Parallelentscheidung zu BSG - B 12 KR 75/17 B - v. 22.03.2018
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung von Beiträgen
zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unter Berücksichtigung einer einmaligen Kapitalleistung
aus einer privaten Lebensversicherung, die als Direktversicherung von seinem Arbeitgeber abgeschlossen wurde.
Der Kläger ist als Rentner in der GKV und sPV versichert. Neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht er
auch Versorgungsbezüge seines ehemaligen Arbeitgebers. Am 8.8.2013 erhielt er von einem privaten Lebensversicherungsunternehmen
eine Kapitalleistung iHv 19 396,48 Euro ausgezahlt. Die Beklagten legten auch die Kapitalleistung über einen Zeitraum von
120 Monaten der Beitragserhebung in der GKV und sPV zugrunde. Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (SG-Urteil vom 29.9.2016; LSG-Beschluss vom 27.7.2017). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung
der Revision im Beschluss des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2017 ist
gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Er hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9). Vorstehendes gilt auch für Beschlüsse des LSG nach §
153 Abs
4 S 1
SGG oder §
158 S 2
SGG (vgl §
153 Abs
4 S 3, §
158 S 3
SGG).
1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 2.11.2017 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Ist es - auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten - rechtmäßig, wenn eine betriebliche Altersversorgung bzw. Versorgungsbezüge
während des Rentnerdaseins des Klägers einer gesonderten Versicherungspflicht unterworfen werden?"
Die Rechtsprechung zur Regelung des §
229 SGB V sei umstritten. Beitragspflichtig seien auch Kapitalleistungen, die an die Stelle von Versorgungsbezügen treten würden. Dies
gelte nach dem maßgeblichen Recht allerdings nur, wenn die Ersetzung durch eine Kapitalleistung nach dem Eintritt des Versicherungsfalls
vereinbart worden sei, nicht jedoch, wenn dies bereits davor - wie hier - geschehen sei. Insofern sei das angefochtene Urteil
(gemeint: der angefochtene Beschluss) rechtswidrig. Es liege eine "Doppelverbeitragung" vor. Hier müssten das Gericht und
der Gesetzgeber einlenken, ansonsten würde die durch den Gesetzgeber suggerierte Eigeninitiative bei der Bildung von Altersvorsorge
bzw Rücklagen keinen Sinn ergeben, da diese durch die doppelte Verbeitragung in größeren Teilen aufgezehrt würden. Die Vorgehensweise
sei aus diesem Grund auch europarechtlich zu beanstanden.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil der Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch
unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
b) Darüber hinaus genügt die Beschwerdebegründung auch deshalb nicht den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache, weil der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der von ihm in den Raum gestellten Frage nicht aufzeigt.
Er setzt sich nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen (vgl BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 5; BSG Urteil vom 25.4.2007 - B 12 KR 25/05 R - Juris; BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R - Juris; BSG Urteil vom 25.4.2012 - SozR 4-2500 § 229 Nr 16) auseinander. Insbesondere berücksichtigt er nicht, dass das BSG bereits konkret zur Heranziehung von Lebensversicherungsverträgen, die vor 2004 abgeschlossen wurden, mehrere Entscheidungen
getroffen hat (vgl zB BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 4 RdNr 14; BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 6 RdNr 18 mwN). Auch setzt sich der Kläger nicht damit auseinander, dass das BVerfG die in der Rechtsprechung
des BSG entwickelte institutionelle Unterscheidung grundsätzlich gebilligt hat und nur für Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen,
die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung
des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, eine Ausnahme gemacht hat (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15). Die Beschwerdebegründung
zeigt nicht auf, inwieweit der vorliegende Sachverhalt (erneut) klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft. Im Kern rügt der
Kläger lediglich eine vermeintliche materiellrechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann aber eine
Nichtzulassungsbeschwerde - wie dargelegt - nicht gestützt werden. Gleiches gilt für die Ausführungen zu einer vermeintlichen
europarechtlichen Problematik, die der Kläger nicht näher konkretisiert.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.