Sozialhilferecht: Einstellung der Leistungen nach Arbeitsverweigerung
Gründe:
Der auf die Zulassungsgründe des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung
und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
124 Abs.
2 Nr.
1 und
3 VwGO) gestützte Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen nur dann, wenn erhebliche (überwiegende)
Gründe vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die getroffene Entscheidung voraussichtlich im Ergebnis fehlerhaft (unvertretbar)
ist. Für die Darlegung des Beschwerdezulassungsgrundes reicht nicht eine bloße Behauptung oder ein allgemeiner Hinweis auf
früheres Vorbringen aus, vielmehr muss der Zulassungsgrund erläutert, erklärt bzw. auf ihn unter Durchdringung des Prozessstoffes
und unter Erörterung der rechtlich bedeutsamen Gesichtspunkte eingegangen werden. Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag
nicht gerecht, soweit sich der Antragsteller damit dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht sein Begehren abgelehnt hat,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Bekleidungsbeihilfe zu gewähren sowie die Kosten
für die Unterkunft ab 1.2.2000 zu übernehmen; denn das Vorbringen des Antragstellers erschöpft sich diesbezüglich im Grunde
in einem pauschalen Bestreiten der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses, ohne dass im Einzelnen auf die die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit tragenden Gründe eingegangen wird.
Der Senat sieht sich im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts jedoch zu folgenden Bemerkungen veranlasst:
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss die Ansicht vertreten, dass § 25 Abs. 1 BSHG nur die Kürzung bzw. Einstellung des vom Regelsatz erfassten Teils des notwendigen Lebensunterhalts erlaube, die Unterkunftskosten
mithin nicht von dieser Kürzungsvorschrift erfasst würden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der einhelligen Rechtsprechung
der Verwaltungsgerichte diente § 25 Abs. 1 BSHG in der bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088) geltenden Fassung dazu, Maßnahmen der in den §§ 18 f. BSHG geregelten Hilfe zur Arbeit zu unterstützen. Wegen der Kopplung mit diesen Hilfsnormen sei § 25 Abs. 1 BSHG a.F. selbst Hilfenorm. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17.5.1995 - 5 C 20.93 (BVerwGE 98, 203, 204) - zu § 25 Abs. 1 BSHG unter anderem ausgeführt: "Sein Hilfezweck zeigt sich insbesondere darin, dass die Verweigerung, zumutbare Arbeit zu leisten,
nicht zur Folge hat, dass der Hilfesuchende (Hilfeempfänger) aus der Betreuung des Sozialhilfeträgers entlassen wird, sondern
lediglich den Verlust des Rechtsanspruchs auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach sich zieht. Der Träger der Sozialhilfe wird
bei der Gestaltung der Hilfe und ihrer Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalles freier gestellt. Im Rahmen dieser
Gestaltungsfreiheit kann zum Beispiel - mindestens zeitweise - gekürzte Hilfe (bis auf das Unerlässliche) als ein Mittel in
Betracht kommen, um den Hilfesuchenden zur Arbeit anzuhalten, um ihn so letzten Endes auf den Weg der Selbsthilfe zu führen.
Ebenso wie sämtliche Oberverwaltungsgerichte sah das Bundesverwaltungsgericht auch in der gänzlichen Verweigerung von Hilfe
eine nach § 25 Abs. 1 BSHG a.F. zulässige Rechtsfolgenanordnung in Ausübung des mit der Vorschrift eingeräumten Ermessens und hat demgemäß auch die
Ablehnung bzw. Einstellung jeglicher Hilfe zum Lebensunterhalt, der gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG auch die Unterkunft umfasst, unbeanstandet gelassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.10.1983 - 5 C 67.82 -, BVerwGE 68, 91, 101). Das Verwaltungsgericht geht fehlt, wenn es meint, dass sich durch die Neufassung des § 25 Abs. 1 BSHG durch das Reformgesetz vom 23.7.1996 etwas geändert haben könnte und § 25 Abs. 1 BSHG in seiner neuen Fassung nur noch die Kürzung bzw. die Einstellung des vom Regelsatz erfassten Teils des notwendigen Lebensunterhalts
erlaube. Der Sinn des durch die Neuregelung angefügten Satzes 2 des § 25 Abs. 1 BSHG besteht lediglich darin, das Ermessen des Sozialhilfeträgers einzuschränken. Bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform
des Sozialhilferechts lag es nämlich im Bereich einer erlaubten Ermessensausübung, die Hilfe voll weiter zu zahlen, aber auch,
die Leistungen von Geld zeitweise völlig einzustellen. Dies sollte durch die Neuregelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 BSHG unterbunden werden, denn hiernach ist die uneingeschränkte Weitergewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt im Falle der Arbeitsverweigerung
nicht mehr zulässig, sondern die Hilfe ist in einer ersten Stufe um mindestens 25 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes
zu kürzen. Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber die Sozialhilfeträger von den schwierigen und verwaltungsintensiven Ermessensentscheidungen
im Einzelfall entlasten sowie eine einheitliche Praxis erreichen, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht existiert hatte. Eine
Beschränkung der Kürzungsvorschrift des § 25 Abs. 1 BSHG lediglich auf die vom Regelsatz umfassten Teile der Hilfe zum Lebensunterhalt lag jedoch mit Sicherheit nicht im Sinne des
Gesetzgebers (so auch LPK-BSHG, 5. Aufl., § 25 RdNr. 3; Eichhorn/Fergen, Praxis der Sozialhilfe, 3. Aufl., S. 399; Fichtner, BSHG, § 25 RdNr. 8; Mergler/Zink, BSHG, § 25 RdNr. 14a; Michel, NDV 1997, 92, 95). Dies zeigt auch die amtliche Begründung zur Neufassung des § 25 Abs. 1 BSHG; denn hier heißt es ausdrücklich (vgl. BT-Drucks. 13/2440 S. 25) "je nach Dauer der Verweigerung sind weitere Kürzungen möglich.
Die Entscheidung hierüber trifft der Träger der Sozialhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen. Er kann deshalb wie bisher, soweit
dies geboten ist, die Sozialhilfe als Sachleistungen erbringen oder ganz streichen."
Soweit der Zulassungsantrag den gesetzlichen Anforderungen genügt, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Beschluss
des Verwaltungsgerichts fehlerhaft ist. Das Verwaltungsgericht hat aus zutreffenden Gründen das Begehren des Antragstellers
abgelehnt, ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen die Einstellung der Regelsatzhilfe nach § 1 RegelsatzVO zu gewähren. Zur Vermeidung
von Wiederholungen kann der Senat insoweit zur Begründung auf die einschlägigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den
Seiten 3, 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses verweisen (vgl. §
130b VwGO). Das Vorbringen des Antragstellers in seinem Antragsschriftsatz vom 14.7.2000 enthält gegenüber seinem bisherigen Vortrag
nichts Neues und veranlasst keine abweichende rechtliche Beurteilung. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen
Beschlusses vom 27.6.2000 bestehen daher auf Seiten des Senats nicht.
Eine Beschwerdezulassung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in Betracht kommen. Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes dienen nämlich grundsätzlich nicht der Klärung grundsätzlich bedeutsamer Fragen. Eine solche Klärung
ist dem Verfahren der Hauptsache vorzubehalten. Im Eilverfahren können nur solche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung
sein, die in dem angestrebten Beschwerdeverfahren auch abschließend zu klären sind. Das gilt etwa für Fragen aus dem einschlägigen
Prozessrecht (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.2.1997 - 8 S 482/97 - und vom 12.5.1997 - A 12 S 580/97 -, DVBl. 1997, 1325 bzw. 1327). Um die Klärung solcher Rechtsfragen geht es dem Antragsteller aber nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§
154 Abs.
2,
188 Satz 2
VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).