Sozialhilferecht: Wohnrecht als Gegenstand einer sozialhilferechtlichen Überleitung
Tatbestand:
Die in einem Seniorenheim betreute Frau C. A. erhielt von der Beklagten Hilfe zur Pflege, da sie die Kosten der Unterbringung
nicht vollständig aus eigenen Mitteln tragen konnte. Der Hilfeempfängerin war 1972 in einem notariellen Erbteilsübertragungsvertrag
vom Ehemann der Klägerin ein lebenslanges Wohnrecht an einem Anbau des übertragenen Hauses eingeräumt worden. Nach dem Tod
des Ehemannes der Klägerin wurde dessen Tochter Alleinerbin, nach deren Tod die Klägerin. Nach Aufnahme von Frau C. A. in
das Seniorenheim leitete die Beklagte den Anspruch aus dem Erbteilsübertragungsvertrag gegen die Klägerin auf sich über. Der
nach erfolglosem Widerspruch dagegen erhobenen Klage gab das VG mit der Begründung statt, ein Wohnrecht könne, weil höchstpersönlich,
nicht übergeleitet werden. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG kann der Träger der Sozialhilfe, wenn der Hilfeempfänger für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, einen Anspruch gegen einen
anderen hat, der - wie hier - kein Leistungsträger im Sinne von §
12 SGB I ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.
Die angefochtene Überleitungsanzeige genügt den tatbestandlichen Anforderungen dieser Bestimmung; das ihr durch die Vorschrift
eingeräumte Ermessen hat die Beklagte fehlerfrei ausgeübt.
Hinsichtlich des dem Hilfeempfänger zustehenden Anspruchs ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es für die Rechtmäßigkeit
der Überleitungsanzeige regelmäßig ohne Belang ist, ob der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht und welchen Umfang er
gegebenenfalls hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1969 - V C 54.69 -, BVerwGE 34, 219 = FEVS 17, 203 und Urteil vom 4.6.1992 - 5 C 57.88 -, FEVS 43, 99).
Nur wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht, kann eine dennoch erlassene, deshalb aber sinnlose Überleitungsanzeige
ausnahmsweise rechtswidrig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1992, a.a.O.).
Ein derartiger Ausnahmefall der sogenannten Negativ-Evidenz liegt hier jedoch nicht vor.
Ein für den übergeleiteten Zahlungsanspruch konstitutiver schuldrechtlicher Anspruch der Hilfeempfängerin gegenüber der Klägerin
auf Benutzung des in Rede stehenden Anbaus als Wohnung kann bestanden haben. Die Klägerin ist nämlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
als Erbin in die Verpflichtung der früheren Erbin eingetreten, die wiederum als Erbin für die Einhaltung der von ihrem Vater
gegenüber der Hilfeempfängerin eingegangenen notariellen Verpflichtung einzustehen hatte. Dass das Wohnrecht noch nicht im
Grundbuch eingetragen und damit als dingliches Recht noch nicht entstanden ist, ändert an der Wirksamkeit der schuldrechtlichen
Verpflichtungen nichts.
Die Beklagte hat nicht - wie die Klägerin meint - das Wohnrecht selbst, sondern ausweislich der angefochtenen Bescheide einen
sich aus dem notariellen Vertrag möglicherweise ergebenden Zahlungsanspruch als Ausgleich für die Nichtausübung des Wohnrechts
auf sich übergeleitet. Dies hat das VG verkannt, wenn es darauf abstellt, dass ein Wohnrecht nicht überleitungsfähig sei.
Insoweit mag zwar - wie die Beklagte auch zugesteht - die Formulierung im Ausgangsbescheid missverständlich sein. Allerdings
dürften schon der Hinweis auf die vom Kataster- und Vermessungsamt vorzunehmende Wertermittlung betr. das Wohnrecht und der
erläuternde Zusatz, dass es der Klägerin selbstverständlich freigestellt sei, die Wohnung zu vermieten, hinreichend deutlich
machen, dass die Beklagte nur Ansprüche überleiten wollte, die sich aus der Nichtausübung des Wohnrechts ergeben können. Jedenfalls
ist dies durch den Widerspruchsbescheid, auf den gemäß §
79 Abs.
1 Nr.
1 VwGO abzustellen ist, klargestellt worden.
Dass ein - hier schuldrechtliches - Wohnrecht nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt werden kann, ist nicht offensichtlich.
Welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein dingliches Wohnrecht - für ein schuldrechtlich eingeräumtes Wohnrecht dürfte nichts
anderes gelten - wegen Aufnahme des Berechtigten in ein Altenheim oder Pflegeheim nicht ausgeübt werden kann, ist in der Rechtsprechung
der Zivilgerichte nicht geklärt. Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des OLG Braunschweig vom 11.9. 1995 - 2 B 118/95 -, NdSRpfl 1996, 93 - und des OLG Oldenburg vom 3.5.1994 - 12 U 16/94 -, FamRZ 1994, 1621, mögen möglicherweise ihre Auffassung stützen. Darin ist ausgeführt, dass eine Überleitung eines Wohnrechts auf den Sozialhilfeträger
grundsätzlich nicht in Betracht komme bzw. dass dem Sozialamt aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch aus übergeleitetem
Recht auf die Mieteinnahmen der Eigentümer zustehe, die diese nach Auszug des heimpflegebedürftig und sozialhilfebedürftig
gewordenen Berechtigten mit dessen Zustimmung erzielt haben. Dagegen hat aber das OLG Köln mit Beschluss vom 6. 2.1995 - 2 W 21/95 -, WuM 1995, 590 = FamRZ 1995, 1408, entschieden, die Geschäftsgrundlage für die Beschränkung auf eine höchstpersönliche Nutzung des Wohnrechts könne je nach
den Umständen bei Existenzgefährdung des Berechtigten wegfallen. Die Anpassung könne es dann gebieten, dem Berechtigten bei
notwendiger auswärtiger Unterbringung die durch Vermietung oder sonstige Nutzung zu erzielenden Erträge zukommen zu lassen.
Ob der Wohnungsberechtigte in einer existenzbedrohenden Notlage ist, sei ohne Rücksicht auf Sozialhilfeleistungen zu beurteilen.
Das OLG Celle hat in den Beschlüssen vom 13. 7.1998 - 4 W 129/98 -, NJW-RR 1999, 10 - mit kritischer Anmerkung von Schneider in MDR 1999, 87 - und vom 19.7. 1998 - 4 W 123/98 -, MDR 1998, 1344, ausdrücklich entgegen dem Urteil des OLG Oldenburg a.a.O. die Auffassung vertreten, der in ein Pflegeheim ziehende Wohnungsberechtigte
könne ausnahmsweise verlangen, dass die dem Wohnungsrecht unterliegenden leer stehenden Räume an Dritte vermietet würden,
wenn dies dem Verpflichteten zumutbar sei. Eine Zumutbarkeit werde zu bejahen sein, wenn es sich bei den Räumlichkeiten um
eine abgeschlossene Wohnung handele, die auch vermietbar sei. Danach kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass
der Hilfeempfängerin ein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin zustand, weil sie das lebenslange Wohnungsrecht nicht mehr ausüben
konnte.
Dass die Überleitungsanzeige in der maßgebenden Fassung des Widerspruchsbescheides nicht von hinreichenden Ermessenserwägungen
getragen ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.