Treuhandvertrag; verdecktes Treuhandverhältnis; Vermögensanrechnung
Gründe:
I.
Der Antragsteller bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt
hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller solche Leistungen mit Bescheid vom 17.07.2008 für die Zeit vom 01.09.2008 bis
zum 28.02.2009 in Höhe von 542,03 Euro monatlich bewilligt.
Im Rahmen des automatisierten Datenabgleichs wurde der Antragsgegnerin u. a. bekannt, dass der Antragsteller im Jahr 2006
Zinseinkünfte in Höhe von 512,00 Euro beim Bankhaus ..., Bremen, erzielt hatte. Der Antragsteller gab dazu an, es handele
sich um ein Depot (im Wert von etwa 20.000,00 Euro), das von seiner Tante D. D. auf seinen Namen angelegt worden sei. Bis
zum Tode der Tante könne er über dieses Geld nicht verfügen; es stehe allein der Tante zu. Das Konto sei angelegt worden,
um eventuelle Erbstreitigkeiten nach dem Tod der Tante zu vermeiden. Eine entsprechende schriftliche Bestätigung der Tante
vom 31.07.2008 fügte der Antragsteller bei.
Auf die Aufforderung der Antragsgegnerin an den Antragsteller, eine Bestätigung des Bankhauses ... vorzulegen, dass er über
das auf seinen Namen angelegte Geld nicht verfügen könne, teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, er könne eine
solche Bestätigung nicht vorlegen, da er "formalrechtlich verfügungsberechtigt" sei.
Daraufhin hob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.09.2008 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.10.2008
auf. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Die Wertpapiere des Depots wurden in der Folgezeit - nach dem Vortrag des Antragstellers im Einverständnis mit der Tante -
zu einem Preis von insgesamt 12.454,38 Euro veräußert und der Betrag dem Konto des Antragstellers am 09.10.2008 gutgeschrieben.
Den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid
vom 24.09.2008 lehnte das Verwaltungsgericht - 2. Kammer für Sozialgerichtssachen - mit Beschluss vom 23.10.2008 ab.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Im Beschwerdeverfahren trägt der Antragsteller vor, dass die Tante ihr Vermögen zurückverlangt und er ihr am 04.11.2008 den
verbliebenen Gesamtbetrag in Höhe von 12.461,93 Euro übergeben habe.
Für das Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller zudem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg.
Die im Rahmen einer vorläufigen Rechtsschutzgewährung nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus.
Nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Hier hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.09.2008 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an den Antragsteller
ab 01.10.2008 aufgehoben. Sie hat damit eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende an den Antragsteller
getroffen. Der Widerspruch gegen eine solche Entscheidung hat nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Bei der Entscheidung des Gerichts, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG anzuordnen ist, sind die Interessen des Antragstellers und der Antragsgegnerin - unter Beachtung der gesetzgeberischen Wertungen
- gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen der Abwägung sind insbesondere auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen.
Die Entscheidung in der Hauptsache muss nach summarischer Prüfung als offen angesehen werden. Das Verwaltungsgericht hat im
angefochtenen Beschluss ausgeführt, nach der Veräußerung der Wertpapiere sei der Antragsteller Inhaber der Forderung gegenüber
dem Bankhaus ... in Höhe von 12.454,38 Euro geworden, die zu seinem Vermögen zu rechnen sei. Diese Forderung sei nicht durch
einen Anspruch der Tante hierauf belastet, so dass einer Verwertung i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II nichts entgegenstehe.
Diese rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts begegnet Bedenken. Die Tante des Antragstellers hat in ihrer schriftlichen
Erklärung vom 31.07.2008 betont, dass das auf den Namen des Antragstellers angelegte Geld sich in ihrem "Eigentum" befinde.
Vor ihrem Ableben sei der Antragsteller "nicht über das Geld verfügungsberechtigt". Diese Erklärungen, die den Vortrag des
Antragstellers bestätigen, dass es sich nach beiderseitigem Verständnis zu Lebzeiten seiner Tante um deren Vermögen handele,
sprechen dafür, dass hinsichtlich des Depots - und später des Guthabens - ein Treuhandvertrag geschlossen worden ist. Ein
Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögenswerte überträgt, ihn aber in der Ausübung
der sich aus dem Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung
beschränkt (vgl. BVerwG, U. v. 04.09.2008 - 5 C 12/08 - m.w.N.). Treuhandabreden dieser Art sind im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht unbeachtlich. Das Bundessozialgericht
hat wiederholt entschieden, dass der Arbeitslose, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft
erzeuge, sich im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht daran festhalten lassen müsse. Vielmehr sei zu prüfen, welche Vereinbarung
mit welchem Inhalt getroffen worden sei und wie sich diese auf die Vermögensinhaberschaft bzw. die Verwertbarkeit des Vermögens
auswirke (vgl. BSG, U. v. 28.08.2007 - B 7/7a AL 10/06 R m.w.N.; BSG, U. v. 13.09.2006 - B 11a AL 13/06 R). Auch das Bundesverwaltungsgericht
hat entschieden, dass bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung Treuhandabreden anerkennungsfähig seien, wenn sie zivilrechtlich
wirksam zustande gekommen seien. An den Nachweis seien allerdings strenge Anforderungen zu stellen (U. v. 04.09.2008 - 5 C 12/08 -).
Den Akten lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit entnehmen, ob ein rechtlich anzuerkennender Treuhandvertrag zwischen
dem Antragsteller und seiner Tante zustande gekommen ist und welchen Inhalt dieser hat. Weder aus dem Vorbringen des Antragstellers
noch aus der schriftlichen Erklärung der Tante vom 31.07.2008 ergibt sich, wann, in welcher Form und mit welchem genauen Inhalt
eine solche Vereinbarung geschlossen worden ist. Auch bedarf näherer Prüfung, ob es einen nachvollziehbaren Grund für den
Abschluss des Treuhandvertrages gegeben hat. Die pauschale Angabe, das Geld sei zur Vermeidung von Erbstreitigkeiten auf den
Namen des Antragstellers angelegt worden, erscheint unzureichend.
Der Senat sieht sich nicht in der Lage, im Rahmen des Eilverfahrens abschließend aufzuklären, ob ein rechtlich anzuerkennendes
Treuhandverhältnis zwischen dem Antragsteller und seiner Tante zustande gekommen ist. Dies ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten,
zumal die relevanten Umstände in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig schwer
oder gar nicht zweifelsfrei feststellbar sind, so dass es erforderlich werden kann, Indizien heranzuziehen (vgl. BVerwG, U.
v. 04.09.2008, a. a. O., m.w.N.).
Geht es - wie hier - um Leistungen der Existenzsicherung, ist in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(B. v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - = NVwZ 2005, 927) anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Betroffenen umfassend in die Abwägung
einzustellen. Zu beachten ist, dass Leistungen der Grundsicherung der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen.
Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in
Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfGE 82, 60, 80). Diese Pflicht besteht unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit (BVerfGE 35, 202, 235).
Die Folgenabwägung fällt aus diesen Gründen zugunsten des Antragstellers aus. Das von der Antragsgegnerin wahrzunehmende Interesse
an einer sparsamen Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel muss demgegenüber zurückstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG.
Dem Antragsteller ist auf seinen Antrag für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin
... zu bewilligen, weil für die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§
73a Abs.
1 S. 1
SGG i. V. m. §§
114,
121 Abs.
2 ZPO).