Höhe der Beiträge für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte hauptberuflich selbständige Erwerbstätige
bei verschlechterter Einkommenssituation
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten zuletzt noch darüber, ob die Beiträge des Klägers zu seiner freiwilligen Krankenversicherung für
das Kalenderjahr 2004 statt erst ab dem 1.7.2004 bereits für die Zeit ab dem 1.1.2004 auf der Grundlage geminderter Einnahmen
zum Lebensunterhalt festzusetzen sind.
Der seit 1.10.1998 bei der Beklagten freiwillig krankenversicherte Kläger ist hauptberuflich selbstständig tätig. Mit Bescheid
vom 19.12.2002 setzte die Beklagte ausgehend von der für das Kalenderjahr 2003 geltenden Beitragsbemessungsgrundlage von 3.450
Euro die Beiträge ab 1.1.2003 auf 438,16 Euro monatlich fest.
Am 27.12.2002 beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine verschlechterte Einkommenslage die Herabsetzung der Beiträge und
fügte eine betriebswirtschaftliche Auswertung vom November 2002 sowie die Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2001 bei.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin am 10.1.2003 fernmündlich mit, dass eine Beitragsherabstufung nur aufgrund von vorgelegten
Einkommenssteuerbescheiden möglich sei. Unter dem 21.1.2003 übersandte der Kläger die von seinem Steuerberater erstellte Bilanz
für das Jahr 2001, die betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2002 sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für das
Jahr 2001. Im Rahmen der telefonischen Unterredung mit der Beklagten am 27.1.2003 sagte der Kläger die unverzügliche Übersendung
des nächsten Einkommenssteuerbescheides zu.
Für die Zeit ab dem 1.1.2004 setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung mit 442,92 Euro fest (Bescheid vom 17.12.2003).
Hiergegen erhob der Kläger am 30.12.2003 Widerspruch und verwies unter Vorlage einer Kopie der Einkommenssteuererklärung auf
negative Einkünfte im Kalenderjahr 2002 sowie auf die nochmals verschlechterte Situation im Jahr 2003. Während dieses Verfahrens
legte er am 15.6.2004 den Einkommenssteuerbescheid für das Kalenderjahr 2002 vom 11.6.2004 vor, der auf der Grundlage von
- negativen - Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.098 Euro und Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 4.080 Euro
die Einkommenssteuer mit "Null" festsetzte.
Die Beklagte setzte daraufhin mit Bescheid vom 29.6.2004 den Beitrag für die Zeit ab dem 1.7.2004 auf 230,02 Euro fest und
wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 15.3.2005 zurück.
Der Kläger hat Klage erhoben und zunächst die Herabsetzung der Beiträge auch für das Kalenderjahr 2003 begehrt. Das Sozialgericht
(SG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 26.7.2007 die Bescheide vom 10.1.2003, 17.12.2003 und 29.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 15.3.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die streitigen Beiträge für die Zeit ab 1.1.2003 unter Zugrundelegung
der Mindestbemessungsgrundlage neu festzusetzen. Die Beklagte hat Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem
Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen am 11.9.2008 haben sich die Parteien unter anderem darauf verständigt, ihren
Streit im vorliegenden Verfahren auf das Kalenderjahr 2004 zu beschränken. Der Kläger hat erklärt, er werde aus dem Urteil
des SG hinsichtlich des Kalenderjahres 2003 keine Rechte herleiten. Hinsichtlich der Beitragseinstufung für 2003 hat der Kläger
in der mündlichen Verhandlung eine Überprüfung nach § 44 SGB X beantragt und sich damit einverstanden erklärt, dass die Durchführung des Verwaltungsverfahrens so lange zurückgestellt wird,
bis in dem Verfahren über das Streitjahr 2004 eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Das LSG hat mit Urteil vom selben
Tag das Urteil des SG Düsseldorf aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen
Folgendes ausgeführt: Für die Beklagte habe sich aus §
240 Abs
4 Satz 2
SGB V die Verpflichtung ergeben, bei der Bemessung der Beiträge für den Kalendertag den dreißigsten Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze
anzusetzen. Den Nachweis niedrigerer Einnahmen habe der Kläger erst mit der Übersendung des Einkommenssteuerbescheides 2002
am 15.6.2004 für die Zeit ab dem 1.7.2004 geführt. Dem habe die Beklagte mit dem Bescheid vom 29.6.2004 Rechnung getragen
und die Beiträge ab 1.7.2004 auf monatlich 230,02 Euro festgesetzt. Früher vorgelegte Unterlagen wie die betriebswirtschaftliche
Auswertung 2002, die Einkommenssteuererklärung 2001, die Gewinn- und Verlustrechnung 2001 sowie die Bilanz 2001 seien keine
Nachweise im Sinn der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Ob Vorauszahlungsbescheide als qualifizierte amtliche Nachweise
anzusehen seien, könne vorliegend dahinstehen.
Der Kläger wendet sich hiergegen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. §
240 Abs
4 Satz 2
SGB V könne nicht entnommen werden, dass Grundlage einer Beitragsfestsetzung allein der Einkommenssteuerbescheid sein könne. Dies
gelte auch für die Gesetzesmaterialien. Entsprechende Anforderungen ergäben sich auch nicht aus den Urteilen des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 22.3.2006 (B 12 KR 14/05 R) und vom 14.12.2006 (B 1 KR 11/06 R).
Der Kläger stellt den Antrag:
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11.9.2008 - L 5 KR 95/07 - wird aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.7.2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und die Revision für unzulässig. Die Begründung des Rechtsmittels lasse unbeachtet,
dass das LSG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG auch andere amtliche Nachweise für ausreichend erachte.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Ein Anspruch auf Neufeststellung der Beitragshöhe auf der Grundlage von beitragspflichtigen
Einnahmen in Höhe der Mindestbemessungsgrenze für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige schon ab dem 1.1.2004 besteht
nicht. Zutreffend ist das Berufungsgericht demgegenüber davon ausgegangen, dass die Beklagte erst mit Beginn des auf die Vorlage
des Einkommenssteuerbescheides für das Kalenderjahr 2002 am 15.6.2004 folgenden Monats verpflichtet war, von einem Nachweis
niedrigerer Einnahmen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Klägers auszugehen und die Beiträge zu seiner freiwilligen
Krankenversicherung unter Änderung der bisher getroffenen Regelung für die Zeit ab dem 1.7.2004 zukunftsgerichtet neu festzusetzen.
Ebenfalls zutreffend hat das LSG unter anderem deshalb das Urteil des SG aufgehoben und die Klage gegen den zuletzt allein noch streitigen Bescheid vom 17.12.2003 abgewiesen.
Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 19.12.2002 den Krankenversicherungsbeitrag des hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen
Klägers für die Zeit ab dem 1.1.2003 ausgehend von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze
von 3.450 Euro und dem Beitragssatz von 12,7 % endgültig und mit Dauerwirkung (vgl dazu BSG, Urteil vom 23.11.1992, 12 RK 29/92, BSGE 71, 237 = SozR 3-2500 § 240 Nr 12 mwN) auf 438,16 Euro festgesetzt. An diese vor dem SG auch angefochtene, aber jedenfalls mit der insoweit erklärten Klagerücknahme vor dem Berufungsgericht bestandskräftig (§
77 SGG) gewordene Regelung ist die Beklagte bereits seit ihrer Bekanntgabe an den Kläger - relativ - gebunden (§§ 37 Abs 1 Satz 1, 39 Abs 1 SGB X). Eine Befugnis der Beklagten zur Aufhebung für die Zukunft und ein hierauf gerichteter Anspruch des Klägers kommt hier nur
auf der Grundlage von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X für Zeiten ab dem 1.7.2004 in Betracht. Erst ab diesem Zeitpunkt ist Raum für eine den geänderten Einkommensverhältnissen
Rechnung tragende umfassende (vgl Urteil des Senats, aaO) Neubestimmung der monatlichen Beitragshöhe, wie sie die Beklagte
zutreffend mit dem weiteren Bescheid vom 29.6.2004 vorgenommen hat. Demgegenüber hat sich die Beklagte im Bescheid vom 17.12.2003
zunächst zu Recht darauf beschränkt, unter schlüssiger Aufhebung der vorangehenden Regelung den Monatsbeitrag für die Zeit
ab dem 1.1.2004 auf der Grundlage der im Blick auf die neue Beitragsbemessungsgrenze von nunmehr 3.487,50 Euro geänderten
beitragspflichtigen Einnahmen zu bestimmen.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988
(BGBl I 2477) am 1.1.1989 nach §
240 SGB V. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs 1 Satz 1),
wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt (Abs 1
Satz 2). Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren
versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Nach §
240 Abs
4 Satz 2 und
3 SGB V (in der hier anzuwendenden, seit dem 1.1.1993 geltenden Fassung, angefügt durch Art 1 Nr 137 Buchst c des Gesundheitsstrukturgesetzes
vom 21.12.1992 [BGBI I 2266], Satz 2 seit dem 1.1.2003 mit den hier nicht einschlägigen Änderungen durch Art 3 Nr 6 des Zweiten
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 [BGBI I 4621]) gelten für freiwillige Mitglieder, die
hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der
monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§
223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz
2). Veränderungen der Beitragsbemessung können aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten
Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (§ 240 Abs 4 Satz 3).
Beim Kläger ist §
240 Abs
4 Satz 2
SGB V anzuwenden. Der Kläger ist im Sinn dieser Vorschrift und im Sinn des §
5 Abs
5 SGB V hauptberuflich selbstständig erwerbstätig. Eine solche Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung
und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit
darstellt (vgl BSG, Urteil vom 26.9.1996, 12 RK 46/95, BSGE 79, 133 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27). Auf die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter einer GbR traf dies ausgehend von den Feststellungen
des LSG zu. Die für die Bemessung der Beiträge zu seiner freiwilligen Krankenversicherung maßgeblichen "Einnahmen" entsprechen,
soweit es um die Einnahmen aus seiner selbstständigen Tätigkeit geht, dem Arbeitseinkommen iS von §
15 Abs
1 SGB IV (in der hier einschlägigen Fassung vom 1.1.1995 bis 31.12.2005). Maßgeblich ist hiernach nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des
Einkommenssteuerrechts (vgl BSG, Urteil vom 26.9.1996, aaO).
Der Senat hat bereits im genannten Urteil vom 26.9.1996 darauf hingewiesen, dass auch für die Beitragsbemessung auf der Grundlage
von §
240 SGB V für die Beitragsbemessung Selbstständiger außer dem am Einkommensteuerrecht ausgerichteten Arbeitseinkommen derzeit kein
gesetzlich oder anderweit geregeltes System der Einkommensermittlung zur Verfügung steht, das verwaltungsmäßig durchführbar
wäre und ohne unzumutbare Benachteiligung dieses Personenkreises verwirklicht werden könnte. So scheide bereits eine objektive
Ermittlung des Einkommens Selbstständiger ohne die Heranziehung amtlicher Unterlagen der Finanzverwaltung aus. Anders als
dieser stehe den Krankenkassen weder rechtlich noch organisatorisch ein Instrumentarium zur Verfügung, das sie in die Lage
versetze, die Höhe der Bruttoeinnahmen der Versicherten aus selbstständiger Tätigkeit festzustellen. Insbesondere dürften
sie wegen des Steuergeheimnisses (§
30 der
Abgabenordnung) ohne ausdrückliche Zustimmung der Versicherten keine Informationen über deren Einnahmen von den Finanzämtern erhalten. Sie
seien vielmehr bei freiwillig versicherten Selbstständigen auf deren Angaben und die von ihnen vorgelegten Bescheide der Finanzämter,
insbesondere die Einkommensteuerbescheide, angewiesen. Die Unterstellung, niedrigere Einnahmen als die Regeleinnahmen seien
solange nicht nachgewiesen, wie der Versicherte nicht sein Einverständnis zur Beiziehung der Steuerunterlagen erteilt habe,
helfe nicht weiter. Auch nach Beiziehung der Unterlagen ließen sich in der Regel keine brauchbaren Kriterien finden, um die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abweichend vom Gewinn im Sinne des Einkommensteuerrechts festzustellen. So eigneten sich
weder der Umsatz noch die Bruttoeinnahmen der Selbstständigen als Bemessungsgrundlage, weil dann Betriebsvermögen und Betriebsausgaben
außer Ansatz blieben. Dies werde besonders deutlich beim gewerblichen Verkauf von Waren. Hier könne nicht der erzielte Bruttoverkaufspreis
maßgeblich für die Beitragsbemessung sein, ohne etwa den Einkaufspreis, die Kosten der Lagerung und des Verkaufs und den Wertverfall
der Ware zu berücksichtigen. Denn dann würden Selbstständige im Vergleich zu Versicherten, die nur Einkünfte aus nicht selbstständiger
Arbeit und somit kein Betriebsvermögen und keine Betriebsausgaben haben, unzumutbar benachteiligt. Die Besonderheit, dass
die selbstständige Erwerbstätigkeit grundsätzlich mit einem Betriebsvermögen und mit Betriebsausgaben verbunden sei, habe
auch im Einkommensteuerrecht dazu geführt, dass bei selbstständiger Tätigkeit nicht die Einnahmen als Besteuerungsgrundlagen
festgelegt worden seien, sondern der Gewinn. Die entsprechenden Regelungen seien bereits durch das
Einkommensteuergesetz (
EStG) vom 10.8.1925 (RGBl I 189) eingeführt worden. Die Gesetzesmaterialien zu § 7 dieses Gesetzes (RT-Drucks 1924/1925 Nr 795
S 40, 41) enthielten eine überzeugende Begründung für die unterschiedlichen Einkommensbegriffe. Die heute geltenden Vorschriften
zur steuerlichen Ermittlung des Gewinns seien zwar differenzierter als die des Jahres 1925. Im Wesentlichen, nämlich hinsichtlich
der Einbeziehung des Betriebsvermögens in die Gewinnermittlung, unterscheide sich die geltende allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift
des §
4 Abs
1 Satz 1
EStG 1990 jedoch nicht von der des Jahres 1925. Danach sei Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss
des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der
Einnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Diese Gewinnermittlung durch den Vergleich des Betriebsvermögens sei nach
Maßgabe des §
5 EStG 1990 für Vollkaufleute und sonstige buchführungspflichtige Gewerbetreibende zwingend vorgeschrieben. Die übrigen Selbstständigen
können unter bestimmten Voraussetzungen statt dessen die vereinfachte Form der Gewinnermittlung nach §
4 Abs
3 Satz 1
EStG 1990 wählen, wonach als Gewinn der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angesetzt werde.
Die Anknüpfung von §
240 Abs
4 Satz 2
SGB V über §
15 SGB IV an das Steuerrecht hinsichtlich des Begriffs der Einnahmen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit bei freiwillig Versicherten
legt es nahe, auch hinsichtlich der Frage, wie die Höhe dieser Einnahmen nachgewiesen und in welchem Umfang Änderungen bei
bereits verbindlich festgestellten Einnahmen Rechnung getragen werden kann, möglichst weitgehend mit den Gegebenheiten des
Einkommenssteuerrechts sowie mit dem Verwaltungsverfahren der Finanzverwaltung und dessen Ergebnissen in Übereinstimmung zu
bringen. Das dient auch der kostensparenden Verwaltungsvereinfachung für die Krankenkassen (vgl BSG, Urteil vom 27.11.1984,
12 RK 70/82, BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20 S 62). Die Notwendigkeit, den Einkommensteuerbescheid zugrunde zu legen, folgt hinsichtlich des Nachweises
der Höhe der Einnahmen schon aus den Besonderheiten bei der Ermittlung des Gewinns als beitragspflichtiger Einnahme. Bei hauptberuflich
Selbstständigen können die tatsächlich erzielten Einnahmen und insbesondere der Gewinn, anders als bei Arbeitnehmern, in der
Regel nur zeitversetzt zugrunde gelegt werden. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der steuerrechtlich maßgebliche Gewinn
nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststeht, mit dessen Ablauf auch die Einkommensteuer entsteht (§
36 Abs
1 EStG). Hinzu kommt der Zeitraum bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides bei der Krankenkasse. Erst mit diesem Zeitpunkt
stehen den Krankenversicherungsträgern, die über keine eigenen Ermittlungs- und Feststellungsmöglichkeiten verfügen, Daten
zu Verfügung, auf deren Grundlage sie ggf am Beginn der Berufslaufbahn zunächst vorläufig festgesetzte Beiträge (vgl Urteil
des Senats vom 22.3.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5) endgültig feststellen können und auf die ausgehend von einer ihrerseits auf einer verlässlichen
Grundlage basierenden Prognose im Regelfall eine endgültige Beitragsfestsetzung für die Zukunft zulässig gestützt werden kann.
Der Betrag des Gewinns kann daher verlässlich nur dem jeweils letzten Einkommenssteuerbescheid entnommen werden. Auf die Entrichtung
des so festgesetzten Beitrags darf und muss sich der Versicherte einrichten, die Krankenkasse damit als Einnahme rechnen (vgl
bereits Urteil des Senats vom 27.11.1984, 12 RK 70/82, BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20). Dann kann für den Nachweis einer Änderung des Gewinns als Grundlage der Beitragsbemessung nichts
anderes gelten. Auch eine Änderung ist erst nachgewiesen, wenn sie auf Grund eines neuen Einkommensteuerbescheids feststeht.
Soweit der Senat in der Vergangenheit in Erwägung gezogen hat, für den Nachweis des Gewinns könnten zB auch (ergänzend) die
von einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater aufgestellte Gewinn- und Verlustrechnung (BSG, Urteil vom 9.2.1993, 12 RK 69/92, SozR 3-2500 § 240 Nr 14) oder Bilanzen (BSG, Urteil vom 27.11.1984, 12 RK 70/82, BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20) in Betracht kommen, wird hieran nicht festgehalten. Derartige Unterlagen genügen den vorstehend
aufgeführten Anforderungen an eine für die Vergangenheit abschließende, verlässliche und von der Finanzverwaltung erstellte
Datengrundlage nicht. Sie sind im Ergebnis nichts anderes als Schätzungen, die allenfalls vorläufige Beitragsfestsetzungen
zuließen, die später aufgrund neuer Erkenntnisse wiederholt werden müssten. Die ursprünglich festgesetzten und geforderten
Beiträge erwiesen sich mit der Folge von Unsicherheiten der Versicherten über den endgültig geschuldeten Beitrag und der Kassen
über ihre Einnahmen gleichsam als nur vorläufige Zahlungen und führten zu einer Verdopplung des Verwaltungsaufwandes. Da fast
keine Jahresbilanz und kein Steuerbescheid im Ergebnis mit dem Vorjahr übereinstimmt, müssten nahezu alle Grundlohnbestimmungen
und die auf ihnen beruhenden Beitragsbescheide später geändert werden (vgl zu diesen Gesichtspunkten im Zusammenhang des Rechts
der
Reichsversicherungsordnung bereits Urteil des Senats vom 27.11.1984, 12 RK 70/82, BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20). Das Gesetz geht aber davon aus, dass Beitragsfestsetzungen zukunftsbezogen endgültig sind. Dies
zeigt §
240 Abs
4 Satz 5
SGB V (§
240 Abs
4 Satz 5 aF, seit 16.12.2008: §
240 Abs
4 Satz 6
SGB V [Art 4 Nr 2 Buchst a des Kinderförderungsgesetzes vom 10.12.2008, BGBl I 2403]), wenn danach Veränderungen bei dem Nachweis niedrigerer
Einnahmen ausschließlich zukunftsbezogen zulässig sind. Ist der Nachweis geführt, sind die Beiträge endgültig und nicht nur
vorläufig neu festzusetzen. Ist der Nachweis nicht geführt, auch wenn eine große Wahrscheinlichkeit für niedrigere Einnahmen
besteht, ist nach dieser Regelung gleichwohl kein Raum für eine geänderte Festsetzung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass
dann, wenn im Verfahren der Beitragsfestsetzung andere Nachweise als der Steuerbescheid zugelassen werden, es letztendlich
einseitig im Belieben des Versicherten steht, sich im Bedarfsfall - bei sinkenden Einnahmen - derartige "Nachweise" zu beschaffen,
während die Krankenkasse bei steigenden Einnahmen keine Gewähr hat, die Beitragshöhe für die Versichertengemeinschaft entsprechend
anzupassen. Keine Berücksichtigung können im Beitragsrecht der Sozialversicherung auch Vorauszahlungsbescheide (§
37 EStG) finden. Diese beruhen ihrerseits auf einer Prognose der voraussichtlichen Einkommenssteuerschuld für den laufenden Veranlagungszeitraum
(§
37 Abs
1 Satz 1
EStG). Soweit diese Prognose auf der Einkommenssteuer basiert, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge (§
36 Abs
2 Nr
2 EStG) bei der letzten Veranlagung ergeben hat (§
37 Abs
3 Satz 2
EStG), beruht sie ihrerseits auf Daten, die beitragsrechtlich bereits für die endgültige Beitragsbemessung im Veranlagungszeitraum
genutzt werden konnten.
Aus dem vom Kläger angeführten Urteil des 1. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 1 KR 11/06 R, BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7) ergibt sich nichts anderes. Der 1. Senat hat vielmehr für das Leistungsrecht der Krankengeldversicherung
gerade entschieden, dass das für die Leistungsbemessung maßgebliche Regelentgelt bei freiwillig versicherten Selbstständigen
grundsätzlich und in aller Regel der zuletzt maßgeblichen Beitragsbemessungsgrundlage entspricht (§
47 Abs
4 Satz 2
SGB V), deren Höhe "- verwaltungspraktikabel -" durch den Steuerbescheid nachgewiesen wird. Soweit der 1. Senat aaO für Ausnahmefälle,
bei denen es - anders als im von ihm entschiedenen Fall - konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der zuletzt der Beitragsbemessung
zu Grunde liegende Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
entspricht, und insofern die Heranziehung weiterer Beweismittel in Erwägung zieht, betrifft dies nur das Leistungsrecht der
Krankenversicherung und nicht deren eigenständiges Beitragsrecht. Eine abweichende Sichtweise ist schließlich auch nicht veranlasst,
soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der Einkommenssteuerbescheid in den sog Materialien (BT-Drucks 12/3937) nur exemplarisch
("z.B.") als Nachweismittel aufgeführt sei. Dies hat in der Ausgestaltung des Gesetzes selbst keinen Niederschlag gefunden.
Aus diesen rechtlichen Gegebenheiten ergibt sich damit, auf welche tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X für die Beurteilung einer Änderung abzustellen ist. Neue für die Beitragsbemessung bei freiwillig versicherten selbstständig
Erwerbstätigen relevante Daten liegen erst vor, wenn diese einen neuen Einkommenssteuerbescheid vorlegen. Nur derartige Unterlagen
kommen als "Nachweis" iS von §
240 Abs
4 Satz 2
SGB V in Betracht. Erst mit dem Beginn des auf den Zeitpunkt der Vorlage folgenden Kalendermonats können nach der zwingenden gesetzlichen
Regelung in §
240 Abs
4 Satz 5
SGB V aF Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises niedrigerer Einnahmen nach Satz
2 wirksam werden, das heißt zu einer Neufeststellung der Beitragshöhe führen. Als jeweils "aktuellste" Größe können deshalb
nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums iS von §
240 Abs
4 Satz 2
SGB V nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen solange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden, bis ein neuer
Einkommensnachweis vorliegt. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen der
hauptberuflich Selbstständigen ist - wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat - nicht zu beanstanden. Auf einen längeren
Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der
wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für
die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt wird (vgl insgesamt Urteil des Senats
vom 22.3.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.