Krankengeld
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Höchstrichterlich bereits geklärte Rechtsfrage
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache i.S. des §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche
Klärung erwarten lässt.
3. Als höchstrichterlich geklärt gilt eine Rechtsfrage selbst dann, wenn das Revisionsgericht diese noch nicht ausdrücklich
entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte
zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage ergeben.
Gründe:
I
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 23.2.2017 den Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld (Krg) im Zeitraum
vom 23.8. bis 30.9.2013 verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe spätestens am 22.8.2013
ihre bis dahin attestierte Arbeitsunfähigkeit (AU) erneut ärztlich feststellen lassen müssen. Die erst am 23.8.2013 festgestellte
AU sei daher gemäß §
46 S 1 Nr 2
SGB V (idF bis 22.7.2015 - aF) verspätet erfolgt. Der Klägerin sei zuzumuten gewesen, zu einem früheren Zeitpunkt am Freitag in
der Arztpraxis zu erscheinen oder gegebenenfalls den kassenärztlichen Notdienst in Anspruch zu nehmen.
Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Krg nach §
19 Abs
2 SGB V zu. Wegen ihrer nicht mehr bestehenden Mitgliedschaft bei der beklagten Krankenkasse (KK) habe diese ab 23.8.2013 eine Auffangpflichtversicherung
nach §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst a
SGB V durchgeführt. Diese stehe dem nachwirkenden Anspruch auf Leistungen nach §
19 Abs
2 SGB V grundsätzlich entgegen, es sei denn, dass bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen sei, dass der Versicherte spätestens
nach Ablauf eines Monats nach dem Ende der bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen
werde (§
5 Abs
8a S 4
SGB V). Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen, weil am 23.8.2013 bei prognostischer Betrachtung keine Umstände ersichtlich
gewesen seien, die erwarten ließen, dass die Klägerin spätestens am 22.9.2013 eine anderweitige Absicherung im Krankenfall
erlangen würde. Nach der Feststellung des behandelnden Arztes vom 23.8.2013 habe die AU voraussichtlich noch bis zum 30.9.2013
andauern sollen. Daher habe sich die Klägerin erst zum 1.10.2013 erneut arbeitsuchend gemeldet mit Bezug von Leistungen nach
dem
SGB III. Bis dahin habe aber keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestanden, sodass die von der Beklagten durchgeführte
Auffangpflichtversicherung nach §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst a
SGB V rechtmäßig erfolgt sei.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie rügt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache nicht formgerecht dargetan hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam:
"Die Frage, welche Anforderungen an die prognostische Betrachtung für die Beurteilung der Frage, ob nach Ablauf eines Monats
nach dem Ende der bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangt werden kann, ist höchstrichterlich
noch nicht geklärt".
Hierzu führt die Klägerin aus, zum maßgeblichen Zeitpunkt (23.8.2013) hätten der KK keine verwertbaren Erkenntnisse für eine
prognostische Betrachtung vorgelegen. Die Einschätzungen des behandelnden Arztes und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
zu ihrer AU seien widersprüchlich gewesen. Daher müsse die KK in solchen Fällen bis zum Ende des bisherigen Versicherungsverhältnisses
eine schlüssige Begründung geben, weshalb der nachwirkende Krankenversicherungsanspruch nicht greife; andernfalls gehe dies
zulasten der KK. Die Voraussetzungen der prognostischen Betrachtung müssten klar bestimmt sein, auch weil der Anwendungsbereich
von §
19 Abs
2 S 1
SGB V ansonsten ins Leere liefe. Die Klärungsbedürftigkeit der Voraussetzungen für den nachwirkenden Anspruch ergebe sich auch
aus dem Urteil des BSG vom 16.12.2014 (B 1 KR 19/14 R - Juris). Danach sei ein nachwirkender Anspruch angenommen worden, obwohl AU noch Monate danach bestanden habe.
Es ist zweifelhaft, ob die Klägerin eine Rechtsfrage zur Auslegung und Anwendung revisiblen Bundesrechts (§
162 SGG) gestellt hat. Denn die Frage, welche Anforderungen an die prognostische Betrachtung für die Beurteilung der Frage, ob nach
Ablauf eines Monats nach dem Ende der bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verlangt werden
kann, zielt in erster Linie auf die Feststellung konkreter tatsächlicher Umstände ab, die Grundlage der prognostischen Beurteilung
ist (vgl BSG Urteil vom 4.3.2014 - B 1 KR 68/12 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 22 RdNr 24 ff, 28 ff). Die vom LSG nach Ansicht der Klägerin nicht "widerspruchfrei" festgestellten
Tatsachen bemängelt sie. Dieser Vortrag betrifft indessen sinngemäß (nur) die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die richterliche
Überzeugungsbildung im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) stellt aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keinen rügefähigen Revisionszulassungsgrund dar (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG).
Sollte es sich hingegen um eine Rechtsfrage handeln, so fehlte es an ausreichender Darlegung zur Klärungsbedürftigkeit der
Frage. Als höchstrichterlich geklärt gilt eine Rechtsfrage nämlich selbst dann, wenn das Revisionsgericht diese noch nicht
ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende
Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage ergeben (stRspr vgl zB
BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick darauf hätte die Beschwerdebegründung sich substantiiert mit dem vom LSG maßgeblich herangezogenen
und auch von der Klägerin selbst in ihrer Beschwerdebegründung genannten Urteil des BSG vom 10.5.2012 (B 1 KR 19/11 R - BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5) und überdies mit dem Urteil des BSG vom 4.3.2014 (B 1 KR 68/12 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 22) näher auseinandersetzen müssen. Dort hat das BSG das Konkurrenzverhältnis und die Voraussetzungen der Auffangspflichtversicherung zum nachgehenden Krankenversicherungsschutz,
insbesondere auch zur Maßgeblichkeit der Prognoseentscheidung (vgl BSG vom 4.3.2014, aaO RdNr 25 ff) bereits konkretisiert. An Darlegungen dazu in Bezug auf die gleichwohl weitere Klärungsbedürftigkeit
fehlt es.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.