Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache
Gründe:
I
Der Kläger ist ein landesweit in Bayern tätiger Verband, in dem weit über 80 % der bayerischen Apotheken organisiert sind.
Er vertritt die wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Belange des bayerischen Apothekerstandes und übernimmt in diesem
Rahmen ua den Abschluss und die Durchführung von Verträgen und Preisvereinbarungen zur Arzneimittelversorgung in Bayern mit
Krankenkassen und anderen Kostenträgern.
Am 1.4.1999 wurde zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und den dortigen Primär- und Ersatzkassen eine "Vereinbarung
über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf" (nachfolgend: Vereinbarung) geschlossen, nach deren Ziffer III 1 als
Sprechstundenbedarf nur solche Mittel gelten, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen
Behandlung angewendet werden oder bei Notfällen für mehr als einen Berechtigten zur Verfügung stehen müssen. In einer Protokollnotiz
dazu wurde angeführt, dass Zytostatika grundsätzlich vom Bezug als Sprechstundenbedarf ausgeschlossen und auf Einzelrezept
zu verordnen sind; ausnahmsweise wurde es onkologischen Schwerpunktpraxen aus Wirtschaftlichkeitsgründen gestattet, diese
Präparatgruppe als Sprechstundenbedarf zu verordnen. Dies führte zu einer für die Apotheken nachteiligen Abrechnung: Wurden
Zytostatika nicht auf Einzelrezept verkauft, sondern ausschließlich zur Herstellung von Rezepturen verwendet, die individuell
für an Krebs erkrankte Patienten erstellt wurden, galten dafür besondere Vergütungsregeln, die nach Angaben des Klägers zu
Preisunterschieden von bis zu 18,2 % führen konnten.
Im Dezember 2003 legte die beklagte Krankenkasse den onkologischen Schwerpunktpraxen nahe, Zytostatika ausschließlich als
Sprechstundenbedarf zu beziehen und auf die Verordnung von Individualrezepten zu verzichten; gleichzeitig unterbreitete sie
den Zytostatika herstellenden Apotheken eine von den Konditionen der Arzneimittelpreisverordnung abgekoppelte Vergütungspauschale,
die der Kläger als nicht akzeptabel ablehnte. Mit der im März 2004 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst in beiden Punkten
die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung begehrt, seine Klage aber nach Außerkrafttreten der beanstandeten Protokollnotiz
zu Ziffer III 1 der Vereinbarung zum 1.7.2006 auf ein Feststellungsbegehren umgestellt. Das SG hat der geänderten Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte sich rechtswidrig verhalten hat (Urteil vom 17.10.2007).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen; es fehle dem Kläger
schon das notwendige Feststellungsinteresse (Urteil vom 17.11.2009).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, wobei er sich auf Divergenz
sowie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie die Rüge einer angeblichen Divergenz betrifft, weil sie nicht in
der durch §§
160 Abs
2,
160a Abs
2 Satz 3
SGG normierten Form begründet worden ist. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.
1. Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
oder des BVerfG (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) ist nicht formgerecht dargetan. Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung
von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt und angewandt hat, und dass die
Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu ist notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden
Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt
indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann,
wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit
der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen
Divergenz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Zudem ist substantiiert darzulegen, dass die aufgezeigte Divergenz klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich
ist (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX. Kap RdNr 82 und 200 - jeweils mwN).
Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Der Kläger hat weder einen tragenden Rechtssatz des LSG herausgearbeitet noch diesem einen konkreten Rechtssatz des BSG gegenübergestellt,
von dem das Berufungsgericht abgewichen sein soll. Er hat zwar angeblich divergierende Entscheidungen des BSG mit Datum und
Aktenzeichen bzw Fundstelle bezeichnet, hieraus jedoch keinen abstrakten Rechtssatz abgeleitet, der im Widerspruch zu einer
Kernaussage des LSG-Urteils steht. Selbst wenn zutrifft, dass das LSG den Rechtsstreit in Verkennung von BSG-Rechtsprechung
möglicherweise falsch entschieden hat, führt dies nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz, denn es kommt nicht auf
die rechtliche Würdigung des Einzelfalls an, sondern auf den Widerspruch zweier abstrakter Rechtsaussagen (BSG SozR 1500 §
160a Nr 67; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34); hierzu wird in der Beschwerde nicht substantiiert vorgetragen. Unabhängig davon
fehlen auch ausreichende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit der angeblichen Divergenz. Denn
die Revision wäre selbst bei festgestellter Divergenz nicht zuzulassen, wenn die Entscheidung des LSG mit einer anderen rechtlichen
Begründung als der divergierenden bestätigt werden könnte (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr
83). Deshalb hätte zumindest in den Grundzügen dargelegt werden müssen, dass bei Bejahung einer Divergenz auch die weiteren
- materiellen - Voraussetzungen des geltend gemachten Feststellungsbegehrens erfüllt sind; dies ist nicht geschehen.
2. Der Kläger macht des Weiteren geltend, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen,
dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500
§ 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In
der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt
(Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 65 f mwN) oder diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr
51; § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Letzteres ist vorliegend der Fall.
a) Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
Begründet das Interesse einer für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen von Leistungserbringern maßgeblichen Organisation
an der Integrität seiner aus Vorschriften des
SGB V folgenden Vertragskompetenz das notwendige Interesse für eine Klage auf Feststellung, dass ein im Laufe des Klageverfahrens
erledigtes Rechtsverhältnis in der Vergangenheit gegeben war?
Wird das notwendige Interesse für die Klage eines Verbandes von Leistungserbringern an der Feststellung, dass ein im Laufe
des Klageverfahrens erledigtes Rechtsverhältnis in der Vergangenheit gegeben war, dadurch begründet, dass die Entscheidung
für anhängige Klageverfahren von Verbandsmitgliedern Präjudizwirkung hat?
Es kann offen bleiben, ob der Kläger damit zwei konkrete Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gestellt hat, über die
das BSG nach erfolgter Zulassung zur Wahrung und Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts entscheiden
könnte (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 und BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 58). Denn
die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht mehr klärungsbedürftig, da sie höchstrichterlich bereits hinreichend geklärt sind
und weder vom Kläger vorgetragen noch ansonsten ersichtlich ist, dass weiterer Klärungsbedarf - etwa wegen erheblichen Widerspruchs
in der Literatur - besteht (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 65 f mwN). So hat der Senat bereits entschieden, dass das
"berechtigte Interesse" iS von §
55 Abs
1 SGG - in der Regel ebenso wie in §
131 Abs
1 Satz 3
SGG - jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse meint, das rechtlicher, aber auch bloß wirtschaftlicher
oder ideeller Art sein kann (BSGE 98, 12 = SozR 4-2500 § 132a Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34). Ebenso ist klargestellt, dass zB Spitzenorganisationen der Pflegedienste
die Rechtmäßigkeit der Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege im Wege der Feststellungsklage zur gerichtlichen Überprüfung
stellen können, also ein eigenes Feststellungsinteresse besitzen (BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3); Entsprechendes gilt für die
Spitzenverbände der Heilmittelverbände (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr 3). In ähnlicher Weise hat der 1. Senat des BSG kürzlich
entschieden, dass sich die zur Geltendmachung mit der Feststellungsklage erforderlichen eigenen Rechte insbesondere aus einer
gesetzlich eingeräumten Rechtsstellung - dort: §
125 Abs
2 SGB V - ergeben können, weil das
SGB V den Verbänden damit eine Kompetenz zum Abschluss entsprechender Verträge mit gesetzlich vorgegebenen Inhalt verleiht (BSG
Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 4/09 R GesR 2010, 263; SozR 4-2500 §
125 Nr 5; vgl ebenso Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
55 RdNr 15e).
In Anbetracht dieser gefestigten Rechtsprechung des BSG ist nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse zur Wahrung und
Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts in einem anschließenden Revisionsverfahren zur Auslegung
und Anwendung der §§
55 Abs
1 und
131 Abs
1 Satz 3
SGG gewonnen werden könnten. Auch der Kläger leitet seine Rechtsposition aus einer gesetzlichen Vorschrift - §
129 Abs
5 Satz 1
SGB V - ab, die ihm eine Gestaltungsmöglichkeit bei der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Apotheker in Bayern einräumt;
gerade für derartige Fälle hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 27.10.2009 (aaO) das Vorliegen von Klagebefugnis und Feststellungsinteresse
nochmals eindeutig bejaht. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich deshalb unschwer und eindeutig anhand der bisherigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung klären, ohne dass es hierzu einer erneuten höchstrichterlichen Entscheidung bedarf.
b) Der Kläger rügt aber im Wesentlichen die seiner Ansicht nach falsche Rechtsauslegung und -anwendung durch das LSG, weil
es das Vorliegen eines Feststellungsinteresses iS von §
55 Abs
1 SGG verneint hat. In der Tat spricht viel dafür, dass das LSG sowohl in der Wahl der maßgeblichen Klageart - vorliegend handelt
es sich um eine Fortsetzungsfeststellungsklage analog §
131 Abs
1 Satz 3
SGG (BSG SozR 3-2500 §
207 Nr
1 mwN) und nicht um eine "allgemeine" Feststellungsklage nach §
55 Abs
1 SGG - als auch bei der Verneinung des "berechtigten Interesses an der Feststellung" einem Rechtsirrtum unterlegen ist. Das Verfahren
der Nichtzulassungsbeschwerde soll indes zur Klärung konkreter Rechtsfragen führen; es dient nicht dazu, die sachliche Richtigkeit
der LSG-Entscheidung in vollem Umfang nachzuprüfen (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 182 mwN). Die richtige Entscheidung
des Einzelfalles ist nur Folge der Klärung und Entscheidung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtssache; deshalb sind die
Voraussetzungen zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht schon dann gegeben, wenn das LSG die Sache
falsch entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Dies gilt selbst dann, wenn - wie hier - die Annahme einer fehlerhaften
Rechtsanwendung sehr naheliegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
197a SGG iVm §
154 VwGO. Die Entscheidung zur Festsetzung des Streitwerts und seiner Höhe beruht auf §
197a SGG iVm §§ 63 Abs 2, 47, 52 Abs 2 GKG.