Anspruch auf Arbeitslosengeld; Bemessungsentgelt beim Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1.7. bis 16.7.2006.
Der 1948 geborene Kläger war seit 1977 bei der Firma F. H. P. (FHP) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 24.6.2005 schlossen
der Kläger und FHP eine Aufhebungsvereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen einvernehmlich
ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum 30.6.2005 endete, der Kläger aus Anlass der Beendigung und für Verlust des sozialen
Besitzstands unter Abgeltung tariflicher Sonderzahlungen eine Abfindung in Höhe von 89 793,42 Euro erhielt und der Kläger
mit Unterschriftsleistung unter einen weiteren "Dreiseitigen Vertrag" mit Wirkung vom 1.7.2005 in eine Transfergesellschaft
wechselte. Im Zeitraum 1.7.2004 bis 30.6.2005 bezog der Kläger laut Arbeitsbescheinigung der FHP ein Bruttoarbeitsentgelt
von insgesamt 44 700,28 Euro.
Der "Dreiseitige Vertrag" wurde unter dem 28.6.2005 zwischen dem Kläger und der FHP sowie der Personalentwicklungsgesellschaft
L mbH (PEG) als der gemäß Interessenausgleich/Sozialplan zur Beantragung von Transfer-Kurzarbeitergeld (Transfer-Kug) gebildeten betriebsorganisatorisch
eigenständigen Einheit abgeschlossen. Der Vertrag sah ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der PEG befristet für die Zeit vom 1.7.2005 bis 30.6.2006 vor. § 2 regelte, dass Inhalt des Arbeitsverhältnisses "die im wesentlichen
gleichen Arbeitsbedingungen" waren, die zwischen Kläger und FHP bestanden hatten, abweichend hiervon jedoch "Kurzarbeit Null",
das Entfallen des Beschäftigungsanspruchs, die Zahlung von Transfer-Kug sowie ein Aufzahlungsbetrag zum Kurzarbeitergeld (Kug)
in Höhe von 10 % des für das Kug maßgeblichen Bemessungsentgelts vereinbart waren. Gemäß § 6 des Vertrags ("Bezüge und Bezugsbasis")
war Grundlage der Bezüge das Entgelt von 3540,29 Euro zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen von 26,59 Euro ("Gesamtbrutto"
3566,88 Euro). § 14 verpflichtete den Kläger, an der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz aktiv mitzuwirken und insoweit an
angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen und anderen Aktivitäten teilzunehmen. Darüber hinaus enthielt der Vertrag ua Bestimmungen
zu Arbeitszeit, Urlaub, Freistellungen und Nebentätigkeiten.
Am 17.5.2006 meldete sich der Kläger zum 1.7.2006 arbeitslos und beantragte Alg. Er legte der Beklagten eine Arbeitsbescheinigung
der PEG vom 8.6.2006 über ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 42 802,56 Euro im Zeitraum 1.7.2005 bis 30.6.2006 vor.
Dementsprechend bewilligte die Beklagte dem Kläger zunächst Alg ab 1.7.2006 für 540 Kalendertage auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts
von 117,27 Euro (42 802,56 ./. 365). Mit seinem Widerspruch legte der Kläger eine neue Arbeitsbescheinigung der PEG über ein Bruttoarbeitsentgelt von 42 879,74 Euro vor. Nachdem der Kläger ab 17.7.2006 eine neue Beschäftigung aufgenommen
hatte, bewilligte ihm die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 9.8.2006 Alg für die Zeit vom 1.7. bis 16.7.2006 nach einem Bemessungsentgelt
von 117,48 Euro (42 879,74 ./. 365). Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
14.8.2006 zurück.
Mit der Klage hat der Kläger unter Hinweis auf eine dritte Arbeitsbescheinigung der PEG (Bruttoarbeitsentgelt 47 277,87 Euro unter Einschluss von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld) die Zahlung von Alg auf der Grundlage
eines Bemessungsentgelts von 129,53 Euro (47 277,87 ./. 365) begehrt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen (Urteil vom 12.12.2007). Auf die Beschwerde des Klägers hat das
Landessozialgericht (LSG) die Berufung zugelassen (Beschluss vom 22.9.2008).
Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. bis 16.7.2006
höheres Alg unter Berücksichtigung eines Bruttoarbeitsentgelts von 44 700,28 Euro zu gewähren; im Übrigen hat das LSG die
Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 30.3.2011). In den Entscheidungsgründen hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Der Regelbemessungsrahmen
von einem Jahr reiche gemäß §
130 Abs
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) nach Beendigung des letzten Versicherungsverhältnisses am 30.6.2006 bis zum 1.7.2005 zurück. In dieser Zeit habe der Kläger
Transfer-Kug erhalten, wodurch gemäß §
24 Abs
3 SGB III Versicherungspflicht begründet worden sei. Dem könne nicht mit dem Einwand begegnet werden, dass in einer Beschäftigungsgesellschaft
nicht gearbeitet werde und "Kurzarbeit Null" keine Beschäftigung sei, weil der Gesetzgeber ein neues Versicherungspflichtverhältnis
"sui generis" zur Verfügung gestellt habe. Der Kläger sei trotz Befreiung von der Arbeitspflicht in besonderem Maße zur Mitwirkung
zB an angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen verpflichtet gewesen und habe folglich in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
gestanden. In dem Bemessungsrahmen vom 1.7.2005 bis 30.6.2006 sei aber kein Bemessungszeitraum mit Entgeltabrechnungszeiträumen
festzustellen; denn der Kläger habe bei der PEG kein Arbeitsentgelt erzielt, sondern eine Sozialleistung erhalten. Der Bemessungsrahmen sei deshalb auf zwei Jahre zu erweitern
und enthalte einen Bemessungszeitraum vom 1.7.2004 bis 30.6.2005, in dem der Kläger bei der FHP Arbeitsentgelt in Höhe von
insgesamt 44 700,28 Euro erzielt habe. Dieses sei der Berechnung des Alg zugrunde zu legen, nicht dagegen das in der dritten
Arbeitsbescheinigung der PEG ausgewiesene Bruttoarbeitsentgelt von 47 277,87 Euro, zumal dieses nicht iS des §
131 Abs
1 SGB III erzielt worden sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III. Das LSG sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger während seiner Tätigkeit bei der PEG in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Zu Unrecht vertrete das LSG aber die Auffassung, im Bemessungsrahmen
sei kein Arbeitsentgelt erzielt worden. Denn nach §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III sei als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen der Arbeitslose Kug bezogen habe, das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das der
Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte. Dem "Dreiseitigen Vertrag" zwischen PEG, FHP und Kläger lasse sich entnehmen, dass das dort vereinbarte Gehalt vom 3566,88 Euro dasjenige Gehalt gewesen sei, das
der Kläger iS des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III "ohne den Arbeitsausfall" bezogen hätte. Die Rechtsauffassung der Beklagten werde bestätigt durch die Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) zum Krankengeld. Da auch keine unbillige Härte iS des §
130 Abs
3 Nr
2 SGB III vorliege, komme es nicht zu einer Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts in vollem Umfang
zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zum Hinweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des BSG zum Krankengeld trägt er vor, dieses Urteil sei durch die Entscheidung des BSG vom 18.5.2010 - B 7 AL 49/08 R - (SozR 4-4300 § 122 Nr 8) überholt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet (§
170 Abs
2 S 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Dem Kläger steht das geltend gemachte höhere Alg nicht zu. Das die Klage in vollem Umfang abweisende erstinstanzliche
Urteil ist somit wiederherzustellen.
1. Nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen geht der Senat davon aus, dass der Kläger für den streitgegenständlichen
Zeitraum vom 1.7. bis 16.7.2006 dem Grunde nach Anspruch auf Alg hat (§§
117,
118 SGB III, jeweils in der im Jahre 2006 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003,
BGBl I 2848). Der Anspruch ruht nicht wegen der erhaltenen Abfindung, weil zur Zeit der erstmaligen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit FHP bereits ein Jahr zurücklag (vgl § 143a Abs 2 S 1
SGB III idF des Gesetzes vom 23.12.2003, aaO).
2. Der Höhe nach hat die Beklagte dem Kläger mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 9.8.2006 Alg nach einem
Bemessungsentgelt von 42 879,74 Euro bewilligt. Entgegen der Auffassung des LSG hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere
Leistung.
a) Die Bemessung richtet sich nach den §§
129 ff
SGB III (jeweils in der im Jahre 2006 geltenden Fassung). Maßgebend ist nach §
129 SGB III insbesondere das pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose
im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach §
130 Abs
1 S 1
SGB III in der einschlägigen Fassung umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis
abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen
umfasst gemäß §
130 Abs
1 S 2
SGB III ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der
Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt
enthält oder wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt
im Bemessungszeitraum auszugehen (§
130 Abs
3 Nr
1 und
2 SGB III). Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose
im Bemessungszeitraum erzielt hat (§
131 Abs
1 S 1
SGB III). Für Zeiten, in denen der Arbeitslose Kug oder eine vertraglich vereinbarte Leistung zur Vermeidung der Inanspruchnahme
von Saison-Kug bezogen hat, ist als Arbeitsentgelt das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das der Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall
und ohne Mehrarbeit erzielt hätte (§
131 Abs
3 Nr
1 SGB III).
b) Das LSG ist zunächst zutreffend von einem Bemessungsrahmen ausgegangen, der mit dem 30.6.2006 endet. Der Kläger stand während
des Arbeitsverhältnisses mit der PEG in der Zeit vom 1.7.2005 bis zum 30.6.2006 in einem Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter (§
24 Abs
1, §
25 Abs
1 SGB III). Dies folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG, wonach das Vertragsverhältnis zwischen Kläger, PEG und FHP deswegen begründet wurde, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, Transfer-Kug gemäß § 216b
SGB III (idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des
SGB III und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902, vgl seit 1.4.2012 §
111 SGB III) zu beziehen, es sich bei der PEG um eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit iS des § 216b Abs 3 Nr 2
SGB III handelte und auch die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses den Vorgaben des § 216b
SGB III entsprach.
Die für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis erforderliche Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers
(vgl dazu etwa Urteil des Senats vom 4.7.2007 - B 11a AL 5/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 8, RdNr 15 mwN) war gegeben. Der Kläger
war im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der PEG verpflichtet, an angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen und anderen Aktivitäten teilzunehmen und er hatte sich darüber hinaus
in mehrfacher Hinsicht (ua bei Freistellungen oder Nebentätigkeiten) dem Direktionsrecht der PEG unterzuordnen (ua §§ 9, 10 des Vertrags). Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass diese Vereinbarungen auch tatsächlich umgesetzt wurden.
Damit entsprachen die zwischen dem Kläger und PEG bzw FHP getroffenen Vereinbarungen und deren Umsetzung sowohl den die Vermittlung und Qualifizierung betreffenden Vorgaben
des § 216b Abs 6
SGB III (vgl dazu Estelmann in Eicher/Schlegel,
SGB III, § 216b RdNr 128, Stand Juni 2007) als auch der Voraussetzung des § 216b Abs 4 Nr 2 Buchst a
SGB III, wonach die persönlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transfer-Kug ua dann erfüllt sind, wenn der Arbeitnehmer eine
versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt.
Der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Zeitraum 1.7.2005 bis 30.6.2006 steht nicht entgegen,
dass zwischen Kläger, PEG und FHP für die Zeit ab 1.7.2005 "Kurzarbeit Null" vereinbart und der Kläger dementsprechend im Arbeitsverhältnis mit PEG von einer tatsächlichen Beschäftigung freigestellt war (vgl § 3 Nr 3 des "Dreiseitigen Vertrags" vom 28.6.2005). Denn nach §
24 Abs
3 SGB III besteht das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte während eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der
Vorschriften über das Kug fort. Es sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, die Regelung des §
24 Abs
3 SGB III, die auf § 65 Abs 1 S 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zurückgeht (vgl BTDrucks 13/4941 S 157), nicht auch im Fall eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall iS des § 216b Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2
SGB III anzuwenden. Dabei muss der Arbeits- und Entgeltausfall denknotwendig auch an die beim früheren Arbeitgeber gegebenen Verhältnisse
anknüpfen, weil § 216b Abs 2
SGB III den Arbeitsausfall als das nicht nur vorübergehende Entfallen von Beschäftigungsmöglichkeiten infolge einer Betriebsänderung
definiert (vgl zur Konzeption des § 216b
SGB III: Estelmann in Eicher/Schlegel,
SGB III, § 216b RdNr 5 ff, Stand Juni 2007; Krodel in Niesel/Brand,
SGB III, 5. Aufl 2010, § 216b RdNr 3; Bieback in Gagel, SGB II/SGB III, § 216b
SGB III RdNr 12 ff, Stand 2010, und in NZS 2011, 241, 243; Köster/Nimscholz/Korte, Kurzarbeit und Beschäftigungstransfer, 2009, S 86 ff).
Die von der Versicherungspflicht des Klägers als Beschäftigter auch für die Zeit ab 1.7.2005 ausgehende Auffassung wird bestätigt
durch die zum Krankengeld und zu §
5 Abs
1 Nr
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) ergangene Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (BSGE 98, 33 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6, jeweils RdNr 15 ff, 20; Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 26/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 10, jeweils mwN). Der 1. Senat hat insoweit unter Bezugnahme auf ältere Rechtsprechung
betont, dass eine "Beschäftigung" unabhängig davon bestehen kann, ob tatsächlich eine Tätigkeit aufgenommen worden ist (vgl
BSGE 98 aaO RdNr 17 f, mit Hinweisen ua auf BSGE 36, 161, 164 = SozR Nr 73 zu § 165
RVO S Aa95 oder BSGE 92, 172, 180 = SozR 4-2200 § 200 Nr 1 S 9). Diese Rechtsprechung ist auch für die Auslegung des §
130 Abs
1 S 2
SGB III iVm §§
24 und
25 SGB III heranzuziehen.
Die Auffassung, dass der Kläger bei der PEG versicherungspflichtig war, steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des für die Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung
mittlerweile nicht mehr zuständigen 7. Senats des BSG, der Zweifel geäußert hat, ob bei "Kurzarbeit Null" überhaupt ein erheblicher Arbeitsausfall angenommen werden kann (vgl
BSG SozR 4-4300 § 173 Nr 1 RdNr 12; Urteil vom 14.9.2010 - B 7 AL 29/09 R - Juris RdNr 11 ff; kritisch ua Bieback NZS 2011, 241 ff). Denn in dieser Rechtsprechung ist offen geblieben, welche Auswirkungen sich im Einzelnen auf die Anwendung des § 216b
SGB III ergeben (BSG SozR 4-4300 § 173 Nr 1 aaO; Urteil vom 14.9.2010 - B 7 AL 29/09 R - Juris RdNr
12). Die Aussage, §
24 Abs
3 SGB III setze nicht zwingend die Zulässigkeit von "Kurzarbeit Null" voraus (BSG SozR 4-4300 § 173 Nr 1 aaO), trägt zur Beantwortung der Frage, ob der Kläger unter den vorliegend gegebenen Umständen bei PEG versicherungspflichtig beschäftigt war, nichts bei. Im Übrigen hat der Gesetzgeber durch die vom 28.12.2011 bis 31.3.2012
geltende Fassung des §
170 Abs
1 Nr
4 SGB III bzw die ab 1.4.2012 geltenden Fassungen des §
96 Abs
1 S 1 Nr
4 SGB III bzw des §
111 Abs
2 S 2
SGB III (jeweils idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854) klargestellt,
dass ein den Anspruch auf Kug begründender erheblicher Arbeitsausfall auch bei einem vollständigen Entgeltausfall vorliegen
kann (vgl Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 17/6277 S 86, zu Nr 6).
c) Der Senat folgt dem LSG nicht, soweit es angenommen hat, der am 30.6.2006 endende und bis 1.7.2005 zurückreichende Regelbemessungsrahmen
von einem Jahr sei gemäß §
130 Abs
3 Nr
1 SGB III auf zwei Jahre zu erweitern, weil er keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfasse. Das LSG hat insoweit die Regelung
des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III (in der ab 1.4.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl I 926) nicht
hinreichend beachtet. Diese bestimmt für Zeiten, in denen der Arbeitslose Kug oder eine vertraglich vereinbarte Leistung zur
Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kug bezogen hat, die fiktive Zugrundelegung des Arbeitsentgelts, das der Arbeitslose
ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte. Diese Regelung ist auch für den vorliegenden Fall des Bezugs von
Transfer-Kug gemäß § 216b
SGB III einschlägig. Sie führt dazu, dass bei der Anwendung des §
130 Abs
3 Nr
1 SGB III (idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) auch das fiktive Arbeitsentgelt
zu berücksichtigen ist, das der Arbeitslose nach Maßgabe des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III erzielt hätte.
Der Wortlaut des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III stellt (ua) auf den Bezug von "Kug" ab. Beim Transfer-Kug iS des § 216b
SGB III handelt es sich um Kug, wenn auch um eine besondere Form des Kug. Zwar war der mit Wirkung vom 1.1.2004 eingeführte § 216b
SGB III anders als der ihm vorausgehende §
175 SGB III in seiner bis 31.12.2003 geltenden Fassung (vgl Job-AQTIVGesetz vom 10.12.2001, BGBl I 3443) nicht mehr im Unterabschnitt
Kug (§§
169 ff
SGB III) enthalten; jedoch ist zu beachten, dass §
134 Abs
2 Nr
3 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes [AFRG] vom 24.3.1997, BGBl I 594) bis Ende 2003 ebenfalls (ua) auf den Bezug von
"Kug" abstellte und dass zu dieser Zeit §
175 SGB III sich noch im Unterabschnitt Kug befand. Da §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung dem früheren §
134 Abs
2 Nr
3 SGB III entspricht (vgl BT-Drucks 15/1515 S 85, zu §
131 Abs 2 und 3 sowie BT-Drucks 15/1515 S 93, zu Abs 10), ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Änderung des Regelungsgehalts
nicht beabsichtigt hat und dass weiterhin mit Kug iS des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III auch das Transfer-Kug gemeint ist. Im Übrigen ist die Einbeziehung des Transfer-Kug in §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III auch wegen § 216b Abs 10
SGB III geboten (vgl BT-Drucks 15/1515 S 93, zu Abs 10; zweifelnd LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.10.2011 - L 1 AL 8/10 - Revision anhängig unter B 11 AL 1/12 R).
Etwas anderes folgt nicht aus der vom Kläger angeführten Rechtsprechung des BSG, wonach das seit 1.1.2005 geltende Bemessungsrecht im Unterschied zu dem bis 31.12.2004 geltenden Recht nur die Einbeziehung
von Entgelten aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen vorsieht, nicht dagegen Entgelte aus sonstigen Versicherungspflichtverhältnissen
(vgl BSG, Urteil vom 18.5.2010 - B 7 AL 49/08 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 8, RdNr 15 mwN). Denn der Kläger stand - wie unter b ausgeführt - in der Zeit vom 1.7.2005 bis 30.6.2006
in einem Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter.
Der Anwendung des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III auf die vorliegende Fallgestaltung steht auch nicht die frühere Rechtsprechung des BSG zu § 112 AFG (vgl BSGE 74, 96 = SozR 3-4100 § 112 Nr 17) entgegen, weil das AFG noch keine Regelung enthielt, wie sie für den streitgegenständlichen Zeitraum §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III trifft. § 112 Abs 5 Nr 5 AFG betraf vielmehr nur den Fall des Bezugs einer Winterausfallgeld-Vorausleistung gemäß § 74 Abs 2 S 2 AFG; die fiktive Berücksichtigung des Kug wurde erst durch §
134 Abs
2 Nr
3 SGB III idF des AFRG gesetzlich vorgeschrieben. Soweit das LSG unter Hinweis auf die vorbezeichnete Rechtsprechung zum AFG argumentiert, der Kläger habe mit dem Kug kein Arbeitsentgelt, sondern eine Sozialleistung erhalten, verkennt es, dass §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III ausdrücklich auf fiktives Arbeitsentgelt abstellt, das ohne Arbeitsausfall hätte erzielt werden können (vgl auch zur Entgeltfunktion
des Kug Urteil des BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 18/11 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 18).
Die Berücksichtigung auch fiktiven Arbeitsentgelts iS des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III bei der Anwendung des §
130 Abs
3 Nr
1 SGB III ist insbesondere unter Beachtung des Zusammenhangs mit §
24 Abs
3 SGB III (vgl Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
131 RdNr
75, Stand Juni 2009) geboten. Besteht - wie unter b ausgeführt - in Fällen des Bezugs von Transfer-Kug trotz des auch auf das
frühere Arbeitsverhältnis zu beziehenden Arbeits- und Entgeltausfalls ein Versicherungspflichtverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer
und der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (hier der PEG) gemäß §
24 Abs
1 und Abs
3 SGB III, ist es sachgerecht, bei der Bemessung von Alg auf das während des Bestehens dieses Versicherungsverhältnisses "ausgefallene"
Arbeitsentgelt und nicht auf in anderen Zeiträumen erzielte Entgelte abzustellen (vgl Durchführungsanweisung [DA] der Beklagten
zu §
131 SGB III, Stand 2006, wonach im Gegensatz zu einer früheren DA als ausgefallenes Arbeitsentgelt das während des Bezugs von Transfer-Kug
aktuell ausgefallene Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist; Köster/Nimscholz/Korte, Kurzarbeit und Beschäftigungstransfer,
2009, S 95; vgl auch Urteil des 1. Senats des BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 26/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 10, zur Bestimmung des für das Krankengeld maßgeblichen Arbeitsentgelts nach
§
47 SGB V bei Bezug von Transfer-Kug).
Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts, das der Kläger iS des §
131 Abs
3 Nr
1 SGB III ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte, ist somit anhand der für die Zeit des Bestehens von Versicherungspflicht
bei der Transfergesellschaft getroffenen Vereinbarungen zu bestimmen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist das
im "Dreiseitigen Vertrag" als "Bezugsbasis" vereinbarte Entgelt maßgebend; dieses Entgelt ist auch das für die Bemessung des
Transfer-Kug maßgebliche Sollentgelt (§
179 Abs
1 S 2
SGB III idF des AFRG). Soweit es darauf ankommt, ob der Kläger das ausgefallene Entgelt "erzielt hätte" (also tatsächlich erhalten hätte, vgl
BSG, Urteil vom 8.2.2007 - B 7a AL 28/06 R - Juris RdNr 17), sind Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ohne Arbeitsausfall das
ihm dann zustehende Entgelt nicht ausgezahlt bekommen hätte, nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich.
Als "Bezugsbasis" war nach den getroffenen Feststellungen zwischen Kläger, FHP und PEG ein monatliches Bruttoentgelt von 3566,88 Euro vereinbart; hieraus ergibt sich für den gesamten Bemessungszeitraum von einem
Jahr ein Bruttoentgelt von insgesamt 42 802,56 Euro, das die Beklagte auch zunächst der Bemessung zugrunde gelegt hat. Soweit
die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 9.8.2006 entsprechend der vorgelegten zweiten Arbeitsbescheinigung ein geringfügig
höheres Bruttoentgelt von 42 879,74 Euro angesetzt hat, kann offen bleiben, ob der Kläger hierauf Anspruch hatte; der Kläger
ist durch die vorgenommene Bewilligung jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt. Ein Anspruch auf Berücksichtigung der
früher mit FHP vereinbarten Sonderleistungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld besteht - wie auch das LSG zutreffend ausgeführt
hat - nicht, zumal der Kläger nach den getroffenen Feststellungen beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit FHP eine
Abfindung für den Verlust des sozialen Besitzstandes "unter Abgeltung tariflicher Sonderzahlungen" erhalten hat.
d) Die Revision hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, dass der am 30.6.2006 endende und bis 1.7.2005 zurückreichende
Regelbemessungsrahmen von einem Jahr auch nicht gemäß §
130 Abs
3 Nr
2 SGB III auf zwei Jahre zu erweitern ist. Denn das Bemessungsentgelt aus einem erweiterten Bemessungsrahmen übersteigt nicht das um
10 % erhöhte Bemessungsentgelt aus dem Regelbemessungsrahmen (vgl Urteil des Senats vom 24.11.2010 - B 11 AL 30/09 R - BSGE 107, 114 = SozR 4-4300 § 130 Nr 7).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.