Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung der Bundesrepublik
Deutschland ab dem 1.8.2002 sowie um einen Anspruch auf Pflegegeld nach §
37 SGB XI ab dem 1.1. 2003.
Der 1935 geborene Kläger ist portugiesischer Staatsangehöriger. Er wohnte und arbeitete lange Zeit in der Bundesrepublik Deutschland,
nachdem er zuvor bereits in seinem Heimatland Portugal beschäftigt gewesen war. Seit März 1974 war er bei der Bank Betriebskrankenkasse
krankenversichert und ab Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Januar 1995 bei der dortigen Pflegekasse auch pflegeversichert.
Seit September 1996 bezieht er eine deutsche Altersrente in Höhe von rund 700 Euro und seit Mai 2000 zusätzlich eine portugiesische
Altersrente in Höhe von ca 150 Euro.
Ab dem Zeitpunkt des Bezugs der Altersrente war der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland Mitglied in der Krankenversicherung
der Rentner (KVdR). Die Beklagte gewährte ihm ab August 2001 Pflegesachleistungen der Pflegestufe I (§
36 SGB XI). Aufgrund eines zunächst nur als vorübergehend bezeichneten Aufenthaltes in Portugal ab Mitte Dezember 2001 bewilligte die
Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 8.5.2002 Pflegegeld in der gesetzlichen Höhe von monatlich 205 Euro für die Zeit seit
dem 1.1.2002, das auch bis zum 31.12.2002 ausgezahlt wurde. Als die Beklagte von der Landesversicherungsanstalt Unterfranken
(heutige Bezeichnung: Deutsche Rentenversicherung Unterfranken) erfuhr, dass sich der Kläger zum 31.7.2002 endgültig aus Deutschland
abgemeldet hatte, stellte sie mit Bescheid vom 5.2.2003 das Ende der Mitgliedschaft des Klägers in der Pflegeversicherung
zum 31.7.2002 fest und forderte ihn mit weiterem Bescheid vom 12.2.2003 auf, das für die Monate August bis Dezember 2002 bereits
gezahlte Pflegegeld in Höhe von insgesamt 1.025 Euro (5 x 205 Euro) an sie zurückzuzahlen. Der vom Kläger mit Schreiben vom
19.2.2003 eingelegte, der Beklagten am 21.2.2003 zugegangene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 4.2.2004 als unbegründet zurückgewiesen.
Der dagegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main stattgegeben. Es hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger freiwillig
weiterversichertes Mitglied der Beklagten ist und diese dem Kläger deshalb auch ab dem 1.1.2003 Pflegegeld im gesetzlichen
Umfang weiterzubewilligen hat (Urteil vom 20.7.2006 mit Berichtigungsbeschluss vom 31.10.2006). Die hiergegen eingelegte Berufung
der Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 13.9.2007 zurückgewiesen, soweit die Rückforderung
des Pflegegeldes betroffen war, weil der Rückforderungsbescheid der Beklagten an formellen Mängeln leide. Im Übrigen hat das
LSG das Urteil des SG geändert und die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine freiwillige Weiterversicherung des Klägers nach §
26 Abs
1 SGB XI scheide aus, weil der hierfür erforderliche Antrag nicht fristgerecht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Pflichtversicherung
gestellt worden sei. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Pflegeleistungen sei dementsprechend gemäß §
35 SGB XI zum 31.7.2002 erloschen. Etwas Abweichendes ergebe sich auch nicht aus den einschlägigen europäischen Vorschriften. Bei den
Bestimmungen der "Verordnung (EWG) 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige
sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern" (VO [EWG] 1408/71) handele es sich um reine
Kollisionsnormen, die keine Regelungen zum Bestand bzw Fortbestand der Versicherungspflicht bzw freiwilligen Weiterversicherung
in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung enthielten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Freizügigkeitsrechts der Unionsbürger (Art 18 EGV) und Arbeitnehmer (Art 39 und 42 EGV) sowie einen Verstoß gegen die Art 19, 27 und 28 VO (EWG) 1408/71. Es müsse möglich sein, Sozialleistungen der Pflegeversicherung in das EU-Ausland zu exportieren, und zwar
insbesondere dann, wenn - wie hier - der Versicherungsschutz durch eigene Beiträge finanziert worden sei und am Wohnort im
Heimatland keine vergleichbaren Leistungen gewährt würden. Im
SGB XI werde die Zahlung von Pflegegeld unzulässig mit dem Territorialitätsprinzip verknüpft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 13.9.2007 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Frankfurt am
Main vom 20.7.2006 insgesamt zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist nach derzeitiger Rechtslage unbegründet, soweit er die Feststellung seiner freiwilligen Weiterversicherung
in der Pflegeversicherung bei der Beklagten über den 31.7.2002 hinaus begehrt. Ob seinem Zahlungsbegehren für die Zeit ab
dem 1.1.2003 zu entsprechen ist, lässt sich hingegen bisher nicht abschließend beurteilen. Die Gewährung von Pflegegeld aus
der deutschen Pflegeversicherung nach Portugal hängt maßgeblich von der Auslegung des europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere
Art 39, 42 EGV sowie Art 27, 28 VO (EWG) 1408/71, ab. Das Verfahren ist daher auszusetzen und gemäß Art 234 EGV (idF des derzeit noch gültigen Vertrages von Nizza vom 26.2.2001, BGBl II 2001, S 1666) eine Vorabentscheidung des EuGH zu
der gestellten Frage einzuholen.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch die freiwillige Weiterversicherung des Klägers in der Pflegeversicherung
bei der Beklagten über den 31.7.2002 hinaus sowie die Gewährung von Pflegegeld ab dem 1.1.2003. Die Prozesserklärungen des
Klägers vor dem SG und dem LSG sind so auszulegen, dass er unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide vom 5. und 12.2.2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 4.2.2004 zum einen die Feststellung begehrt, dass er über den 31.7.2002 in der Pflegeversicherung
bei der Beklagen freiwillig weiterversichert ist (§
55 Abs
1 Nr
1 SGG), und zum anderen die Beklagte verpflichten möchte, ihm über den 31.12.2002 hinaus Pflegegeld zu gewähren (§
54 Abs
4 SGG). Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung seiner Weiterversicherung in der Pflegeversicherung,
weil dies Leistungsvoraussetzung für das Pflegegeld sowie die Verpflichtung zur Beitragszahlung ist (vgl Bundessozialgericht
[BSG] SozR 4-2400 § 3 Nr 1 RdNr 9 - juris RdNr 23; BSGE 66, 124, 126). Der daneben zur Klarstellung erhobenen Zahlungsklage mangelt es gleichfalls nicht an einem Rechtsschutzinteresse.
Bei Aufhebung der Bescheide vom 5. und 12.2.2003 würde zwar grundsätzlich die ursprüngliche (unbefristete) Bewilligung von
Pflegegeld durch den Bescheid vom 8.5.2002 wieder aufleben. Diese Bewilligung erfolgte jedoch lediglich im Hinblick auf einen
nur vorübergehenden Aufenthalt des Klägers in Portugal. Ein dauerhafter Export von Leistungen ins Ausland ist nach dem
SGB XI grundsätzlich nicht vorgesehen (§
34 Abs
1 Nr
1 SGB XI), sodass insoweit ein Klärungsbedürfnis besteht. Nicht mehr Streitgegenstand ist im Revisionsverfahren die Rückforderung
des Pflegegeldes in Höhe von 1025 Euro für die Monate August bis Dezember 2002, weil nur vom Kläger Revision eingelegt worden
ist (§
202 SGG iVm §
557 Abs
1 ZPO).
2. Die Revision ist nach derzeitiger Rechtslage unbegründet, soweit der Kläger die freiwillige Weiterversicherung in der Pflegeversicherung
bei der Beklagten über den 31.7.2002 hinaus begehrt. Allein nach den einschlägigen Regelungen des deutschen Pflegeversicherungsrechts
und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG hätte der Kläger zwar einen Anspruch auf eine freiwillige Weiterversicherung
in der Pflegeversicherung bei der Beklagten ab dem 1.8.2002 gemäß §
26 SGB XI. Im europäischen Kontext scheitert dieser Anspruch aber nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH an den europäischen Kollisionsnormen
der VO (EWG) 1408/71, die das Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit untersagen
und den Vorrang einer Pflichtversicherung vor einer freiwilligen Versicherung vorschreiben.
a. Nach deutschem Recht stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: Ein Versicherungsverhältnis wird im deutschen Recht der
Pflegeversicherung als Grundlage für die Leistungspflicht der Pflegekassen entweder durch Gesetz als Pflichtversicherung (vgl
§§
20 ff
SGB XI) oder aufgrund eines Antrags als freiwillige Versicherung (vgl §
26 SGB XI) begründet.
aa. Zu Recht hat das LSG insoweit angenommen, dass der Kläger bis zu seiner endgültigen Abmeldung aus Deutschland zum 31.7.2002
aufgrund seines Rentenbezugs vom deutschen Rentenversicherungsträger gemäß §
20 Abs
1 Satz 2 Nr
11 SGB XI iVm §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig war. Infolge der Verlegung seines Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes
nach Portugal fand das deutsche Sozialversicherungsrecht gemäß der nationalen Kollisionsnorm des §
3 Nr 2
SGB IV jedoch nach dem 31.7.2002 auf ihn keine Anwendung mehr, sodass er aus der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
und der sozialen Pflegeversicherung ausgeschieden ist (vgl BSG SozR 4-2400 § 3 Nr 1).
bb. Entgegen der Auffassung des LSG hätte sich der Kläger für die Zeit ab dem 1.8.2002 nach deutschem Recht (§
26 SGB XI) indes grundsätzlich freiwillig bei der Beklagten weiterversichern können.
(1) Dabei kann dahinstehen, ob eine Weiterversicherung nach §
26 Abs
1 oder Abs
2 SGB XI hätte erfolgen können. Vorliegend sind nämlich die Tatbestandsvoraussetzungen beider Vorschriften erfüllt. Während eine freiwillige
Weiterversicherung nach §
26 Abs
1 SGB XI Personen, die aus der sozialen Pflegeversicherung ausgeschieden sind, einen vollen Versicherungsschutz ermöglicht (vgl Wagner
in: Hauck/Noftz,
SGB XI, Stand Mai 2007, K §
26 RdNr
21), regelt §
26 Abs
2 SGB XI die freiwillige Weiterversicherung von Personen, die wegen der Verlegung ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes
ins Ausland aus der Versicherungspflicht ausscheiden. Eine Weiterversicherung von Wanderarbeitnehmern innerhalb der EU nach
Maßgabe des §
26 Abs
2 SGB XI erweist sich jedoch als wenig sinnvoll, weil diese nach ihrer gesetzlichen Konzeption lediglich eine Anwartschaftsversicherung
zu einem reduzierten Mindestbeitrag normiert (§
57 Abs
5 SGB XI), die den Zweck hat, trotz eines Auslandsaufenthaltes die erforderlichen Vorversicherungszeiten (§
33 Abs
2 SGB XI) zu erhalten oder zu vervollständigen (vgl BT-Drucks 12/5262, S 82, 107, 110; dazu auch BVerfGE 103, 225 ff = SozR 3-3300 § 20 Nr 6). Im europäischen Kontext besteht hierfür jedoch kaum Bedürfnis, weil Versicherungszeiten nach
Art 18 VO (EWG) 1408/71 zusammengerechnet werden.
(2) Die Frage, welche Variante der freiwilligen Weiterversicherung nach §
26 SGB XI im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt, kann aber letztlich wegen Vorrang des Gemeinschaftsrechts (vgl nachfolgend unter
2.b.) dahinstehen; deshalb braucht auch nicht entschieden zu werden, ob der erkennende 3. Senat der Rechtsprechung des 12.
Senats des BSG folgt, dass in solchen Fällen "allein" §
26 Abs
2 SGB XI als Sonderregelung heranzuziehen ist (Urteil vom 28.5.2008 - B 12 P 3/06 R -, BSG SozR 4-3300 § 26 Nr 1 RdNr 16 = NZS 2009, 284). Denn auch der Tatbestand des §
26 Abs
1 SGB XI wäre erfüllt: Der Kläger ist durch den endgültigen Wohnsitzwechsel zum 1.8.2002 aus der Versicherungspflicht nach §
20 Abs
1 Satz 2 Nr
11 SGB XI bei der Beklagten ausgeschieden. Seine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung bestand bereits seit Januar
1995 und er unterlag zu keinem Zeitpunkt der Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung. Den erforderlichen
Antrag auf Gewährung eines fortdauernden Versicherungsschutzes hat er zumindest nachträglich mit seinem Widerspruchsschreiben
vom 19.2.2003 gestellt. In diesem Schreiben hat er unmissverständlich seine Unkenntnis von der Möglichkeit einer freiwilligen
Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung und sein Begehren zum Ausdruck gebracht, weiter Pflegeleistungen beziehen
zu wollen.
(3) Der Anspruch auf Weiterversicherung würde auch nicht an einer versäumten Antragsfrist scheitern. Wie das LSG zu Recht
problematisiert hat, ist für den Versicherungsschutz allein maßgeblich, ob der hierfür erforderliche Antrag innerhalb der
Einmonatsfrist (§
26 Abs
2 SGB XI) bzw der Dreimonatsfrist (§
26 Abs
1 SGB XI) gestellt wurde. Auch dies ist im Ergebnis zu bejahen. Die Pflichtversicherung des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung
war am 1.8.2002 beendet. Dementsprechend hätte bis zum 31.8.2002 bzw 31.10.2002 ein entsprechender Antrag auf Weiterversicherung
bei der Beklagten eingehen müssen (vgl §
26 Abs
1 Satz 3 und Abs
2 Satz 2
SGB XI, § 26 Abs 1 SGB X iVm §§
187 ff
BGB). Das Widerspruchsschreiben des Klägers ist zwar erst am 21.2.2003 bei der Beklagten eingegangen. Dies wirkt sich für den
Kläger aber deshalb nicht nachteilig aus, weil ihm insoweit gemäß § 27 SGB X Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren wäre. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat (vgl BSG SozR 3-2200
§ 176b Nr 1 zum heutigen §
9 Abs
2 SGB V, dem §
26 SGB XI nachgebildet ist - dazu BT-Drucks 12/5262, S 106 f; im Grundsatz bestätigend nochmals BSG SozR 3-2500 § 9 Nr 4), ist die
Wiedereinsetzung auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig, sofern sich nicht aus einer Rechtsvorschrift
ergibt, dass sie ausgeschlossen ist (§ 27 Abs 5 SGB X). Ein solcher ausdrücklicher Ausschluss ist in §
26 SGB XI nicht enthalten; er ist der Vorschrift auch nicht im Wege der Auslegung zu entnehmen. Eine ausnahmslose Anwendung der Frist
als materielle Ausschlussfrist ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung jedenfalls nicht geboten (vgl dazu Baier in: Krauskopf,
Krankenversicherung-Pflegeversicherung, Stand August 2001, §
26 SGB XI RdNr 11; aA dagegen Wagner in: Hauck/Noftz,
SGB XI, Stand Mai 2007, K §
26 RdNr 20). In bestimmten Fällen kann sogar ein erhöhter Bedarf bestehen, unter besonderen Voraussetzungen eine Fristversäumnis
zu entschuldigen. Davon ist bei Fallgestaltungen im europäischen Kontext, insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten
auszugehen. Ein den Anforderungen des § 27 SGB X entsprechender Antrag kann deshalb im Widerspruchsschreiben des Klägers vom 19.2.2003 gesehen werden, das der Beklagten am
21.2.2003 und damit jedenfalls innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Bescheides vom 12.2.2003 zugegangen ist. Hierin hat
der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass ihm das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung
nicht bekannt gewesen ist und er die Bewilligung weiterer Leistungen begehrt. Dem Kläger wäre demnach die Versäumnis der genannten
Fristen des §
26 SGB XI nicht vorzuwerfen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er es unterlassen hat, der Beklagten seinen endgültigen Umzug
nach Portugal mitzuteilen. Denn auch die Beklagte hat die Auffassung vertreten (vgl Schreiben vom 17.9.2003 und Widerspruchsbescheid
vom 4.2.2004), das Versicherungsverhältnis ende mit dem Wohnsitzwechsel ins Ausland. Die Voraussetzungen für eine freiwillige
Weiterversicherung nach §
26 SGB XI liegen damit im Grundsatz vor.
b. Letztlich scheitert eine freiwillige Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung aber an den Kollisionsnormen
der VO (EWG) 1408/71, die das Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit untersagen
und den Vorrang einer Pflichtversicherung vor einer freiwilligen Versicherung vorschreiben.
aa. Der Anwendungsbereich der europäischen Regelungen, also dem EGV und der VO (EWG) 1408/71, ist hier eröffnet. Es liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor. Der Kläger ist portugiesischer
Staatsangehöriger, arbeitete zunächst in Portugal, kam dann als Wanderarbeitnehmer nach Deutschland und ist nach Beendigung
seiner Erwerbstätigkeit als Rentner in sein Heimatland Portugal zurückgekehrt. Auf ihn finden zudem die personenbezogenen
Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts zum Schutze der Wanderarbeitnehmer Anwendung. Der Begriff des "Arbeitnehmers"
in diesem Sinne ist weit zu fassen und umfasst auch Rentner, die noch soziale Vergünstigungen aus ihrem ehemaligen Arbeitsverhältnis
beanspruchen (vgl Art 1 Buchst a und Art 2 VO [EWG] 1408/71). Schließlich stellt das Pflegegeld als beitragsfinanzierte Geldleistung
eine soziale "Leistung" iS der Regelungen dar (vgl Art 1 Buchst t und Art 4 Abs 1 Buchst a VO [EWG] 1408/71; vgl dazu auch
EuGH SozR 3-3300 § 34 Nr 2 [Molenaar] sowie EuGH, SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 [Jauch]).
bb. Europarechtlich nicht zu beanstanden ist zunächst der Ausschluss des Klägers aus der Pflichtversicherung bei der Beklagten
ab dem Zeitpunkt der endgültigen Wohnsitzverlegung nach Portugal. Dies folgt aus der Regelung des Art 12 Abs 1 Satz 1 VO (EWG)
1408/71, wonach ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit aufgrund dieser Verordnung
weder erworben noch aufrechterhalten werden kann. Zweck der Regelung ist es, einen doppelten Leistungsbezug, aber zugleich
auch eine doppelte Beitragslast von Wanderarbeitnehmern zu vermeiden. Zu Recht hat der 12. Senat des BSG (SozR 4-2400 § 3
Nr 1) daher angenommen, dass ein Rentner mit Wohnsitz in Spanien, der sowohl eine Rente des deutschen als auch des spanischen
Rentenversicherungsträgers bezieht, in der deutschen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig ist. Nach Art 13 Abs
2 Buchst f VO (EWG) 1408/71 unterliegt ein solcher Rentner den Rechtsvorschriften des Staates, in dem er wohnt, weil keiner
der anderen Fälle des Art 13 oder der Art 14 bis 17 VO (EWG) 1408/71 auf ihn zutrifft.
cc. Wie der 12. Senat des BSG gleichfalls bereits entschieden hat (SozR 4-3300 §
26 Nr 1), kommt aber auch eine freiwillige Weiterversicherung in der deutschen Pflegeversicherung nach §
26 SGB XI wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht in Betracht. Dem steht die Regelung des Art 15 Abs 2 VO (EWG) Nr 1408/71
entgegen. Diese Vorschrift ordnet beim Zusammentreffen einer Pflichtversicherung mit einer freiwilligen Versicherung den Vorrang
der Pflichtversicherung an. Die Vorschrift wahrt damit den Grundsatz der Anwendung nur einer Rechtsordnung. Eine Ausnahme
von diesem Grundsatz ist nach Abs 3 der Regelung nur für die Zweige Invalidität, Alter und Tod vorgesehen, nicht aber für
den Fall der Krankheit oder Pflege.
dd. Unter Berücksichtigung dieser europarechtlichen Grundsätze ist dem Kläger eine freiwillige Weiterversicherung in der deutschen
Pflegeversicherung nicht möglich. Der Kläger ist nämlich als Rentner in Portugal sozialversicherungspflichtig und führt dort
einen Globalbeitrag von seinem Bruttoverdienst ab. Er ist im portugiesischen System der Sozialversicherung ua gegen das Risiko
der Krankheit versichert. Eine separate Pflegeversicherung existiert in Portugal nicht. Da das Risiko der Pflegebedürftigkeit
nach der Rechtsprechung des EuGH dem Bereich der Krankenversicherung zuzuordnen ist (vgl EuGH SozR 3-3300 § 34 Nr 2 [Molenaar]
- juris RdNr 28; EuGH SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 [Jauch] - juris RdNr 24 f, 35 f), scheidet eine freiwillige Weiterversicherung
des Klägers in der Pflegeversicherung bei der Beklagten neben der portugiesischen Pflichtversicherung aus. Daran ändert auch
die Tatsache nichts, dass im vorliegenden Fall - anders als in den bisher vom BSG entschiedenen Fällen - zusätzlich ein konkretes
Leistungsbegehren im Streit steht, das am Maßstab der primärrechtlichen Gewährleistung des Art 39 EGV zu messen ist. Denn die Frage nach einer grenzüberschreitenden Leistungsgewährung ist nach den europäischen Vorschriften
grundsätzlich separat von der Möglichkeit zu beantworten, sich freiwillig weiterzuversichern. Nur für die grenzüberschreitende
Leistungserbringung innerhalb der EU stellt sich die hier maßgebliche und dem EuGH vorgelegte Auslegungsfrage.
3. Soweit der Kläger mit seiner Klage die Gewährung von Pflegegeld nach Portugal ab dem 1.1.2003 begehrt, kann die Erfolgsaussicht
der Revision nicht abschließend beurteilt werden. Der Ausgang des Verfahrens hängt insoweit maßgeblich von der Auslegung des
europäischen Gemeinschaftsrechts ab. Wird die gestellte Auslegungsfrage negativ entschieden, wäre die Revision insgesamt zurückzuweisen.
a. Allein nach den einschlägigen Regelungen des deutschen Pflegeversicherungsrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung
des BSG steht dem Kläger ab dem 1.1.2003 kein Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld nach Portugal mehr zu, weil dieser Anspruch
nach der nationalen Regelung des §
34 Abs
1 Nr
1 SGB XI solange ruht, wie sich der Kläger dauerhaft im Ausland aufhält.
aa. Rechtsgrundlage für die Weiterbewilligung von Pflegegeld an den Kläger für die Zeit ab dem 1.1.2003 ist §
37 SGB XI. Leistungen der Pflegeversicherung erhalten Versicherte hiernach nur auf Antrag, wenn sie bestimmte Versicherungszeiten aufweisen
und pflegebedürftig sind (§
33 SGB XI). Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nach den deutschen Regelungen. Er hat bereits mit Schreiben vom 28.1.2002 durch
seinen Vertreter beantragt, ihm Pflegegeld nach Portugal zu gewähren. Er war ferner seit dem Jahr 1995 bei der Beklagten pflichtversichert
und zumindest seit 2001 pflegebedürftig, wie die bereits erfolgte Leistungsbewilligung durch die Beklagte zeigt. Entgegen
der Auffassung des LSG konnte er sich nach deutschem Recht grundsätzlich auch über den 31.7.2002 hinaus bei der Beklagten
weiterversichern (§
26 SGB XI - vgl oben 2.a.).
bb. Dem steht auch die nationale Regelung des §
3 Nr 2
SGB IV nicht entgegen, wonach der Bestand eines Versicherungsverhältnisses von einem Inlandswohnsitz abhängt. Die Einräumung eines
Rechts zur Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung stellt nämlich zumindest für den Fall, dass der Versicherte
seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt, eine nach §
6 SGB IV zulässige Abweichung von dieser dem Territorialitätsprinzip folgenden Regelung dar (vgl Baier in: Krauskopf, aaO, §
26 SGB XI RdNr 14; Wagner in: Hauck/Noftz, aaO, K §
26 RdNr 22).
cc. Einem dauerhaften Export von Pflegegeld nach Portugal ab dem 1.1.2003 steht im deutschen Pflegeversicherungsrecht letztlich
entgegen, dass der Leistungsanspruch ruht, solange sich der Versicherte dauerhaft im Ausland aufhält (vgl §
34 Abs
1 Nr
1 SGB XI). Der Kläger hat sich zum 31.7.2002 aus Deutschland abgemeldet und seinen Wohnsitz nach Portugal verlegt. Somit ruht sein
Leistungsanspruch seit dem 1.8.2002, sofern allein auf die Vorschriften des
SGB XI abgestellt wird.
b. Vor dem dargestellten Hintergrund des nationalen deutschen Pflegeversicherungsrechts kann der Kläger mit seinem Begehren
nur erfolgreich sein, wenn ihm ein Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld nach Portugal unter Berücksichtigung des europäischen
Rechts zusteht. Seiner Revision müsste stattgegeben werden, wenn aus dem Recht der EG folgt, dass ihm ein Anspruch auf Pflegegeld
zusteht, der nach Portugal exportierbar ist; ansonsten wäre sie in vollem Umfang unbegründet.
aa. Sowohl die primärrechtlichen allgemeinen Bestimmungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 39 und 42 EGV) als auch die Regelungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für Wanderarbeitnehmer in der hier noch
einschlägigen Fassung (insbesondere Art 27 und 28 VO [EWG] 1408/71) könnten es möglicherweise gebieten, dass das deutsche
Pflegeversicherungsrecht europarechtlich in bestimmter Weise auszulegen ist. Der Anwendungsbereich dieser Regelungen ist im
hier zu entscheidenden Fall wegen des grenzüberschreitenden Sachverhaltes innerhalb der EG eröffnet.
Bei den europarechtlichen Regelungen auf dem Gebiet des Sozialrechts handelt es sich im Wesentlichen um Kollisionsnormen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12.6.1986 - C-302/84 - SozR 6050 Art 13 Nr 8 [Ten Holder] - juris RdNr 21) kommt diesen Vorschriften Vorrang vor widersprechenden nationalen Bestimmungen
zu, weil der nationale Gesetzgeber nicht befugt ist, im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der EU Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen
seiner nationalen Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Staatsgebiet
sie ihre Wirkung entfalten sollen. Dagegen lässt das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unberührt, ihre
Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten, dh Inhalt und Umfang sowie Anspruchsvoraussetzungen von zu gewährenden Sozialleistungen
zu bestimmen (vgl nur EuGH, Urteil vom 17.6.1997 - C-70/95 [Sodemare] - juris RdNr 27; Urteil vom 7.2.1984 - 238/82 [Duphar] - juris RdNr 16; Urteil vom 24.4.1980 - C-110/79 - SozR 6050 Art 1 Nr 11 [Coonan]).
bb. Vorliegend könnte vorrangig die Auslegung von Art 28 Abs 1 Satz 1 und 2 Buchst b VO (EWG) 1408/71 Aufschluss über die
europarechtlich gebotene Handhabung der deutschen Vorschriften über die Gewährung und den Export von Pflegegeld geben. Diese
Regelung schreibt vor, dass ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zum Bezug einer Rente oder nach
den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zum Bezug von Renten berechtigt ist und keinen Anspruch auf Leistungen
nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats hat, in dessen Gebiet er wohnt, dennoch diese Leistungen für sich und seine
Familienangehörigen erhält, sofern er nach den Rechtsvorschriften des Staates, aufgrund deren die Rente geschuldet wird, oder
zumindest eines der Mitgliedstaaten, nach deren Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, Anspruch auf Leistungen hätte,
wenn er im Gebiet des betreffenden Staates wohnte. Geldleistungen werden dabei vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden
Rechtsvorschriften gewährt. Die Vorschrift ist eine Ausformung der primärrechtlichen Gewährleistung der Freizügigkeit der
Arbeitnehmer (Art 39 EGV). Sie ist auf der Grundlage des Art 42 EGV ergangen, wonach der Rat die notwendigen Maßnahmen beschließt, um auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit die Zahlung der
Leistungen an Personen, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten wohnen, zu sichern. Der Zweck der Regelung besteht
in der Herstellung größtmöglicher Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer (vgl nur EuGH SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 [Jauch] - juris
RdNr 20; EuGH, Urteil vom 20.5.2008 - C-352/06 [Bosmann] - juris RdNr 29).
(1) Der Kläger ist Doppelrentner im Sinne der Vorschrift. Er bezieht sowohl eine deutsche als auch eine portugiesische Altersrente.
Er hat als portugiesischer Rentner in Portugal zwar grundsätzlich Anspruch auf Gewährung von Sozialleistungen, so ua auf Leistungen
der Krankenversicherung im Rahmen des durch einen Globalbeitrag vom Bruttoverdienst finanzierten Systems (vgl dazu Sozial-Kompass
Europa, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Stand 2006, S 63). Ein Anspruch auf Pflegegeld steht
ihm in Portugal jedoch nicht zu, weil eine solche Leistung im portugiesischen Sozialversicherungssystem nicht vorgesehen ist.
Das Risiko der Pflegebedürftigkeit ist dort nicht gesondert gesichert. Hilfeleistungen für Pflegebedürftige werden - wenn
überhaupt - nur als Sachleistung im Rahmen sozialer Aktionen und der Krankenversicherung (zB stationäre Unterbringung) erbracht.
Bei dauernder Pflegebedürftigkeit ist im portugiesischen System eine Erhöhung der Invalidenrente möglich (vgl Sozial-Kompass
Europa, aaO, S 95, 103, 111). Demgegenüber besteht in Deutschland seit 1995 ein besonderer Versicherungsschutz für das Risiko
der Pflegebedürftigkeit. Der Kläger hat in diesem System als Gegenleistung für in der Vergangenheit geleistete Beiträge einen
Anspruch auf Pflegegeld erworben, wie bereits dargelegt worden ist (vgl oben unter 3.a.aa.).
(2) Bei Anwendung des Art 28 Abs 1 Satz 1 und 2 Buchst b VO (EWG) 1408/71 stünde dem Kläger also ein Anspruch auf Gewährung
von Pflegegeld durch die Beklagte auch in Portugal zu. Dem könnte dann der Ruhenstatbestand des §
34 Abs
1 Nr
1 SGB XI nicht entgegengehalten werden, weil das Gemeinschaftsrecht insoweit vorrangig wäre.
(3) Die vorliegende Fallkonstellation hat dem EuGH bisher nicht zur Entscheidung vorgelegen, sodass letztlich unentschieden
ist, ob Art 28 Abs 1 VO (EWG) 1408/71 im Hinblick auf Ansprüche nach dem
SGB XI auf einen in seinen Heimatstaat zurückgekehrten Doppelrentner anwendbar ist. Für den Fall eines zuvor in Deutschland erwerbstätigen,
aber in Frankreich lebenden Grenzgängers hat der EuGH (SozR 3-3300 § 34 Nr 2 [Molenaar] - juris RdNr
39) angenommen, eine Bestimmung wie §
34 Abs
1 Nr
1 SGB XI, die die Zahlung von Geldleistungen der Pflegeversicherung in den Mitgliedstaat verbietet, in dem der Wanderarbeitnehmer
wohnt, verstoße im Fall eines Rentners gegen Art 28 Abs 1 Satz 2 Buchst b VO (EWG) 1408/71. Ein Anspruch auf eine Leistung
wie das Pflegegeld dürfe nämlich nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Versicherte in dem Staat wohnt, in dem er der
Versicherung angeschlossen ist. Für die Problematik eines in Deutschland wohnhaften Grenzgängers, der viele Jahre in Österreich
beschäftigt war und dort eine Pension bezog, hat der EuGH (SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 [Jauch] - juris 24 f, 35 f) ebenfalls
entschieden, es verstoße gegen Art 19 Abs 1 Buchst b) und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Abschnitte des Kapitels
1 des Titels III - mithin ua Art 28 Abs 1 Satz 2 Buchst b - VO (EWG) 1408/71, den Anspruch auf die Leistung von Pflegegeld,
das als eine Geldleistung bei Krankheit anzusehen sei, nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats davon abhängig zu
machen, dass der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat. Unter Berücksichtigung dieser
Rechtsprechung wäre auch im vorliegenden Fall ein Export von Pflegegeld nach Portugal unter Bezugnahme auf Art 28 Abs 1 Satz
2 Buchst b VO (EWG) 1408/71 zuzulassen. Dem steht nicht entgegen, dass der EuGH (vgl SozR 3-3300 § 34 Nr 2 [Molenaar] - juris
RdNr 44; SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 [Jauch] - juris 24 f, 35 f) das deutsche Pflegegeld als eine Geldleistung bei Krankheit
behandelt. Das europäische Kollisionsrecht kennt nämlich die Pflegeversicherung als eigene Leistungskategorie nicht (vgl Art
4 VO [EWG] 1408/71).
cc. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, der Kläger könne nach Art 27 VO (EWG) 1408/71 nur Pflegeleistungen nach dem portugiesischen
Recht verlangen. Diese Regelung schreibt vor, dass ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten,
darunter den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er wohnt, zum Bezug von Renten berechtigt ist und nach
den Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Mitgliedstaats Anspruch auf Leistungen hat, diese Leistungen vom Träger des Wohnortes
und zu dessen Lasten erhält, als ob der Rentner nach den Rechtsvorschriften nur dieses Mitgliedstaates zum Bezug einer Rente
berechtigt wäre. Zwar ist der Kläger Doppelrentner iS der Vorschrift. Er erhält an seinem Wohnsitz in Portugal jedoch kein
Pflegegeld. Die Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall würde voraussetzen, es für ausreichend zu erachten, dass
der Kläger in Portugal generell Leistungen aus der Kategorie der Krankenversicherung erhält, denen das Pflegegeld auf europäischer
Ebene bisher zugeordnet wird (vgl EuGH SozR 3-3300 § 34 Nr 2 [Molenaar] - juris RdNr 28). Die Regelung würde hier zur Anwendung
des portugiesischen Rechts führen und dem Kläger dementsprechend die Gewährung von deutschem Pflegegeld verwehren. Für eine
solche Betrachtung spricht zwar ihre einfache Handhabbarkeit und die durch sie bedingte klare Systemabgrenzung. Sie lässt
aber die im deutschen Recht bestehende Besonderheit eines eigenständigen Versicherungsschutzes für das Risiko der Pflegebedürftigkeit
unbeachtet und führt letztlich zum Verlust von Rechten eines Wanderarbeitnehmers, die dieser durch eigene Beiträge finanziert
hat. Das portugiesische Recht kennt nämlich einen Anspruch auf Pflegegeld nicht. Gewährt werden könnten dem Kläger dann nur
andere in Portugal für den Fall der Pflegebedürftigkeit zur Verfügung gestellte Sachleistungen aus der Krankenversicherung,
wie zB eine stationäre Unterbringung.
dd. Die Vorlage des Falles an den EuGH dient daher der Klärung, welche der vorgenannten Kollisionsregelungen zur Leistungsgewährung
bei Rentnern - Art 27 oder 28 VO (EWG) 1408/71 - in einem Fall wie dem vorliegenden letztlich einschlägig ist. Dies hängt
maßgeblich davon ab, wie der Begriff der "Leistung" iS der Vorschriften im Lichte der primärrechtlichen Gewährleistung der
Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art 39 EGV) interpretiert wird. Hiernach dürfen nationale Rechtsvorschriften insbesondere jene Personen nicht behindern oder benachteiligen,
die von der Freizügigkeit, dh ihrem Recht, sich innerhalb der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch machen
(vgl Streinz, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2003, Art 39 RdNr 83 ff). Die Regelungen der aufgrund Art 42 EGV ergangenen Verordnung sind im Lichte des Zwecks dieses Artikels auszulegen, der darin besteht, eine größtmögliche Freizügigkeit
der Wanderarbeitnehmer herzustellen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit
Gebrauch gemacht haben, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, die ihnen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates
sichern, insbesondere wenn diese Vergünstigungen die Gegenleistung der von ihnen gezahlten Beiträge darstellen (vgl nur EuGH
SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 [Jauch] - juris RdNr 20; EuGH, Urteil vom 20.5.2008 - C-352/06 [Bosmann] - juris RdNr 29).
(1) Bei der Auslegung des Leistungsbegriffs im Sinne der vorgenannten Vorschriften ist allerdings zu beachten, dass das Recht
der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit nicht vorbehaltlos gewährt wird. Die Gewährleistung steht vielmehr unter dem Vorbehalt
der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Gerechtfertigt werden könnte eine Leistungsbegrenzung in der Pflegeversicherung
auf die Bundesrepublik Deutschland demnach beispielsweise mit einer Kontrolle der Leistungsvoraussetzungen oder aus Gründen
der Qualitätssicherung (so BT-Drucks 12/5262, S 110 f zu §
34 SGB XI) bzw einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Pflegeversicherung (vgl EuGH,
Urteil vom 11.9.2008 - C-228/07 [Petersen] - juris RdNr 57). Letztlich könnte aber eine Kontrolle der Leistungsvoraussetzungen in der Pflege sowie eine gewisse
Qualitätssicherung wohl auch in Portugal erfolgen. Ein völliger Ausschluss des Leistungsexports von Deutschland nach Portugal
erscheint deshalb als nicht verhältnismäßig.
(2) Zu berücksichtigen ist bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ferner die Erfahrung, dass Wanderarbeitnehmer sehr häufig
nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit in ihren Heimatstaat zurückkehren und dann vielfach neben der Rente des ehemaligen
Beschäftigungsstaates eine Rente ihres Heimatstaates beziehen. Mit dem Zweck der europäischen Koordinierungsregelungen nur
schwer vereinbar erscheint es, für den sein ganzes Erwerbsleben in einem Mitgliedstaat verbringenden "Einfachrentner", welcher
sich im Rentenalter ins EU-Ausland begibt (zB deutscher Rentner in Spanien), einen Export von Pflegegeld nach Art 28 Abs 1
Satz 2 Buchst b VO (EWG) 1408/71 zuzulassen, dagegen aber dem in sein Heimatland zurückgekehrten Wanderarbeitnehmer (zB zuerst
in Portugal und dann in Deutschland erwerbstätiger, später in sein Heimatland zurückgekehrter Portugiese) nach Art 27 VO (EWG)
1408/71 die Bewilligung von Pflegegeld zu versagen, weil er zusätzlich eine Rente des Heimatstaats bezieht. Wäre der Kläger
schon vor dem Eintritt ins Berufsleben nach Deutschland übergesiedelt, hätte also nur hier gearbeitet und bezöge deshalb eine
volle deutsche Altersrente, hätte also keinen zusätzlichen portugiesischen Rentenanspruch erworben, wäre er nach seiner Rückkehr
in die Heimat pflegeversicherungsrechtlich so zu behandeln, als lebte er noch in Deutschland. Er wäre als Rentner in der deutschen
Pflegeversicherung pflichtversichert und könnte als Pflegebedürftiger in Portugal weiterhin von der Beklagten Pflegegeld beziehen,
soweit die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen nach §
37 SGB XI erfüllt sind. Die Tatsache, dass der Kläger tatsächlich in Portugal eine kurze Zeit beschäftigt gewesen ist und er dadurch
einen Anspruch auf eine portugiesische Altersrente erworben hat, wirkt sich für ihn pflegeversicherungsrechtlich negativ aus.
Eine solche Handhabung der Regelungen des europäischen Kollisionsrechts liefe also letztlich auf eine Benachteiligung von
Wanderarbeitnehmern hinaus, die durch die in Rede stehenden Vorschriften gerade verhindert werden sollte (so Lenze, ZESAR
2008, 371, 375).
(3) Daher stellt sich die Frage, ob bei der Auslegung der Normen der VO (EWG) 1408/71, hier insbesondere Art 27 und 28 VO
(EWG) 1408/71, die Besonderheiten eines in einigen Mitgliedstaaten bestehenden eigenständigen Versicherungsschutzes für den
Bereich der Pflege zu berücksichtigen sind, und wenn ja, in welcher Form dies zu geschehen hat.
ee. Die vorgeschlagene Auslegung der Art 27 und 28 VO (EWG) 1408/71 im Lichte der primärrechtlichen Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus Art 39 EGV wird letztlich durch die Fortentwicklung der Vorschriften für die soziale Sicherung von Wanderarbeitnehmern gestützt. Mit
der Verordnung (EG) 883/04 vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO [EG] 883/04) ist bereits
eine Nachfolgeregelung zu der VO (EWG) 1408/71 verabschiedet worden, die allerdings erst ab dem Tag des Inkrafttretens der
hierzu erlassenen Durchführungsverordnung gilt, deren Rechtssetzungsverfahren noch läuft (Art 90 f VO [EG] 883/04). Zwar lösen
auch die neuen Vorschriften die Frage nicht, ob Pflegeleistungen als neue Leistungskategorie besonderen Koordinierungsregelungen
unterworfen werden müssen (vgl insbesondere Art 3 VO [EG] 883/04; dazu insgesamt ausführlich Fuchs, SGb 2008, 201 ff; Spiegel, ZIAS 2006, 85 ff). Behandelt wird nun aber in Art 34 VO (EG) 883/04 und Art 30 des Entwurfes der Durchführungsverordnung (KOM[2006]16endg)
die Kumulierung von Leistungsansprüchen der Pflegeversicherung. Insoweit ist zukünftig vorgesehen, dass der Leistungsberechtigte
zumindest einen Anspruch auf den Betrag haben soll, den er beanspruchen könnte, wenn er im Gebiet des zuständigen Mitgliedstaats
wohnte. Die Neuregelungen sollen nach einer Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
(Mitteilung vom 27.1.2004 - KOM[2004]44endg, S 7) das Problem der Kumulierung von Geldleistungen bei Pflegebedürftigkeit von
unbegrenzter Dauer (Pflegegeld) lösen und ziehen die praktischen Konsequenzen aus der Rechtsprechung des EuGH (SozR 3-3300
§ 34 Nr 2 [Molenaar]). Hier wird zukünftig ein Export von Geldleistungen und ein Zusammentreffen mehrerer Leistungsansprüche
im Bereich der Pflege vorausgesetzt. Aus einer weiteren Stellungnahme der Kommission geht zusätzlich hervor, dass diese das
Problem einer Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit auf europäischer Ebene erkannt hat. Sie hat eine Steigerung
des Bedarfs an Langzeitpflege und die Unzulänglichkeiten der Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten im Bereich der
Pflegeversicherung festgestellt (vgl die Mitteilung vom 30.1.2008 - Vorschlag für den Gemeinsamen Bericht über Sozialschutz
und soziale Eingliederung 2008 - KOM[2008]42endg, S 3).
4. Die Anerkennung von Leistungen der Pflege als europarechtlich eigenständige Leistungskategorie jedenfalls in den Fällen,
in denen ein Mitgliedstaat die Pflegeversicherung als einen neben der Krankenversicherung stehenden gesonderten Zweig der
Sozialversicherung mit separaten Beitragspflichten ausgestaltet hat, würde eine teilweise Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung
des EuGH ([Molenaar] aaO; [Jauch] aaO) darstellen. Sollte sich der EuGH zu diesen Schritt entschließen, könnte ohne Weiteres
von einem fortbestehenden Versicherungsschutz des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung ausgegangen werden, weil dann
die Pflegeversicherung nicht mehr als Unterfall der Krankenversicherung einzustufen wäre und somit keine Kollision zwischen
zwei Pflichtversicherungen bzw einer Pflichtversicherung und einer freiwilligen Weiterversicherung mehr aufträte. Auf nationaler
Ebene könnte dieses Ergebnis zB durch eine restriktive Auslegung des in §
3 Nr 2
SGB IV normierten Territorialitätsprinzips umgesetzt werden mit der Folge, dass die Versicherungspflicht der Rentner in der sozialen
Pflegeversicherung bei dauerhaften Aufenthalt im EU-Ausland auch dann fortbestünde, wenn sie zusätzlich eine Rente des Aufenthaltsstaates
beziehen. Die Regelung des §
26 Abs
2 SGB XI über die Möglichkeit freiwilliger Weiterversicherung zur Aufrechterhaltung der Vorversicherungszeiten bei dauerhaftem Aufenthalt
im Ausland wäre in einem solchen Fall nur noch auf Personen beschränkt, die sich außerhalb der EU-Staaten aufhalten. Dem deutschen
Gesetzgeber stünde es frei, die Vorschriften über die Beitragspflicht der dann wieder in die Versicherungspflicht einbezogenen
Doppelrentner entsprechend anzupassen.
5. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des am 16.7.2009 ergangenen Urteils des EuGH in der Rechtssache C-208/07 (Petra von Chamier-Glisczinski gegen Deutsche Angestellten-Krankenkasse - Pflegekasse) die aufgeworfene Rechtsfrage zur Auslegung
der Art 27 und 28 VO (EWG) 1408/71 für klärungsbedürftig. Der vorliegende Fall betrifft einen ehemaligen Wanderarbeitnehmer
mit einer Doppelrente und die Zahlung von deutschem Pflegegeld ins EU-Ausland, also einer vom EuGH als Geldleistung eingestuften
Pflegeleistung der deutschen sozialen Pflegeversicherung. Die Rechtssache C-208/07 betrifft hingegen die Kostenerstattung für eine Sachleistung in Form der - in Österreich erbrachten - vollstationären Pflege,
die zwar das deutsche Pflegeversicherungsrecht, nicht aber das österreichische Recht kennt. Wegen dieses grundlegenden Unterschieds
der streitigen Leistungen und der insoweit differierenden Vorschriften der VO (EWG) 1408/71 ist das Urteil vom 16.7.2009 nicht
ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar.