Anspruch auf Arbeitslosengeld; Bemessungsentgelt beim Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab Oktober 2002.
Der 1944 geborene Kläger war seit 1991 bei der Firma B. (B) versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde
durch Aufhebungsvertrag vom 30.1.2001 in beiderseitigem Einverständnis bei Zahlung einer Abfindung von 58 300 DM zum 30.4.2001
beendet, um dem Kläger den Übergang in die GeBeWe Transfergesellschaft mbH (GeBeWe) zu ermöglichen.
Am 1.5.2001 trat der Kläger nach Abschluss einer als "Anstellungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung in ein bis zum 30.9.2002
befristetes Anstellungsverhältnis mit der GeBeWe ein. Nach der Präambel des Vertrags war es dessen Sinn und Zweck, die Chancen
des von Arbeitslosigkeit bedrohten Klägers zur dauerhaften Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern. Der Vertrag
enthielt außerdem ua Regelungen über Bezüge, Urlaub, Nebentätigkeit und Krankmeldung. Der Kläger übte allerdings in der Zeit
vom 1.5.2001 bis 30.9.2002 eine Beschäftigung tatsächlich nicht aus, sondern bezog Kurzarbeitergeld (Kug).
Am 9.9.2002 meldete sich der Kläger zum 1.10.2002 arbeitslos und beantragte Alg. Die Arbeitsbescheinigung der GeBeWe wies
für den Zeitraum Oktober 2001 bis September 2002 ein Arbeitsentgelt von insgesamt 30 865,32 (= 12 x 2572,11) Euro aus.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit ab 1.10.2002 Alg für 960 Tage in Höhe von 253,96 Euro wöchentlich (Bescheid
vom 27.9.2001; Widerspruchsbescheid vom 25.10.2002). Sie ging dabei von einem Bemessungszeitraum 1.10.2001 bis 30.9.2002 und
einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 595 Euro aus (30 865,32 ./. 52 = aufgerundet 595).
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Zahlung von höherem Alg gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 2.2.2006).
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 1.10.2002 Alg in Höhe
von 344,61 Euro wöchentlich zu zahlen (Urteil vom 23.9.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Entgegen
der Auffassung der Beklagten umfasse der Bemessungszeitraum nicht die Zeit vom 1.10.2001 bis 30.9.2002, da der Kläger in diesem
Zeitraum nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und auch kein Entgelt erzielt habe. Er habe sich vielmehr
in "Kurzarbeit Null" befunden und Kug bezogen. Aus der mit GeBeWe geschlossenen Vereinbarung ergebe sich weder, dass eine
Beschäftigung vereinbart worden sei, noch, dass der Kläger Arbeitsentgelt habe beziehen sollen. Der Kläger sei auch nicht
in den Betrieb der Transfergesellschaft eingegliedert gewesen, weil er keinem Weisungsrecht unterstanden habe und zu keiner
Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Der Kläger habe den Eintritt in die Transfergesellschaft als Chance zur Verbesserung
seiner familiären Situation unter dem Gesichtspunkt der Freizeit verstanden. Ein Versicherungspflichtverhältnis ergebe sich
auch nicht aus §
24 Abs
3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III), da der Kläger nie "Beschäftigter" der GeBeWe gewesen sei und auch kein erheblicher Arbeitsausfall in dieser Firma bestanden
habe. Auch sei das Kug kein Arbeitsentgelt, das der Bemessung des Alg zugrunde gelegt werden könne. Nicht einschlägig sei
§
134 Abs
2 Nr
3 SGB III in der bis 2004 geltenden Fassung, weil der Kläger eben keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt während seiner Zugehörigkeit zur
GeBeWe gehabt habe. Maßgebliches Versicherungspflichtverhältnis sei also die zum 30.4.2001 beendete Beschäftigung bei der
Firma B. Der Bemessungszeitraum umfasse zunächst den Zeitraum von Mai 2000 bis April 2001, der Bemessungsrahmen die letzten
52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, also den Zeitraum vom 2.5.2000 bis 30.4.2001. Da der Monat Mai 2000 nicht in vollem
Umfang in den Bemessungsrahmen falle, habe er für die Bestimmung des Bemessungsentgelts unberücksichtigt zu bleiben. Maßgebend
sei mithin das Bruttoarbeitsentgelt von Juni 2000 bis April 2001 in Höhe von insgesamt 83 578,16 DM, das der Kläger in 47,6
Wochen erzielt habe. Hieraus ergebe sich ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 1755,84 DM gleich 897,74 Euro mit der Folge
eines wöchentlichen Leistungssatzes von 344,61 Euro.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Beklagte als Verfahrensfehler einen Verstoß gegen §
128 Abs
1 S 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) und im materiellen Recht Verletzungen des §
24 Abs
1 und
3 SGB III, des §
25 Abs
1 S 1
SGB III sowie der §
132 Abs
1 S 1 und §
134 Abs
2 Nr
3 SGB III (jeweils in der bis Ende 2004 geltenden Fassung). Das LSG habe bei seinen Ausführungen zum Nichtbestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses
in der Zeit ab 1.10.2001 und zur Nichterzielung von Entgelt gegen die Pflicht verstoßen, die Gründe, die für die richterliche
Überzeugungsbildung leitend gewesen sind, anzugeben (§
128 Abs
1 S 2
SGG). Es habe insbesondere nicht hinreichend beachtet, dass dem Kläger Kug gemäß §
175 SGB III in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung bewilligt worden sei, und es habe die Rechtsprechung des BSG nicht berücksichtigt, die auch beim Wechsel des Arbeitnehmers in eine Transfergesellschaft von einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgehe. Das LSG sei auch nicht auf die vom Kläger dem LSG vorgelegte Übersicht "Transfermanagement
der GeBeWe" eingegangen, woraus sich ergebe, dass zwar keine Pflicht zur Erbringung einer produktiv verwertbaren Arbeitsleistung,
jedoch eine Pflicht zur Qualifizierung und damit auch ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Rechtsprechung des BSG bestanden habe. Bei Beachtung dieser Rechtsprechung habe das LSG zum Ergebnis kommen müssen, dass der Bemessungszeitraum
die Zeit vom 1.10.2001 bis 30.9.2002 umfasse und dass das SG die Klage zu Recht abgewiesen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Die bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung des Senats in der Sache
nicht aus.
1. Auszugehen ist nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG davon, dass der Kläger im streitgegenständlichen
Zeitraum ab 1.10.2002 dem Grunde nach Anspruch auf Alg hat (§§
117 ff
SGB III, jeweils in der im Jahre 2002 geltenden Fassung). Der Anspruch ruht nicht wegen der erhaltenen Abfindung, weil zur Zeit der
erstmaligen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit B bereits mehr als ein Jahr
zurücklag (vgl § 143a Abs 2 S 1
SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1971, erhalten hat).
Der Anspruch ruht auch nicht wegen einer Sperrzeit, weil entweder kein sperrzeitbegründendes Verhalten des Klägers iS des
§
144 Abs
1 SGB III in der im Jahre 2002 geltenden Fassung vorliegt oder für den Fall der Annahme von Beschäftigungslosigkeit ab Mai 2001 eine
etwaige Sperrzeit bereits mit der Beschäftigungslosigkeit begonnen hätte und bis zum Beginn der Arbeitslosigkeit abgelaufen
gewesen wäre (vgl BSGE 89, 243 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8).
2. Über die Höhe des dem Kläger zustehenden Alg kann der Senat anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend
entscheiden. Nicht geklärt ist insbesondere, welcher Bemessungszeitraum zugrunde zu legen ist.
a) Die Bemessung richtet sich nach den §§
129 ff
SGB III (jeweils in der im Jahre 2002 geltenden Fassung; vgl Gesetze vom 21.7.1999, BGBl I 1648, 21.12.2000, BGBl I 1983, 16.2.2001, BGBl I 266, 20.12.2001, BGBl I 4013 und 10.12.2001, BGBl I 3443). Maßgebend für die Höhe des Alg ist nach §
129 SGB III insbesondere das pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose
im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst nach §
130 Abs
1 S 1
SGB III in der einschlägigen Fassung die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs,
in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis
vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren. Der Bemessungszeitraum ist ua dann auf zwei Jahre zu erweitern, wenn es
mit Rücksicht auf das Entgelt, das der Arbeitslose in Zeiten der Versicherungspflichtverhältnisse in den letzten zwei Jahren
vor dem Ende des Bemessungszeitraums überwiegend erzielt hat, unbillig hart wäre, von dem Entgelt im Bemessungszeitraum auszugehen
(§
131 Abs
1 SGB III). Bemessungsentgelt ist das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt (§
132 Abs
1 S 1
SGB III). Für Zeiten, in denen der Arbeitslose Kug oder eine Winterausfallgeld-Vorausleistung bezogen hat, ist als Entgelt das Arbeitsentgelt
zugrunde zu legen, das der Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte (§
134 Abs
2 Nr
3 SGB III).
b) Ob die Beklagte zu Recht von einem Bemessungszeitraum vom 1.10.2001 bis 30.9.2002 ausgegangen oder ob der Auffassung des
LSG zu folgen ist, der Kläger habe in diesem Zeitraum nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, lässt sich
nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantworten. Da der Kläger aber in dem vorbezeichneten Zeitraum
unstreitig das so genannte Struktur-Kug nach Maßgabe des §
175 SGB III in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung (alte Fassung [aF], vgl zuletzt Gesetz vom 10.12.2001, BGBl I 3443) bezogen hat,
nachdem er zuvor nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit B in die GeBeWe als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit
iS des §
175 Abs
1 S 1 Nr
2 SGB III aF "eingetreten" war (so jedenfalls die Vereinbarungen mit B und mit GeBeWe), spricht der erste Anschein unter Berücksichtigung
bereits vorliegender Rechtsprechung des BSG dafür, dass der Kläger bei der GeBeWe in einem Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter stand (§
24 Abs
1 und
3, §
25 Abs
1 SGB III).
Der 1. Senat des BSG ist für einen Zeitraum unter Geltung des §
175 SGB III aF beim Wechsel eines Arbeitnehmers vom bisherigen Arbeitgeber zu einer "Auffanggesellschaft" bei "Strukturkurzarbeit Null"
von einem zwischen dem Arbeitnehmer und der "Auffanggesellschaft" bestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
ausgegangen (Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 9/06 R - BSGE 98, 33 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6, RdNr 15 ff). Der 1. Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, die Anstellung bei der "Auffanggesellschaft"
zum Zwecke der Qualifizierung bzw Verbesserung der Vermittlungschancen genüge auch nach dem Rechtsgedanken des §
7 Abs
2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV), um von einem Beschäftigungsverhältnis auszugehen (aaO RdNr 15). Er hat unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung auch hervorgehoben,
dass eine "Beschäftigung" unabhängig davon bestehen kann, ob tatsächlich eine Tätigkeit aufgenommen worden ist (aaO RdNr 16
ff; vgl auch etwa BSGE 36, 161, 164 = SozR Nr 73 zu § 165
RVO oder BSGE 92, 172, 180 = SozR 4-2200 § 200 Nr 1). Zu §
175 SGB III aF wird auch im Schrifttum vertreten, dass die betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheiten, die gebildet werden müssen,
um den Bezug von Kug zu ermöglichen, vor allem der Vermittlung und Qualifizierung dienen und außerhalb dieses Zwecks keinen
anderen Betriebszweck verfolgen müssen (vgl Bachner/Schindele, NZA 1999, 130, 134).
Zu der §
175 SGB III aF für die Zeit ab 1.1.2004 ersetzenden Vorschrift des § 216b
SGB III (idF des Gesetzes vom 19.11.2004, BGBl I 2902; inzwischen seit 1.4.2012 §
111 SGB III) hat der Senat im Übrigen mit Urteil vom 4.7.2012 (B 11 AL 9/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) entschieden, dass ein Arbeitnehmer nach dem Wechsel in eine Transfergesellschaft
bei dieser, soweit eine Eingliederung in den Betrieb ua unter dem Gesichtspunkt der Qualifizierung zu bejahen ist, in einem
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, und zwar auch dann, wenn "Kurzarbeit Null" vereinbart ist. Der Senat
hat insoweit auf die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (neben der bereits erwähnten Entscheidung vom 14.12.2006 auch Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 26/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) sowie darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber durch Änderung des §
170 Abs
1 Nr
4 SGB III mit Wirkung vom 28.12.2011 bzw Einführung des §
96 Abs
1 S 1 Nr
4 SGB III und des §
111 Abs
2 S 2
SGB III mit Wirkung vom 1.4.2012 klargestellt hat, dass auch bei sogenannter "Kurzarbeit Null" ein den Anspruch auf Kug begründender
erheblicher Arbeitsausfall vorliegen kann.
c) Von der vorbezeichneten Rechtsprechung ist auch für die vorliegende Fallgestaltung auszugehen. Deshalb kann nicht unbeachtet
bleiben, dass es nach der Präambel des Anstellungsvertrags zwischen dem Kläger und der GeBeWe Sinn und Zweck des Vertrags
war, die Chancen des von Arbeitslosigkeit bedrohten Klägers zur dauerhaften Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern,
und dass der Vertrag Regelungen enthielt, die für eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb der GeBeWe sprechen (ua Urlaub,
Nebentätigkeit). Ferner hat der Kläger selbst, worauf die Revision zu Recht hinweist, dem LSG eine Übersicht "Transfermanagement
der GeBeWe" vorgelegt mit Angaben zur "Unternehmensphilosophie" der GeBeWe und zu den üblichen Handlungsabläufen ("Was geschieht
in der GeBeWe"). Danach war es das Ziel der GeBeWe, durch konkrete Maßnahmen die betroffenen Mitarbeiter schnellstmöglich
in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Nach diesen Angaben - ersichtlich aus den Akten, auf die das LSG im Tatbestand seines
Urteils Bezug genommen hat - erscheint es zweifelhaft, ob das LSG für die Zeit des Vertragsverhältnisses mit GeBeWe (1.5.2001
bis 30.9.2002) zu Recht das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung verneint hat. Zweifel bestehen schon deshalb,
weil der Kläger in der Zeit ab 1.5.2001 Kug bezogen hat, weshalb anzunehmen ist, dass beim Antrag auf Bewilligung angegeben
worden ist, eine versicherungspflichtige Beschäftigung sei fortgesetzt oder aufgenommen worden (§
172 Abs
1 Nr
1 SGB III in der 2001 bzw 2002 geltenden Fassung).
Allerdings hat das LSG zur Begründung seiner Auffassung auch ausgeführt, der Kläger sei nicht in den Betrieb der GeBeWe eingegliedert
gewesen und habe keinem Weisungsrecht unterstanden; er habe den Eintritt in die GeBeWe vielmehr als Chance zur Verbesserung
seiner familiären Situation unter dem Gesichtspunkt der Freizeit verstanden. Bei diesen Ausführungen handelt es sich jedoch
nicht um tatsächliche Feststellungen, die den Senat nach §
163 SGG binden, zumal dem LSG der "Anstellungsvertrag" vom 21.12.2000 nicht vollständig vorlag. Der Hinweis des LSG auf die fehlende
Eingliederung ist vorwiegend als Darstellung einer Rechtsauffassung zu verstehen. In tatsächlicher Hinsicht ist das BSG nicht an unklare oder widersprüchliche Feststellungen gebunden (vgl etwa BSG SozR Nr 6 zu §
163 SGG; SozR 2200 § 1246 Nr 139; SozR 4-2500 §
192 Nr 4, RdNr 16).
Die Widersprüchlichkeit der tatsächlichen Ausführungen des LSG zur angeblich fehlenden Eingliederung des Klägers in den Betrieb
der GeBeWe ergibt sich insbesondere aus der Erwähnung des Bezugs von Kug nach §
175 SGB III aF und den Hinweisen auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen, die - wie ausgeführt - für eine Eingliederung sprechen.
Zwar sind für die Beurteilung, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, in erster Linie die tatsächlichen
Verhältnisse und ist nicht der Wortlaut von Vereinbarungen maßgebend (vgl etwa BSGE 24, 29, 30 = SozR Nr 1 zu § 539
RVO; BSGE 35, 20, 21 = SozR Nr 34 zu § 539
RVO). Jedoch können sich aus einem Vertrag oder aus sonstigen schriftlichen Unterlagen Indizien für einen bestimmten tatsächlichen
Ablauf ergeben. Auch kommt unter den Umständen des vorliegenden Falls in Betracht, es für die Annahme einer Eingliederung
in den Betrieb der GeBeWe als ausreichend anzusehen, wenn der Kläger sich entsprechend dem geschlossenen Vertrag für Qualifizierungsmaßnahmen
bereit gehalten oder er sich sonst dem Direktionsrecht der GeBeWe unterstellt hat, zB indem er sich als an die Vereinbarungen
zur Anzeige von Urlaub oder Nebentätigkeiten gebunden angesehen hat. Insoweit wird das LSG eindeutige tatsächliche Feststellungen
zu treffen haben.
d) Die Verneinung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit der Folge einer Zurückverlegung des Bemessungszeitraums
(wie vom LSG angenommen), aber auch mit der Folge des Fehlens von Versicherungsschutz während der Zugehörigkeit zur GeBeWe,
wird nur möglich sein, wenn unmissverständlich festgestellt wird, dass eine Durchführung von Vermittlungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen
im Gegensatz zur Konzeption des §
175 SGB III aF nicht beabsichtigt gewesen ist, solche Maßnahmen auch nicht durchgeführt worden sind und der Kläger sich auch im Übrigen
im Widerspruch zu den getroffenen Vereinbarungen in keiner Weise einem Weisungsrecht der GeBeWe unterstellt hat.
Sollten die noch zu treffenden Feststellungen des LSG aber ergeben, dass der Kläger bei der GeBeWe in einem Versicherungsverhältnis
als Beschäftigter gestanden hat, wäre gemäß §
130 Abs
1 SGB III die Zeit vom 1.10.2001 bis 30.9.2002 der maßgebliche Bemessungszeitraum, von dem auch die Beklagte ausgegangen ist. In diesem
Fall wäre als Arbeitsentgelt gemäß §
134 Abs
2 Nr
3 SGB III in der hier einschlägigen Fassung das Arbeitsentgelt anzusetzen, das der Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit
erzielt hätte (vgl dazu näher Urteil des Senats vom 4.7.2012 - B 11 AL 9/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Das LSG wird dann eindeutige Feststellungen zur Höhe des Arbeitsentgelts
zu treffen haben, das die Basis für den Bezug von Kug gewesen ist, und es wird zusätzlich die Härteregelung des §
131 Abs
1 SGB III (idF des 2.
SGB III-Änderungsgesetzes vom 21.7.1999, BGBl I 1648) zu prüfen haben.
3. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.