Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Sozialhilfeträger
Entscheidungsgründe:
I.
Der Kläger macht aus übergegangenem Recht Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte geltend.
Die Beklagte und ihre Schwester ... sind die ehelichen Kinder der Eheleute ... . Die Tochter ... ist wegen einer seelischen
Behinderung seit dem 1.10.1992 in der Werkstatt für behinderte Menschen der Lebenshilfe in ... betreut. Sie wohnt seit dem
15.9.1995 im Wohnheim des Lebenshilfewerkes ... . Beide Maßnahmen werden vom Kläger finanziert. Seit dem 12.3.1999 hat der
Kläger laut seiner Kostenaufstellung vom 15.1.2002 (BL. 30 d.A.) dafür 95.748,64 EURO aufgewandt.
Die Eltern der ... und der Beklagten errichteten am 25.8.1995 (BL. 10 d.A.) ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sie
bestimmt haben, dass der überlebende Ehegatte von ihnen Alleinerbe sein soll. Der überlebende Ehegatte soll Vollerbe sein,
so dass er über den gesamten Nachlass als sein Eigenvermögen verfügen kann. Sollte ein Kind bereits Pflichtteilsrechte nach
dem Tod des ersten Elternteils geltend machen, verliert es nach dem Tode des längerlebenden Elternteils seinen testamentarisch
festgelegten Anspruch. Am 12.3.1999 verstarb die Mutter der ... und der Beklagten. Sie wurde entsprechend dem gemeinschaftlichen
Testament von ihrem Ehemann beerbt. Die Beklagte und ihre Schwester ... machten keine Pflichtteilsansprüche geltend. ... bestätigte
vielmehr mit Schreiben vom 16.6.1999 (BL. 128 d.A.), keine Pflichtteilsrechte am Nachlass ihrer Mutter geltend zu machen.
Am 11.8.1999 errichtete der Vater ... ein handschriftliches Testament (BL. 32 d.A.). Darin ist bestimmt, dass ... als beschränkte
Vorerbin einen Erbteil von 60 % ihres gesetzlichen Erbteils als Barvermögen erhalten soll. Die Beklagte wurde bezüglich dieses
Erbteils als Nacherbin eingesetzt. Zugleich wurde sie zur Testamentsvollstreckerin für den Erbteil ihrer Schwester bestellt,
solange diese auf Grund ihrer seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, ihr Erbe selbst zu verwalten. Der Vater ... legte
fest, dass der vorhandene Nachlass und Erbteil der ... dazu dienen solle, ihr den bisherigen Lebensstandard zu erhalten. Er
stellte es in das Ermessen der Testamentsvollstreckerin, aus den Erträgnissen des Nachlasses und der Substanz Mittel für die
persönlichen Bedürfnisse seiner Tochter ... zur Verfügung zu stellen, die von der Sozialhilfe nicht gedeckt sind.
Am 23.5.2000 verstarb ... . Er wurde von seinen Töchtern, der Beklagten und Frau ..., nach Maßgabe des Testaments vom 11.8.1999
beerbt.
Mit Bescheid vom 15.1.2002 (BL. 11 d.A.) leitete der Kläger den Pflichtteilsanspruch der ... nach dem Tod ihrer Mutter auf
sich über. Gegen diesen Bescheid legte die Beklagte am 23.1.2001 Widerspruch ein. Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte
sowohl als Erbin ihres Vaters als auch als Testamentsvollstreckerin für ihre Schwester auf Zahlung des Pflichtteiles von 42.115,05
EURO in Anspruch, was rechnerisch einem Achtel am Nachlass der Mutter der ... entspricht. Die Beklagte verweigert die Zahlung
und beruft sich auf Verjährung.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils gemäß §
540 Abs.
1 Nr.
1 ZPO Bezug genommen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 14.11.2002 (BL. 97 ff d.A.) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob der Kläger den Pflichtteilsanspruch der ... wirksam auf sich übergeleitet habe, denn der Pflichtteilsanspruch
sei unabhängig davon nicht durchsetzbar. ... habe sich im Hinblick auf die Pflichtteilsklausel im gemeinschaftlichen Testament
ihrer Eltern mit berechtigten Gründen gegen die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten entschieden, um ihr testamentarisches
Erbe nicht zu verlieren. Der Kläger könne den Pflichtteil nicht gegen den Willen der ... durchsetzen, da dies einer Ausschlagung
ihres späteren Erbteiles wirtschaftlich gleich komme. Dass der Kläger durch die testamentarische Gestaltung der Erbfolge keinen
Zugriff auf den auf ... übergegangenen Nachlass habe, sei hinzunehmen und sei nicht sittenwidrig, da dies den vom BGH zum
Behindertentestament entwickelten Grundsätzen entspreche.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger meint, das Pflichtteilsrecht der ... nach dem Tode ihrer Mutter sei auch gegen ihren Willen durchsetzbar.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 42.115,05 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen
Erfolg.
Die Klageforderung von 42.115,05 EURO ist weder aus §
2303 BGB in Verbindung mit § 90 Abs. 1 BSHG noch aus einem sonstigen rechtlichen Gesichtspunkt begründet.
1. Der Kläger ist im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch der ... nach dem Tode ihrer am 12.3.1999 verstorbenen Mutter ...
aktivlegitimiert, weil er mit Bescheid vom 15.1.2002 (BL. 11 d.A.) den Pflichtteilsanspruch gemäß § 90 Abs. 1 BSHG auf sich übergeleitet hat. Nach dieser Bestimmung kann der Kläger wegen seiner Aufwendungen für ... im Rahmen der Eingliederungshilfe
aus der Sozialhilfe deren Ansprüche gegen Dritte auf sich überleiten. Seit dem 1.10.1992 ist ... in der Werkstatt für behinderte
Menschen der Lebenshilfe in ... beschäftigt. Seit 15.9.1995 wohnt sie in dem Wohnheim des Lebenshilfewerkes ... in ... . Der
Kläger hat für beide Maßnahmen bislang seit dem 12.3.1999 95.748,64 EURO (BL. 30 d.A.) aufgewendet. § 90 I BSHG setzt voraus, dass der Anspruch gegen den Dritten für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, besteht. Für Sozialhilfeleistungen,
die vor Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs erbracht werden, kann die Überleitung daher nicht erfolgen. Demgemäß hat der
Kläger hier auch nur den Anspruch nach dem Tod der Mutter der Beklagten für erbrachte Sozialhilfeleistungen auf sich übergeleitet.
Wegen dieser Aufwendungen kann er auf das einsetzbare Vermögen der ... zurückgreifen, wozu grundsätzlich auch ein Pflichtteilsanspruch
der ... gehört. Ob die Überleitung des Pflichtteilsanspruchs durch den Kläger mit Bescheid vom 15.1.2002 gemäß § 90 BSHG unter öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten wirksam ist, ist vom Senat nicht zu prüfen, denn die Entscheidung der Behörde
durch öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt ist für die Zivilgerichte bindend, solange keine gegenteilige behördliche oder
verwaltungsgerichtliche Entscheidung ergangen ist und der Bescheid nicht nichtig ist (vgl. BGH FamRZ 1985, 778). Allein die Anfechtung des Überleitungsbescheides durch die Beklagte stellt auch keinen Aussetzungsgrund dar (vgl. OLG Hamm
FamRZ 1988, 633, BL. 76 d.A.). Der Senat hat deshalb von einem wirksamen Überleitungsbescheid auszugehen, zumal Nichtigkeitsgründe nicht
ersichtlich sind.
2. Der Überleitung des Pflichtteilsanspruchs durch den Kläger steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Pflichtteilsanspruch
der ... um ein höchstpersönliches Recht in dem Sinne handelt, dass es ihr freisteht, ob sie den Pflichtteilsanspruch gegen
den Erben, also ihren Vater und nunmehr die Beklagte als Rechtsnachfolgerin, geltend macht. Zwar schützt §
852 Abs.
1 ZPO die Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten insoweit, als der Pflichtteilsanspruch der Pfändung nur unterliegt,
wenn er vertraglich anerkannt oder rechtshängig ist. Damit soll verhindert werden, dass Gläubiger den Pflichtteilsanspruch
des Pflichtteilsberechtigten pfänden und ihn gegen dessen Willen gegen den Erben durchsetzen. Die Entscheidung darüber, ob
der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, soll vielmehr dem Pflichtteilsberechtigten selbst überlassen bleiben. Aus §
852 Abs.
1 ZPO kann aber für die Überleitung des Pflichtteilsanspruchs durch den Träger der Sozialhilfe nichts hergeleitet werden, weil
§ 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG insoweit eine spezialgesetzliche Sonderregelung enthält, die §
852 Abs.
1 ZPO verdrängt. Nach § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG ist der Übergang des übergeleiteten Anspruchs nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet
oder gepfändet werden kann. Mit dieser Regelung soll dem nach § 2 BSHG geltenden Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe Rechnung getragen werden. Der Hilfsbedürftige muss vorrangig sein eigenes
Vermögen einsetzen. Dem Hilfsbedürftigen steht es gerade nicht frei, zwischen Sozialhilfe und dem Einsatz eigenen Vermögens
zu wählen. Daher kann der Sozialhilfeträger grundsätzlich auch gegen den Willen des Pflichtteilsberechtigten dessen Pflichtteilsrechte
geltend machen (vgl. VGH Urteil vom 15.11.1994, 9 UE 144/93, BL. 72 d.A.; van de Loo, NJW 1990, 2856).
3. Im Streitfall kann aber der Kläger den Pflichtteilsanspruch der ... nicht gegen deren Willen geltend machen, weil nach
dem Berliner Testament der Eltern der ... und der Beklagten vom 25.8.1995 die Geltendmachung des Pflichtteilsrechtes nach
dem Tod des erstversterbenden Elternteils mit dem Verlust des testamentarisch festgelegten Anspruchs nach dem Tode des länger
lebenden Elternteils sanktioniert ist.
a) In dem gemeinschaftlichen Testament haben die Eltern der ... bestimmt: Sollte ein Kind bereits Pflichtteilsrechte nach
dem Tode des ersten Elternteils geltend machen, verliert es beim Tode des länger lebenden Elternteils seinen testamentarisch
festgelegten Anspruch. Grundsätzlich ist in einem Testament eine Anordnung in Form einer Pflichtteilsstrafklausel möglich,
nach der der Erbe bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nur noch seinen Pflichtteil erhält (vgl. OLG Celle ZEV 1996, 307). Eine solche Pflichtteilsstrafklausel dient dem Schutz des letztversterbenden Ehegatten. Insbesondere kann die Schlusserbenstellung
der Abkömmlinge eines erstversterbenden Ehegatten von einer auflösenden Bedingung im Sinne des §
2075 BGB abhängig gemacht werden (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 1999, 374). Im Streitfall enthält allerdings das gemeinschaftliche Testament vom 25.8.1995 keine letztwillige Zuwendung zu Gunsten
der ... oder der Beklagten. Das gemeinschaftliche Testament vom 25.8.1995 regelt nur, dass der längerlebende Ehegatte alleiniger
Vollerbe sein soll, der über den gesamten Nachlass als sein Eigenvermögen verfügen kann. Daraus ergibt sich zugleich, dass
... und die Beklagte im gemeinschaftlichen Testament für den Erbfall nach ihrer Mutter enterbt sind, also auch nicht bedingt
als Erben eingesetzt worden sind. Dennoch ist die Pflichtteilsklausel in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25.8.1995 nicht
gegenstandslos, weil sie sich auf eine künftige testamentarische Zuwendung des länger lebenden Ehegatten bezieht. Durch das
gemeinschaftliche Testament vom 25.8.1995 wird nämlich der länger lebende Ehegatte ermächtigt, in einem eigenen Testament
als Vollerbe über den Nachlass durch letztwillige Verfügung zu verfügen, wobei beide davon ausgehen, dass der länger Lebende
ein Testament errichten wird. Dies war aus Sicht der Eltern auch notwendig, weil ansonsten die Beklagte und ... als gesetzliche
Erben 50 % am Nachlass des Letztversterbenden ohne jede Beschränkung erhalten hätten, was von den Eltern gerade im Hinblick
auf die Versorgung von ... nicht gewollt war. Deshalb ist auch bereits im gemeinschaftlichen Testament der Eltern von einer
testamentarischen Zuwendung die Rede. Durch das gemeinschaftliche Testament ist mithin die Verfügungsmacht des länger lebenden
Ehegatten insoweit eingeschränkt worden, dass er nach dem Tode des zuerst Versterbenden dessen Abkömmling, der nach dem Tode
des ersten Elternteils einen Pflichtteil geltend macht, nicht mehr durch testamentarische Zuwendung bedenken kann. Nach dem
Tode der Mutter der Beklagten und der ... trat gemäß §§
2270,
2271 BGB Bindungswirkung ein, so dass der Vater eine testamentarische Zuwendung gegen die im gemeinschaftlichen Testament enthaltene
Pflichtteilsklausel nicht mehr wirksam anordnen konnte. ... hatte somit nur noch die Wahl, entweder nach dem Tode ihrer Mutter
den Pflichtteil geltend zu machen, womit sie zugleich als testamentarische Erbin ihres Vaters ausschied und nach dessen Tod
wiederum nur den Pflichtteil hätte verlangen können. Oder ... machte ihren Pflichtteil nach dem Tode ihrer Mutter nicht geltend,
womit sie sich das testamentarische Erbe ihres Vaters oder zumindest die Möglichkeit einer testamentarischen Zuwendung erhielt.
b) Die Pflichtteilsklausel im gemeinschaftlichen Testament der Eltern ist wirksam. Sie belässt ... ihren Pflichtteil. Auf
einen größeren Anteil am Erbe hatte sie erbrechtlich keinen Anspruch. Auch aus §
2306 BGB ergeben sich keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Pflichtteilsklausel. Diese Bestimmung ist nicht einschlägig, weil ...
im gemeinschaftlichen Testament nicht zum Erbe berufen war, sondern enterbt worden ist. Nur durch das weitere vom Vater errichtete
Testament vom 11.8.1999 ist ihr ein Erbteil von 60 % ihres gesetzlichen Erbteiles zugewendet worden. Selbst wenn man unterstellt,
beide Testamente, das gemeinschaftliche vom 25.8.1995 und das einseitige Testament des Vaters vom 11.8.1999, seien rechtlich
als Einheit zu sehen, kann aus §
2306 BGB die Unwirksamkeit der Pflichtteilsklausel im gemeinschaftlichen Testament nicht hergeleitet werden. Verwirkungsklauseln,
nach denen der Erbe bei Zuwiderhandlung gegen die letztwillige Verfügung des Erblassers statt des Erbes lediglich den Pflichtteil
erhält, sind nach §
2306 BGB jedenfalls dann wirksam, wenn der dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassene Erbteil mehr als die Hälfte seines gesetzlichen
Erbteiles ausmacht (vgl. BGH NJW 1993, 1005; OLG Celle ZEV 1996, 307). Im Streitfall hat der Vater der Tochter ... mit dem Testament vom 8.11.1999 60 % ihres gesetzlichen Erbteils als Barvermögen
zugewendet, also mehr als die Hälfte des gesetzlichen Erbteiles. Damit wäre dem Grundsatz des §
2306 BGB, wonach dem Erben der Pflichtteil unbelastet erhalten bleiben soll, Rechnung getragen. Dass der Kläger auf Grund der im Testament
des Vaters vom 11.8.1999 angeordneten Vor- und Nacherbfolge auf den Nachlass der ... nicht zugreifen kann, führt nicht zur
Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit dieses Testamentes, da der BGH die Gestaltung solcher Testamente als so genannte Behindertentestamente
ausdrücklich gebilligt hat (vgl. BGHZ 123, 368; BGH NJW 1990, 2055). Im übrigen würde aber die Nichtigkeit des Testamentes des Vaters vom 11.8.1999 die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testamentes
vom 25.8.1995 nicht berühren, so dass die Wirksamkeit des Testamentes vom 8.11.1999 offen bleiben kann.
c) Die Pflichtteilsberechtigte ... hat bereits vor Überleitung ihres Pflichtteilsanspruchs durch den Kläger mit ihrer Erklärung
vom 16.6.1999 (BL. 128 d.A.) bestätigt, dass sie Pflichtteilsrechte nach dem Tod ihrer Mutter nicht geltend machen will. Ob
in dieser Erklärung ein bindender Verzicht zu sehen ist, den der Kläger gegen sich gelten lassen muss, ist zweifelhaft, weil
nicht ersichtlich ist, ob ... bezüglich eines bindenden Verzichtsvertrages geschäftsfähig oder zumindest korrekt durch ihren
gesetzlichen Vertreter vertreten war. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dieser Erklärung nur um eine einseitige
Erklärung der ... handelt, den Pflichtteil nicht geltend zu machen, kann der Kläger jedenfalls nicht gegen den Willen der
... ihren Pflichtteil durchsetzen, weil auf Grund der Besonderheiten des vorliegenden Falles ... durch die Geltendmachung
des Pflichtteilsrechtes ihr testamentarisches Erbrecht verlieren würde. Zwar ist zuzugeben, dass am 16.6.1999 noch nicht wusste,
ob und in welchem Umfang sie durch ihren Vater testamentarisch bedacht würde. Schließlich war zu diesem Zeitpunkt das Testament
ihres Vaters vom 11.8.1999 noch nicht errichtet. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil jedenfalls nach dem gemeinschaftlichen
Testament vom 25.8.1995 eine testamentarische Zuwendung an die Kinder vorgesehen war. Die Pflichtteilsberechtigte ... durfte
berechtigterweise die Geltendmachung des Pflichtteilsrechtes nach ihrer Mutter unterlassen, um sich im Wege der testamentarischen
Erbfolge nach ihrem Vater ein möglicherweise größeres Erbteil zu erhalten. Sie ging damit kein großes Risiko ein, denn sollte
der ihr testamentarisch zugewandte Erbteil geringer als die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteiles ausmachen, konnte sie ihren
Pflichtteilsanspruch am Gesamtnachlass ihrer Eltern geltend machen. Dabei ist auch unerheblich, dass sich ... möglicherweise
bei einer doppelten Geltendmachung ihres Pflichtteils nach der Mutter und nach dem Tod ihres Vaters rechnerisch besser gestanden
hätte, denn insoweit stand ihr ein Entscheidungsspielraum zu. Die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tode ihrer Mutter
wäre wirtschaftlich einer Ausschlagung der Erbschaft nach dem Tod des Vaters gleich gekommen. In der Rechtsprechung ist anerkannt,
dass der Sozialhilfeträger das Ausschlagungsrecht des Erben gemäß §
2306 BGB als ein höchstpersönliches Recht nicht nach § 90 BSHG auf sich überleiten kann (vgl. OLG Stuttgart NJW 2001, 3484). Dann aber ist es auch gerechtfertigt, dass der Sozialhilfeträger nicht an Stelle des Pflichtteilsberechtigen über die Geltendmachung
des Pflichtteils entscheiden kann, wenn mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs der Verlust eines späteren testamentarischen
Erbteils verbunden ist. Könnte der Sozialhilfeträger an Stelle des Pflichtteilsberechtigten diese Entscheidung treffen, käme
dies der Überleitung des Ausschlagungsrechtes gleich. Da ... nach dem Tode ihrer Mutter wegen der Pflichtteilsklausel im gemeinschaftlichen
Testament nicht gezwungen werden konnte, ihren Pflichtteil gegen ihren Vater als Erben geltend zu machen, kann die Klägerin
den Pflichtteilsanspruch auch nicht gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolger ihres Vaters geltend machen.
d) Dass der Kläger bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch ... besser stehen würde, weil er den Pflichtteilsanspruch
hätte verwerten können, während er nunmehr auf Grund der im Testament vom 8.11.1999 durch den Vater von ... festgelegten Vor-
und Nacherbfolge auf den übergegangenen Nachlass nicht zugreifen kann, ist dabei unerheblich. Wie bereits ausgeführt worden
ist, hat der BGH so genannte Behindertentestamente in der vorliegenden Form ausdrücklich gebilligt (vgl. BGHZ 123, 368). Durch die Überleitung des Pflichtteilsrechts durch den Kläger kann sich die Rechtssituation nicht zum Nachteil der pflichtteilsberechtigten
... verändern. Sie muss aus ihrer Sicht weiter darüber befinden können, welche Entscheidung für sie günstiger ist. Insoweit
gibt es aber keinen Zweifel, dass die Nichtgeltendmachung des Pflichtteils für sie die günstigere Variante war, denn der geltend
gemachte Pflichtteilsanspruch wäre weitgehend durch Anrechnung auf die Sozialhilfe verbraucht worden, ohne dass sie damit
auf Dauer von der Sozialhilfe unabhängig geworden wäre. Durch die Nichtgeltendmachung des Pflichtteils ist ihr aber der testamentarisch
zugewandte Erbteil von 60 % ihres gesetzlichen Erbteils erhalten geblieben, der wegen der angeordneten Vor- und Nacherbschaft
wiederum nicht dem Zugriff des Klägers unterliegt. Insbesondere stehen ihr die Nutzungen und Früchte aus ihrem Erbteil zu,
auf die der Kläger wegen der angeordneten Testamentsvollstreckung ebenfalls nicht zugreifen kann. Damit ist auf Dauer sichergestellt,
dass ... aus dem Nachlass die persönlichen Bedürfnisse befriedigen kann, die durch die Sozialhilfe nicht gedeckt sind. Gerade
hierauf kam es ihren Eltern entscheidend an. Da die Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch ... nach dem Tode
ihrer Mutter durch vernünftige Erwägungen gerechtfertigt ist, kann der Kläger diese Entscheidung nicht gegen den Willen der
... revidieren. Er muss ihre Entscheidung hinnehmen, so dass er den Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen kann.
Die Klage ist mithin nicht begründet.
III.
Die Berufung des Klägers ist daher mit der Kostenfolge des §
97 Abs.
1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§
708 Nr.
10,
711 ZPO.
IV.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung des Senats nicht von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Oberlandesgerichte
abweicht und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 26 Nr. 7 EGZPO,
544 ZPO n.F.). Die grundsätzliche Bedeutung der Sache ist zu verneinen, da es sich um eine besondere testamentarische Gestaltung
in einem Einzelfall handelt.