Unfallversicherungsrecht
Feststellung einer Berufskrankheit
Verfahrensrüge
Unbeachteter Beweisantrag
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden
Tatsachen substantiiert dargetan werden.
2. Darüber hinaus ist - von bestimmten Ausnahmen abgesehen (insbesondere bei absoluten Revisionsgründen gemäß §
202 S. 1
SGG i.V.m. §
547 ZPO die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht.
3. Gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
3 Halbs. 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs.
1 S. 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2109 der Anl 1 zur
BKV (BK 2109) sowie die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen einer bereits anerkannten BK 2108.
Nachdem die Beklagte das Vorliegen einer BK 2108 festgestellt und Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH ab dem 1.9.2001
gewährt hatte (Bescheid vom 6.8.2009), bewilligte sie deren Abfindung (Bescheid vom 7.2.2012). Die Anträge des Klägers, das
Vorliegen einer BK 2109 festzustellen und ihm wegen einer Verschlimmerung der BK 2108 höhere Verletztenrente zu gewähren,
lehnte sie ab (Bescheid vom 28.5.2013 und Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013). Das SG hat die Klage durch Urteil vom 17.2.2016 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 27.3.2017 nach
§
153 Abs
4 SGG zurückgewiesen.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG rügt der Kläger, das LSG habe §
153 Abs
4 S 1
SGG verletzt, weil es seine Berufung "aus sachfremden Erwägungen und aufgrund grober Fehleinschätzung" durch Beschluss ohne mündliche
Verhandlung zurückgewiesen habe, "zumal die Entscheidung des Sozialgerichtes ebenfalls durch Gerichtsbescheid und ohne ihn
anzuhören, ergangen war". Überdies macht er die Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG), des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) und der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) geltend.
II
Die Beschwerde ist größtenteils unzulässig (1.) und, soweit sie zulässig ist, unbegründet (2.).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
- von bestimmten Ausnahmen abgesehen (insbesondere bei absoluten Revisionsgründen gemäß §
202 S 1
SGG iVm §
547 ZPO) - die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf
dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe seine Berufung "aus sachfremden Erwägungen und aufgrund grober Fehleinschätzung"
ermessensfehlerhaft durch Beschluss zurückgewiesen, bezeichnet er keine Umstände des Einzelfalls, die im vorliegenden Fall
den Verzicht auf die mündliche Verhandlung als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen könnten (vgl BSG Beschlüsse vom 11.12.2002 - B 6 KA 13/02 B - Juris RdNr 9, vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - Juris RdNr 13, vom 27.3.2012 - B 5 R 468/11 B - BeckRS 2012, 69182 RdNr 10 und vom 21.1.2013 - B 5 R 406/12 B - BeckRS 2013, 66088 RdNr 13). Wenn die Beschwerdebegründung darüber hinaus eine "Verletzung der Amtsermittlungspflicht"
(§
103 SGG) rügt, versäumt sie es bereits, Fundstelle und Wortlaut eines prozessordnungskonformen Beweisantrags wiederzugeben und darzulegen,
der im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Beschwerdeführer habe nach Erhalt der Anhörungsmitteilung iS des §
153 Abs
4 S 2
SGG einen derartigen Beweisantrag erstmals schriftsätzlich gestellt, wiederholt oder nochmals ausdrücklich in Bezug genommen
und damit bis zuletzt aufrechterhalten. Soweit der Kläger schließlich bemängelt, "das Bundessozialgericht" (gemeint: das Landessozialgericht)
habe "die vorliegenden Gutachten fehlerhaft gewürdigt", greift er die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an und macht damit
einen Verstoß gegen §
128 Abs
1 S 1
SGG geltend. Dabei übersieht er jedoch, dass auf die Verletzung dieser Norm von vornherein kein Verfahrensmangel gestützt werden
kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG).
2. Indem der Kläger behauptet, SG und LSG hätten jeweils ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid bzw Beschluss entschieden, hat er eine Verletzung
des §
153 Abs
4 S 1
SGG (Entscheidung im Beschlussverfahren ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter) und damit zugleich Verstöße gegen das Gebot
des gesetzlichen Richters (Art
101 Abs
1 S 2
GG) hinreichend bezeichnet. Darlegungen dazu, dass die Entscheidung des LSG auf dieser nicht vorschriftsmäßigen Besetzung (fehlende
Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter gemäß §
33 Abs
1 S 1 und 2 iVm §
12 Abs
1 S 2
SGG) beruhen kann, sind gemäß §
202 S 1
SGG iVm §
547 Nr 1
ZPO entbehrlich (absoluter Revisionsgrund). Daneben hat die gleichzeitig erhobene Gehörsrüge (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) keine eigenständige Bedeutung.
Die somit zulässige Verfahrensrüge ist indes unbegründet, weil der formgerecht gerügte Verfahrensmangel in Wirklichkeit nicht
vorliegt. Die Sitzungsniederschrift des SG vom 17.2.2016 beweist (§
165 S 1
ZPO iVm §
122 SGG), dass das SG die Klage an diesem Tag nicht durch Gerichtsbescheid, sondern aufgrund mündlicher Verhandlung (§
124 Abs
1 SGG) durch Urteil (§
125 SGG) abgewiesen hat. Folglich durfte das LSG die Berufung gemäß §
153 Abs
4 S 1
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§
33 Abs
1 S 2 iVm §
12 Abs
1 S 2
SGG) zurückweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.