Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung des Verfahrensmangels der Verletzung
rechtlichen Gehörs
Gründe:
I
Im Streit sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2006.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1, ihrem 1999 geborenen Sohn (Kläger zu 3) sowie dem mit ihnen zusammen lebenden Vater
des Klägers zu 3 (Kläger zu 2) für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bescheid vom 25.4.2006;
Widerspruchsbescheid vom 12.6.2006). Nach Vorlage von Nachweisen über das Einkommen des Klägers zu 2 während des sozialgerichtlichen
Verfahrens hat die Beklagte die Leistungen für den streitigen Zeitraum endgültig berechnet (Bescheid vom 29.4.2008). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.9.2008). Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg (Urteil des LSG Baden-Württemberg
vom 26.3.2010).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, der Senat könne in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden,
weil diese in der Ladung ordnungsgemäß auf diese Möglichkeit hingewiesen worden seien. Ihren Anträgen auf Terminsverlegung
sei nicht stattzugeben, weil erhebliche Gründe hierfür nicht vorlägen. Soweit die Kläger geltend machten, wegen Mittellosigkeit
könnten sie die Fahrt zum Termin nicht bestreiten und bedürften daher zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs einer Fahrkarte
zum Termin, treffe dies nicht zu. Die Kläger hätten nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften keinen Anspruch auf Übernahme
der Reisekosten. Nach ihren Angaben in der zuletzt vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
mit einem Nettoverdienst des Klägers zu 2 von 1071,15 Euro monatlich und einem Anspruch der Klägerin zu 1 auf Arbeitslosengeld
in Höhe von ca 1400 Euro monatlich könnten sie die Reisekosten auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der PKH zu beachtenden
Freibeträge und Aufwendungen aus eigenen Mitteln bestreiten. Schließlich sei dem Antrag auf Terminsverlegung auch nicht wegen
einer Erkrankung der Klägerin stattzugeben, weil sie bis zum Ende des Termins weder eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt
noch vorgetragen habe, welche Erkrankung sie an der Wahrnehmung des Termins gehindert habe. Die Kläger hätten auch keinen
Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen. Nach der Entscheidung des BVerfG (Urteil vom 9.2.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) blieben die verfassungswidrigen Normen für zurückliegende Leistungszeiträume, die nicht von der geforderten gesetzgeberischen
Neuregelung ab 1.1.2011 erfasst würden, anwendbar. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen der Erkrankung des
Klägers zu 3 an Neurodermitis sei nicht zu berücksichtigen, weil diese Erkrankung erst für die Zeit ab Ende Januar 2007 nachgewiesen
sei. Auf den Bedarf der Kläger seien als Einkommen das von dem Kläger zu 3 bezogene Kindergeld und das Einkommen des Klägers
zu 2 anzurechnen.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügen die Kläger eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Das Gericht habe ihnen durch sein Vorgehen ohne hinreichenden Grund die Möglichkeit genommen, an der mündlichen Verhandlung
teilzunehmen. Zudem hätten weder das SG noch das LSG geprüft, ob die Beiladung des zuständigen Sozialhilfeträgers nach §
75 Abs
2 SGG in Frage komme. Auf Grund der unterlassenen Prüfung anderer Rechtsgrundlagen liege ein erheblicher Rechtsfehler im Verfahren
vor.
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn ein Verfahrensmangel des LSG ist nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG erforderlichen Weise bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die verletzte Rechtsnorm und die eine Verletzung (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig
dargelegt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36; SozR 3-1500 § 73 Nr 10). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG
ausgehend von dessen Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils
besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36), es sei denn, es werden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß §
202 SGG iVm §
547 ZPO der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8).
Das Vorbringen der Kläger genügt nicht den Anforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Kläger haben - soweit ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung
vor dem LSG zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs betroffen ist - in ihrer Beschwerdebegründung nicht substantiiert dargelegt,
dass eine fehlende Anordnung ihres persönlichen Erscheinens, die nach §
111 Abs
1 SGG im Ermessen des Vorsitzenden steht (Leitherer in Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Aufl 2008, §
111 RdNr 2b), und nicht die Funktion hat, das rechtliche Gehör der Betroffenen sicherzustellen (BSG Beschluss vom 31.1.2008 -
B 2 U 311/07 B), ausnahmsweise ermessensfehlerhaft war und die Entscheidung des LSG auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Der
Beschwerdebegründung der Kläger lässt sich auch nicht entnehmen, dass und ggf welche erheblichen Gründe für eine Verlegung
des Termins gegeben sein sollen. Die Kläger haben insbesondere nicht vorgetragen, dass auf Verlangen des Gerichts erhebliche
Gründe für eine Terminsverlegung glaubhaft gemacht worden sind. Insofern muss sich aus den vom Gericht zur Glaubhaftmachung
angeforderten Belegen eine Erkrankung oder sonstige Verhinderung so schlüssig ergeben, dass das Gericht auf ihrer Grundlage
in der Lage ist, die Frage der behaupteten Verhinderung selbst zu beurteilen (BSG Beschluss vom 21.8.2007 - B 11a AL 11/07
B). Dies ist hier - auch nach dem tatsächlichen Verfahrensablauf - nicht bis zum Ende der mündlichen Verhandlung geschehen.
Hinsichtlich des angeblichen Verfahrensfehlers der unterlassenen Beiladung des Sozialhilfeträgers ist nicht dargelegt, inwieweit
an einem streitigen Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten der Sozialhilfeträger derart beteiligt ist, dass
eine Entscheidung auch ihm gegenüber iS des §
75 Abs
2 SGG nur einheitlich ergehen kann (BSG Beschluss vom 13.7.1999 - B 7 AL 166/98 B; BSG Beschluss vom 15.6.1993 - 12 BK 74/91). Insofern hat das BSG im Anschluss an das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) entschieden, dass der grundsätzlich mögliche Rückgriff auf die sozialhilferechtliche Regelung des § 73 SGB XII
(vgl bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 zu den Kosten des Umgangsrechts) das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage erfordert, die eine gewisse
Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 25.6.2008
- B 11b AS 19/07 R - BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1 RdNr 22) und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B
4 AS 29/09 R - RdNr 28). Die Norm dürfe daher nicht zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutieren (BSG
Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - RdNr 26). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht substantiiert dargetan, für welche der von den Klägern geltend
gemachten Leistungen eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers ernsthaft in Betracht kommt.
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.