Kein Anspruch auf Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt jährlicher Jahresendprämien für Zeiten der Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in der ehemaligen DDR
Gründe:
I
Der Kläger begehrt im Zugunstenverfahren die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt jährlicher Jahresendprämien
(JEP) für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech).
Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist nach einem Fachschulstudium in der Fachrichtung Kraft- und Arbeitsmaschinenbau seit
dem 22.7.1976 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Maschineningenieur" zu führen. Er war vom 6.9.1976 bis 30.6.1990 (und darüber
hinaus) als Fertigungsmittelingenieur und Ingenieur für Instandhaltung im VEB E. beschäftigt. Der Kläger erhielt zu Zeiten
der DDR keine Versorgungszusage und war auch nicht in ein Zusatzversorgungswerk der Anlage 1 zum AAÜG einbezogen.
Mit Bescheid vom 21.1.2005 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 6.9.1976 bis zum 30.6.1990 als Zeiten
der Zugehörigkeit zur AVItech (Nr 1 der Anlage 1 zum AAÜG) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte fest. Den Überprüfungsantrag vom 20.1.2014, mit dem der Kläger begehrte,
JEP als zusätzliche Arbeitsentgelte zu berücksichtigen, lehnte die Beklagte ab. Der Zufluss sei weder nachgewiesen noch glaubhaft
gemacht (Bescheid vom 11.3.2014, Widerspruchsbescheid vom 4.7.2014).
Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Dresden die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.3.2014 sowie des
Widerspruchsbescheides vom 4.7.2014 verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 21.1.2005 abzuändern und für die Jahre 1978
bis erstes Halbjahr 1990 (Zuflussjahre) weitere Arbeitsentgelte im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten
der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben wegen
zu berücksichtigender JEP-Zahlungen jeweils in Höhe von fünf Sechsteln von 70 Prozent des durchschnittlichen Bruttomonatsentgeltes
des jeweiligen Vorjahres festzustellen (Urteil vom 26.5.2015).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Sächsische LSG das Urteil des SG vom 26.5.2015 abgeändert und dessen Tenor wie folgt gefasst: "Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 11. März
2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2014, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 21. Januar 2005
dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1977 bis 1989 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen
im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz
in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe" in bestimmter, bezifferter Höhe zu berücksichtigen sind. Im Übrigen
hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.2.2016). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Tenor der
erstinstanzlichen Entscheidung sei abzuändern, weil das SG unzutreffend von auseinanderfallenden "Erwirtschaftungs"- und "Zuflussjahren" ausgegangen sei. Die streitigen JEP seien indes
in den Jahren 1977 bis 1989 sowohl erwirtschaftet als auch zugeflossen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Feststellung der
JEP als weitere Arbeitsentgelte in dem tenorierten Umfang. JEP seien Arbeitsentgelte iS von §
14 SGB IV und damit iS von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG. Gemäß § 117 Abs 1 AGB-DDR habe ein Anspruch auf JEP bestanden, wenn deren Zahlung für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehört habe,
im Betriebskollektivvertrag vereinbart worden sei, der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien
in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hätten und der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs
gewesen sei. Um eine Feststellung von JEP als zusätzliche Entgelte beanspruchen zu können, müsse der Kläger nachweisen oder
glaubhaft machen, dass diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt worden seien und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter
berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, dh tatsächlich gezahlt worden sei. Gemäß §
128 Abs
1 S 1
SGG entscheide das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem
Vollbeweis, dh der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, sei auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens
weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt von JEP gegeben. Dies könne aus der Vorschrift des § 6 Abs 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach werde, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht werde,
der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt. Der Kläger habe zwar nicht nachgewiesen, aber
glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen des § 117 Abs 1 AGB-DDR für den Bezug einer JEP in den geltend
gemachten Beschäftigungsjahren 1977 bis 1989 (Zuflussjahre 1977 bis 1989) vorgelegen hätten und ihm jeweils eine JEP tatsächlich
gezahlt worden sei. Die konkrete Höhe der JEP habe der Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der
Höhe habe das SG jedoch zutreffend von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch gemacht. Nach dem Urteil des BSG vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) dürfe und müsse das Gericht, wenn der Bezug (irgend-)einer JEP für die konkreten Beschäftigungsjahre
dem Grunde nach glaubhaft gemacht worden sei, deren Höhe aber weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden könne, diese
im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung schätzen.
Die Befugnis hierzu ergebe sich aus §
202 SGG iVm §
287 Abs
2, Abs
1 S 1 Alt 2
ZPO. Die Voraussetzungen dieser Normen seien hier gegeben. Bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte handele es sich zumindest
mittelbar und sekundär um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Das von der Beklagten nach § 6 Abs 1 S 1 AAÜG festzustellende und dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilende (§ 8 Abs 1 S 1 und S 2 AAÜG) erzielte Arbeitsentgelt sei Grundlage der Berechnung der Höhe einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch
sei die vollständige Aufklärung aller für die Berechnung der konkret zugeflossenen JEP-Beträge maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten
verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stünden. Bei der gebotenen Schätzung
lege das Gericht als jährlichen Basiswert der Prämienhöhe jeweils den im Planjahr erzielten durchschnittlichen Bruttomonatslohn
zugrunde, der im Bescheid der Beklagten vom 21.1.2005 festgestellt sei. Diese Anknüpfung sei vor allem deshalb gerechtfertigt,
weil auch die staatlichen Prämienverordnungen für die Höhe der JEP an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. Von
diesem Wert mache das Gericht einen Abschlag in Höhe von 30 Prozent, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten
JEP von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhängig gewesen sei, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar
seien. Von dem danach geschätzten Betrag (70 Prozent) sei ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstels als sachgerecht zu
veranschlagen. Dieser zusätzliche Abschlag sei aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen werde damit dem Umstand Rechnung
getragen, dass der Kläger den Zufluss der JEP dem Grunde nach nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht habe
(Rechtsgedanke des § 6 Abs 6 AAÜG). Zum anderen sei dieser Abschlag auch wegen eines Erst-Recht-Schlusses gerechtfertigt: Wenn schon das Gesetz in § 6 Abs 6 AAÜG eine Berücksichtigung von fünf Sechsteln bei nur glaubhaft gemachter Höhe des weiteren Arbeitsentgelts vorsehe, dann müsse
dies erst recht gelten, wenn die Höhe nicht einmal glaubhaft gemacht sei, sondern lediglich vom Gericht geschätzt werden könne.
Das geschätzte Ergebnis (fünf Sechstel von 70 % = ca 58,33 %) nähere sich damit stark dem unter Bezugnahme auf verschiedene
Betriebsprämienordnungen einzelner Betriebe angegebenen Mindestwert von JEP (60 %) an, was die Schätzung zusätzlich bestätige.
Auf Grundlage dieser Schätzung ergäben sich für die Jahre 1977 bis 1989 die tenorierten JEP-Zahlungen.
Hinsichtlich des Kalenderjahres 1990 sei die Berufung der Beklagten dagegen begründet, weil in dem vorliegenden Einzelfall
die Erwirtschaftungs- und Zuflussjahre der JEP nicht differierten.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision (BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 RS 11/16 B) rügt die Beklagte im Wesentlichen die Verletzung von § 6 Abs 1 S 1, § 8 Abs 1 S 2 AAÜG. Das LSG habe rechtsfehlerhaft für die Beschäftigungsjahre 1977 bis 1989 zugunsten des Klägers JEP festgestellt. Als Zuflussjahre
wären richtigerweise die Jahre 1978 bis 1990 zugrunde zu legen. Auch für diese Jahre stünde dem Kläger der geltend gemachte
Feststellungsanspruch aber nicht zu. Ob das Tatsachengericht im Rahmen freier Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) von seiner Schätzbefugnis und damit von einer Beweiserleichterung Gebrauch mache, stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen.
Vorliegend habe das LSG ermessensfehlerhaft gehandelt und die Grenzen der richterlichen Beweiswürdigung verletzt. Das Gericht
habe schon die Höhe von JEP nicht schätzen dürfen. Ein Rückgriff auf die Vorschrift des §
287 Abs
2 ZPO im geschlossenen System des Nachweises bzw der Glaubhaftmachung von Entgelten in der gesetzlichen Rentenversicherung sei
systemwidrig. Das Berufungsgericht verkenne, dass sämtliche Tatumstände, die es unter die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale
des § 117 Abs 1 AGB-DDR subsumiere, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dh im Vollbeweis, nachgewiesen sein müssten,
was auch das BSG im sog "Jahresendprämien-Urteil" (vom 23.8.2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4) fordere. Die bloße Glaubhaftmachung iS einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit genüge somit nicht;
das Beweismaß der Glaubhaftmachung in § 6 Abs 6 AAÜG gelte nicht für den Feststellungsanspruch dem Grunde nach, sondern nur für dessen Höhe. Zudem dürfe "die Höhe einer Forderung"
nach §
287 Abs
2 ZPO nur geschätzt werden, wenn die die Forderung dem Grunde nach begründenden Tatsachen (voll) erwiesen seien. Die vom LSG zitierte
Entscheidung des BSG vom 4.5.1999 (aaO) sei vorliegend nicht einschlägig. Nur wenn und soweit die Höhe des tatsächlich gewährten Arbeitsentgelts
nicht nachgewiesen werden könne, komme nach dieser Entscheidung hilfsweise eine Glaubhaftmachung und Schätzung des tatsächlich
erzielten Arbeitsentgelts in Betracht. Von einer Beweiserleichterung bei der den Rechtsgrund betreffenden Tatsachenermittlung
sei in dieser Entscheidung keine Rede. Schließlich seien dem LSG bei der Art und Weise, wie es den Schätzungsvorgang gestalte,
Verfahrensfehler unterlaufen. Sein "Schätzprocedere" sei unter verschiedenen Gesichtspunkten weder plausibel noch aus sich
heraus verständlich.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 2016 abzuändern, soweit sie zur Feststellung von Jahresendprämien
für die Zuflussjahre 1977 bis 1989 verurteilt worden ist, und das Urteil des Sozialgerichts Dresden auch insoweit aufzuheben,
als sie zur Feststellung von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1978 bis 1989 verurteilt worden ist, und die Klage in vollem
Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt
(§
165 S 1, §
153 S 1, §
124 Abs
2 SGG).
II
1. Der Antrag der Beklagten ist im Lichte des §
123 SGG ihrem Revisionsbegehren anzupassen. Ausweislich der Revisionsbegründung hat die Beklagte das Berufungsurteil nicht vollständig,
sondern nur insoweit angefochten, als sie zur Feststellung von JEP für die Zuflussjahre 1977 bis 1989 verurteilt worden ist.
Angesichts des weiteren Begehrens der Beklagten, die Klage abzuweisen, hat sie darüber hinaus das erstinstanzliche Urteil
angegriffen und dessen Aufhebung geltend gemacht, soweit sie vom SG - durch das LSG bestätigt - zur Feststellung von JEP für die Zuflussjahre 1978 bis 1989 verurteilt worden ist. Hinsichtlich
des Kalenderjahres 1990 war hingegen bereits die Berufung der Beklagten erfolgreich, sodass dieses Jahr vom Revisionsbegehren
der Beklagten nicht erfasst ist.
2. Die zulässige Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Zuflussjahres 1977 schon deshalb begründet, weil das LSG insoweit
über das Klagebegehren des Klägers hinausgegangen ist und damit §
123 SGG verletzt hat.
Der bereits erstinstanzlich rechtskundig vertretene Kläger hat ausdrücklich lediglich eine Feststellung von JEP als weitere
Arbeitsentgelte für die Zuflussjahre 1978 bis 1. Halbjahr 1990 geltend gemacht. Im Jahr 1977 dem Kläger zugeflossene JEP -
gleichgültig aus welchem Erwirtschaftungsjahr - waren nicht von seinem Klagebegehren erfasst.
Unerheblich ist, dass die Beklagte eine Verletzung des §
123 SGG nicht gerügt hat. Einen Verstoß gegen diese Vorschrift hat der erkennende Senat von Amts wegen zu beachten. Hierbei handelt
es sich um einen Mangel, der im Revisionsverfahren fortwirkt, sodass er bei Nichtbeachtung auch das Verfahren des Revisionsgerichts
fehlerhaft machen würde, weshalb seine Überprüfung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist (Urteil des erkennenden Senats
vom 27.5.2014 - B 5 RE 6/14 R - SozR 4-2600 § 106 Nr 4 RdNr 20 mwN).
3. Auch im Übrigen können die angefochtenen Urteile keinen Bestand haben. Die streitbefangenen Bescheide sind rechtmäßig und
beschweren den Kläger nicht (§
54 Abs
2 S 1
SGG). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 21.1.2005 zusätzlich geschätzte JEP
als weitere Arbeitsentgelte für die Jahre 1978 bis 1989 vorzumerken. Dem Kläger steht kein entsprechender Anspruch auf Feststellung
höherer Arbeitsverdienste zu.
Der Kläger begehrt im Wege der Kombination (§
56 SGG) einer Anfechtungs- und mehrerer Verpflichtungsklagen (§
54 Abs
1 S 1 Var 1 und 3
SGG), den Bescheid vom 11.3.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 4.7.2014 (§
95 SGG) aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die bestandskräftigen (§
77 SGG) Verwaltungsakte (§ 31 S 1 SGB X) über die Festsetzung der Arbeitsentgelte für die Zeit vom 6.9.1976 bis 30.6.1990 im Bescheid vom 21.1.2005 zurückzunehmen
und höhere Arbeitsentgelte unter Einbeziehung von JEP festzusetzen.
a) Die insoweit erstrebte Rücknahme richtet sich nach § 44 SGB X, der auch im Rahmen des AAÜG anwendbar ist (§ 8 Abs 3 S 2 AAÜG; vgl auch Senatsurteil vom 15.6.2010 - B 5 RS 6/09 R - Juris RdNr 13 und ausführlich BSGE 77, 253, 257 = SozR 3-8570 § 13 Nr 1 S 5). Danach ist ein (iS von § 45 Abs 1 SGB X) nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er (anfänglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer
mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs 2 S 1 aaO), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS von § 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rücknahme hat (gebundene Entscheidung) für die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit
des Verwaltungsaktes "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht oder "Beiträge" zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen der Bösgläubigkeit (Abs 1 S 2 aaO). Im Übrigen "kann"
(Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, also über die Fälle des Abs 1 S 1 aaO hinaus,
für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs 2 S 2 aaO).
Da sich § 44 Abs 1 SGB X nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die - anders als die feststellenden Verwaltungsakte im Bescheid vom 21.1.2005
- unmittelbar Ansprüche auf nachträglich erbringbare "Sozialleistungen" (§
11 S 1
SGB I) iS der §§
3 ff und 18 ff
SGB I betreffen (BSGE 69, 14, 16 = SozR 3-1300 §
44 Nr 3), kann sich der Rücknahmeanspruch des Klägers nur aus Abs 2 aaO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger
nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar (und damit zugleich bindend) geworden ist, ganz oder teilweise
mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (S 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (S 2). Die Feststellungen
über die Höhe der erzielten Arbeitsentgelte im Bescheid vom 21.1.2005, die jeweils einzelne feststellende Verwaltungsakte
iS des § 31 S 1 SGB X sind und die in Bezug auf die geltend gemachten JEP keinen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt haben (nicht
begünstigender Verwaltungsakt iS von § 45 Abs 1 SGB X), waren jedoch im Zeitpunkt ihres Erlasses (Bekanntgabe iS von § 37 SGB X) rechtmäßig. Denn die geltend gemachten JEP sind nicht als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen.
b) Als Anspruchsgrundlage für die begehrten rechtlichen Feststellungen kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträgerin für das Zusatzversorgungssystem der Anl 1 (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat ua "das
tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen" (= Arbeitsverdienste) zu enthalten.
c) Maßstabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem (Zusatz-)Versorgungssystem
der DDR zuzuordnen sind, ist § 6 Abs 1 S 1 AAÜG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl §
5 aaO) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§
256a Abs
2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Der Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG bestimmt sich nach §
14 SGB IV, wie der erkennende Senat (BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 6 RdNr 15) im Einklang mit dem 4. Senat des BSG (SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 24 ff), der früher für das Recht der Rentenüberleitung zuständig gewesen ist, bereits entschieden hat. Dabei ist
durch die Rechtsprechung des 4. Senats, der sich der erkennende Senat anschließt, gleichermaßen geklärt, dass die JEP einmalige
Einkünfte aus einer Beschäftigung iS des §
14 Abs
1 S 1
SGB IV waren und diese bundesrechtliche Qualifizierung nicht durch §
17 Abs
1 Nr
1 SGB IV iVm § 1 ArEV vom 18.12.1984 (BGBl I 1642) ausgeschlossen ist (BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 27, 33). Gleichzeitig folgt für die Feststellung von Bezug und Höhe dieser einmaligen Einkünfte aus der Formulierung
"erzieltes Arbeitsentgelt" in § 6 Abs 1 S 1 AAÜG im Zusammenhang mit § 5 Abs 1 S 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund"
seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also in bestimmter Höhe tatsächlich gezahlt worden ist (BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 19).
d) Für den Zufluss von Entgeltbestandteilen wie der JEP trägt der Zahlungsempfänger die Feststellungs- bzw objektive Beweislast
(BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 42), dh das Risiko bzw den Nachteil, dass sich diese Tatsache nicht beweisen und feststellen lässt (non liquet).
Der Tatbestand öffentlich-rechtlicher Normen ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn ein einschlägiger Sachverhalt nach Ausschöpfung
grundsätzlich aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit (Senatsbeschluss vom 2.3.2010
- B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 9; BVerwG Urteil vom 26.8.1983 - 8 C 76.80 - Buchholz 310 §
86 Abs
1 VwGO Nr
147 S 9 und Beschluss vom 18.2.2015 - 1 B 2/15 - Juris RdNr 4; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 - Juris RdNr 67) mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl zB BSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 293 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7) im Vollbeweis, dh zur vollen Überzeugung des hierzu berufenen Anwenders iS einer subjektiven
Gewissheit feststeht. Für das sozialgerichtliche Verfahren ergibt sich dies aus §
103 S 1 Halbs 1, §
128 Abs
1 S 1
SGG. Abweichungen (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) von diesem Regelbeweismaß bedürfen einer
gesetzlichen Grundlage (BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4 = Juris RdNr 4; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R - BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3; BVerwG Beschluss vom 3.8.1988 - 9 B 257/88 - NVwZ-RR 1990, 165; Bolay in Lüdtke,
SGG, 4. Aufl 2012, §
128 RdNr 13 ff; Höfling/Rixen in Sodan/Ziekow,
VwGO, 4. Aufl 2014, §
108 RdNr 87; Kopp/Schenke,
VwGO, 22. Aufl 2016, §
108 RdNr 5; Kühl in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
118 RdNr 3 ff). Nur dann ist gewährleistet, dass normativ angeordnete Rechtsfolgen allein Fällen der gesetzlich vorgesehenen
Art zugeordnet werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz (Art
19 Abs
4 GG) gewährleistet ist. Die in § 6 Abs 6 AAÜG normierten Beweiserleichterungen verhelfen der Klage indessen nicht zum Erfolg.
e) Zwar hat das LSG auf dieser Grundlage für den Senat bindend (§
163 SGG) festgestellt, dass dem Kläger in den jeweils ausgeurteilten Jahren tatsächlich JEP zugeflossen sind, weil dies zwar nicht
(im Vollbeweis) nachgewiesen, aber glaubhaft gemacht, dh "überwiegend wahrscheinlich" sei (vgl dazu § 23 Abs 1 S 2 SGB X; §
202 S 1
SGG iVm §
294 ZPO). Dabei geht das LSG zu Recht davon aus, dass dieser - im Vergleich zum Regelbeweismaß - abgesenkte Beweisgrad ausreicht,
um im Einzelfall den tatsächlichen Zufluss von Arbeitsentgelt anzunehmen und festzustellen (so auch Bayerisches LSG Urteil
vom 23.6.2015 - L 1 RS 3/14 - Juris LS; LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 18.2.2015 - L 7 R 147/11 - Juris RdNr 42 ff; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 9.10.2014 - L 33 R 151/13 - Juris RdNr 37; Thüringer LSG Urteil vom 27.5.2014 - L 6 R 1280/12 - Juris RdNr 19 ff; offengelassen LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 12.2.2014 - L 1 RS 28/13 - Juris RdNr 25 ff). Dies ergibt die Auslegung des § 6 Abs 6 AAÜG. Danach wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt, wenn ein Teil des Verdienstes
nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Die Formulierungen "der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes"
und "der andere Teil" sind prinzipiell weit und ermöglichen es, die Glaubhaftmachung dieses Verdienstteils sowohl auf dessen
Höhe als auch auf dessen Zufluss oder auf beides zu beziehen, während der Nachweis des übrigen Verdienstteils schon logisch
Zufluss und Höhe erfassen muss. Angesichts der klaren gesetzlichen Differenzierung des Gesamtverdienstes in einen glaubhaft
gemachten und einen nachgewiesenen Teil liegt es indes fern, die Glaubhaftmachung auf die Höhe des Verdienstes bei nachgewiesenem
Zufluss zu beschränken. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Norm mit dem Erfordernis, dass Zufluss und Höhe
eines Verdienstteils im Vollbeweis nachgewiesen sein müssen, bereits ausdrücklich das strenge Regelbeweismaß anlegt und damit
einen starken Anker schafft, was spiegelbildlich Abstriche beim Beweismaß für Höhe und Zufluss des anderen Verdienstteils
legitimiert und ggf Rückschlüsse aufgrund zuvor oder anschließend erzielten Arbeitsentgelts erlaubt (vgl dazu BSG Urteil vom 28.10.1996 - 8 RKn 19/95 - SozR 3-2600 §
123 Nr 1 S 4; Spegel, MittLVA Württ 1996, 164 jeweils zu §
256c SGB VI). Zudem findet die einschneidende Rechtsfolge, die einen erheblichen Abschlag in Höhe eines Sechstels vorsieht, auch und
gerade in Fällen ihre Rechtfertigung, in denen neben der Höhe auch der Zufluss von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nur
glaubhaft gemacht werden kann und damit die Verdienstfeststellung in ihrer anteiligen Gänze auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen
beruht.
f) Ebenso für das Revisionsgericht verbindlich hat das Berufungsgericht aber auch (negativ) festgestellt, dass die Höhe der
einschlägigen Zahlungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Insofern ist unerheblich, dass das angegriffene Urteil
möglicherweise nicht auf diesen Feststellungen beruht (vgl dazu BSG Urteil vom 10.11.1993 - 11 RAr 47/93 - BSGE 73, 195 = SozR 3-4100 § 249e Nr 3; Heinz in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
163 RdNr 15). Soweit das LSG die Höhe der JEP jedoch auf 58,33 Prozent eines im jeweiligen Beschäftigungsvorjahr erzielten monatlichen
Bruttodurchschnittsbetrages geschätzt hat, ist der Senat an diese weitergehenden Feststellungen (§
163 SGG) nicht gebunden. Denn das Berufungsgericht geht insofern von rechtlich unzutreffenden Annahmen hinsichtlich des Beweismaßes
aus, die der sachlichen Prüfung durch das BSG unterliegen. Das AAÜG enthält jedenfalls für Fälle der vorliegend zur Entscheidung stehenden Art abschließende Regelungen zu Möglichkeiten und
Folgen einer Beweiserleichterung hinsichtlich der Höhe des zugrunde zu legenden Verdienstes. Zusätzliche Beweiserleichterungen
des materiellen (aa) oder des sog formellen Rechts (bb) greifen daneben nicht ein.
aa) § 6 Abs 6 AAÜG erlaubt es dem Versicherten ausnahmsweise, die Höhe eines Verdienstteils glaubhaft zu machen, wenn der andere Teil des Verdienstes
nachgewiesen ist und eröffnet insoweit zu seinen Gunsten im beschränkten Umfang eine Beweismaßreduzierung, allerdings auf
Kosten eines Abschlags in Höhe eines Sechstels des glaubhaft gemachten Teils des Verdienstes. Eine weitere Verminderung des
Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen
sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung
des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die
Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat.
Auch aus § 6 Abs 5 AAÜG iVm §
256b Abs
1 und §
256c Abs
1 und
3 S 1
SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist
hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung
im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Insofern kann offenbleiben,
ob Abs 5 überhaupt neben Abs 6 zur Anwendung kommen kann (idS BT-Drucks 13/2590 S 33).
bb) Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß §
287 ZPO, die nach §
202 S 1
SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist (vgl zB BSG Urteile vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 § 115 Nr 2; vom 20.5.1987 - 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750 § 287 Nr 1; vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr 5; vom 27.7.1978 - 2 RU 37/78 - Juris RdNr 21), greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen,
ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des §
287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs 6 AAÜG die Höhe des glaubhaften gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die
mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene
Schätzung scheidet damit aus. Andernfalls käme es zu unauflösbaren Widersprüchen, wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt:
Bei der Schätzmethode des LSG handelt es sich um ein in sich geschlossenes Konstrukt, in das mit einer nachträglichen Kürzung
des Schätzergebnisses (um ein Sechstel) derart intensiv eingegriffen würde, dass von einer Schätzung nicht mehr die Rede sein
kann. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen
müssen, ob und ggf wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im
Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept.
Aber selbst wenn man §
287 ZPO in Fällen der vorliegenden Art für anwendbar hält, scheidet eine Schätzung gemäß §
287 Abs
1 ZPO schon mangels "Schadens" von vornherein aus. Schließlich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen des §
287 Abs
2 ZPO nicht erfüllt. Denn diese Norm greift - als Ausnahme von den Grundsätzen in §
286 ZPO und §
128 Abs
1 S 1
SGG - nur ein, wenn eine "Forderung" dem Grunde nach mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht, dh im Vollbeweis
belegt ist, und nur noch ihre "Höhe ... streitig ist" (vgl BSG Urteil vom 28.5.2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr 1 RdNr 12; BGH Urteile vom 17.12.2014 - VIII ZR 88/13 - Juris RdNr 45 und vom 25.10.1984 - IX ZR 76/83 - MDR 1985, 494 = Juris RdNr 13; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, §
63 RdNr 85; Foerste in Musielak/Voit,
ZPO, 13. Aufl 2016, §
287 RdNr 11; Greger in Zöller,
ZPO, 31. Aufl 2016, §
287 RdNr 1; Leipold in Stein/Jonas,
ZPO, 22. Aufl 2013, §
287 RdNr 11 und
29; Prütting in Münchener Kommentar zur
ZPO, 5. Aufl 2016, §
287 RdNr 20; Reichold in Thomas/Putzo,
ZPO, 37. Aufl 2016, §
287 RdNr 7; Saenger,
ZPO, 6. Aufl 2015, §
287 RdNr 11). Die Schätzbefugnis und die damit verbundene Beweismaßreduzierung nach §
287 ZPO beschränkt sich somit auf die Höhe nachgewiesener Forderungen; nur wenn und soweit allein die Forderungshöhe streitig ist,
darf der Richter insofern Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen. Abgesehen davon käme es bei einer Anwendung der Norm
im hier maßgeblichen Zusammenhang zu dem Problem, dass hinsichtlich des "Ob" des Zuflusses (Glaubhaftmachung iS einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit) und mit Blick auf die Höhe der Forderung (Schätzungswahrscheinlichkeit) Erwägungen zu unterschiedlichen
Wahrscheinlichkeitsgraden anzustellen wären. Damit würde aber das rechtswidrige Ergebnis in Kauf genommen, dass beide Faktoren
in ihrer Überlagerung bzw Kombination nicht mehr wahrscheinlich, sondern lediglich möglich wären. Eine derart weite Loslösung
von der Wirklichkeit und die damit verbundene Aufweichung der Feststellungslast sieht §
287 Abs
2 ZPO nicht vor; die bloße Möglichkeit, dass dem Versicherten Arbeitsentgelt in geschätzter Höhe zugeflossen ist, genügt keinesfalls
(vgl zB BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr 4). Schließlich erscheint es methodisch ausgeschlossen, die Schätzbefugnis nach §
287 Abs
1 S 1
ZPO erst nach mehrfacher entsprechender Anwendung dieser Vorschrift zu eröffnen: Über die Verweisung in §
202 S 1
SGG ist §
287 ZPO überhaupt nur "entsprechend anzuwenden" und innerhalb dieser zivilprozessualen Norm ist die Schätzbefugnis in § 287 Abs 1 S 1
SGG über Abs 2 aaO ihrerseits ebenfalls nur "entsprechend anzuwenden", und zwar vorliegend erst, nachdem dessen Regelungsbereich zuvor auf
Fallkonstellationen mit ungeklärter Haftungsgrundlage erweitert worden ist, obgleich die insofern einschlägigen tatsächlichen
Umstände gerade zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen müssen (§
286 ZPO).
Fragestellungen zur Ermittlung und Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen,
die der Entscheidung des 4. Senats in seinem Urteil vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) zugrunde liegen, waren vorliegend nicht zu beantworten. In diesem Fall ebenso wie in dem Urteil
vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4) ging es dem Grunde nach um nachgewiesene Zahlungen.
cc) Da die Höhe der glaubhaft erzielten JEP weder im Vollbeweis noch im Wege der Glaubhaftmachung belegt ist und der Kläger
insofern die Feststellungslast trägt, hat er keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte unter Rücknahme der bisherigen Regelung
weitere Arbeitsentgelte unter Einbeziehung geschätzter JEP festsetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG.