Zulässigkeit der Rückforderung gezahlter Aufwandspauschalen von Krankenhäusern für vor dem 01.01.2016 durch die Krankenkassen
eingeleitete sachlich-rechnerische Prüfungen
Unzulässigkeit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs für vor dem 01.01.2015 gezahlte Aufwandspauschalen durch den
Einwand unzulässiger Rechtsausübung
Vertrauensschutz der Krankenhäuser
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung gezahlter Aufwandspauschalen.
Die Beklagte, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses in der Rechtsform einer GmbH mit der
Stadt H als Alleingesellschafterin, behandelte im Zeitraum von 2009 bis 2015 Versicherte der klagenden Krankenkasse (KK) stationär.
Die Klägerin beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung von Rechnungen aus diesem
Zeitraum. In 81 Fällen kam es nach Beiziehung der Behandlungsunterlagen und deren Prüfung durch den MDK zu keiner Minderung
des Rechnungsbetrags. Die Klägerin zahlte jeweils 300 Euro Aufwandspauschale. Die Zahlungen erfolgten in den Jahren 2011 bis
2015. Die zunächst auf die Erstattung von 81 und nach teilweiser Klagerücknahme noch von 77 geleisteten Aufwandspauschalen
gerichtete Klage vom 24.12.2015 hat das SG abgewiesen (Urteil vom 13.9.2016). Der Klägerin stehe kein Erstattungsanspruch zu. Ihre Zahlungen an die Beklagte seien nach
§
275 Abs
1c Satz 3
SGB V zu Recht erfolgt. Die Differenzierung des BSG zwischen sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung und Auffälligkeitsprüfung sei unzutreffend und rechtlich unhaltbar. Eine
Erstattung gezahlter Aufwandspauschalen verstieße zudem gegen die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsätze der Rechtssicherheit
und des Vertrauensschutzes. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG nach Rücknahme der Klage in weiteren sechs Fällen das
SG-Urteil geändert und die Beklagte in den verbliebenen 71 Fällen insgesamt zur Zahlung von 21 300 Euro nebst Zinsen seit dem
24.12.2015 verurteilt. Die Fragestellungen in diesen Fällen bezogen sich unter Hinweis auf §
275 Abs
1c SGB V auf Hauptdiagnosen, Nebendiagnosen, Prozeduren, Zusatzentgelte und Beatmungsstunden, jeweils unter dem Aspekt der korrekten
Abrechnung. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe unter Einschaltung des MDK sachlich-rechnerische Prüfungen
durchgeführt, auf die §
275 Abs
1c SGB V nach der überzeugenden Rechtsprechung des 1. Senats des BSG keine Anwendung finde. Unerheblich sei, dass der MDK in seinen Prüfanzeigen auf §
275 Abs
1c SGB V Bezug genommen habe. Unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts habe die Klägerin mit ihren Prüffragen auf die
Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit abgezielt. Der Erstattungsanspruch sei weder durch das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot noch nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Eine gefestigte langjährige Rechtsprechung zu den Anspruchsvoraussetzungen
der erst 2007 eingeführten Aufwandspauschale habe noch nicht bestanden. Deshalb und wegen der kurzen Verjährungsfristen entsprechend
§
45 SGB I könne sich die Beklagte auch nicht auf Treu und Glauben berufen (Urteil vom 13.12.2018).
Die Beklagte rügt die Verletzung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsatzes (Art
2 Abs
1 und Art
3 Abs
1 GG) auch iVm dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, des Rechtsstaatsprinzips (Art
20 Abs
3 GG) und (sinngemäß) des §
242 BGB iVm §
69 Abs
1 Satz 3
SGB V sowie des §
275 Abs
1c Satz 3
SGB V. Die Aufwandspauschalen seien zu Recht gezahlt worden. Jedenfalls sei die neuere Rechtsprechung des 1. Senats des BSG nicht auf abgeschlossene Aufwandspauschalenfälle anwendbar. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs sei insbesondere
treuwidrig. Die Beklagte habe auf den bis zum 1.7.2014 übereinstimmenden Vollzug der Regelungen durch KKn und Krankenhäuser
sowie auf die bis dahin bestehende Rechtsprechung vertrauen dürfen. So habe die Beklagte zB keine Rückstellungen für Erstattungsansprüche
gebildet. Dieses Vertrauen und das aus der professionellen Zusammenarbeit zwischen KKn und Krankenhäusern abzuleitende Gebot
der gegenseitigen Rücksichtnahme begründeten die Treuwidrigkeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 2018 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13. September 2016 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der beklagten Krankenhausträgerin ist zum Teil begründet. Der im bestehenden Gleichordnungsverhältnis
zulässig mit der (echten) Leistungsklage geltend gemachte Erstattungsanspruch der klagenden KK (stRspr, vgl nur BSG vom 8.11.2011- B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 8) ist begründet, soweit es um 15 nach dem 31.12.2014 gezahlte Aufwandspauschalen für Prüfungen
der sachlich-rechnerischen Richtigkeit geht; insoweit hätte das SG die Klage nicht (in vollem Umfang) abweisen dürfen, sondern die Beklagte zur Erstattung von insgesamt 4500 Euro verurteilen
müssen. Das LSG hat das SG-Urteil insoweit zur Recht aufgehoben und die beklagte Krankenhausträgerin zur Zahlung verurteilt, so dass ihre Revision in
diesem Umfang unbegründet ist. Dagegen ist ihre Revision begründet, soweit sich der Erstattungsanspruch auf 56 Aufwandspauschalen
(insgesamt 16 800 Euro) bezieht, die vor dem 1.1.2015 gezahlt wurden; insoweit ist der Erstattungsanspruch nicht durchsetzbar
und hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen; das SG-Urteil hätte vom LSG insoweit nicht aufgehoben werden dürfen. Begründet ist die Revision ferner hinsichtlich eines Teils
der vom LSG zuerkannten Prozesszinsen.
Zwar leistete die Klägerin die 71 noch streitigen Aufwandspauschalen, die sie an die Beklagte für vor dem 1.1.2016 eingeleitete
sachlich-rechnerische Prüfungen zahlte, ohne rechtlichen Grund, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs
insgesamt erfüllt sind (dazu 1.). Der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Klägerin für vor dem 1.1.2015 gezahlte Aufwandspauschalen
steht in der hier vorliegenden besonderen, alle KKn und Krankenhäuser betreffenden Konstellation jedoch der Einwand unzulässiger
Rechtsausübung entgegen (dazu 2.). KKn handeln dagegen nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie die Erstattung von Aufwandspauschalen
verlangen, die sie nach dem 31.12.2014 für sachlich-rechnerische Prüfungen gezahlt haben (dazu 3.).
1. KKn waren nicht verpflichtet, für vor dem 1.1.2016 eingeleitete sachlich-rechnerische Prüfungen Aufwandspauschalen zu zahlen,
so dass sie im Grundsatz deren Erstattung verlangen können.
a) Zahlungen ohne Rechtsgrund begründen einen Erstattungsanspruch des Zahlenden gegenüber dem Zahlungsempfänger, sei es nach
allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (vgl dazu BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 11 mwN), sei es nach §
69 Abs
1 Satz 3
SGB V iVm §§
812 ff
BGB. Diese Voraussetzungen sind bei Zahlungen von Aufwandspauschalen für vor dem 1.1.2016 eingeleitete sachlich-rechnerische
Prüfungen erfüllt.
Die Vorschrift des §
275 Abs
1 und Abs
1c SGB V begründet in ihren bis 31.12.2015 geltenden Fassungen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats keinen Anspruch auf
die Zahlung von Aufwandspauschalen für sachlich-rechnerische Prüfungen, auch wenn die Prüfungen zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrags
geführt haben (BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R - BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 §
301 Nr
4). Gegenstand des in §
275 Abs
1 SGB V iVm §
275 Abs
1c SGB V aF genannten Verfahrens der Auffälligkeitsprüfung ist nur die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Nur diese kann bei Krankenhäusern
die Aufwandspauschale nach §
275 Abs
1c SGB V aF auslösen.
Der erkennende Senat hat diese Auslegung in seinem Urteil vom 1.7.2014 nicht auf die Zukunft beschränkt, diese Rechtsprechung
in weiteren Urteilen vom 14.10.2014 bestätigt (vgl nur BSG vom 14.10.2014 - B 1 KR 34/13 R - SozR 4-2500 § 301 Nr 5 RdNr 20 f) und die Differenzierung zwischen sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung
in Urteilen vom 25.10.2016 weiter konkretisiert (vgl BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 22/16 R - BSGE 122, 88 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7; BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 19/16 R; BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 16/16 R). Das BVerfG hat die Auslegung des Senats zu §
275 Abs
1 und Abs
1c SGB V am Maßstab des
Grundgesetzes geprüft und nicht beanstandet (vgl BVerfG vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17 = NJW 2019, 351). Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
§
275 Abs
1c SGB V ist mit Wirkung vom 1.1.2016 durch Einfügung eines Satzes 4 durch Art 6 Nr 21a Gesetz zur Reform der Strukturen in der Krankenhausversorgung
(Krankenhausstrukturgesetz - KHSG) vom 10.12.2015 (BGBl I 2229) zwar geändert worden. Als Prüfung nach §
275 Abs
1c Satz 1
SGB V ist nunmehr jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die KK den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung
durch den MDK beim Krankenhaus erfordert. Dabei handelt es sich nach dem klaren Gesetzesbefehl (Art 9 Abs 1 KHSG) allerdings um eine Gesetzesänderung mit Wirkung nur für die Zukunft (vgl nur BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 22/16 R - BSGE 122, 88 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7, RdNr 30), die für den vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen kann. Das BVerfG hat auch diese
Rechtsprechung am Maßstab der Verfassung geprüft und nicht beanstandet (BVerfG vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17 - juris RdNr 49, 54 f = NJW 2019, 351 RdNr 48, 53 f).
Soweit der erkennende Senat entschieden hat, dass die Neuregelung der Prüfungen gemäß §
275 Abs
1c Satz 4
SGB V nur für Krankenhausbehandlungen gilt, die ab dem 1.1.2016 oder später beginnen (vgl BSG vom 23.5.2017 - B 1 KR 24/16 R - SozR 4-2500 § 301 Nr 8 RdNr 32; verfassungsrechtliche Prüfung offengelassen im Beschluss des BVerfG vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17 - juris RdNr 56 = NJW 2019, 351 RdNr 55), hält er nach erneuter Prüfung hieran nicht fest. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Prüfauftrag der KK -
regelhaft über den MDK mit dessen Prüfanzeige - dem Krankenhaus zugeht. Geht der Prüfauftrag dem Krankenhaus nach dem 31.12.2015
zu, findet §
275 Abs
1c SGB V mit seinem Satz 4 in der Fassung des KHSG Anwendung. Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale ist kein Annexanspruch
zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses für die stationäre Behandlung oder gar ein Bestandteil des Vergütungsanspruchs, sondern
unterliegt eigenen tatbestandlichen Voraussetzungen. So steht bei Beginn der stationären Behandlung gerade nicht fest, ob
die KK eine Prüfung der Abrechnung durchführt und hierzu den MDK mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme beauftragt,
die eine Datenerhebung durch ihn beim Krankenhaus erfordert. Erst mit der Anzeige des MDK beim Krankenhaus ist im Rahmen eines
gestreckten Tatbestands der Rechtsboden für die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale gelegt.
b) Die Klägerin zahlte der Beklagten in allen noch streitigen 71 Fällen die Aufwandspauschalen daher ohne Rechtsgrund. Alle
Prüfungen betrafen nur die sachlich-rechnerische Richtigkeit der jeweiligen Abrechnungen der stationären Behandlungen. Denn
die Klägerin wandte sich nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG in allen Fällen jeweils mit einer oder mehreren Fragen zur richtigen Kodierung an den MDK, also mit
Fragen zur sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung.
2. Dem Anspruch auf Erstattung von Aufwandspauschalen für sachlich-rechnerische MDK-Prüfungen, welche die klagende KK vor
dem 1.1.2015 an Krankenhausträger vorbehaltlos gezahlt hat, steht das Verbot unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Dies ergibt
sich aus §
69 Abs
1 Satz 3
SGB V iVm dem in §
242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben.
a) Im Verhältnis zwischen KKn und Krankenhäusern sind Leistungen im Grundsatz so zu fordern und zu gewähren, wie es der materiellen
Rechtslage nach der Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG entspricht. KKn können daher die im Widerspruch zur materiellen Rechtslage gezahlten Aufwandspauschalen zurückfordern und
die Krankenhausträger können sich dem, soweit die Ansprüche nicht verjährt sind, im Grundsatz auch nicht widersetzen.
Der Grundsatz strikter Maßgeblichkeit der materiellen Rechtslage wird vorliegend aber ausnahmsweise durch Grundsätze des Vertrauensschutzes
modifiziert. Die Rechtsordnung sanktioniert widersprüchliches Verhalten eines Beteiligten nicht grundsätzlich mit einem automatischen
Rechtsverlust. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand
geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl BSG vom 19.4.2016 - B 1 KR 33/15 R - BSGE 121, 101 = SozR 4-2500 § 109 Nr 57, RdNr 20 mwN). So liegt der Fall hier, bei dem sich ein solcher Vertrauenstatbestand ausnahmsweise
aus einer langjährigen einvernehmlichen Praxis der Beteiligten bei Hinzutreten weiterer Umstände bilden konnte.
aa) Krankenhausträger und KKn sind allgemein durch §
4 Abs
3 SGB V und besonders durch den dauerhaften Vertragsrahmen des Leistungserbringungssystems in der Grundsituation vertrauensvoller
Zusammenarbeit und gegenseitiger Rücksichtnahme im Interesse der zu versorgenden GKV-Versicherten zu einer engen professionellen
Kooperation verpflichtet (vgl BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 11/09 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 20; BSG vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 25). In diesem Rahmen sind beide Seiten rechtlich verpflichtet und auch faktisch gezwungen,
sich bei der konkretisierenden Umsetzung gesetzlicher und untergesetzlicher Normen einschließlich der Normenverträge miteinander
abzustimmen.
Bei dieser Abstimmung handelt es sich nicht um eine eigenständige binnenrechtliche Rechtsquelle. Krankenhausträger und KKn
können allein durch eine langjährig geübte, zwischen ihnen unbestrittene Praxis weder Recht schaffen noch die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit an eine mit dieser konkretisierenden Praxis verbundene ausdrückliche oder implizite Auslegung binden.
Dies gilt auch dann, wenn es sich um ganz grundlegende Verfahrensweisen handelt, die das Massengeschäft der Abrechnung von
Krankenhausvergütungen betreffen.
Allerdings müssen Krankenhausträger und KKn bei einer gegebenen Rechtslage zunächst vorangehen und deren Konkretisierung durch
praktische Rechtsanwendung als Erste bewältigen. Der Schutz des Vertrauens von KKn und Krankenhäusern in von ihnen dabei eingeübte
Verfahrensweisen ist umso stärker, je länger und einvernehmlicher die Verfahrensweisen praktiziert werden, je bedeutsamer
sie sind, und wenn sie zugleich bereits über längere Zeit eine höchstrichterliche Billigung erfahren haben.
bb) Ein solcher Fall höchstrichterlicher Billigung liegt hier vor. Die Rechtsprechung des BSG hatte Krankenhäuser und KKn (bzw deren Verbände) in ihrem Vorgehen bei der Abrechnung von Aufwandspauschalen mehrfach ausdrücklich
oder inzident bestätigt. Es hatte sie darin bestärkt, sowohl bei der Abrechnungsprüfung durch den MDK, die eine Datenerhebung
durch ihn beim Krankenhaus erfordert, als auch bei der Anwendung der seit 1.4.2007 geltenden sanktionierenden Rechtsfolgen
des §
275 Abs
1c SGB V aF von einem einheitlichen Prüfregime auszugehen (vgl BSG vom 23.7.2002 - B 3 KR 64/01 R - BSGE 90, 1, 4 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22 f; BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 12/06 R - BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22; BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13 ff; BSG vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 16; BSG vom 19.9.2013 - B 3 KR 31/12 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 11 RdNr 16; BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 9).
Das BSG hätte es in der Hand gehabt, frühzeitig nach Einführung der Aufwandspauschalenregelung dem entgegenzutreten. Das BSG hat jedoch bis zum 1.7.2014 nicht zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung im Sinne
von zwei unterschiedlichen Prüfregimen unterschieden. Die Praxis der KKn und Krankenhäuser hat dem entsprochen und ebenfalls
vom Beginn des Fallpauschalensystems an nicht zwischen Auffälligkeitsprüfung (Wirtschaftlichkeitsprüfung) und Prüfung der
sachlich-rechnerischen Richtigkeit unterschieden. Beide Prüfungstypen ordneten KKn und Krankenhäuser §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V zu. So geht zB das "Argumentationspapier zur Abrechnungsprüfung in Krankenhäusern" des GKV-Spitzenverbandes vom 2.11.2010
ganz selbstverständlich davon aus, dass sowohl die Auffälligkeitsprüfung als auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit
(Kodierprüfung) §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V iVm §
275 Abs
1c SGB V aF unterfällt. Der MDK hat ungeachtet des Inhalts des Prüfauftrags bei seinen Prüfanzeigen nur auf §
275 Abs
1c SGB V aF verwiesen und Differenzierungen nicht vorgenommen.
Diese Prüfungen sind bei mehr als 17 Millionen vollstationären Behandlungsfällen im Jahr 2007 bzw mehr als 19 Millionen solcher
Behandlungsfälle im Jahr 2014 (Quelle destatis Fachserie 12 Reihe 6.1.1, Gesundheit - Grunddaten der Krankenhäuser, 2017,
S 11) und einer Prüfquote von rund 10 %, davon je nach KK zwischen 16 % und 41 % Kodierprüfungen (Angaben für das Jahr 2009
nach dem Argumentationspapier, S 5, 12) Massengeschäft von Krankenhäusern und KKn. Sie machen seit Beginn des Fallpauschalensystems
einen erheblichen Anteil an den MDK-Prüfungen aus und sind ein Eckpfeiler der Abrechnungsprüfung. Die Krankenhäuser haben
sich angesichts dieser unbestrittenen Praxis bei ihrer Kalkulation auf erhebliche Einnahmen durch Aufwandspauschalen auch
für erfolglose sachlich-rechnerische Prüfungen eingerichtet.
All dies zusammengenommen gebietet es, dass beide Seiten darauf Rücksicht nehmen, dass bis zum Urteil des erkennenden Senats
vom 1.7.2014 das BSG in ständiger Rechtsprechung nicht zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfungen mit Aufwandspauschalen und sachlich-rechnerischen
Richtigkeitsprüfungen ohne Aufwandspauschalen differenzierte.
b) Das gemeinsame Verständnis von KKn und Krankenhausträgern zu §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V wurde erstmals durch das Urteil des erkennenden Senats vom 1.7.2014 (B 1 KR 29/13 R - BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4) in Frage gestellt. Der aufgezeigte Vertrauensschutz erstreckt sich dennoch nicht nur bis zur Verkündung
dieses Urteils am 1.7.2014, sondern bis zum 31.12.2014, zumal in der hier gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise davon
auszugehen ist, dass es einige Zeit beansprucht hat, bis die im Spätherbst 2014 zugestellte und publizierte Entscheidung des
Senats vom 1.7.2014 von KKn und Krankenhäusern ausgewertet und inhaltlich bewertet werden konnte. Ab dem 1.1.2015 konnten
die Krankenhäuser bei generalisierender Betrachtungsweise nicht mehr auf den Fortbestand der die bisherige Praxis stützenden
Rechtsprechung vertrauen. Sie mussten damit rechnen, ab 1.1.2015 gezahlte Aufwandspauschalen für Prüfungen der sachlich-rechnerischen
Richtigkeit ihrer Abrechnungen erstatten zu müssen.
c) Soweit die Klägerin Erstattungsforderungen gegen die Beklagte auch für vor dem 1.1.2015 gezahlte Aufwandspauschalen geltend
macht, kann sie sich nicht darauf berufen, dass der erkennende Senat beginnend mit dem Urteil vom 1.7.2014 seine Rechtsprechung
zu §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V iVm §
275 Abs
1c SGB V aF ohne zeitliche Beschränkung auf die Zukunft geändert und den Anwendungsbereich des §
275 Abs
1c SGB V aF auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen beschränkt hat. Die Beklagte genießt im Hinblick auf die von der Klägerin vor dem 1.1.2015
gezahlten Aufwandspauschalen Vertrauensschutz. Die Berufung der Klägerin auf die geänderte Rechtsprechung des erkennenden
Senats und die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen für vor dem 1.1.2015 gezahlte Aufwandspauschalen für sachlich-rechnerische
Prüfungen ist rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin zahlte die Aufwandspauschalen auch vorbehaltlos. Dies ergibt sich aus dem
Gesamtzusammenhang der von der Klägerin nicht angegriffenen LSG-Feststellungen.
3. KKn - wie hier die Klägerin - handeln dagegen nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie die Erstattung von Aufwandspauschalen
verlangen, die sie nach dem 31.12.2014 für sachlich-rechnerische Prüfungen gezahlt haben. Weder können sich die Krankenhäuser
auf §
242 BGB iVm §
69 Abs
1 Satz 3
SGB V unter den Voraussetzungen des oben dargestellten spezifischen Vertrauensschutzes (dazu a) oder der Verwirkung berufen (dazu
b) noch schließt eine entsprechende Anwendung des §
814 BGB den Erstattungsanspruch aus (dazu c).
a) Für die Zeit ab dem 1.1.2015 fehlte es den Krankenhäusern - wie dargelegt (siehe 2. b) - an einer Vertrauensgrundlage für
das "Behaltendürfen" zu Unrecht gezahlter Aufwandspauschalen. Dies gilt auch für die Beklagte, die für ab 1.1.2015 gezahlte
Aufwandspauschalen für sachlichrechnerische Prüfungen keinen Vertrauensschutz genießt. Sie kann der Klägerin insoweit nicht
den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenhalten. Nach den unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen
(§
163 SGG) handelte es sich um 15 Zahlungen mit einem Betrag von 4500 Euro, die auf die Zeit ab 1.1.2015 entfallen.
b) Der Umstand, dass KKn vorbehaltlos zu Unrecht auch noch ab dem 1.1.2015 Aufwandspauschalen zahlten, führt nicht zur Verwirkung
des Erstattungsanspruchs (vgl zu deren Voraussetzungen BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 ff mwN). Aufgrund der nicht abschließend geklärten Rechtslage (dazu sogleich) konnten die
Krankenhäuser nicht darauf vertrauen, die KKn würden keine Erstattungsansprüche geltend machen. Vielmehr war es den Krankenhäusern
ab 1.1.2015 zumutbar, Rückstellungen zu bilden.
c) Der insoweit verbleibende Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 4500 Euro ist auch nicht durch §
814 BGB (Zahlung auf eine Nichtschuld) in entsprechender Anwendung ausgeschlossen. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift
im Verhältnis zwischen Krankenhäusern und KKn überhaupt anwendbar ist. Bislang hat der Senat im jeweils konkreten Fall die
Voraussetzungen des §
814 BGB verneint, ohne sich abschließend zu dessen grundsätzlicher Anwendbarkeit zu äußern (vgl zB zuletzt BSG vom 9.4.2019 - B 1 KR 3/18 R - BSGE 128, 54 = SozR 4-1780 § 161 Nr 3, RdNr 31). Dies ist auch hier nicht erforderlich, weil es im hier maßgeblichen Zeitraum an der positiven
Kenntnis der Klägerin von der Nichtschuld der ab dem 1.1.2015 gezahlten Aufwandspauschalen fehlt.
Nach §
814 BGB kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst
hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. §
814 BGB setzt positive Kenntnis voraus. Positive Kenntnis würde im vorliegenden Zusammenhang positive Kenntnis darüber voraussetzen,
wann genau von einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, und wann von einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung auszugehen
ist. Die genaue Abgrenzung der Prüfregime der Auffälligkeitsprüfung und der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit
wurde vom erkennenden Senat allerdings nicht schon im Jahr 2014, sondern erst mit dem ausführlich begründeten Leitsatzurteil
vom 25.10.2016 (B 1 KR 22/16 R - BSGE 122, 87 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7) unmissverständlich konkretisiert. Die KKn durften zudem bei der auch nach dem 31.12.2014 hoch streitig
gebliebenen Rechtsprechung des Senats abwarten, ob und in welcher Weise der Gesetzgeber und das BVerfG die Rechtslage endgültig
klären werden. Insoweit durften sie zur Vermeidung von Rechtsstreiten auch vorbehaltlose Zahlungen leisten. Mit der vorbehaltlosen
Zahlung ist noch kein Wissen um die (endgültige) Nichtschuld oder gar ein eigenständiges Anerkenntnis der Schuld verbunden.
Unerheblich ist insoweit, dass es den KKn nicht verwehrt gewesen wäre, unbeschadet der Erfüllungswirkung einen Vorbehalt anzubringen
(vgl BGH vom 18.9.1992 - V ZR 84/91 - juris RdNr 26). Für die Zeit nach dem 31.12.2014 kann von einer Zahlung in positiver Kenntnis der Nichtschuld deshalb nicht
ausgegangen werden. Ein bloßes Kennenmüssen der KKn reicht insofern nicht aus. Unter welchen Voraussetzungen Erstattungsansprüche
für zu Unrecht gezahlte Aufwandspauschalen ausgeschlossen sind, wenn Zahlungen erst nach der Publikation des Leitsatzurteils
vom 25.10.2016 erfolgten, kann hier offenbleiben.
4. Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen auf den Erstattungsbetrag ab dem Tag nach der Rechtshängigkeit (25.12.2015).
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Prozesszinsen sind (vgl BSGE 96, 133 = SozR 4-7610 § 291 Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14) erfüllt. Für die Rechtsbeziehungen der KKn zu den Krankenhäusern gelten die Zinsvorschriften des
BGB entsprechend, soweit nicht in den Verträgen nach §
112 SGB V etwas anderes geregelt ist. Vorrangige vertragliche Regelungen gibt es in Nordrhein-Westfalen nach den bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG nicht. Das LSG hat die Beklagte allerdings zu Unrecht zur Zahlung von Prozesszinsen schon ab 24.12.2015
und nicht erst ab 25.12.2015 verurteilt. Die Klägerin hat erst ab dem Tag nach der Rechtshängigkeit Anspruch auf Prozesszinsen
(vgl dazu ausführlich BSG vom 9.4.2019 - B 1 KR 5/19 R - BSGE 128, 65 = SozR 4-2500 § 129a Nr 2, RdNr 39 mwN).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
155 Abs
1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.