Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Versäumung der Begründungsfrist nach einer Mandatsniederlegung
des Prozessbevollmächtigten
Gründe:
I
Mit Urteil vom 11.3.2010 hat das LSG Berlin-Brandenburg den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Feststellung einer
höheren Altersrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Auf Antrag ihrer ursprünglichen
Prozessbevollmächtigten hat der Senatsvorsitzende die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum 8.7.2010
verlängert. Die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben mit am 8.7.2010 beim BSG eingegangenem Schriftsatz vom
selben Tage "wegen der besonderen Umstände" Fristverlängerung bis zum 31.8.2010 beantragt. Die Mandatierung sei erst am 6./7.7.2010
erfolgt. Daher könne die gesetzte Begründungsfrist nicht eingehalten werden. Diesen Antrag hat der Senatsvorsitzende mit Schreiben
vom 8.7.2010 abgelehnt, da gemäß §
160a Abs
2 Satz 2
SGG nur eine einmalige Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zulässig sei.
Die Klägerin hält an ihrem Begehren auf nochmalige Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde fest
und beantragt, den Verfahrensstand vor Ablauf der Frist wieder herzustellen.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig; sie ist nicht innerhalb der gemäß §
160a Abs
2 Satz 2
SGG bis zum 8.7.2010 verlängerten Frist begründet worden. Die beantragte nochmalige Verlängerung dieser Frist war nicht statthaft,
da §
160a Abs
2 Satz 2
SGG ausdrücklich nur eine Verlängerung "einmal bis zu einem Monat" erlaubt (stRspr, Senatsbeschluss vom 29.3.2010 - B 13 R 519/09 B - Juris RdNr 4; BSG Beschlüsse vom 2.4.1992 - 12 BK 7/91 - Juris RdNr 11; vom 25.11.2003 - B 2 U 330/03 B - Juris RdNr 3; vom 20.1.2006 - B 11a AL 255/05 B - Juris RdNr 2). Eine Ausnahme hiervon kann auch in Härtefällen nicht gemacht
werden; hierfür steht das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§
67 SGG) zur Verfügung.
Die - inhaltlich - beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beschwerdebegründung kann der Klägerin jedoch nicht
bewilligt werden. Denn sie war nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist verhindert (§
67 Abs
1 SGG). Vielmehr muss sie sich das nach ihrem eigenen Vortrag anzunehmende Verschulden ihrer vormaligen Prozessbevollmächtigten
zurechnen lassen (§
73 Abs
6 Satz 6
SGG iVm §
85 Abs
2 ZPO). Die Klägerin trägt vor: Wegen des Vertretungszwangs vor dem BSG sei sie "ausschließlich" durch die aus für sie nicht nachvollziehbaren
Gründen erfolgte Mandatsniederlegung ihrer früheren Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte Dres. C., daran gehindert gewesen,
die Beschwerde fristgerecht zu begründen. Diese hätten auch gewusst, dass es ihr wegen der bereits erfolgten Verlängerung
der Beschwerdebegründungsfrist nahezu unmöglich sei, noch vor Fristablauf einen anderen Rechtsanwalt mit der Beschwerdebegründung
zu beauftragen. Das grobe Verschulden ihrer früheren Prozessbevollmächtigten könne ihr nicht zugerechnet werden.
Dies trifft jedoch nicht zu. Gemäß §
73 Abs
6 Satz 6
SGG iVm §
85 Abs
2 ZPO steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Lediglich ein nach Beendigung des Mandatsverhältnisses
unterlaufenes Versäumnis eines früheren Prozessbevollmächtigten muss sich ein Beteiligter nicht mehr zurechnen lassen, da
dann die innere Rechtfertigung für eine Zurechnung entfallen ist (BSG Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 72/07 B - BeckRS 2009, 67148 RdNr 8 mwN). Dementsprechend ist der vertretenen Partei ein Anwaltsverschulden, das mit der Mandatsbeendigung
zusammentrifft, noch zuzurechnen. Ein solches liegt auch vor, wenn ein Prozessbevollmächtigter grundlos vor Ablauf der - bereits
verlängerten - Frist zur Begründung eines Rechtsmittels das Mandat niederlegt und deshalb keine rechtzeitige Begründung bei
Gericht einreicht (vgl BSG aaO mwN). Dem mit seinem Rechtsmittel wegen Fristversäumnis erfolglosen Beteiligten bleibt in einem
solchen Fall nur die Möglichkeit, Schadensersatz von seinem früheren Prozessbevollmächtigten zu verlangen, sofern die hierfür
erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind (BSG aaO).
Im Übrigen war die Prozessvollmacht der Rechtsanwälte Dres. C. jedenfalls nicht vor dem 8.7.2010, dem Eingang des Schriftsatzes
der neuen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom selben Tag, erloschen. Denn zuvor hatte das BSG von der Mandatsniederlegung
keine Kenntnis (vgl BSG Beschluss vom 7.12.2000 - SozR 3-1500 §
73 Nr 8 S 18; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
73 RdNr 74).
Die Behauptung der Klägerin, die "Geschäftsstelle des BSG" habe ihr telefonisch "bestätigt, dass in Härtefällen wie dem ihren
eine weitere (Frist-)Verlängerung möglich sei", ist durch nichts erwiesen. Der Akteninhalt ergibt insoweit keine Hinweise;
auch der Senatsgeschäftsstelle ist von Auskünften dieser Art nichts bekannt.
Die Verwerfung der danach nicht fristgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbs 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.