Übergang von DO-Angestellten von Krankenkasse zu Rentenversicherungsträger; anteilige Übernahme von beamtenrechtlichen Versorgungslasten
seitens der Krankenkasse nach § 28p Abs. 11 S. 2 SGB IV
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die teilweise Erstattung von Aufwendungen für die Hinterbliebenenversorgung eines ehemaligen
Dienstordnungs(DO)-Angestellten und Bundesbeamten.
Der 1939 geborene, im Jahr 2001 verstorbene P. (im Folgenden: P.) war seit 1971 bei Rechtsvorgängerinnen der beklagten AOK
als Betriebsprüfer im Außendienst mit dem Status eines DO-Angestellten beschäftigt. Im Zusammenhang mit dem ab 1.1.1996 durch
das Dritte SGB-Änderungsgesetz 3. SGBÄndG angeordneten Übergang der Zuständigkeit für Betriebsprüfungen von den Krankenkassen
(KKn) auf die Träger der Rentenversicherung (RV) wurde ua geregelt, dass die RV-Träger "die ganz oder überwiegend mit der
Prüfung der Arbeitgeber beschäftigten Angestellten" der KKn übernehmen. Die Spitzenverbände der KKn und der Verband Deutscher
RV-Träger vereinbarten dazu in einer "Besprechung zur Neuregelung der Beitragsüberwachung" am 7.7.1995 ua, dass der Übergang
"im Einvernehmen aller Betroffenen" geregelt werden solle. Nachdem die Beklagte die bei ihr beschäftigten Betriebsprüfer über
den bevorstehenden Übergang informiert hatte, bewarb sich P. um eine weitere Tätigkeit bei der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (BfA; Rechtsvorgängerin der klagenden Deutschen RV Bund). Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sich
insgesamt 15 Mitarbeiter - ua P. - für eine Weiterbeschäftigung bei der Klägerin interessierten. Letztere zog Personalakten
dieser Mitarbeiter bei und führte Auswahlgespräche, übernahm aber nicht alle Bewerber der Beklagten. Am 8.2.1996 schloss die
Klägerin mit P. einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Beauftragter im Außendienst ab 1.3.1996 und ernannte ihn im September
1997 zum Verwaltungsamtmann im Bundesdienst.
Nach dem Tod des P. gewährte die Klägerin seiner Witwe ab 1.2.2001 Witwengeld sowie seiner Tochter Waisengeld unter Anwendung
des Beamtenversorgungsgesetzes (
BeamtVG). Im März 2003 verlangte die Klägerin von der Beklagten als "abgebendem Dienstherrn" eine Beteiligung an der Versorgungslast
(zunächst 32 345,55 Euro). Dies lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin P. nicht im Sinne von Art II § 15d
SGB IV aF (ab 1.1.2001 gleichlautend: § 28p Abs 11
SGB IV idF vom 21.12.2000, BGBl I 1983) "übernommen", sondern ihn neu eingestellt habe.
Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht hat die Klage an das SG verwiesen. Dieses hat die Beklagte zur Zahlung in antragsgemäßem Umfang verurteilt, weil sie gemäß §
107 BeamtVG iVm § 28p Abs
11 SGB IV zur Beteiligung an den Versorgungslasten für P. verpflichtet sei (Urteil vom 7.9.2006).
Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte zur Zahlung des klageerweiternd geforderten, auf 124
549,39 Euro angewachsenen Betrages verurteilt: Es sei Wille des Gesetzgebers gewesen, dass die früheren Beschäftigten der
KKn ihre alten Aufgaben nahtlos fortführen und die RV-Träger die für sie neuen Aufgaben durch geschultes Personal bewältigen
könnten. Eine Befreiung der KKn von ihren Versorgungslasten sei damit nicht verbunden (Urteil vom 10.6.2009).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß die Verletzung von § 28p Abs 11
SGB IV bzw von Art II § 15d
SGB IV aF: Die Regelungen griffen nur bei einer "Übernahme" der zuvor bei der KK tätig gewesenen Betriebsprüfer durch die Klägerin
in Ausübung der gesetzlich angeordneten Übernahmepflicht nach Art II § 15d Abs 1
SGB IV. An einer solchen "Übernahme" fehle es hier. Da es die Klägerin dauerhaft abgelehnt habe, sämtliche Bewerber zu übernehmen,
sei der Übergang der DO-Angestellten nicht aufgrund der gesetzlichen Regelungen erfolgt, sondern auf der Grundlage individueller
vertraglich vereinbarter Neueinstellungen. Weil die Klägerin der gesetzlichen Anordnung nicht nachgekommen sei, sondern nur
selektiv "rosinenpickend" einzelne Arbeitsverträge abgeschlossen habe, müsse sie die Versorgungslasten für diese Mitarbeiter
dann auch allein tragen. Die berufliche Tätigkeit des P. sei ab 1996 auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt worden.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Berlin vom 7. September 2006
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der beklagten AOK ist unbegründet.
Das SG und das LSG haben zutreffend entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, der klagenden RV-Trägerin (Deutsche RV Bund
als Rechtsnachfolgerin der BfA) 124 549,39 Euro anteilige Bezüge für die Hinterbliebenenversorgung nach dem 2001 verstorbenen
P. zu erstatten, der bis Ende Februar 1996 bei der Beklagten als DO-Angestellter und dann bei der Klägerin - zuletzt als Bundesbeamter
- tätig war.
1. Die Leistungsklage der Klägerin (§
54 Abs
5 SGG) ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist gemäß dem ab 1.1.2001 geltenden § 28p Abs 11 Satz 2 und 3
SGB IV (idF durch das Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften [4. Euro-Einführungsgesetz]
vom 21.12.2000, BGBl I 1983) in Verbindung mit §
107b Abs
5 Satz 2
BeamtVG (in der zuletzt vor Eintritt des Versorgungsfalles im Jahr 2001 maßgeblich gewesenen, ab 1.1.1999 geltenden Fassung vom 16.3.1999,
zuletzt neu gefasst durch Bekanntmachung vom 24.2.2010, BGBl I 150; Regelung gleichlautend in allen folgenden Fassungen) verpflichtet,
sich an den Versorgungslasten für ihren ehemaligen Mitarbeiter P. in dem geltend gemachten Umfang zu beteiligen.
a) § 28p Abs 11
SGB IV bestimmt:
"Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen
worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt
der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten
neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend. Soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen
Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende
Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme
das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis 5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß."
Die Voraussetzungen des § 28p Abs 11 Satz 1 und 2
SGB IV sind erfüllt. P. war bei der Beklagten als DO-Angestellter am 1.1.1995 überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt.
P. wurde im Jahr 1996, in dem er sein 57. Lebensjahr vollendete, beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von der beklagten
KK auf die klagende RV-Trägerin auch "übernommen". Für die Übernahme im Sinne des § 28p Abs 11 Satz 2
SGB IV genügt es, dass ein am 1.1.1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigter DO-Angestellter beim
Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von seiner KK auf einen RV-Träger aus dem Dienst bei der KK (hier: der Beklagten) ausscheidet,
in den Dienst des RV-Trägers (hier: der BfA, Rechtsvorgängerin der Klägerin) eintritt und aufgrund seiner dortigen Tätigkeit
nicht nachversichert werden muss, sondern Versorgungsanwartschaften unter wirtschaftlicher Einbeziehung der bei der KK (hier:
Beklagte) verrichteten Tätigkeit beanspruchen kann. Das entspricht Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Zweck
der Norm.
Die zum Stichtag ganz oder überwiegend mit Arbeitgeber-Prüfungen befassten DO-Angestellten wurden von ihrer KK "abgegeben"
und vom RV-Träger "aufgenommen", um übernommen zu werden. Bereits Art II § 15d
SGB IV aF (idF des 3. SGBÄndG vom 30.6.1995, BGBl I 890), der unmittelbare vom 1.1.1996 bis 31.12.2000 geltende Vorgänger von §
28p Abs 11
SGB IV, sah für die "Übernahme" von Beschäftigten keinen Übergang von Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes vor, sondern erforderte
schon beim bloßen Wechsel von Angestellten die rechtsgeschäftliche Umsetzung der sich aus der Übernahme des Prüfungsauftrags
ergebenden Konsequenzen hinsichtlich der Bestimmung der Vertragsparteien und des Termins des Übergangs (so BAG, Urteil vom
27.6.2001 - 5 AZR 571/99, AP Nr 1 zu § 15d
SGB IV, juris RdNr 37). §
613a BGB, der einen gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses vorsieht, war nicht anwendbar (vgl BAGE 104, 1 = AP Nr 40 zu §
1 BetrAVG Ablösung, juris RdNr 58). Erst recht galt dies aber, wenn ein DO-Angestellter mit dem Ziel vom RV-Träger übernommen wurde,
dort im Beamtenverhältnis tätig zu sein. Art II § 15d
SGB IV regelte nämlich nicht, welcher Angestellte zu welchem Zeitpunkt von welcher KK zu welchem RV-Träger wechselte. Diese Norm
hatte vielmehr folgenden Inhalt:
"(1) In dem Umfang, in dem die Prüfung bei Arbeitgebern von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung übergeht,
übernehmen diese die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigten Angestellten. Der
Träger der Rentenversicherung tritt in diesen Fällen in die Rechte und Pflichten aus den Arbeits- oder Dienstverhältnissen
ein. Die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen Vereinbarungen sind für die übernommenen Arbeitnehmer
bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger Vereinbarungen maßgebend.
(2) Soweit es sich bei einem gemäß Absatz 1 übernommenen Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen
der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge
anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis
5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß."
Für den Übergang der Prüfungen sah das Gesetz einen drei Jahre dauernden Zeitraum vom 1.1.1996 bis 31.12.1998 vor (vgl Art
II § 15c Abs 1
SGB IV). Insgesamt ging es bei der gesetzlich angesprochenen Übernahme von Personal darum, dass die Erfahrungen der Arbeitgeberprüfer,
die zunächst bei den KKn beschäftigt waren, im Interesse einer sachgerechten Aufgabenbewältigung wegen des Übergangs der Kompetenz
für die Prüfverfahren nach einem Wechsel zu den RV-Trägern von diesen genutzt werden konnten. Der Gesetzgeber hatte dabei
die Vorstellung, dass sich ein Wechsel der DO-Angestellten in das Beamtenverhältnis bei dem übernehmenden RV-Träger "nach
den allgemeinen Vorschriften" vollziehen sollte. Er ging davon aus, dass bei den nach dem Dienstrecht notwendigen Entscheidungen
für die Übernahme in das Beamtenverhältnis - wie in der Vergangenheit nach der Errichtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
- den Interessen der beteiligten Mitarbeiter durch "verfahrensmäßige Erleichterungen" Rechnung getragen werde (so zum Ganzen:
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung [11. Ausschuss] zum 3. SGBÄndG, BT-Drucks 13/1559
S 14 zu Art 2 § 15d Abs 1 und 2
SGB IV). Ein Wechsel der DO-Angestellten der KKn in das Beamtenverhältnis bei dem übernehmenden RV-Träger vollzieht sich "nach den
allgemeinen Vorschriften" in der Weise, dass der DO-Angestellte bei der KK ausscheidet und beim RV-Träger - und sei es auch
nach einer Zwischenzeit als Angestellter - ein neues Dienstverhältnis nach Beamtenrecht begründet. Dies ergibt sich zwangsläufig
daraus, dass der rechtliche Status der Angestellten der KKn mit DO-Status keine Entsprechung im Bereich der Träger der gesetzlichen
RV findet: Neben Mitarbeitern im "normalen" Angestelltenverhältnis gibt es dort nur solche im Beamtenverhältnis, wie es bei
P. - nach einer ersten Beschäftigungszeit als Angestellter der BfA - der Fall war.
Davon, dass es für die Umsetzung einer Übernahme noch jeweils einer näheren Ausgestaltung bedurfte und nicht eine gleichsam
"automatische" Übernahmepflicht "aller" in Frage kommenden Mitarbeiter in Rede stehen konnte, gingen denn auch zu Recht die
Spitzenverbände der RV-Träger und der KKn in ihrer Besprechung vom 7.7.1995 aus. Ausweislich des in den Gerichtsakten befindlichen,
vom LSG zitierten Protokolls sollte nach dem Ergebnis dieser Besprechung ein Übergang stets nur "im Einvernehmen aller Betroffenen"
erfolgen. Die Verbände sahen zutreffend rechtliche Hindernisse, "betroffene Mitarbeiter ohne ihre Zustimmung an die Rentenversicherung
abzugeben"; zudem wollten sie durchaus auch den Interessen der RV-Träger Rechnung tragen, indem sie als zusätzliches Kriterium
den "erforderliche(n) Bedarf bei den Rentenversicherungsträgern" hervorhoben. Unbeschadet dessen hatte - wegen des geforderten
Konsenses aller Beteiligten - umgekehrt auch die beklagte KK, die eine "Rosinenpickerei" der Klägerin durch das Herausgreifen
nur der leistungsstärkeren Mitarbeiter beanstandet, durchaus selbst die Möglichkeit, auf wechselwillige Beschäftigte und DO-Angestellte
Einfluss zu nehmen, an deren Verbleib sie interessiert war, indem sie diesen zB das Angebot günstiger Arbeitskonditionen unterbreitete,
um diese so an sich zu binden und nicht zur Übernahme an die RV-Träger "freizugeben".
Die spätere Regelung des § 28p Abs 11
SGB IV änderte hieran nichts. Vielmehr ist § 28p Abs 11 Satz 2 und 3
SGB IV wortgleich mit Art II § 15d Abs 2
SGB IV aF. § 28p Abs 11
SGB IV hält nach seiner Gesetzesbegründung den zuvor geltenden Art II § 15d
SGB IV inhaltlich aufrecht. Die im Interesse der Übersichtlichkeit gewählte Regelungstechnik, den Regelungsinhalt der alten Regelung
in eine gänzlich andere Norm aufzunehmen, wurde lediglich deshalb nötig, weil im Zuge eines Bereinigungsgesetzes der gesamte
Art II des
SGB IV aufgehoben wurde. Die Formulierung in § 28p Abs 11
SGB IV wurde lediglich "redaktionell an die geltende Praxis und das vom Gesetzgeber Gewollte zur Klarstellung insoweit angepasst,
als bei den im Gesetz genannten Vereinbarungen nur kollektive Vereinbarungen in Betracht kommen" (so Gesetzentwurf der Bundesregierung
zum Entwurf des 4. Euro-Einführungsgesetzes, BT-Drucks 14/4375 S 51 f zu Nr 18 [§ 28p SGB IV] zu Buchst d).
Die aufgezeigte Auslegung des Begriffs der "übernommenen" Betriebsprüfer mit DO-Angestellten-Status in § 28p Abs 11 Satz 2
SGB IV - entsprechend zuvor Art II § 15d Abs 2
SGB IV aF - entspricht auch Sinn und Zweck der Gesamtregelung, den Erfahrungstransfer durch einen Personalwechsel der Prüfer zu
erleichtern. Hierzu gehört sowohl der Schutz der betroffenen Betriebsprüfer im Rahmen der Übernahme als auch eine Ausgestaltung
der Übernahme, die die Interessen der abgebenden und aufnehmenden Träger wahrt und den Personalwechsel erleichtert, indem
sie für eine gerechte Zuordnung der Versorgungslasten sorgt.
Die rechtstechnische Ausgestaltung der Übernahme auf lediglich konsensualer, nicht gesetzlich sich selbst vollziehender, quasi
"automatisierter" Basis verbietet bei der Auslegung des Merkmals "übernehmen" eine formal an einen gesetzlichen Transfer anknüpfende
Sichtweise. Der Entstehungszusammenhang der Regelungen spricht vielmehr für eine funktionelle, an ihrem Sinn und Zweck ausgerichtete
Betrachtung der Rechtsbeziehungen. Damit aber lässt sich die Vorstellung der Beklagten von einer nahtlosen Übernahmeverpflichtung
der Betriebsprüfer "kraft Gesetzes" ohne jegliche Spielräume zur Ausgestaltung der Bedingungen für einen Einsatz der DO-Angestellten
bei den RV-Trägern nicht vereinbaren.
Der Gesichtspunkt einer sachgerechten, die Übernahme erleichternden Verteilung der Versorgungslasten erschließt sich aus der
Versorgungsstruktur der DO-Angestellten von KKn und deren Folgen bei der Übernahme dieses Personenkreises in ein Beamtenverhältnis
durch RV-Träger unter Berücksichtigung der Versorgungsansprüche: Ohne die Regelung des § 28p Abs 11 Satz 2 und 3
SGB IV hätte der den DO-Angestellten ins Beamtenverhältnis übernehmende RV-Träger nämlich die gesamte Versorgungslast, dh auch diejenige
aus der früheren Beschäftigung, allein tragen müssen, sodass bei - wie hier - langjährigen Vorbeschäftigungen faktisch kaum
je eine Übernahme zustande gekommen wäre.
Die Regelung ist insoweit dem für das Beamtenversorgungsrecht geltenden §
107b BeamtVG ähnlich, welcher für den Fall eines konsensualen Wechsels eines Beamten oder Richters von einem Dienstherrn in den Dienst
eines anderen Dienstherrn (§
107b Abs
1 BeamtVG) eine größere Mobilität im öffentlichen Dienst bewirken soll (vgl zB OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern NVwZ-RR 2001,
454, 455 f mwN). Die Herbeiführung eines Dienstherrenwechsels älterer Beamter und Richter war vor Einführung des §
107b BeamtVG nämlich dadurch erschwert, dass die Versorgungslast allein den letzten Dienstherrn traf (vgl BVerwG, Urteil vom 31.1.1980
- 2 C 15.78, Buchholz 232 § 15 BBG Nr 11 S 8). Eine vergleichbare Situation bestand bei Übernahme der DO-Angestellten auch anlässlich des oben beschriebenen
Übergangs der Prüfungsaufgaben von den KKn auf die RV-Träger. Dies beruht auf Folgendem: Die DO-Angestellten der Sozialversicherungsträger
werden wie die übrigen Arbeitnehmer aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrags beschäftigt (vgl zB BAG, Urteil vom 20.2.2008
- 10 AZR 440/07, juris RdNr 14 mwN, AP Nr 72 zu §
611 BGB Gratifikation = USK 2008-119). Das Arbeitsverhältnis eines DO-Angestellten ist allerdings durch die Dienstordnung seiner
Arbeitgeberin normativ geregelt. Bei der Dienstordnung handelt es sich um autonomes Satzungsrecht (stRspr; vgl BAGE 99, 348, 355 = AP Nr
74 zu §
611 BGB Dienstordnungs-Angestellte mwN). §
351 Abs
1 RVO bestimmt, dass für die von den KKn besoldeten Angestellten, die nicht nach Landesrecht staatliche oder gemeindliche Beamte
sind, eine Dienstordnung aufgestellt wird. Diese Dienstordnung regelt nach §
352 Satz 1
RVO ua die Rechts- und die allgemeinen Dienstverhältnisse der Angestellten und nach §
353 Abs
1 Satz 2 Nr
3 RVO ua, unter welchen Bedingungen Ruhegehalt gewährt wird, wobei die in §
352 RVO angeordnete normative Wirkung arbeitsvertraglich nicht beseitigt werden kann (BAG, Urteil vom 30.8.2005 - 3 AZR 391/04, AP Nr
77 zu §
611 BGB Dienstordnungs-Angestellte). Nach Art VIII §
1 Abs
1 Nr
2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG) vom 23.5.1975
(BGBl I 1173) haben bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung bei Aufstellung
ihrer Dienstordnungen nach den §§
351 bis
357, § 413 Abs 2, §
414b RVO für die DO-Angestellten alle Geld- und geldwerten Leistungen sowie die Versorgung im Rahmen und nach den Grundsätzen der
für die Bundesbeamten geltenden Bestimmungen zu regeln. Art VIII § 2 Abs 1 Nr 1 2. BesVNG regelt, dass für landesunmittelbare
Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung die Vorschriften des § 1 Abs 1 mit der Maßgabe gelten,
dass an die Stelle des für Bundesbeamte geltenden Rechts das für Landesbeamte geltende Recht tritt. Die Gewährleistung der
Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung hat zur Folge, dass die DO-Angestellten in der gesetzlichen RV versicherungsfrei
sind (§
5 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGB VI, zuvor § 6 Abs 1 Nr 3 AVG).
Eine Beteiligung der den Betriebsprüfer abgebenden KK an der Versorgungslast des den Betriebsprüfer aufnehmenden RV-Trägers
kommt allerdings nur in Betracht, wenn die abgebende KK ihn nicht - wegen seines Ausscheidens - nachversichern musste. Andernfalls
hätte die KK im Ergebnis doppelte Versorgungslasten zu tragen. Zu einer Nachversicherung musste es nach §
8 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB VI kommen, wenn der Prüfer bei der KK ausschied, ohne seine Versorgungsanwartschaften zu behalten und ohne dass - insbesondere
wegen der in Aussicht genommenen Übernahme in ein Beamtenverhältnis - Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nach §
184 Abs
2 SGB VI gegeben waren. Vorliegend geht es indes lediglich um die anteilige Tragung der Versorgungsbezüge durch die beklagte KK, die
P. gerade nicht nachversicherte. Für eine darüber hinausgehende - wie geltend gemacht - vollständige Befreiung der Beklagten
von ihren in der Vergangenheit für P. bereits in größerem Umfang entstandenen Versorgungslasten zu Lasten der Klägerin ist
dagegen kein Raum.
b) Die von der Beklagten gegen die dargestellte und von den Vorinstanzen zutreffend beurteilte Rechtslage vorgebrachten Gesichtspunkte
greifen nicht durch.
aa) Anders als die Beklagte meint, kann eine "Übernahme" des P. durch die Klägerin im Sinne von Art II § 15d Abs 1
SGB IV aF und § 28p Abs 11
SGB IV nicht deshalb verneint werden, weil die Klägerin nicht sämtliche wechselwilligen DO-Angestellten der beklagten KK aus dem
Bereich der Arbeitgeber-Betriebsprüfungen übernahm. Beide gesetzlichen Regelungen machen die Erstattungspflicht für Versorgungsleistungen
bei DO-Angestellten nicht vom Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals der "Übernahme aller" interessierten Betriebsprüfer abhängig.
Sowohl § 28p Abs 11
SGB IV als auch schon zuvor Art II § 15d Abs 2
SGB IV verdeutlichen vielmehr, dass nur auf die "übernommenen Arbeitnehmer" bzw "übernommenen Angestellten" abzustellen ist und
Rechtsfolgen auch nur bezogen auf diesen Personenkreis angeordnet werden. Wie dargelegt, regelte das
SGB IV nämlich nicht, welcher Angestellte zu welchem Zeitpunkt von welcher KK zu welchem RV-Träger wechselte. § 28p Abs 11 Satz
2
SGB IV sieht eine anteilige Kostentragung denn auch nur vor, "soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen Beschäftigten um
einen Dienstordnungs-Angestellten handelt".
Im Übrigen geht die Vorstellung der Beklagten schon im Ansatz fehl, die Verletzung einer angeblichen gesetzlichen Pflicht
zur "Übernahme aller" interessierten Betriebsprüfer könnte dazu führen, die Beklagte von ihrer im Einzelfall bestehenden Verpflichtung
aus § 28p Abs 11 Satz 2 und 3
SGB IV in Verbindung mit §
107b Abs
5 Satz 2
BeamtVG zu dispensieren. Pflichtverletzungen können insoweit allenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen, nicht aber zum Wegfall
der Pflicht, die Versorgungslasten anteilig zu tragen. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob die Rechtsansicht
der Beklagten zutrifft, dass das Gesetz für RV-Träger tatsächlich unmittelbar ohne weitere Umsetzungsakte die konkrete, einklagbare
Rechtspflicht begründete, "alle" Prüfer von der die Prüfaufgaben abgebenden KK zu übernehmen, obwohl das Gesetz selbst - wie
dargelegt - keine konkrete Individualzuordnung getroffen hat.
bb) Ebenso ist es für das Vorliegen der vom Gesetz für das Auslösen der Erstattungspflicht geforderten "Übernahme eines DO-Angestellten"
ohne Belang, dass die Klägerin P. erst nach einem Personalauswahlverfahren und zunächst nur auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags
vom 8.2.1996 zum 1.3.1996 als "Beauftragter im Außendienst" im Angestellten-Status übernahm und dass sie ihn erst im September
1997 zum Verwaltungsamtmann im Bundesdienst ernannte. Dass P. nicht nahtlos über einen zumindest beamtenähnlichen Status verfügte,
ist - wie oben bereits dargelegt - für den geltend gemachten Erstattungsanspruch unschädlich, weil es zu keiner Nachversicherung
durch die Beklagte kam, sondern zur Einbeziehung der von P. bei der Beklagten zurückgelegten Dienstzeiten in seine Versorgungsanwartschaften
bei der Klägerin.
c) Die Beklagte hat den von der Klägerin geforderten und ihr - wie ausgeführt - nach §
107b Abs
5 Satz 2
BeamtVG iVm § 28p Abs 11 Satz 3
SGB IV zustehenden Betrag von 124 549,39 Euro hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen nicht mit Revisionsrügen angegriffen. Bei
diesem Betrag handelt es sich um die anteiligen Aufwendungen für das vom 1.2.2001 bis 30.6.2009 unter Anwendung beamtenversorgungsrechtlicher
Regelungen geleistete Witwen- und Waisengeld nach dem verstorbenen P., der von April 1971 bis Ende Februar 1996 bei der Beklagten
als DO-Angestellter und seit März 1996 bei der Klägerin tätig war (von September 1997 bis Januar 2001 als Beamter im Bundesdienst).
Der Betrag ist hier daher nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) zugrunde zu legen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.