Verbindlichkeit des Verweisungsbeschlusses im sozialgerichtlichen Verfahren; Willkürlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über einen Unterlassungsanspruch im Kontext von §
73c SGB V. Das angerufene Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main hat sich nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 31.3.2009 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit
an das SG Köln verwiesen. Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde "analog §
172 SGG" eingelegt und geltend gemacht, dem Verweisungsbeschluss vom 31.3.2009 liege eine "krasse und offenkundige Fehlbeurteilung
der Reichweite des §
57a SGG zu Grunde". Das SG Köln hält seine Zuständigkeit ebenfalls für nicht gegeben und hat unter Bezugnahme auf die Beschwerdeschrift
der Antragstellerin am 8.4.2009 das Bundessozialgericht (BSG) zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit angerufen. Der Verweisungsbeschluss
des SG Frankfurt sei wegen eines schwerwiegenden Mangels nicht bindend.
II
Zum zuständigen Gericht ist in Übereinstimmung mit dem bindenden Verweisungsbeschluss des SG Frankfurt am Main vom 31.3.2009
das SG Köln zu bestimmen.
Gemäß §
58 Abs
1 Nr
4 SGG wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht ua dann bestimmt,
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt
haben. Die Voraussetzungen dieser hier allein als einschlägig in Betracht kommenden Norm sind vorliegend gegeben, obwohl das
SG Köln von einem eigenen Verweisungsbeschluss abgesehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur
Bestimmung des zuständigen Gerichts angerufen hat (vgl BSG, Beschluss vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2). Eine vom Beschluss des SG Frankfurt am Main abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts
kommt entgegen der Auffassung der Antragstellerin und des SG Köln nicht in Betracht.
Für den Erlass einstweiliger Anordnungen in Bezug auf den Streitgegenstand ist gemäß §
86b Abs
2 Satz 1
SGG das "Gericht der Hauptsache" zuständig. Das Gericht der Hauptsache ist grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges (§
86b Abs
2 Satz 3 Regelung 1
SGG), sodass auch die hierfür einschlägigen Regelungen der örtlichen Zuständigkeit gelten. Das SG Köln ist hiernach schon deshalb
für die Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung örtlich zuständig, weil entsprechende Beschlüsse nach §
98 Satz 1
SGG, §
17a Abs
2 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) unanfechtbar (§
98 Satz 2
SGG) und für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend sind (§
17a Abs
1 GVG). Ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher Unzuständigkeit ist im Interesse einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung
grundsätzlich auch dann verbindlich, wenn die Verweisung prozessuale oder materielle Vorschriften verletzt. Hiervon kann nicht
ausnahmsweise deshalb abgesehen werden, weil das SG Frankfurt am Main willkürlich gehandelt oder gegen elementare Verfahrensgrundsätze
verstoßen hätte (vgl insgesamt BSG, Beschluss vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 mwN).
Ein Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze ist nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Die Entscheidung des
SG Frankfurt am Main ist auch nicht willkürlich.
Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung allein dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar
ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Art
3 Abs
1 GG verletzt. Hierfür fehlt es vorliegend an Anhaltspunkten. Nach §
57a Abs
4 SGG in der ab dem 1.4.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes
vom 26.3.2008 (BGBl I 444) ist in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Bundesebene betreffen, das SG zuständig, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz
hat. Schon der Wortlaut dieser Norm lässt nicht erkennen, dass sie auf Fallkonstellationen der vorliegend in Frage stehenden
Art von vornherein keine Anwendung finden könnte. Insbesondere spricht entgegen der Auffassung der Antragstellerin und ihr
folgend des vorlegenden Gerichts nichts dafür, dass ein "Vertrag auf Bundesebene" iS des §
57a Abs
4 SGG nF ausnahmslos nur dann vorliegen könnte, wenn es sich bei jedem - oder hier zumindest gerade der auf Unterlassung in Anspruch
genommenen - Vertragspartner um einen "Bundesträger" handelt. Ebenso wenig kann das vom SG Frankfurt am Main zu Grunde gelegte
Normverständnis auf sonstigem Wege methodisch als mit dem Gesetz "eindeutig" unvereinbar ausgeschlossen werden.