Verfahrensrüge
Zweifel an der Prozessfähigkeit
obiter dictum
Gründe:
I
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 5.9.2014 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Mainz vom 28.2.2014
zurückgewiesen.
In dem genannten Urteil hat das SG dessen Klage, soweit sie darauf gerichtet war, die beim beklagten Rentenversicherungsträger angesiedelte Gemeinsame Servicestelle
der Rehabilitationsträger nach §
23 SGB IX zur Erbringung einer geeigneten und genügenden Beratung und Vermittlung gegenüber den anderen Reha-Trägern zu verurteilen,
als unbegründet abgewiesen. Das SG hat dabei ausgeführt, es bestünden hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Klägers nach dessen persönlicher Anhörung in der
mündlichen Verhandlung keine Zweifel. Dessen Fähigkeit, seinen Willen zu bilden und zu formulieren, sei nicht eingeschränkt
gewesen; er habe auf Fragen und Hinweise des Gerichts reagieren und sich der Situation anpassen können.
Hingegen hat das LSG in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Kläger prozessfähig sei, obwohl
die Vielzahl der von ihm geführten Sozialgerichtsverfahren ernsthafte Zweifel aufkommen ließen. Die Bestellung eines besonderen
Vertreters sei dennoch nicht erforderlich, da das Prozessbegehren des Klägers offensichtlich haltlos sei. Sein Antrag, die
Beklagte unabhängig von einem zuvor geschlossenen Vergleich zu verpflichten, ihm durch die Gemeinsame Servicestelle Beratung
und Unterstützung zu gewähren, sei offensichtlich unbegründet bzw unzulässig, soweit er sich auf einen neuen Sachverhalt beziehe,
über den die Beklagte noch nicht entschieden habe.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG Beschwerde zum BSG erhoben. Er macht durch den ihm auf seinen Antrag hin beigeordneten Prozessbevollmächtigten ausschließlich einen Verfahrensmangel
geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 18.6.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
denn er hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und
schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene
Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl
2011, Kap IX RdNr 202 ff).
Diesen Erfordernissen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Er macht über seinen Prozessbevollmächtigten geltend,
das LSG sei bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, was einen absoluten Revisionsgrund gemäß §
202 SGG iVm §
547 Nr 1
ZPO darstelle. Das Berufungsgericht habe durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter nach §
153 Abs
4 SGG entschieden, ohne dass dem eine wirksame Anhörung des Klägers (§
153 Abs
4 S 2
SGG) vorangegangen sei. Zwar sei der Kläger mit Schreiben vom 12.8.2014 und vom 27.8.2014 zu der beabsichtigten Verfahrensweise
gehört worden. Doch habe das LSG in seinem Beschluss selbst festgestellt, dass erhebliche Zweifel an dessen Prozessfähigkeit
bestünden. Ein Prozessunfähiger könne nicht wirksam angehört werden. Bei erheblichen Zweifeln an der Prozessfähigkeit müsse
diese von Amts wegen geprüft werden. Wenn nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten gewichtige Bedenken verblieben, habe
das Gericht von Prozessunfähigkeit auszugehen und in diesem Fall über aussichtslose Klagebegehren nach mündlicher Verhandlung
durch den gesamten Senat zu entscheiden. Ergänzend trägt der Kläger persönlich mit Schreiben vom 19.6.2015 vor, er betrachte
sich lediglich in zwei spezifischen Bereichen als prozessunfähig, nämlich wenn es um Gutachtens-Vorgänge gehe, die seine Psyche
beträfen, und um Wohnungssachen; alle sonstigen Bereiche könnten von ihm mit anderweitigen Hilfen geregelt werden.
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger den allein geltend gemachten Verfahrensmangel einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung
des LSG-Senats nicht in schlüssiger Weise aufgezeigt. Zwar trifft zu, dass eine unter Verstoß gegen §
153 Abs
4 S 1
SGG getroffene Entscheidung des LSG durch Beschluss ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter zugleich den Anspruch auf den gesetzlichen
Richter (Art
101 Abs
1 S 2
GG) verletzt (vgl BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 5 R 34/11 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 12 RdNr 5; Beschluss vom 8.4.2014 - B 8 SO 59/13 B - Juris RdNr 4 f; Beschluss vom 9.4.2014 - B
14 AS 373/13 B - Juris RdNr 6 mwN). Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass das LSG die inhaltlichen Voraussetzungen des §
153 Abs
4 S 1
SGG für eine Entscheidung durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter unter Überschreitung des ihm dabei zukommenden
pflichtgemäßen Ermessens missachtet habe. Er hat vielmehr ausschließlich eine nicht ordnungsgemäße Anhörung gemäß §
153 Abs
4 S 2
SGG geltend gemacht (zur unterschiedlichen Bedeutung einer Verletzung der Regelungen in §
153 Abs
4 SGG S 1 bzw S 2
SGG s auch BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19; Senatsbeschluss vom 8.1.2013 - B 13 R 300/11 B - Juris RdNr 17).
Überdies hat der Kläger auch den Verfahrensmangel einer nicht ordnungsgemäßen bzw nicht wirksamen Anhörung nicht schlüssig
aufgezeigt. Die nach seinem Vortrag tatsächlich erfolgte Anhörung würde den Anforderungen des §
153 Abs
4 S 2
SGG nicht genügen, wenn der Kläger selbst als prozessunfähig iS von §
71 SGG angesehen werden müsste. Ob dies der Fall ist oder nicht, bleibt jedoch, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, nach den
Darlegungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers offen. Seinem Vorbringen kann nicht entnommen werden, ob der Kläger -
so wie es das SG nach persönlicher Anhörung festgestellt hat - prozessfähig ist oder ob sich dies auch nach seiner (des Klägers) Auffassung
nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt. Allein der Umstand, dass
das LSG in einem die Entscheidung nicht tragenden Teil der Begründung seines Beschlusses (obiter dictum) Zweifel an der Prozessfähigkeit
des Klägers in den Raum gestellt hat, ohne diesen weiter nachzugehen, vermag das Vorliegen des Verfahrensmangels der Anhörung
eines Prozessunfähigen nicht aufzuzeigen. Die ergänzenden Ausführungen des Klägers persönlich zu seiner Prozessfähigkeit im
Schreiben vom 19.6.2015 können aus Rechtsgründen (§
73 Abs
4 SGG) insoweit nicht berücksichtigt werden (er geht darin im Übrigen ebenfalls davon aus, außerhalb der - hier nicht betroffenen
- Bereiche "Psyche" und "Wohnung" in seiner Prozessfähigkeit nicht beeinträchtigt zu sein).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.