Beitragsbemessung zur Krankenversicherung
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist.
2. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht
an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.
3. Die erforderliche übergreifende Relevanz liegt dann vor, wenn die Rechtsfrage auch für weitere Fälle maßgeblich und deshalb
das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist.
4. Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn
diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen
sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben.
5. Auch bei Prämien, die ein Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf eine Direktversicherung einzahlt,
bestehen gegen eine Beitragspflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken, solange der Arbeitgeber die Direktversicherung
als Versicherungsnehmer fortführt.
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin im Wege des Überprüfungsverfahrens
gegen die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung aus 2006 und 2007
ausgezahlten Leistungen zweier Kapitallebensversicherungen (Bescheide vom 17.5.2013; Widerspruchsbescheide vom 6.8.2013).
Die mit dem Ziel erhobene Klage, die Kapitalleistungen nicht der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, soweit sie auf seit
dem 1.1.2000, nach dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis, gezahlten Versicherungsbeiträgen beruhten, hat
das SG Lüneburg abgewiesen (Urteil vom 11.2.2016). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Die Kapitalleistungen
seien nach der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG beitragspflichtig. Nicht die Klägerin, sondern das von ihrem Ehemann übernommene, auf einen Dritten übergegangene
Unternehmen sei weiterhin Versicherungsnehmer (Urteil vom 16.11.2016). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin
Beschwerde eingelegt.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG). Die Klägerin hat entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu
exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage
zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch
unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Es ist jedenfalls versäumt worden, die über den Einzelfall
hinausgehende allgemeine Bedeutung der aufgeworfenen Frage aufzuzeigen. Die erforderliche übergreifende Relevanz liegt dann
vor, wenn die Rechtsfrage auch für weitere Fälle maßgeblich und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen
Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (BSG Beschluss vom 26.1.2012 - B 5 R 334/11 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39 S 58). Dass sich die aufgeworfene Rechtsfrage als solche in der Rechtspraxis in einer Vielzahl von Fällen stellt und
damit "Breitenwirkung" entfaltet, hat die Klägerin aber nicht dargetan. Zudem ist auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen
Frage zwar behauptet, aber nicht dargelegt worden.
Ferner ist die erforderliche Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt worden. Eine Rechtsfrage ist auch
dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich
entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte
zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Die Beschwerdebegründung setzt sich aber weder mit der Rechtsprechung des BSG zur Beitragspflicht von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung noch hinreichend mit hierzu ergangenen Entscheidungen
des BVerfG auseinander. Danach gehören Leistungen aus einer Direktversicherung selbst dann zu den Leistungen der betrieblichen
Altersversorgung, wenn sie ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitnehmers selbst beruhen (vgl zB BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 18 ff mwN). Auch bei Prämien, die ein Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
auf eine Direktversicherung einzahlt, bestehen gegen eine Beitragspflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken, solange der
Arbeitgeber die Direktversicherung als Versicherungsnehmer fortführt (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 15 f und Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 14 f). Die Klägerin hätte daher unter Auswertung dieser Rechtsprechung vortragen müssen, weshalb
gleichwohl noch keine einschlägige Entscheidung vorliegt oder durch schon vorliegende Rechtsprechung die für klärungsbedürftig
erachtete Frage nicht oder nicht umfassend beantwortet sein soll (vgl BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 2 U 348/11 B - Juris RdNr 29). Soweit im Zusammenhang mit der Entscheidung des BVerfG vom 28.9.2010 (aaO) geltend gemacht wird, es dürfe
nicht "auf die Frage der Versicherungsnehmereigenschaft abgestellt" werden, wird die Richtigkeit des angegriffenen Urteils
beanstandet. Darauf kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision jedoch nicht in zulässiger Weise gestützt werden
(vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.