... der Beklagten
bei unterstellter Leistungsfähigkeit für den Unterhalt der Mutter aufkommen muss. Ausgehend von der neuen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zum Elternunterhalt aus dem Jahr 2003 wäre diese Frage zu bejahen. Das wiederum hat zur Folge, dass nach
dieser Rechtsprechung der Bedarf der Beklagten sich mit Einsetzen der Unterhaltspflicht von V... nach den in den Unterhaltstabellen
für den Ehegattenunterhalt angesetzten Beträgen bemisst. Eine solche Differenzierung aber erscheint vor dem Hintergrund, dass
der Unterhaltsanspruch der Eltern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie bereits ausgeführt, im Verhältnis zum
Kindesunterhalt vergleichsweise schwach ausgestaltet ist und gleichsam an letzter Stelle steht, nicht sachgerecht. Als Grundlage
für eine derartige Ungleichbehandlung des Bedarfsbegriffs in §
1610 Abs.
1 BGB käme nur die Behinderung der Beklagten in Betracht. Das wiederum verstieße gegen das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot.
d)
Damit ist die Beklagte von November 2002 bis zur Geburt ihrer Tochter V... unterhaltsrechtlich als Erwerbstätige einzuordnen,
da dies ihrer realen Lebenssituation entspricht. Der notwendige Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ist
nach den im Abänderungszeitraum geltenden Brandenburgischen Unterhaltsleitlinien mit monatlich 775 EURO zu bemessen. Dieser
Betrag ist im Anschluss an die vorstehend getroffenen Feststellungen als Bedarf der von 11/2002 bis zum 17.9.2003 erwerbstätigen
Beklagten anzusetzen. In der übrigen im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Zeit, in der die Beklagte nicht am Berufsleben
teilgenommen hat bzw. teilnimmt, beläuft sich ihr Unterhaltsbedarf auf den für Nichterwerbstätige anzusetzenden Betrag von
675 EURO monatlich.
aa)
Die Beklagte ist am 1.11.2000 in die Lebenshilfe ... -Werkstätten in E... , eine anerkannte Werkstatt für Behinderte, aufgenommen
worden. Dort war sie zunächst dem Berufsbildungsbereich zugeordnet. Nach der Bescheinigung der Werkstatt vom 15.12.2003 befindet
sie sich seit 11/2002 im Arbeitsbereich und bezieht Arbeitsentgelt.
Die Vorschrift des §
136 SGB IX definiert den Begriff der Werkstätten für behinderte Menschen und bestimmt ihren Zweck. Absatz 1 lautet:
"Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des
Kapitels 5 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Arbeit
oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden
können,
1. eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem
Arbeitsergebnis anzubieten und
2. zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und
dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Sie verfügt über
ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden
Dienst."
Aufgabe der Behindertenwerkstatt ist es danach nicht, die behinderten Menschen lediglich zu bewahren und zu pflegen. Ziel
ist vielmehr die Förderung der Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben (vgl. hierzu Kossens, a.a.O., § 136,
Rz. 5 und 7). Vor dem Hintergrund dieser Aufgabe ist daher Voraussetzung für die Aufnahme in die Werkstatt für Behinderte,
dass auch der schwerbehinderte Mensch dem Arbeitsmarkt, unabhängig von Ursache, Art. und Ausmaß seiner Behinderung, grundsätzlich
zur Verfügung steht (vgl. hierzu Kossens, a.a.O., § 136, Rz. 6). Voraussetzung ist ferner, dass der Behinderte spätestens
nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich vertretbarer Arbeitsleistung
erbringt, §
136 Abs.
2 Satz 1
SGB IX. Ein solches Mindestmaß wirtschaftlich vertretbarer Arbeitsleistung liegt vor, wenn der Behinderte an der Herstellung der
von der Werkstatt, der er angehört, vertriebenen Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann (vgl.
hierzu BSGE 76, 178/183) und das Ergebnis der Arbeitsleistung des behinderten Menschen die Arbeitsleistung der Behindertenwerkstatt
insgesamt bereichert (vgl. hierzu Cramer, Schwerbehindertengesetz, 4. Aufl., § 54, Rz. 8).
Auf Grund dieser Definition und vor dem Hintergrund von Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG ist es sachlich geboten, Behinderte, die in dem ihnen durch ihre Behinderung gesetzten Rahmen auf ihrem Arbeitsplatz in einer
Behindertenwerkstatt im Umfang ihres individuellen Leistungsvermögens tatsächlich Arbeitsleistungen erbringen, auch unterhaltsrechtlich
als Erwerbstätige einzuordnen. Dafür ist nicht ein bestimmter (hoher) Grad der Arbeitsleistung und der Umfang ihrer Wirtschaftlichkeit
entscheidend. Insbesondere ist Maßstab nicht eine betriebswirtschaftliche Kalkulation des Verhältnisses zwischen Arbeitsergebnis
und Aufwand an qualifiziertem Fachpersonal, über das die Behindertenwerkstatt verfügen muss (vgl. hierzu BSGE 76, 178/183;
Kossens, a.a.O., § 136, Rz. 14).
Auch die Rechtsstellung, die das
SGB IX Behinderten zuweist, die im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, spricht für eine solche Betrachtungsweise. §
138 Abs.
1 SGB IX bestimmt ihren Status als den einer arbeitnehmerähnlichen Person. Infolgedessen sind auf das Beschäftigungsverhältnis die
Vorschriften und Grundsätze über Arbeitszeit, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, Mutterschutz,
Arbeitsschutz und Haftung im Arbeitsrecht anwendbar (vgl. hierzu Kossens, a.a.O., § 138, Rz. 3).
Wenn aber in Werkstätten für Behinderte wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen erbracht werden und für die dort Arbeitenden
eine arbeitnehmerähnliche Stellung begründen, muss das auch für ihre unterhaltsrechtliche Einordnung als Erwerbstätige genügen,
da sie damit im Rahmen ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit am Arbeitsleben tatsächlich teilnehmen. An die Stelle eines sonst
üblichen Arbeitsplatzes tritt lediglich die Werkstatt für Behinderte, welche die Gelegenheit zur Ausübung einer behindertengerechten
Tätigkeit im Sinne von §
81 Abs.
3 SGB IX bietet. Damit dienen die Behindertenwerkstätten zugleich der Umsetzung europäischen Rechts, nämlich der Richtlinie des Rates
der Europäischen Union zur Schaffung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung schwerbehinderter
Menschen in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000).
bb)
Wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts in Verbindung mit dem Sitzungsprotokoll vom 23.6.2003
ergibt, war als voraussichtlicher Geburtstermin der Tochter der Beklagten der 13.12.2003 errechnet worden. Mangels entgegenstehender
Anhaltspunkte und abweichenden Vortrags des Klägers ist davon auszugehen, dass die Beklagte auf Grund der vorzeitigen Geburt
ihrer Tochter V... nicht das generelle 6-wöchige Beschäftigungsverbot vor der Entbindung gemäß §
3 Abs.
2 MuSchG in Anspruch nehmen konnte und sie bis zum Tag vor der Geburt, also dem 17.9.2003, in der Behindertenwerkstatt gearbeitet
hat. Dafür spricht auch die Leistung von Mutterschaftsgeld an die Beklagte für die Höchstdauer des Beschäftigungsverbots bei
Frühgeburten von 127 Tagen, ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen vom 18.9.2003 bis zum 22.1.2004. Folglich ist für
die seit dem 18.9.2003 nicht mehr erwerbstätige Beklagte erst ab diesem Zeitpunkt der ihrer geänderten Lebensstellung entsprechende
geringere Unterhaltsbedarf von 675 EURO monatlich anzusetzen. Entsprechendes gilt für die Zeit bis einschließlich Oktober
2002, in der der Beklagten innerhalb der Behindertenwerkstatt noch kein Arbeitsplatz, sondern zunächst nur ein Berufsbildungsplatz
zugewiesen war.
III.
Auf den vorstehend festgestellten Bedarf der Beklagten ist ihr unterhaltsrechtlich anzusetzendes Einkommen im Sinne von §
1602 Abs.
1 BGB bedürftigkeitsmindernd anzurechnen.
1.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass tatsächliches Einkommen des Unterhaltsberechtigten dessen Bedürftigkeit mindert, stellt
das von der Behindertenwerkstatt gezahlte Arbeitsentgelt anrechenbares Einkommen der Beklagten dar.
Nach §
138 Abs.
2 SGB IX haben die im Arbeitsbereich beschäftigten Behinderten Anspruch auf ein Arbeitsentgelt. Ein solcher Anspruch besteht für die
dem Berufsbildungsbereich zugeordneten Personen nicht (vgl. hierzu Kossens, a.a.O., § 138, Rz. 4).
Ausweislich der Bescheinigung der Lebenshilfe ... -Werkstätten vom 15.12.2003 ist an die Beklagte entsprechend ihrem Einsatz
im Arbeitsbereich seit dem 1.11.2002 folgende Nettovergütung gezahlt worden:
11/2002 105,00 EURO
12/2002 95,00 EURO
1/2003 95,00 EURO
2/2003 95,00 EURO
3/2003 69,76 EURO
5/2003 52,02 EURO
6/2003 121,00 EURO
7/2003 95,00 EURO
8/2003 95,00 EURO
9/2003 95,00 EURO
10/2003 132,38 EURO.
Die fehlenden (April 2003) bzw. geringen Arbeitseinkünfte (März und Mai 2003) beruhen dabei auf einer über die Zeit der Lohnfortzahlung
hinaus andauernden längeren Erkrankung der Beklagten.
Der teilweise vertretenen Auffassung, bei der Vergütung für die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt handele es sich um Einkommen
aus unzumutbarer Tätigkeit (vgl. hierzu Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rz. 405) bzw. eine bedarfsmindernde Berücksichtigung dürfe
nicht erfolgen, weil das Entgelt mehr als Anerkennung für die Arbeit in den Behindertenwerkstätten und als Versuch der Vorbereitung
auf eine Eingliederung in das Erwerbsleben diene (vgl. hierzu OLG Oldenburg, FamRZ 1996, 625/626 m. w. N.), folgt der Senat
nicht.
Das widerspricht zum einen dem Grundsatz, dass tatsächliches Einkommen des Unterhaltsberechtigten seine Bedürftigkeit mindert
(vgl. hierzu BGH, FamRZ 1982, 587/588). Zum anderen steht eine solche Betrachtungsweise im Widerspruch zu der weiter vorn
getroffenen Feststellung, dass der Beklagten auf Grund ihrer tatsächlichen Teilhabe am Arbeitsleben für die entsprechende
Zeit unterhaltsrechtlich die Stellung einer Erwerbstätigen zuzubilligen ist.
Dass, gegebenenfalls in welcher Höhe, ein Betrag zur Deckung von mit der Erzielung des Arbeitsentgelts verbundenen Aufwendungen
zu berücksichtigen wäre, hat die Beklagte selbst nicht geltend gemacht.
Ohne Bedeutung für das Unterhaltsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger ist ferner, dass der Beklagten im Rahmen
ihres Anspruchs auf Grundsicherung, auf den später noch einzugehen ist, Freibeträge von ihrem Einkommen für die persönlichen
Bedürfnisse belassen werden.
Es kann bei der Ermittlung des anrechenbaren Gesamtarbeitsentgelts der Beklagten allerdings nicht unberücksichtigt bleiben,
dass sich das Einkommen von Frauen, die Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, während der Zeit ihres Beschäftigungsverbots
nach der Geburt gemäß §§
13,
14 MuSchG aus Mutterschaftsgeld nach der
Reichsversicherungsordnung und einem Arbeitgeberzuschuss zusammensetzt (vgl. hierzu Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 4. Aufl., § 7 BErzGG, Rz. 1). Das hat gemäß § 7 BErzGG zur Vermeidung des Doppelbezugs staatlicher Leistungen eine Anrechnung des Mutterschaftsgelds auf das Erziehungsgeld zur
Folge. Das wiederum führt dazu, dass sich das Mutterschaftsgeld, worauf ebenfalls später noch einzugehen ist, als unterhaltsrechtlich
nicht mehr anrechnungsfähig erweist.
Dementsprechend ist die Vergütung, welche die Beklagte ab 18.9.2003 von der Behindertenwerkstatt erhalten hat, nicht in der
aufgeführten vollen Höhe, sondern nur im Umfang des Betrags, der dem Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach §
14 MuSchG entspricht, als bedarfsminderndes Einkommen im Sinne von §
1602 Abs.
1 BGB zu berücksichtigen. Auf Grund des Sachzusammenhangs ist auf die Einzelheiten erst weiter unten im Zusammenhang mit der Erörterung
des Mutterschaftsgelds (Ziffer 6.) einzugehen. Als anrechenbares Einkommen der Beklagten verbleiben gemäß §§
13,
14 MuSchG nur
53,83 EURO vom 1. bis zum 17.9.2003 und
43,58 EURO vom 18.9. bis zum 31.10.2003.
Damit ist für die Zeit von 11/2002 bis zum Tag vor der Geburt von V... von unterhaltsrechtsrechtlich zu berücksichtigenden
Arbeitsentgeltzahlungen der Behindertenwerkstatt von 876,61 EURO [= 5 x 95 EURO + 105 EURO + 69,76 EURO + 52,02 EURO + 121
EURO + (95 EURO : 30 x 17 =) 53,83 EURO] auszugehen. Das entspricht 82,96 EURO (= 876,61 EURO : 10 17/30) im Monatsdurchschnitt.
Für die Zeit vom 18.9. bis zum 31.10.2003 sind monatlich 30,40 EURO (= 43,58 EURO : 1 13/30) auf den Unterhalt anzurechnen.
2.
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Beklagten sei ein fiktives Arbeitseinkommen von monatlich mindestens 350 EURO zuzurechnen.
Die Beklagte gehört zum Kreis der nach § 1 Nr. 2 GSiG anspruchsberechtigten Personen. Eine volle Erwerbsminderung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn eine entsprechende
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (ohne die einschränkende Bezugnahme auf den Arbeitsmarkt) geleistet wird. Im Fall der Beklagten
ist ein solcher Rentenbezug nicht gegeben und auch nicht möglich, da sie gegenwärtig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
hinsichtlich der Beitragszeiten nicht erfüllt. Durch ihre Beschäftigung in der Behindertenwerkstatt erwirbt sie erst nach
20-jähriger Tätigkeit einen Rentenanspruch auf Dauer wegen voller Erwerbsminderung (vgl. hierzu Renn in LPK- GSiG, § 1, Rz. 22).
Aber auch ohne einen Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente bzw. eine entsprechende Rentenberechtigung kann eine Anspruchsberechtigung
nach dem Grundsicherungsgesetz vorliegen. Diese ist nämlich in erster Linie an die dauerhaft volle Erwerbsminderung und nicht
an zusätzliche versicherungsrechtliche Tatbestände geknüpft. Eine solche ist hier vom Sozialamt des Landkreises O... zu Recht
bejaht worden, was bereits durch den Bescheid über die Grundsicherungsgewährung vom 25.3.2003 als solchen zum Ausdruck kommt.
Die fehlende Möglichkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, wird ferner durch die Aufnahme der
Beklagten in die Lebenshilfe ... -Werkstätten im November 2000 belegt, über die der zuständige Fachausschuss entscheidet.
Einer Aufnahme in eine anerkannte Behindertenwerkstatt liegt zugleich die Prognose des Fachausschusses über eine volle Erwerbsminderung
zu Grunde (vgl. hierzu Renn in LPK-GSiG, § 1, Rz. 13).
Im Übrigen stellt der Kläger die volle Erwerbsminderung der Beklagten letztlich nicht in Frage. Vielmehr beruft er sich im
Gegenteil vorliegend selbst darauf, dass der Beklagten eine höhere fiktive Grundsicherung, als mit Bescheid vom 25.3.2003
bewilligt, zuzurechnen sei. Deren Gewährung aber hat die volle Erwerbsminderung der Bedürftigen zur Voraussetzung.
3.
Das an die Beklagte gezahlte Ausbildungsgeld gehört zu ihren anrechenbaren Einkünften.
Ausweislich des Bescheids des Arbeitsamts Frankfurt (Oder) vom 25.4.2002 hat die Beklagte von 5 bis 10/2002 während ihrer
Zuordnung zum Berufsbildungsbereich ein Ausbildungsgeld von monatlich 67 EURO bezogen. Hierbei handelt es sich um Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne von §
33 SGB IX. Diese zielen auf die Beschaffung eines Arbeitsplatzes sowie die Erhaltung der Beschäftigung ab (vgl. hierzu Kossens/Vogt,
a.a.O., § 33, Rz. 6). Da das Ausbildungsgeld mithin den Zweck verfolgt, eine möglichst dauerhafte Teilhabe des Behinderten
am Arbeitsleben zu erreichen, stellt es ebenso wie das Arbeitsentgelt selbst, §
138 Abs.
2 SGB IX, auf Seiten der Beklagten anrechenbares Eigeneinkommen dar (vgl. hierzu auch Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 467).
4.
Der Bedarf der Beklagten wird weiterhin im Umfang des ihr gewährten Wohngeldes gedeckt.
Wohngeld ist bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich einkommenserhöhend zu berücksichtigen, soweit es nicht lediglich erhöhte
Aufwendungen für den Wohnbedarf ausgleicht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1984, 772/774; BGH, FamRZ 1985, 374; Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 452). Von diesen Grundsätzen ausgehend ist das Wohngeld hier voll anzurechnen.
Ausweislich der Bewilligungsbescheide vom 29.4.2002 und 29.1. bzw. 1.9.2003 beläuft sich das an die Beklagte gezahlte monatliche
Wohngeld auf
152 EURO von 4/2002 bis 1/2003,
103 EURO von 2 bis 7/2003 und
131 EURO ab 8/2003.
In dem auf Seiten der Beklagten anzusetzenden Unterhaltsbedarf von monatlich 775 EURO bzw. 675 EURO sind nach Nr.10. bzw.
21.2 der Brandenburgischen Unterhaltsleitlinien (Stand 1.1.2002 und 1.7.2003) Unterkunftskosten ohne umlagefähige Nebenkosten
und Heizung von 235 EURO enthalten. Die entsprechende monatliche Kaltmiete der Beklagten im Abänderungszeitraum liegt mit
225,57 EURO bzw. 194,54 EURO unter diesem Betrag. Mit dem vom Kläger unter Berücksichtigung ihrer Eigeneinkünfte geschuldeten
Unterhalt erhält die Beklagte ihren vollen Unterhaltsbedarf, der auch die Mietkosten umfasst. Da den Wohngeldzahlungen kein
erhöhter Wohnkostenbedarf gegenübersteht, rechtfertigt das eine Anrechnung des Wohngeldes als bedarfsminderndes Eigeneinkommen
der Beklagten (vgl. hierzu auch BGH, FamRZ 1982, 587 ff).
Für eine Kürzung des der Beklagten zugebilligten Unterhaltsbedarfs wegen ihrer tatsächlich geringeren als in den Bedarfssätzen
von 775 EURO bzw. 675 EURO enthaltenen Mietkosten besteht kein Anlass. Es unterliegt grundsätzlich der freien Disposition
sowohl des Unterhaltspflichtigen als auch des Unterhaltsberechtigten, wie sie die ihnen zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehenden
Mitteln nutzen. Ihnen ist es deshalb nicht verwehrt, ihre Bedürfnisse anders als in den Unterhaltstabellen vorgesehen zu gewichten
und sich zum Beispiel mit einer preiswerteren Wohnung zu begnügen, um zusätzliche Mittel für andere Zwecke einsetzen zu können
(vgl. hierzu BGH, FamRZ 2004, 186/189).
5.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Erziehungsgeld keinen Einfluss auf den Unterhaltsanspruch der Beklagten.
Nach § 9 Satz 1 BErzGG werden Unterhaltsverpflichtungen durch die Zahlung des Erziehungsgeldes nicht berührt. Erziehungsgeld stellt daher im Rahmen
der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen einer unterhaltsberechtigten Mutter gegen den Vater ihres Kindes nach allgemeiner
Auffassung kein anrechenbares Einkommen dar (vgl. hierzu BVerfG, FamRZ 2000, 1149 m. w. N.).
Auch im Unterhaltsverhältnis einer Tochter zu ihrem Vater ist Erziehungsgeld entsprechend der besonderen gesetzlichen Bestimmung
des § 9 BErzGG nicht als Einkommen anzurechnen (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, FamRZ 1989, 1226/1227). Es ist nicht gerechtfertigt, die Anrechnung
hier anders zu behandeln als beim Unterhaltsanspruch einer Mutter gegen den Vater ihres Kindes (vgl. hierzu Eschenbruch/Wohlgemuth,
Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 4022).
6.
Das an die Beklagte gezahlte Mutterschaftsgeld gehört ebenfalls nicht zu ihren anrechenbaren Einkünften im Sinne von §
1602 Abs.
1 BGB.
a)
Frauen, die, wie die Beklagte, Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind und bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf
Krankengeld haben, erhalten gemäß §
13 Abs.1
MuSchG für den Entbindungstag und die Zeiten der so genannten Mutterschutzfrist , §§
3 Abs.
2,
6 Abs.
1 MuSchG, Mutterschaftsgeld nach § 200
RVO. Die zeitliche Bezugsdauer des Mutterschaftsgeldes ist durch das
Mutterschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.6.2002 (BGBl. I, Seite 2318) geändert worden. Konnte das 6-wöchige Beschäftigungsverbot
vor der Entbindung etwa infolge einer Frühgeburt nicht in Anspruch genommen werden, so verlängert sich nach der neuen Rechtslage
das Beschäftigungsverbot im Anschluss an die Entbindung um den Zeitraum der Schutzfrist nach §
3 Abs.
2 MuSchG. Bei Frühgeburten kann folglich gemäß §
6 Abs.
1 MuSchG längstens für 127 Tage (= Entbindungstag + 12 Wochen nach der Entbindung + 6 Wochen gemäß §
3 Abs.
2 MuSchG) Mutterschaftsgeld beansprucht werden.
Ausweislich der Bescheinigung der Barmer Ersatzkasse vom 4.11.2003 hat die Beklagte vom 29.10.2003 bis zum 22.1.2004, also
für 86 Tage, Mutterschaftsgeld von 272,62 EURO erhalten. Das entspricht 3,17 EURO täglich.
Das während der Schutzfristen nach § 200
RVO gezahlte Mutterschaftsgeld hat die Funktion eines Lohnersatzes (vgl. hierzu Meisel/Sowka, a.a.O., § 200
RVO, Rz. 4). Als laufende Lohnersatzleistung ist das Mutterschaftsgeld unterhaltsrechtlich grundsätzlich als anrechenbares Einkommen
zu behandeln (vgl. hierzu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 851).
Dieser Grundsatz erfährt allerdings eine Ausnahme für die Zeit nach der Entbindung, wenn und soweit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BErzGG eine Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf das Erziehungsgeld erfolgt (vgl. hierzu Eschenbruch/Wohlgemuth, a.a.O., Rz. 4022).
Mit der Regelung des § 7 BErzGG soll verhindert werden, dass Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld in vollem Umfang nebeneinander gezahlt werden und damit
ein Doppelbezug staatlicher Leistungen erfolgt (vgl. hierzu Meisel/Sowka, a.a.O., § 7 BErzGG, Rz. 2). Wenn aber eine Anrechnung nach § 7 BErzGG erfolgt, ist die Anrechnungsfähigkeit des Mutterschaftsgeldes insgesamt erschöpft. In diesem Fall verkürzt nämlich das Mutterschaftsgeld
bereits den Anspruch auf Erziehungsgeld, welches seinerseits im Hinblick auf § 9 Satz 1 BErzGG unterhaltsrechtlich kein Einkommen darstellt. Eine unterhaltsrechtliche Anrechnung gemäß §
1602 Abs.
1 BGB würde in diesem Fall zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung führen, weil dann das gezahlte Mutterschaftsgeld gleichzeitig
den Unterhaltsanspruch und den Bezug von Erziehungsgeld verringerte.
Wie sich dem Bescheid des Landkreises O... vom 24.11.2003 in Verbindung mit der Bescheinigung der Barmer Ersatzkasse vom 4.11.2003
entnehmen lässt, ist das vom 29.10.2003 bis zum 22.1.2004 in Höhe von täglich 3,17 EURO gezahlte Mutterschaftsgeld auf den
Erziehungsgeldanspruch der Beklagten in dieser Zeit angerechnet worden. Folglich ist das Mutterschaftsgeld unterhaltsrechtlich
nicht mehr als anrechnungsfähiges Einkommen zu behandeln.
b)
Die Bescheinigung der Barmer Ersatzkasse vom 4.11.2003 erstreckt sich nicht auf die 6-wöchige Mutterschutzfrist nach der Entbindung
und den Entbindungstag selbst. In dieser Zeit, also vom 18.9. bis zum 28.10.2003, ist der an sich bezugsberechtigten Beklagten
kein Mutterschaftsgeld gezahlt worden und auch nicht der nach §
14 MuSchG vom Arbeitgeber zu leistende Mutterschaftsgeldzuschuss. Auf Grund einer vorgelegten ärztlichen Krankschreibung hat die Beklagte
vielmehr (irrtümlich) Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall von der Behindertenwerkstatt erhalten. Dieses ist wegen seiner
Lohnersatzfunktion grundsätzlich unterhaltsrechtlich als Einkommen anzurechnen (vgl. hierzu Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 84).
Aus dem Bescheid des Landkreises O... vom 24.11.2003 ergibt sich allerdings, dass auch die von der Behindertenwerkstatt vom
18.9. bis zum 28.10.2003 geleistete Lohnfortzahlung mit 3,17 EURO täglich wie Mutterschaftsgeld tatsächlich angerechnet worden
ist und den Erziehungsgeldanspruch der Beklagten entsprechend verringert hat. Deshalb lässt die Lohnfortzahlung hier ausnahmsweise
den Unterhaltsanspruch der Beklagten im Umfang des an sich zu zahlenden Mutterschaftsgeldes unberührt.
Die Zahlungen der Lebenshilfe ... -Werkstätten vom 18.9. bis zum 28.10.2003 nach dem Lohnfortzahlungsgesetz an die Beklagte beruhen auf einem Irrtum. Nach der Rechtslage hätte die Krankenkasse in dieser Zeit Mutterschaftsgeld von
3,17 EURO pro Tag zahlen müssen. Die Behindertenwerkstatt als Arbeitgeber der Beklagten wäre nach §
14 MuSchG verpflichtet gewesen, einen Mutterschaftsgeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem auf 13 EURO begrenzten
höchsten Mutterschaftsgeld und ihrem bisherigen um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen
Arbeitsentgelt zu leisten, wobei es auf die Höhe des Mutterschaftsgeldanspruchs in diesem Zusammenhang nicht ankommt (vgl.
hierzu im Einzelnen Buchner/Becker,
MuSchG, 6. Aufl., §
14, Rz. 70 ff.; Meisel/Sowka, a.a.O., §
14 MuSchG, Rz. 3).
Die "falsche" Rechtsgrundlage der Zahlungen während der Mutterschutzfrist kann jedoch nicht zu Lasten der Beklagten gehen,
zumal sie keinen Einfluss auf deren Wahl hat. Deshalb ist die Lohnfortzahlung der Behindertenwerkstatt, die im Ergebnis zu
einem Ruhen des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld und damit zur Entlastung der Krankenkasse geführt hat (vgl. hierzu Buchner/Becker,
a.a.O., §
14 MuSchG, Rz. 28), unterhaltsrechtlich hier so zu behandeln, als handele es sich um Leistungen nach den §§
13,
14 MuSchG. Eine Schlechterstellung ist damit für den Kläger nicht verbunden.
Der vom Landkreis O... ausweislich des Bescheids vom 24.11.2003 als "Mutterschaftsgeld" behandelte Entgeltanteil von täglich
3,17 EURO der Lohnfortzahlung lässt damit im Hinblick auf die vorgenommene Anrechnung nach § 7 BErzGG entsprechend den vorstehend unter a) getroffenen Feststellungen auf der einen Seite den Unterhaltsanspruch der Beklagten
unberührt. Auf der anderen Seite verkürzt sich durch die Anrechnung nach § 7 BErzGG die in der Verdienstbescheinigung der Lebenshilfe ... -Werkstätten vom 15.12.2003 ausgewiesene Entgeltzahlung an die Beklagte
seit der Geburt von V... am 18.9.2003 um den auf das Erziehungsgeld angerechneten Betrag von 3,17 EURO pro Tag.
Von dem Arbeitsentgelt der Beklagten für den Monat September 2003 entfallen anteilig 53,83 EURO (= 95 EURO : 30 x 17) auf
die Zeit bis zum 17.9. und 41,17 EURO (= 95 EURO : 30 x 13) auf die Zeit ab der Entbindung am 18.9.2003. Unter Berücksichtigung
des seit dem Tag der Geburt von V... als "Mutterschaftsgeld" zu behandelnden Entgeltanteils bleiben Beträge von 53,83 EURO
vom 1. bis zum 17.9.2003 und 43,58 EURO [= 41,17 EURO + 132,38 EURO - (13 + 28) x 3,17 EURO] vom 18.9. bis zum 31.10.2003
unterhaltsrechtlich anrechnungsfähig.
7.
Von der Anrechnung ausgenommen ist weiterhin der Anspruch der Beklagten gegen den Vater ihrer Tochter V... auf Unterhaltsleistungen
gemäß §
1615 l
BGB.
Nach §
1615 l Abs.
3 Satz 2
BGB haftet der Vater des nichtehelichen Kindes vor den Verwandten. Eine Mutter hat daher keinen Unterhaltsanspruch gegen ihre
Eltern, soweit sie von dem Erzeuger ihres Kindes für sich Unterhalt erlangen kann (vgl. hierzu Wendl/Pauling, a.a.O., § 6,
Rz. 768).
Der Unterhaltsanspruch nach §
1615 l
BGB setzt jedoch die rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft für und gegen alle durch gerichtliche Entscheidung oder Anerkennung,
§
1600 Abs.
4 i. V. m. §
1592 Nr.
2 und
3 BGB (vgl. hierzu auch Johannsen/Graba, Eherecht, 4. Aufl., §
1615 l
BGB, Rz. 2; Wendl/Pauling, a.a.O., § 6, Rz. 752) voraus. Daran fehlt es hier, sodass der Beklagten kein anrechenbarer Anspruch auf Unterhaltsleistungen nach §
1615 l
BGB zusteht.
8.
Auf den Unterhalt der Beklagten ist das Kindergeld in vollem Umfang anzurechnen.
Gemäß §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 und
2 i. V. m. §
32 Abs.
4 Satz 1 Nr.
3 EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld für die Beklagte, da sie auf Grund ihrer Behinderung nicht über die wirtschaftlichen
Mittel verfügt, ihren gesamten notwendigen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (vgl. hierzu BFH, NJW 2000, 1356/1357). Diese
Berücksichtigung erfolgt ohne Altersgrenze auch über das 27. Lebensjahr der Beklagten hinaus (vgl. hierzu Schmidt/Glanegger,
EStG, 22. Aufl., §
32, Rz. 49). Ihre Mutter ist der Beklagten mangels tatsächlicher Leistungsfähigkeit nicht zum Barunterhalt verpflichtet (vgl.
hierzu OLG Frankfurt, FamRZ 1993, 231 f.; Göppinger/Häußermann, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 788). Weil die Beklagte auch nicht im Haushalt ihrer Mutter lebt,
muss diese ihren Kindergeldanteil zur Sicherstellung des Unterhalt der Beklagten zur Verfügung stellen (vgl. hierzu Göppinger/Häußermann,
a.a.O., Rz. 802). Folglich ist das Kindergeld in entsprechender Anwendung von §
1612 b Abs.
3 BGB auf den Unterhalt der Beklagten in vollem Umfang anzurechnen (vgl. hierzu auch OLG Celle, FamRZ 2004, 218 f.; OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 219 f.; Eschenbruch/Wohlgemuth, a.a.O., Rz. 3391), also in Höhe von monatlich 154 EURO.
9.
Die Beklagte ist unterhaltsrechtlich verpflichtet, alle ihr zugänglichen Einkommensquellen auszuschöpfen. Insoweit kommt dem
Umstand Bedeutung zu, dass sie Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung hat. Leistungen nach diesem Gesetz sind Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn und mindern den Unterhaltsbedarf
der Beklagten (vgl. hierzu Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 467 c).
a)
Das Grundsicherungsgesetz ist nach Art. 35 Abs. 6 des Altersvermögensgesetzes vom 26.6.2001 am 1.1.2003 in Kraft getreten.
Die Beklagte kann daher für den Abänderungszeitraum vom 8.8. bis zum 31.12.2002 von vornherein nicht auf die vorrangige Inanspruchnahme
von Leistungen nach diesem Gesetz verwiesen werden.
b)
Als Bestandteil der Rentenreform des Jahres 2001 führt das Grundsicherungsgesetz mit der bedarfsorientierten Grundsicherung
eine grundlegend neue staatliche Leistung ein, die weder eine Rente noch eine generell subsidiäre Sozialleistung darstellt
(vgl. hierzu Klinkhammer, FamRZ 2002, 997).
Der berechtigte Personenkreis ergibt sich aus § 1 GSiG. Antragsberechtigt sind danach u. a. Personen mit gewöhnlichem Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland, die das
18. Lebensjahr vollendet haben und im Sinne von §
43 Abs.
2 SGB VI dauerhaft voll erwerbsgemindert sind.
Dass die Beklagte zu diesem antragsberechtigten Personenkreis zählt, steht zwischen den Parteien außer Frage. Das folgt auch
aus ihrer Aufnahme in eine Behindertenwerkstatt im November 2000 (vgl. hierzu auch die Hinweise des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge zur Anwendung des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
Anm. zu § 1, abgedruckt in Brudermüller/Klattenhoff, Tabellen zum Familienrecht, 24. Aufl., S. 292 f.; Brühl/Hofmann, Informationen
zum Grundsicherungsrecht, 1/2003, S. 5.
c)
Die Leistungen der Grundsicherung sind abhängig von der Bedürftigkeit des Betroffenen. Ein Anspruch besteht nur insoweit,
als der Betroffene seinen Lebensunterhalt nicht aus seinem eigenen Einkommen und Vermögen bestreiten kann, § 2 Abs. 1 Satz 1 GSiG. Die Ermittlung des Einkommens und Vermögens folgt dabei im Wesentlichen sozialhilferechtlichen Maßstäben.
Auch der familienrechtliche Unterhalt kann als Einkommen oder Vermögen im Sinne von § 2 GSiG anzusehen sein und die Bedürftigkeit mindern. Ob das anzunehmen ist, hängt zunächst von der Art. der Unterhaltsbeziehung
ab. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GSiG bleiben insbesondere Unterhaltsansprüche von behinderten volljährigen Kindern gegenüber ihren Eltern unberücksichtigt, wenn
deren jährliches Gesamteinkommen unter 100.000 EURO liegt.
Diese Voraussetzung ist hier unstreitig gegeben. Ausweislich seines Steuerbescheids vom 10.2.2003 verfügte der Kläger im Kalenderjahr
2002 nur über ein Bruttoarbeitseinkommen von ca. 31.000 EURO, während die Mutter der Beklagten Arbeitslosengeld bezogen hat.
Eine zwischenzeitliche Änderung dieser wirtschaftlichen Verhältnisse ist nicht vorgetragen, und es bestehen dafür auch keine
Anhaltspunkte.
Allerdings bleiben in den vom Grundsicherungsgesetz privilegierten Unterhaltsverhältnissen Unterhaltsansprüche volljähriger
Kinder gegenüber ihren Eltern dann nicht unberücksichtigt, wenn Unterhalt tatsächlich regelmäßig gezahlt wird. Laufende Zahlungen
sind grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen (vgl. hierzu Klinkhammer, FamRZ 2002, 997/999 f.; Brühl/Hofmann, Gesetz
über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG), S. 89 und 59), und zwar nach sozialrechtlichen Gesichtspunkten sogar unabhängig davon, ob eine Unterhaltspflicht besteht
oder nicht (vgl. BVerwG, ZMR 1998, 113 in einer Entscheidung zum Wohngeldrecht).
Der Kläger hat in der Vergangenheit bis zum Senatstermin fortlaufend eine Unterhaltsrente von monatlich 274,05 EURO gezahlt,
zu der er sich durch Urkunde des Landratsamts G... vom 29.11.1995 verpflichtet hatte. Es kann jedoch in diesem Zusammenhang
nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger im Jahr 1999 eine Abänderungsklage beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt erhoben
hat, um eine Unterhaltsherabsetzung zu erreichen (7 F 290/99). Diese blieb ohne Erfolg. Ferner hat er in der Folgezeit seine Zahlungen an die Beklagte tatsächlich eingestellt, was die
Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Folge hatte.
Es stellt sich damit die grundsätzliche Frage, in welcher Wechselbeziehung Grundsicherung und Unterhalt zueinander stehen.
Insbesondere ist zu fragen, ob laufende Zahlungen als Einkommen nur zu berücksichtigen sind, wenn sie aus freien Stücken erfolgen,
oder auch dann, wenn sie, wie hier, unter dem "Druck" eines Unterhaltstitels geleistet werden. Daran schließt sich die Frage
an, inwieweit der Unterhaltsschuldner den Berechtigten auf eine vorrangige Antragstellung auf Gewährung der Grundsicherung
verweisen kann bzw. ob er auch verlangen kann, dass der Berechtigte im Hinblick auf die Zielsetzung des Grundsicherungsgesetzes
von der Durchsetzung eines vorhandenen Unterhaltstitels Abstand nimmt. Insoweit müssen die in Rede stehenden Zeitabschnitte,
nämlich bis zu dem Monat, in dem die letzte mündliche Verhandlung stattgefunden hat, einerseits, und für die Zeit danach andererseits,
gesondert betrachtet werden.
8.8.2002 bis 31.1.2004
Das Ziel der Reform durch das Grundsicherungsgesetz liegt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 14/4595, S. 37 f.) vornehmlich
in der Vermeidung von Altersarmut: "Nicht jeder, der sozialhilfebedürftig ist, nimmt Sozialhilfe in Anspruch. Vor allem ältere
Menschen machen bestehende Sozialhilfeansprüche oftmals nicht geltend, weil sie den Unterhaltsrückgriff auf die Kinder befürchten.
Dies ist eine der Hauptgründe für verschämte Altersarmut. Insbesondere für 65-jährige und ältere hilfsbedürftige Menschen
muss daher die Geltendmachung bestehender Rechte im Rahmen der Grundsicherung erleichtert werden."
Das Augenmerk der Reform lag dabei zunächst allein auf dem Unterhaltsberechtigten. Denn das Ziel sei nicht die Entlastung
des Unterhaltspflichtigen (vgl. BR-Drucksache 764/00, S. 169). Der Rückgriffsausschluss sei ein Mittel, um die Situation der
Hilfeempfänger selbst zu verbessern (vgl. BR-Drucksache 764/00, S. 169). Die Entlastung des Unterhaltspflichtigen war ausdrücklich
nicht bezweckt, sondern ein bloßer Rechtsreflex (vgl. BR-Drucksache764/00, S. 169; Klinkhammer, FamRZ 2002, 997/1001). Entsprechend
dieser eingeschränkten Zwecksetzung war ursprünglich lediglich eine Änderung von § 91 BSHG beabsichtigt, durch die der Anspruchsübergang von der Regelaltersgrenze von 65 Jahren an sowie bei voll erwerbsgeminderten
Volljährigen ausgeschlossen werden sollte (vgl. hierzu auch Klinkhammer, FamRZ 2002, 997). Auf Initiative des Bundesrats wurde schließlich die Grundsicherung als eigenständige Sozialleistung eingeführt. Entsprechend
dieser Umgestaltung wurde auch die Zielsetzung verallgemeinert. Zweck des Grundsicherungsgesetzes wurde nunmehr die Sicherung
des grundlegenden Lebensbedarfs alter und voll erwerbsgeminderter Menschen (vgl. BT-Drucksache 14/5150, S. 48). Ferner heißt
es in der Begründung zu § 2 Abs. 1: "Unterhaltsansprüche gegenüber Eltern und Kindern von Grundsicherungsberechtigten gehören
auf Grund der Zielsetzung dieses Gesetzes nicht zum verwertbaren Einkommen und Vermögen (vgl. BT-Drucksache14/5150, S. 49).
Damit soll durch das Grundsicherungsgesetz nicht nur die Situation der Hilfeempfänger verbessert werden, sondern es dient
nach seiner geänderten Konzeption gleichzeitig der Entlastung des Unterhaltspflichtigen (vgl. hierzu Klinkhammer, FamRZ 2003,
1793/1797; Reinecke, ZAP Fach 11, S. 665/668).
Auf Grund dieser Zielsetzung führt die Möglichkeit, Ansprüche auf Grundsicherung geltend zu machen (ähnlich wie bei der
BAföG-Berechtigung), grundsätzlich zur unterhaltsrechtlichen Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten, einen Antrag auf Grundsicherung
zu stellen, um den Unterhaltspflichtigen zu entlasten (vgl. hierzu Reinecke, a.a.O., S. 669). Denn wenn ein privilegiertes
Unterhaltsverhältnis vorliegt, ist der Anspruch auf Grundsicherung vorrangig, und es besteht kein anzuerkennendes Interesse
des Unterhaltsberechtigten, den Anspruch nach dem Grundsicherungsgesetz nicht geltend zu machen. Unterlässt der Unterhaltsberechtigte
gleichwohl eine Antragstellung, so ist ihm die Grundsicherung als fiktives Einkommen zuzurechnen (vgl. hierzu Klinkhammer,
a.a.O., S. 1002; Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 467 c).
Die Beklagte ist dieser Antragsobliegenheit nachgekommen und hat einen Grundsicherungsanspruch geltend gemacht, was entgegen
der Auffassung des Klägers erstmals nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.2003 möglich war. Mit Bescheid vom 25.3.2003
ist ihr vom Sozialamt des Landkreises O... ab 1.1.2003 Grundsicherung in Höhe von monatlich 34,44 EURO unter Einbeziehung
des durch die Jugendamtsurkunde des Landratsamts G... vom 29.11.1995 titulierten Kindesunterhalts bewilligt worden.
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, das Sozialamt habe zu Unrecht den titulierten Unterhaltsanspruch in die Berechnung der
Grundsicherung einbezogen. Die Beklagte bzw. ihre Betreuerin sei daher zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen den rechtswidrigen
Bescheid verpflichtet gewesen. Da das nicht geschehen sei, müsse sich die Beklagte wegen der ihr zuzurechnenden Pflichtverletzung
eine fiktive Grundsicherung in der vollen Höhe der möglichen Grundsicherung zurechnen lassen.
Auch wenn das Grundsicherungsgesetz zugleich die Entlastung des Unterhaltspflichtigen bezweckt, so dient es doch nach seiner
eindeutigen Hauptzielrichtung vor allem dem Schutz des Berechtigten. Dieser Schutzgedanke verbietet es, ihm erhöhte verfahrensrechtliche
Mitwirkungspflichten aufzuerlegen, die in erster Linie im Interesse des Unterhaltsschuldners liegen. Es kann dahinstehen,
ob - außer möglicherweise in Fällen krasser Rechtswidrigkeit - von der Beklagten überhaupt gefordert werden kann, Rechtsmittel
gegen einen Grundsicherungsbescheid einzulegen. Der gegenüber der Beklagten ergangene Grundsicherungsbescheid vom 25.3.2003
war jedenfalls in der Sache nicht fehlerhaft. Soweit darin eine Anrechnung des titulierten Unterhaltsbetrages von 254,05 EURO
monatlich erfolgte, entsprach das der Rechtslage. Hierbei handelte es sich nämlich um eine laufende Unterhaltszahlung des
Klägers, die der Träger der Grundsicherung für die Vergangenheit zu Recht als einzusetzendes Einkommen der Beklagten im Sinne
von § 2 Abs. 1 GSiG angesehen hat.
Eine Begriffsbestimmung, wann eine laufende Zahlung anzunehmen ist, enthält das Grundsicherungsgesetz nicht. Auch den Gesetzesmaterialien
lässt sich hierzu nichts entnehmen. Ebenso helfen sozialhilferechtliche Maßstäbe, auf die im Grundsicherungsgesetz verwiesen
wird, nicht weiter, da auch in § 91 Abs. 1 Satz 2 BSHG und den diesbezüglichen Kommentierungen nur ganz allgemein davon die Rede ist, dass ein Anspruchsübergang ausscheidet, soweit
der Unterhaltsanspruch durch "laufende Zahlungen" erfüllt wird.
Bestimmendes Moment der laufenden Zahlung ist der tatsächliche Zufluss (Zuflussprinzip - vgl. hierzu Klinkhammer, FamRZ 2002,997/999).
Das ist im Umkehrschluss aus dem Wortlaut "Unterhaltsansprüche" abzuleiten, wonach lediglich rein formal bestehende Ansprüche
unberücksichtigt bleiben (vgl. hierzu Schoch in LPK - GSiG, § 2, Rz. 52). Dementsprechend ist Unterhalt Einkommen im Sinne von § 2 Abs. 1 GSiG nur, soweit er dem Berechtigten in dem entsprechenden Bedarfszeitraum tatsächlich zufließt und ihm eine Geldeinnahme verschafft.
Von nicht vereinnahmten Unterhaltsleistungen kann der Berechtigte seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Er wäre bei einer
gleichwohl erfolgenden grundsicherungsrechtlichen Anrechenbarkeit als Einkommen mangels real verfügbarer Einnahmen zur Bedarfsdeckung
auf die Beantragung von Sozialhilfe angewiesen. Das aber will das Grundsicherungsgesetz nach seiner Zielrichtung gerade verhindern.
Entsprechendes gilt beim Vorliegen eines Unterhaltstitels. Nicht erfüllte Forderungen sind für die Deckung des laufenden Lebensunterhalts
nicht einsetzbar und zählen daher mangels Verfügbarkeit ungeachtet des nach dem Titel geschuldeten Betrags nicht zum Einkommen
im Sinne von § 2 Abs. 1 GSiG.
Es schließt sich die Frage an, inwieweit für die Annahme der laufenden Zahlung zu fordern ist, dass diese freiwillig erfolgt
(in diesem Sinne wohl Reinecke, a.a.O., S. 672), oder ob es ausreicht, wenn, wie hier, lediglich unter dem Druck eines vorhandenen
Unterhaltstitels und andernfalls drohender Zwangsvollstreckung im Sinne einer tatsächlichen Handlung Unterhalt geleistet wird,
es also auf die inneren Beweggründe und Zahlungsmotive nicht ankommt.
Das Grundsicherungsgesetz sieht für privilegierte Unterhaltsverhältnisse, anders als das Bundessozialhilfegesetz, nicht die Möglichkeit vor, den Anspruchsteller auf die Selbsthilfe durch Verwertung seines Vermögens zu verweisen. Es besteht
daher für den berechtigten Volljährigen nicht die Obliegenheit, Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern vorrangig durchzusetzen,
deren Einkommen unter 100.000 EURO liegt. Ebenso wenig kann eine grundsicherungsrechtliche Verpflichtung angenommen werden,
die Vollstreckung aus einem Unterhaltstitel einzuleiten. Daran ändert auch die Formulierung in § 2 Abs. 1 GSiG nichts, wonach Antragsberechtigte Anspruch auf Leistung nur haben, soweit sie ihren Lebensunterhalt "nicht beschaffen können"
(vgl. hierzu Schoch in LPK - GSiG, § 2, Rz. 17). Denn die Annahme einer Verpflichtung, titulierte Unterhaltsansprüche vorrangig durchzusetzen, würde der Absicht
des Gesetzgebers zuwider laufen, einen eigenständigen Anspruch wegen Alters oder Behinderung erwerbsunfähiger Antragsberechtigter
zu schaffen, ohne dass der Berechtigte bei der Leistung einen Rückgriff auf die Eltern befürchten müsste. Dementsprechend
kann der Grundsicherungsträger vom Antragsteller auch nicht verlangen nachzuweisen, dass eine Vollstreckung des Titels ergebnislos
verläuft.
Trotz dieser grundsicherungsrechtlich gebotenen Betrachtungsweise kann es einem volljährigen Kind im Verhältnis zu seinen
unterhaltspflichtigen Eltern jedoch nicht verwehrt werden, vorhandene Rechtspositionen wahrzunehmen und einen vermeintlichen
Unterhaltsanspruch einzuklagen bzw. aus einem bestehenden Unterhaltstitel vorzugehen. Dass eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen
werden kann wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Grundsicherung lediglich "bedarfsorientiert" ist und nicht
bedarfsdekkend, wie der familienrechtliche Unterhaltsanspruch. Soweit Volljährige ihren Unterhaltsbedarf nicht durch die Grundsicherung
abdecken können, kommt ergänzend die Inanspruchnahme von Unterhaltsleistungen der Eltern in Betracht bzw. eine Aufstockung
durch Sozialhilfe (vgl. hierzu Schoch in LPK - GSiG, § 2, Rz. 12 und § 3, Rz. 11).
Aber auch soweit es nur um den Bedarf nach § 3 GSiG geht, steht es dem Berechtigten frei, von einem zu seinen Gunsten errichteten Titel Gebrauch zu machen. Er kann von dem Unterhaltsschuldner
nicht darauf verwiesen werden, aus einem bestehenden Unterhaltstitel nicht vorzugehen, um den Verpflichteten zu entlasten.
Anderenfalls käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Aufbürdung erhöhter Mitwirkungspflichten auf Seiten des Berechtigten,
was der Zielsetzung des Grundsicherungsgesetzes zuwider liefe. Es gehört allein zum Verantwortungsbereich des Unterhaltsschuldners,
die ihm von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Maßnahmen zu ergreifen, um die Voraussetzungen für eine Einstellung
der Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel, dessen Wegfall er erstrebt, zu schaffen.
Der Beklagten ist es daher unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen, dass sie den Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem
Senat im Januar 2004 aus der Jugendamtsurkunde vom 29.11.1995 in Anspruch genommen hat. Es wäre Sache des Klägers gewesen,
im Rahmen der von ihm mit der Abänderungsklage erstrebten Unterhaltsherabsetzung und im Hinblick auf die durch das Inkrafttreten
des Grundsicherungsgesetzes am 1.1.2003 geschaffene neue Rechtslage einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung entsprechend
§
769 ZPO zu stellen, um so den Zufluss grundsicherungsrechtlich anzurechnender Unterhaltsleistungen an die Beklagte zu unterbinden.
Jedenfalls durfte der Kläger nicht selbst untätig bleiben und erwarten, dass die Beklagte in seinem Interesse Rechtsmittel
gegen den Grundsicherungsbescheid einlege bzw. von der Durchsetzung ihrer titulierten Unterhaltsforderung absehe.
Da das nicht geschehen ist, hat das Sozialamt in dem Bescheid vom 25.3.2003 zu Recht die vom Kläger auf die Jugendamtsurkunde
in Höhe von monatlich 274,05 EURO erbrachten tatsächlichen Unterhaltszahlungen als Einkommen der Beklagten ab 1/2003 anspruchsmindernd
auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet.
Einen anderen Fehler betreffend den Umfang der bewilligten Grundsicherung macht der Kläger selbst nicht geltend. Für einen
solchen ergibt sich auch kein Anhaltspunkt aus dem Bewilligungsbescheid vom 25.3.2003. Entsprechendes gilt für die beiden
nachfolgenden Bescheide aus dem Jahr 2003.
Somit ist der Beklagten für die Dauer der geleisteten Unterhaltszahlungen des Klägers, nämlich bis einschließlich Januar 2004,
dem Monat der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat , (nur) eine Grundsicherung im Umfang, in dem sie diese tatsächlich
ab 1.1.2003 erhalten hat, als Einnahme im Sinne von §
1602 Abs.
1 BGB zuzurechnen. Ausweislich der Bewilligungsbescheide vom 25.3., 1.8. und 11.11.2003 hat die Beklagte Grundsicherungsleistungen
von monatlich
34,44 EURO von 1 bis 6/2003,
179,81 EURO für 7/2003 und
151,81 EURO für 8/2003 bis 1/2004
erhalten. Der Anstieg des Leistungsumfangs beruht dabei darauf, dass der Kläger ab 7/2003 nur noch den in dem angefochtenen
Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 14.7.2003 herabgesetzten Unterhaltsbetrag an die Beklagte gezahlt hat bzw. die
Wohngeldanrechnung sich verändert hat.
ab 1.2.2004
a)
Die Erklärung der Beklagten im Senatstermin, bis zur Verkündung dieses Urteils von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung
der titulierten Unterhaltsforderung abzusehen, führt grundsicherungsrechtlich und unterhaltsrechtlich zu einer Änderung der
Rechtslage ab Februar 2004.
Die letzte mündliche Verhandlung hat bereits am 13.1.2004 stattgefunden.
Die Grundsicherung ist grundsätzlich zu Beginn eines jeden Monats zu zahlen (vgl. hierzu Schoch in LPK - GSiG, § 6, Rz. 24), ebenso der Unterhalt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Grundsicherungsträger und der Kläger ihren Zahlungsverpflichtungen
im Zeitpunkt des Senatstermins bereits nachgekommen waren, sodass Änderungen sich erst ab dem Folgemonat auswirken können
(vgl. auch § 6 Satz 2 2. Alternative GSiG).
Zwar kommt es für die zu treffende gerichtliche Entscheidung maßgebend auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Schlusses der
mündlichen Verhandlung an, §
136 Abs.
4 ZPO. Ein Urteil über die Entrichtung einer Unterhaltsrente stellt aber nicht nur den Rechtszustand zur Zeit der letzten mündlichen
Tatsachenverhandlung fest. Vielmehr ergreift die Rechtskraft auch die erst künftig zu entrichtenden Unterhaltsleistungen,
deren Festsetzung auf einer Prognose der zukünftigen Entwicklung beruhen (vgl. hierzu BGH, NJW 1982, 578/579; BGH, MDR 1981,
306/307).
Die mündliche Verhandlung wurde vorliegend am 13.1.2004 geschlossen. Auch wenn eine sichere Prognose der künftigen Verhältnisse
nicht möglich ist, kann die zukünftige Entwicklung betreffend den Anspruch der Beklagten auf Grundsicherung im Hinblick auf
die Rechtskraftwirkung nicht unberücksichtigt bleiben. Der Senat hat daher in seine Entscheidung über den Unterhaltsanspruch
der Beklagten sowohl die ihr über Februar als auch über Juni 2004 hinaus vorhersehbar zustehenden Grundsicherungsleistungen
einbezogen.
b)
Wie bereits ausgeführt, stellt ein nicht erfüllter Unterhaltsanspruch mangels Verfügbarkeit des geschuldeten Betrages zur
Deckung des Lebensunterhalts kein Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GSiG dar. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte ab Februar 2004 vorhersehbar keinen laufenden Unterhalt mehr beziehen würde und
vom Sozialamt nach Sinn und Zweck des Grundsicherungsgesetzes auch nicht auf die Inanspruchnahme des Klägers im Wege der Zwangsvollstreckung
verwiesen werden kann (vgl. hierzu Klinkhammer, FamRZ 2002, 979/1999), war die Beklagte im Anschluss an den Verhandlungstermin
unterhaltsrechtlich zu einer neuen Antragstellung gegenüber dem Grundsicherungsträger unter Hinweis auf die zwischenzeitliche
Änderung der tatsächlichen Verhältnisse berechtigt und auch verpflichtet (vgl. hierzu Schoch in LPK - GSiG, § 6, Rz. 8).
Zulässigkeitsbedenken gegen die von den Parteien vereinbarte Einstellung der Zwangsvollstreckung bestehen nicht. Es handelt
sich im Umfang des Wegfalls der laufenden Unterhaltszahlungen nicht um eine vorsätzliche oder grob fahrlässig herbeigeführte
Bedürftigkeit der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 2 GSiG. Durch diese Bestimmung soll eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Grundsicherung verhindert werden (vgl. hierzu Schoch
in LPK - GSiG, § 2, Rz. 87). Eltern mit einem Einkommen von unter 100.000 EURO, die bisher Unterhalt gezahlt haben, steht es jederzeit frei,
ihre Leistungen an ihr volljähriges Kind einzustellen (vgl. hierzu auch Schoch in LPK-GSiG, § 2, Rz. 28). Denn in den vom Grundsicherungsgesetz privilegierten Unterhaltsverhältnissen bleibt ein Unterhaltsanspruch, wie
ausgeführt, unberücksichtigt, auf den keine regelmäßigen Zahlungen erbracht werden. Es macht aber im Ergebnis keinen Unterschied,
ob ein Unterhaltspflichtiger von vornherein keinen Unterhalt leistet oder ob er seine Unterhaltszahlungen nachträglich wieder
einstellt. Für eine Schlechterstellung des pflichtgemäß Unterhalt zahlenden Schuldners gibt es keinen sachlichen Grund. Es
würde die in § 2 Abs. 1 Satz 2 GSiG zum Ausdruck kommende gesetzliche Wertung in ihr Gegenteil verkehren und liefe darauf hinaus, dass die nicht bestehende familiäre
Solidarität gegenüber der bestehenden bevorzugt wird. Dies kann nicht als Wille des Gesetzgebers unterstellt werden.
c)
In Anlehnung an die im Jahr 2003 ergangenen Grundsicherungsbescheide, die Rechtsfehler bei der Festsetzung der Grundsicherung
nicht erkennen lassen, ergibt sich für die Zukunft ein als unterhaltsrechtliches Einkommen zu behandelnder Anspruch der Beklagten
auf Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 348,81 EURO wie folgt:
Gesamtbedarf
Regelsatz nach § 22 BSHG 283,00 EURO Regelsatzzuschlag 15 % + 42,45 EURO Mehrbedarf,
Merkzeichen "G" + 56,60 EURO Unterkunftskosten (Kaltmiete) + 136,74 EURO
Mietnebenkosten + 48,00 EURO Heizkosten ohne Warmwasser-Anteile +
34,00 EURO Haftpflichtversicherung + 5,01 EURO = 605,80 EURO
Einzusetzendes Einkommen
Kindergeld 154,00 EURO Wohngeld +
103,00 EURO = 257,00 EURO
Grundsicherungsanspruch: 605,81 EURO - 257 EURO = 348,81 EURO.
Unter Berücksichtigung ihres anrechenbaren Einkommens beläuft sich der ungedeckte monatliche Bedarf der Beklagten ab Februar
2004 auf
Unterhaltsbedarf 675,00 EURO Wohngeld -
131,00 EURO Kindergeld - 154,00 EURO Grundsicherung
- 348,81 EURO 41,20 EURO.
Für die Zeit davor ist der Unterhaltsbedarf der Beklagten der nachstehenden Übersicht zu entnehmen, wie er sich für die einzelnen
Zeitabschnitte unter Berücksichtigung der anrechenbaren Eigeneinkünfte darstellt.
Zeitabschnitt Bedarf Ausbildungsgeld Arbeitsentgelt Wohngeld Kindergeld Grundsicherung Unterhaltsrestbedarf
8.8. bis 30.10.2002 675 EURO 67 EURO - 152 EURO 154 EURO - 302 EURO
11/2002 + 12/2002 775 EURO - 82,96 EURO 152 EURO 154 EURO - 386,04 EURO
1/2003 775 EURO - 82,96 EURO 152 EURO 154 EURO 34,44 EURO 351,60 EURO
2 - 6/2003 775 EURO - 82,96 EURO 103 EURO 154 EURO 34,44 EURO 400,60 EURO
7/2003 775 EURO - 82,96 EURO 103 EURO 154 EURO 179,81 EURO 255,23 EURO
8/2003 bis 17.9.2003 775 EURO - 82,96 EURO 131 EURO 154 EURO 151,81 EURO 255,23 EURO
18.9. bis 31.10.2003 675 EURO - 30,40 EURO 131 EURO 154 EURO 151,81 EURO 207,79 EURO
11/2003 bis 1/2004 675 EURO - - 131 EURO 154 EURO 151,81 EURO 238,19 EURO
Dementsprechend bleibt es für die Zeit bis Januar 2004 bei der vom Amtsgericht vorgenommenen Abänderung der Jugendamtsurkunde
vom 29.11.1995. Das bedeutet, dass der Kläger eine monatliche Unterhaltsrente von
- 182 EURO bis 10/2002,
- 154 EURO für 11 und 12/2002,
- 120 EURO für 1/2003 und
- 169 EURO von 2/2003 bis 1/2004
zu leisten hat.
IV.
Der Kläger ist nach seinen Einkommensverhältnissen in der Lage, die herabgesetzten Unterhaltsbeträge zu zahlen, ohne seinen
eigenen angemessenen Selbstbehalt zu gefährden. Dieser ist unter Berücksichtigung seines Wohnsitzes in Baden-Württemberg unter
Herabziehung der Süddeutschen Leitlinien, Nr. 20. d ) bzw. 21.3.1, Stand 1.1.2002 und 1.7.2003, mit 1.000 EURO monatlich zu
veranschlagen.
Ob dem Kläger, wie bereits angesprochen, von dem diesen Betrag übersteigenden Einkommen ein zusätzlicher hälftiger Anteil
zu belassen ist, wie dies etwa in den Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge beim Elternunterhalt
vorgeschlagen wird (vgl. FamRZ 2002, 931/940, unter Nr. 121), um damit den durch ein behindertes Kind entstehenden besonderen
Belastungen angemessen Rechnung zu tragen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Nach den vorgelegten Einkommensunterlagen
verfügte der Kläger im Abänderungszeitraum über ein bereinigtes Nettoeinkommen von mindestens 1.650 EURO im Monatsdurchschnitt.
Bei Zahlung der ausgeurteilten Unterhaltsbeträge an die Beklagte von monatlich zwischen 41,19 EURO und 182 EURO müsste der
Kläger von dem über seinen angemessenen Eigenbedarf von 1.000 EURO hinausgehenden Einkommen weniger als den hälftigen Anteil
für die titulierten Unterhaltszahlungen aufwenden. Damit aber wird in jedem Fall einem angemessenen Ausgleich zwischen dem
Unterhaltsinteresse der Beklagten einerseits und dem Interesse des unterhaltsverpflichteten Klägers andererseits hinreichend
Rechnung getragen.
V.
Der sich rechnerisch ergebenden Herabsetzung ihres Unterhaltsanspruchs kann die Beklagte nicht mit dem Einwand begegnen, der
festgestellte ergänzende Unterhaltsanspruch werde dazu führen, dass der Grundsicherungsträger ihn als Einkommen im Sinne von
§ 2 Abs. 1 GSiG berücksichtigen und die zuvor errechnete Grundsicherungsleistung für die Zeit ab 2/2004 entsprechend kürzen werde.
Ausgehend von der grundsätzlich zu vermutenden Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns kann für die Unterhaltsbemessung nicht
unterstellt werden, dass das Sozialamt die Grundsicherung fehlerhaft festsetzen wird. Andernfalls ist der Beklagten die Einlegung
von verwaltungsrechtlichen Rechtsmitteln gegen einen entsprechenden Bescheid zumutbar, zumal diese in ihrem Interesse liegen.
Wären die Befürchtungen der Beklagten zutreffend, käme es bei der Gewährung von ergänzenden bedarfsdeckenden Unterhaltsleistungen
neben der nur bedarfsorientierten Grundsicherung stets zu einem so genannten Ping-Pong-Effekt. Auf Grund der bestehenden Wechselbeziehung
zwischen Unterhalt und Grundsicherung liefe eine Anrechnung letztlich auf eine Endlosschleife hinaus, die im Ergebnis nach
einer entsprechenden Anzahl von Rechenvorgängen zum völligen Wegfall eines Grundsicherungsanspruchs führt. Es liegt auf der
Hand, dass das vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann, zumal wenn davon die in § 2 GSiG privilegierten Unterhaltsverhältnisse betroffen werden, in deren Rahmen das Grundsicherungsgesetz nach seiner geänderten
Konzeption eine Entlastung des Unterhaltspflichtigen bezweckt.
Für die Problemlösung sind vor allem die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätze heranzuziehen, die im Bereich der Wohngeldgewährung
zum Tragen kommen, für den sich eine ähnliche Situation ergibt. Auch dort kann nicht nachträglich die Bewilligung von Wohngeld
verändert werden unter Hinweis auf die verringerte Mietkostenbelastung infolge des ausgezahlten Wohngelds. Dementsprechend
kommt als Ausgangspunkt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Grundsicherungsbegehren
im Regelfall der Zeitpunkt der Antragstellung ist (vgl. hierzu BVerwG, ZMR 1998, 113/144). Weiterhin ist zu beachten, dass
die Grundsicherung unter Berücksichtigung der tatsächlichen laufenden Unterhaltszahlungen ermittelt wird. Fehlt es an einem
solchen tatsächlichen Zufluss im Zeitpunkt der Antragstellung, ist es dem Sozialamt in einem Fall wie dem vorliegenden, in
dem unter Berücksichtigung der vollen Grundsicherungsleistungen die Feststellung einer rechtlichen Unterhaltspflicht erfolgt,
verwehrt, gleichsam auf der zweiten Stufe nunmehr den familienrechtlichen Unterhalt als Einkommen des Berechtigten auf seinen
Grundsicherungsbedarf anzurechnen. Das würde dann im Falle der Wiederholung rechnerisch zu der bereits angesprochenen Endlosschleife
führen. Die Lösung des Problems lässt sich dadurch herbeiführen, dass generell eine mehrstufige Berechnung der zu gewährenden
Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen wird.
Dieser Ansatz hilft allerdings dann nicht weiter, wenn Grundsicherung neu zu beantragen ist und zwischenzeitlich ein Unterhaltstitel
geschaffen wurde. Die Grundsicherungsleistung wird nämlich in der Regel für den Zeitraum vom 1.7. bis zum 30.6. des Folgejahres
bewilligt. Daher wird auch die Beklagte zum 1.7.2004 einen neuen Antrag stellen müssen. Dann liegt aber auch dieses Urteil
vor mit der darin enthaltenen Feststellung einer fortbestehenden rechtlichen Unterhaltsverpflichtung des Klägers. Auf Grund
ihrer Auskunfts- und Mitwirkungspflichten muss die Beklagte das Sozialamt von diesem Unterhaltstitel in Kenntnis setzen (vgl.
hierzu Schoch in LPK-GSiG, Anh. I, Rz. 40). Zu dessen Aufgaben gehört es, vor der Bewilligung von Grundsicherung genau und abschließend zu klären,
ob und in welchem Umfang ein Unterhaltsanspruch besteht bzw. der Antragsteller seinen Grundsicherungsbedarf durch tatsächliche
Unterhaltszahlungen deckt (vgl. hierzu Reinecke, a.a.O., S. 666 f.; Klinkhammer, FamRZ 2002, 997/1000).
Die für die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Grundsicherung bedeutsame Ermittlung des Einkommens und des Vermögens , §
2 Abs. 1 Satz 1 GSiG, folgt im Wesentlichen sozialhilferechtlichen Maßstäben (vgl. BT-Drucksache 14/5150, S. 50; Klinkhammer, a.a.O., S. 998).
Das Bundessozialhilfegesetz enthält in seinem § 77 Abs. 1 die allgemeine Auffangregelung, dass öffentlich-rechtliche Leistungen, die zu einem ausdrücklichen genannten Zweck gewährt
werden, nur insoweit als Einkommen zu berücksichtigen sind, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Bezogen
auf das Grundsicherungsgesetz bedeutet das, dass öffentlich-rechtliche Leistungen, die nach eindeutiger gesetzlicher Zweckbestimmung
zu einem anderen Zweck als dem der Sicherstellung des Grundsicherungsbedarfs geleistet werden, kein Einkommen sind. Das betrifft
beispielsweise Blindengeld, Entbindungsgeld, Haushaltshilfeleistungen, Kurzuschuss, Pflegegeld und -zulage sowie Rehabilitationsleistungen
(vgl. hierzu die ausführliche Zusammenstellung bei Brühl in LPK-BSHG, 6. Aufl., § 77, Rz. 9 ff.).
Diese Grundsätze sind entsprechend auf den Streitfall zu übertragen. Der der Beklagten zugebilligte Bedarf von 675 EURO bzw.
775 EURO für die Dauer ihrer Erwerbstätigkeit umfasst nur die finanziellen Mittel, die ihre Grundbedürfnisse abdecken (vgl.
hierzu OLG Hamm, FamRZ 2004, 201/202 sowie z. B. Düsseldorfer Tabelle, Anmerkung B. V., Stand 1.1.2002 und 1.7.2003 und Ziffer
32 der Leitlinien des OLG Hamm zum Unterhaltsrecht, Stand 1.7.2001, jetzt Ziffer 21.4.2 der Leitlinien, Stand 1.7.2003). Das
nach den Maßstäben der Sozialhilfe bemessene sozioökonomische Existenzminimum, der existenzielle Sockel der Grundsicherung,
das nicht unterschritten werden darf (vgl. hierzu die Erläuterungen zu § 3 Abs. 2 GSiG, BT-Drucksache14/5150, S. 50), erreicht diese Beträge nicht. Daran wird deutlich, dass der nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen
errechnete Bedarf, der für die gewährte Grundsicherung maßgebend ist, sich nicht zwangsläufig mit dem nach unterhaltsrechtlichen
Gesichtspunkten ermittelten Bedarf deckt (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2003, 1468/1469).
Angesichts dessen kann der Beklagten einerseits nicht zugemutet werden, auf den "Fehlbetrag" zwischen der bedarfsorientierten
Grundsicherung und dem bürgerlichrechtlichen bedarfsdeckenden Unterhalt zu verzichten. Das kann auch nicht als Wille des Gesetzgebers
unterstellt werden. Andererseits verfehlt die Einforderung des zur unterhaltsrechtlichen Bedarfsdeckung benötigten Betrags
beim Unterhaltsschuldner ihren Zweck, wenn der Grundsicherungsträger einen entsprechenden antragsgemäß titulierten Spitzenbetrag
nach Ablauf des Bewilligungszeitraums, § 6 GSiG, für das Folgejahr auf den Grundsicherungsbedarf anrechnen könnte. Das bedeutet für den Streitfall, dass mit der Unterhaltsleistung
des Klägers, mit der er nur seine durch dieses Urteil ausgesprochene Verpflichtung zur Aufstockung des eigenen Einkommens
der Beklagten bis zur Höhe ihres unterhaltsrechtlichen Existenzminimums nachkommen will, eine Zweckbestimmung, §
366 BGB, verbunden ist. Diese Zuordnung führt zu einer Erfüllung des geschuldeten "Fehlbetrags", §
362 BGB. Der in dieser Weise gewährte Unterhalt hat keinen Einfluss auf Bestand und Höhe der Grundsicherung.
Daraus ergibt sich unter entsprechender Heranziehung der in § 77 Abs. 1 BSHG enthaltenen Grundsätze im Umkehrschluss, dass die vom Kläger ab Februar 2004 geschuldeten Unterhaltszahlungen, die nach ihrer
eindeutigen Zweckbestimmung nur der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Leistung der durch die Grundsicherung
ungedeckten bürgerlichrechtlichen Unterhaltsspitze dienen, kein einzusetzendes Einkommen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 GSiG sind. Das entspricht der Wertung des Grundsicherungsgesetzes, wonach auf Unterhaltsansprüche gegen Eltern mit einem Gesamteinkommen
unter 100.000 EURO nicht zurückgegriffen werden darf. Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte Zielsetzung tragen soll, so steht
die besondere Zweckbestimmung der die bedarfsorientierte Grundsicherung ergänzenden Unterhaltsleistung des Klägers, die er
auf Grund seiner vorliegenden Verurteilung (notgedrungen) erbringen muss, auch der Annahme einer anrechenbaren tatsächlichen
Zahlung im Sinne des Grundsicherungsgesetzes entgegen.
C.
Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen, §
543 Abs.
2 Nr.
1 ZPO.