Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
Keine Rüge der unrichtigen Rechtsanwendung im Einzelfall
Gründe:
Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG sind als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 2
SGG). Ungeachtet des Umstands, dass den Klägern wegen der versäumten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerden aufgrund
Nichteinhaltung der Vorgaben des §
65a SGG für den elektronischen Rechtsverkehr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war (vgl hierzu zuletzt BSG vom 9.5.2018 - B 12 KR 26/18 B - vorgesehen für SozR 4), sind die Beschwerden unzulässig, weil die Kläger keinen der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) haben.
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer
Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr
3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht
zulässig.
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung
die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob
und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere
Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits
erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 65
f).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie
die Fragen:
"1. Ist die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht bereits auch dann als nicht - rechtzeitig - erfolgt zu werten, wenn die
Behörde die von ihr angeforderte Vorlage nicht abwartet, obwohl sie an der Beendigung des Verfahrens - über die Werte ihrer
Erledigungsstatistik hinaus - kein eigenes Interesse hat?
2. Ist in mehrere Verfahren umfassenden Rechtsstreitigkeiten, denen wie hier zwischen den Klägern und der Beklagten eine Streitfrage
- hier die, ob zwischen der Klägerin und deren Vermieter und Cousin im Sinne des SGB II seit 2014 eine Bedarfsgemeinschaft besteht oder nicht - zugrunde liegt, die zum Ausgangsfall - hier dem Überprüfungsantrag
vom 30.12.2015 zu den Bescheiden für das Jahr 2014 - am 14.01.2016 ausgestellte und am 31.01.2016 vorgelegte schriftliche
Vollmacht 'wegen der Sozialrechtssache' ausreichend, um eine vorzeitige Beendigung der Vorverfahren in einer solchen Rechtsstreitigkeit
durch die Behörde wegen - in diesen Verfahren - noch nicht vorgelegter Vollmacht auszuschließen?"
Hiermit werden bereits keine abstrakt-generellen Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl nur BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - RdNr 7; BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - RdNr 10). Vielmehr bleiben die Fragen ganz dem konkreten Einzelfall verhaftet. Zudem enthält die Beschwerdebegründung
keine Ausführungen zu deren Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit.
Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte,
die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung
rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende
andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil sich aus ihr nicht ergibt, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr macht die Beschwerdebegründung nur geltend,
das LSG habe allein darauf abgestellt, dass die Vollmacht nicht vor Beendigung des Vorverfahrens vorgelegt worden sei.
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit als Verfahrensmangel eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) geltend gemacht wird, kann der Mangel hierauf nur gestützt werden, wenn er sich
auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Daran fehlt es nach dem Beschwerdevorbringen der vor dem LSG anwaltlich vertretenen Kläger.
Soweit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) gerügt wird, weil das LSG die Sache nicht nach §
159 Abs
1 SGG an das SG zurückverwiesen habe, folgt nicht bereits hieraus und auch nicht aus der Kritik an der Ermessensausübung des LSG im Rahmen
des §
159 Abs
1 SGG als nicht ausreichend der Verfahrensmangel einer Gehörsverletzung der Kläger. Hierzu hätte es des Vortrags bedurft, dass
und wodurch das LSG das Recht der Kläger, sich im Verfahren äußern zu können und gehört zu werden, verletzt hat (vgl zu den
Maßstäben für die Anwendung des Art
103 Abs
1 GG nur BVerfG vom 15.2.2017 - 2 BvR 395/16 - RdNr 4 ff).
Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.