Zulässigkeit der Personalunion zwischen verantwortlicher Pflegefachkraft und Heimleitung in der sozialen Pflegeversicherung
Gründe:
I
Die Klägerin ist Betreiberin von gegenwärtig 65 Altenpflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg mit rund 6.000 stationären und
teilstationären Plätzen. Die dort anfallenden Aufgaben der Heimleitung iS des Heimrechts sowie der verantwortlichen Pflegefachkraft
iS von §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI wurden bis 1998 unter der Leitung eines zentral zuständigen Hauptgeschäftsführers von zwei jeweils vollschichtig beschäftigten
Mitarbeitern versehen. Diese Organisationsstruktur hat die Klägerin im Zuge einer Reorganisation grundlegend geändert. Einerseits
hat sie Aufgaben der Heimleitung zentralisiert und zum Teil auf neu eingerichtete Regionaldirektionen verlagert. Andererseits
hat sie Teilaufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft innerhalb der Einrichtung auf nachgeordnete Wohnbereichsleitungen
delegiert. Dadurch konnte sie die Funktionen der Heimleitung und der verantwortlichen Pflegefachkraft in einer Person zusammenfassen.
Nach diesem Organisationskonzept ist die verantwortliche Pflegefachkraft nunmehr von folgenden Aufgaben entlastet, die sie
zuvor in eigener Person wahrgenommen hatte: Aufstellung der Dienstpläne, Sicherstellung der aktuellen und individuellen Pflegeplanung,
richtige Pflegebedürftigkeitseinstufung, Begleitung von Angehörigen neuer Bewohner sowie Kontrolle der Arbeitsabläufe und
der Qualität der Ausführung. Inwieweit dies den Anforderungen des
SGB XI genügt, ist zwischen den Beteiligten streitig und wird hier aus Anlass der Neubesetzung der Heimleitung im Johanniterstift
P. (im Folgenden: Stift P) zur Entscheidung gestellt.
Das Stift P ist ein Pflegeheim mit 131 Plätzen (davon 91 vollstationär), die sich auf sechs Wohnbereiche mit entsprechenden
Wohnbereichsleitungen aufteilen. Im Januar 2007 waren dort im Bereich Pflege und Betreuung 55,89 Vollbeschäftigte angestellt.
Als verantwortliche Pflegefachkraft iS von §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI ist Herr S. benannt. Ihn hat die Klägerin zum 1.1.2003 zusätzlich als Heimdirektor eingesetzt und in der Folge nach ihrem
neuen Organisationskonzept von Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft entlastet. Seither versieht er die Aufgaben der
Heimleitung und der verantwortlichen Pflegefachkraft jeweils mit der Hälfte seiner Arbeitskraft.
Die Beklagten haben die Zusammenführung von Aufgaben der Heimleitung und der verantwortlichen Pflegefachkraft als rechtswidrig
beanstandet. Die Wahrnehmung der Aufgaben als verantwortliche Pflegefachkraft erfordere grundsätzlich eine Vollzeitbeschäftigung
mit "mindestens" der wöchentlichen Arbeitszeit des maßgeblichen Tarifvertrags. Eine Personalunion zwischen verantwortlicher
Pflegefachkraft und Heimleitung könne nur bis zu einer Einrichtungsgröße von bis zu 30 Plätzen akzeptiert werden. Bei Einrichtungen
mit mehr als 30 Plätzen sei die zusätzliche Wahrnehmung von Aufgaben der Heimleitung mit der geforderten Vollzeitbeschäftigung
als verantwortliche Pflegefachkraft nicht vereinbar. Deshalb müsse die Klägerin zur Vermeidung vertragsrechtlicher Konsequenzen
nachweisen, dass im Stift P eine verantwortliche Pflegefachkraft, die die gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen erfülle,
für diese Funktion in Vollzeitbeschäftigung zur Verfügung stehe.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Begehren festzustellen, dass die Wahrnehmung der Aufgaben der verantwortlichen
Pflegefachkraft durch den Heimleiter S. im Stift P den Anforderungen des
SGB XI genügt. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und darauf abgestellt, dass die Auffassung der Beklagten im Gesetz keine Stütze finde (Urteil
vom 9.3.2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.11.2007): Die pflegerische Gesamtverantwortung müsse in der Hand einer Person
liegen. Eine Delegation von derartigen Aufgaben sei nicht erlaubt. Die gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen an eine
verantwortliche Pflegefachkraft seien so beschaffen, dass diese unabhängig von der Größe der Einrichtung im Wesentlichen in
verantwortlicher Tätigkeit im Pflegebereich tätig sein müsse. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt, da Herr S. verwaltende
Tätigkeiten als Heimleiter und die Pflegedienstleitung in gleichem Umfang wahrnehme.
Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine Verletzung von §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI rügt. Eine Personalunion zwischen verantwortlicher Pflegefachkraft und Heimleitung sei gesetzlich nicht untersagt. Der Gesetzgeber
habe bewusst eine weit gefasste Formulierung gewählt, um die Versorgung der Pflegebedürftigen sowie den erforderlichen Auf-
und Ausbau der pflegerischen Infrastruktur zu sichern, gleichzeitig aber auch innovative Entwicklungen zu ermöglichen. Gegen
das Erfordernis der Vollzeitbeschäftigung einer verantwortlichen Pflegefachkraft spreche zudem der Wille des Gesetzgebers,
im Bereich der Pflege flexible und familienfreundliche Dienstzeiten sowie Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen. Mit ihrer neuen
Organisationsstruktur biete sie weiterhin eine hinreichende Gewähr für die Sicherung der Pflegequalität. Aufgrund der hohen
Fachkraftquote könnten Aufgaben der Pflegedienstleitung in weitem Umfang auf andere Pflegefachkräfte delegiert werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16.11.2007 zu ändern und die Berufung der Beklagten zu 7) gegen das Urteil des SG
Stuttgart vom 9.3.2004 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Wahrnehmung der Aufgaben der verantwortlichen
Pflegefachkraft durch den Heimleiter nach dem Organisationsplan im Johanniterstift P. den Anforderungen des
SGB XI genügt.
Die Beklagten zu 1) und zu 7) verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG entschieden, dass die zur Überprüfung gestellte
Organisationsstruktur - konkret: die Wahrnehmung der Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft durch den Heimleiter im
Stift P - den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Zwar widerspricht es der gesetzlichen Wertung des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI nicht schon dann, wenn die Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft auf mehrere Teilzeitbeschäftigte verteilt oder -
etwa in kleineren Einrichtungen - von der Heimleitung zusätzlich wahrgenommen werden. In jedem Fall muss aber gewährleistet
sein, dass die verantwortliche Pflegefachkraft die den einzelnen Heimbewohnern zukommenden Pflegeleistungen zumindest in den
Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert. Dies ist nach dem im
Jahr 2003 eingeführten Delegationskonzept im Stift P nicht mehr der Fall.
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere verfolgt
die Klägerin ihr Klärungsbegehren zu Recht im Wege der Feststellungsklage nach §
55 Abs
1 Nr
1 SGG. Die Anforderungen an Führung und Betrieb einer Pflegeeinrichtung betreffen ein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift;
das hat der Senat bereits für die Qualifikationsanforderungen an einen ambulanten Krankenpflegedienst entschieden (BSGE 98,
12 = SozR 4-2500 § 132a Nr 2 RdNr 16 ff). Nicht anders liegt es bei der Frage, ob die verantwortliche Pflegefachkraft zugleich
Aufgaben der Heimleitung wahrnehmen kann. An der Klärung dieser Frage besteht auch ein berechtigtes Interesse der Klägerin,
weil davon maßgeblich abhängt, ob die Einrichtungsvoraussetzungen des §
71 Abs
2 SGB XI noch erfüllt sind und deshalb eine Kündigung des Versorgungsvertrages nicht im Raume steht (§
74 SGB XI). Die Klägerin ist auch nicht auf ein vorrangiges anderweitiges Verfahren zu verweisen. Zwar könnte sie ihre Rechte bei Kündigung
des Versorgungsvertrages im Wege der Anfechtungsklage verfolgen (vgl Urteil des Senats vom 12.6.2008 - B 3 P 2/07 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, jeweils RdNr 12 f). Dies abzuwarten ist ihr jedoch nicht zumutbar;
zudem entspricht es nicht dem Interesse der Beklagten und erst recht nicht der Heimbewohner, die hier aufgeworfene Rechtsfrage
erst im Rahmen eines Rechtsstreits über den Fortbestand des Versorgungsvertrages zur Entscheidung zu bringen.
2. Rechtlicher Maßstab der begehrten Feststellung ist §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI (hier anzuwenden in der zum 1.7.2008 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung
- Pflege-Weiterentwicklungsgesetz [PflegeWEG] vom 28.5.2008, BGBl I 874) iVm den Ziffern 3.1.1 und 3.1.2 der "Gemeinsame(n)
Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen
nach § 80
SGB XI in vollstationären Pflegeeinrichtungen vom 7.3.1996" (im Folgenden: "Grundsätze nach § 80
SGB XI"). Diese auf Grundlage von § 80 Abs 1
SGB XI idF des Pflegeversicherungsgesetzes - PflegeVG - vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) von den Spitzenverbänden der Pflegekassen und ua den Kostenträgern auf Bundesebene beschlossenen
Grundsätze binden die Klägerin gegenwärtig unverändert. Zwar kommt ihnen bundesrechtliche Bindungswirkung nicht mehr zu, nachdem
§ 80
SGB XI durch Art 1 Nr 46 iVm Art 17 Abs 1 PflegeWEG zum 1.7.2008 aufgehoben worden und damit auch die Geltungsanordnung des § 80 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2
SGB XI weggefallen ist. Ungeachtet dessen gelten die "Grundsätze nach § 80
SGB XI bis zur Verabschiedung neuer Anforderungen auf Grundlage nunmehr von §
113 Abs
1 SGB XI idF des PflegeWEG auf landesvertraglicher Rechtsgrundlage weiter fort. Das ergibt sich aus dem nach §
75 Abs
1 Satz 4
SGB XI für die Klägerin unmittelbar verbindlichen "Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß §
75 Abs
1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg vom 12.12.1996", in dessen §
10 die "Grundsätze nach § 80
SGB XI" als unmittelbar verbindliche Qualitätsmaßstäbe in Bezug genommen worden sind.
3. Danach gilt: Dem Status als zugelassene und damit gemäß §
72 Abs
1 Satz 1
SGB XI zur Erbringung von Pflegeleistungen berechtigte Pflegeeinrichtung genügt das Pflegeheim der Klägerin nur, soweit die Pflegebedürftigen
dort "unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden" (§
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI). Als verantwortliche Pflegefachkraft in diesem Sinne ist anzuerkennen, wer eine Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege,
der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege oder der Altenpflege abgeschlossen hat, über eine praktische Berufserfahrung von
zwei Jahren in der maßgeblichen Rahmenfrist - in der Regel von fünf Jahren - verfügt und eine zusätzliche Weiterbildungsmaßnahme
für leitende Funktionen mit einer Mindeststundenzahl von regelmäßig 460 Stunden absolviert hat (§
71 Abs
3 SGB XI). Mit dieser Qualifikation soll die verantwortliche Pflegefachkraft gemäß Ziffer 3.1.1.2 der "Grundsätze nach § 80
SGB XI" verantwortlich sein insbesondere für die Anwendung der Qualitätsmaßstäbe im Pflegebereich, die fachliche Planung der Pflegeprozesse,
die fachgerechte Führung der Pflegedokumentation, die am Pflegebedarf orientierte Dienstplanung der Pflegekräfte sowie die
regelmäßige Durchführung der Dienstbesprechungen innerhalb des Pflegebereichs.
4. Der Regelungsansatz des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI geht auf Unterscheidungen zurück, die erstmals mit Einführung des
SGB V durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) in die stationäre Versorgung von Versicherten aufgenommen und anschließend vom Rentenreformgesetz
(RRG) vom 18.12.1989 (BGBl I 1989, 2261, BGBl I 1990, 1337) aufgegriffen worden sind. Sie differenzieren zwischen den Anforderungen an die Einrichtungsleitung einerseits und der Verantwortung
für die erbrachten Leistungen andererseits. Demgemäß muss ein Krankenhaus nach §
107 Abs
1 Nr
2 SGB V ua fachlichmedizinisch unter ständiger ärztlicher "Leitung" stehen. Dagegen reicht es für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen
nach §
107 Abs
2 Nr
2 SGB V und §
15 Abs
2 Satz 1
SGB VI aus, dass die Versorgung unter ständiger ärztlicher "Verantwortung" steht. Nach dieser ua auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) zurückgehenden Terminologie ist zwischen leitungsbezogenen Anforderungen und der fachlichen Verantwortung für die zu
erbringenden Leistungen in der stationären Versorgung der Versicherten wie folgt zu unterscheiden:
a) Der ärztliche Leitungsvorbehalt besteht nur für Krankenhäuser. Verlangt ist danach für den Krankenhausbereich in personeller
Hinsicht zum einen eine ausreichende Ausstattung mit ärztlichem - und weiterem - Personal (§
107 Abs
1 Nr
3 SGB V) und zum anderen, dass die fachlich-medizinische Leitung in ärztlicher Hand liegt (§
107 Abs
1 Nr
2 SGB V). Insoweit waren bereits vor Inkrafttreten des
SGB V als wesentliche Merkmale des Krankenhausbegriffs eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal sowie
ein jederzeit präsenter bzw rufbereiter Arzt herausgestellt worden (vgl nur BSGE 47, 83, 85 = SozR 2200 § 216 Nr 2 S 3; BSG SozR 2200 § 184 Nr 28 S 41 f). Das hat der Gesetzgeber in §
107 Abs
1 Nr
2 und
3 SGB V aufgegriffen und darüber hinaus die ärztliche Leitung als weiteres Merkmal des Krankenhausbegriffs eingeführt. Damit hat
er deutlich gemacht, dass neben den wirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen dem Merkmal des ärztlichen Sachverstandes
bei der Leitung eines Krankenhauses hoher Stellenwert zukommt und als wesentliches Element der Qualitätssicherung im Krankenhaus
anzusehen ist. Demgemäß verlangt das Erfordernis der ärztlichen Leitung, dass die Organisation der gesamten Betriebsabläufe
in fachlichmedizinischer Hinsicht sowie die im Krankenhaus erbrachten Leistungen ärztlich gesteuert werden (vgl Wahl in: jurisPK-
SGB V, §
107 RdNr 22 und 27).
b) Demgegenüber reicht es für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen aus, dass die Leistungen "fachlich-medizinisch unter
ständiger ärztlicher Verantwortung" stehen (§
107 Abs
2 Nr
2 SGB V, §
15 Abs
2 Satz 1
SGB VI). Auch hierfür war ursprünglich eine ärztliche Leitung vorgesehen (vgl §
115 Abs 2 Nr 2 idF des Fraktionsentwurfs von CDU/CSU und FDP, BT-Drucks 11/2237 S 41 und BT-Drucks 11/4124 S 155 zu §
15 SGB VI). Davon ist der Gesetzgeber nach den Beratungen abgerückt und hat die seither unveränderte Formel "unter ständiger ärztlicher
Verantwortung" eingeführt. Dies sollte verdeutlichen, dass nicht der Betrieb von Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen
als solcher eine ärztliche Leitung erfordert, sondern dass die Versorgung der Versicherten unter ärztlicher Verantwortung
stehen muss (vgl BT-Drucks 11/3480 S 60 zu §
115 SGB V). Dies knüpfte an Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von Rehabilitationsleistungen unter Geltung der
RVO an. Teilhabeleistungen waren danach als Krankenbehandlung anzusehen und somit der Leistungspflicht der GKV zuzurechnen, wenn
die Leistungserbringung auf ärztlicher Anordnung beruhte und insoweit eine ärztliche Betreuung stattfand (Urteil vom 12.8.1987
- 8 RK 22/86 -, HV-INFO 1987, 1981 unter Verweis auf BSGE 50, 47 = SozR 2200 § 184a Nr 3 und BSGE 51, 44 = SozR 2200 § 184a Nr 4; zusammenfassend zuletzt - nach Verabschiedung des GRG - BSGE 68, 17, 19 = SozR 3-2200 § 184a Nr 1 S 4 und BSG Urteil vom 3.3.1994 - 1 RK 8/93 -, SozSich 1995, 276). Damit stellt das Merkmal der ärztlichen Verantwortung anders als das Erfordernis der ärztlichen Leitung nicht auf die Organisation
der Einrichtung als Ganzes ab. Es bezieht sich vielmehr auf die konkrete Behandlung im Einzelfall und ihre Anleitung nach
ärztlicher Entscheidung. In diesem Sinne ist eine Versorgung nach der Rechtsprechung des BSG ärztlich verantwortet, wenn die
Versicherten unter ärztlicher Betreuung stehen und die Versorgung ärztlich überwacht wird. Das schließt die Beteiligung nichtärztlicher
Berufsangehöriger an der Leistungserbringung ein. Jedoch können sie nach der Rechtsprechung des BSG auf ärztliche Verordnung
nur tätig werden, soweit ihre Leistungen zwar nicht im Einzelnen, aber doch allgemein ihrer Art nach ärztlich bestimmt werden
(vgl BSGE 68, 17, 18 = SozR 3-2200 § 184a Nr 1 S 3 und Urteil vom 3.3.1994 - 1 RK 8/93 -, SozSich 1995, 276). Demgemäß ist von ärztlicher Verantwortung für die Versorgung eines Versicherten auszugehen, wenn der Arzt die Aufnahme-
und Abschlussuntersuchung durchführt, den Therapieplan aufstellt und die Erbringung der nichtärztlichen Leistungen überwacht
(vgl Knittel in: Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, §
107 SGB V RdNr 5; Wahl in: jurisPK-
SGB V, §
107 RdNr 45; ähnlich Hess in: Kasseler Komm, Stand Dezember 2004, §
107 SGB V RdNr 4; Klückmann in: Hauck/Noftz,
SGB V, Stand III/96, K §
107 RdNr 21; Stähler in: jurisPK-
SGB VI, §
15 SGB VI RdNr 25).
5. Ein entsprechender Verantwortungsbegriff liegt auch §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI zu Grunde. Unter ständiger Verantwortung iS von §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI steht die Versorgung danach nur, wenn eine verantwortliche Pflegefachkraft die den einzelnen Heimbewohnern zukommenden Pflegeleistungen
zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert. Anders
ist der Rückgriff auf die in §
107 Abs
2 Nr
2 SGB V gebrauchte Formulierung nach den systematischen Zusammenhängen und dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu verstehen.
a) Systematisch stellt sich §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI als Ergänzung der organisatorischen und personellen Anforderungen des Heim- und Berufsrechts dar, nach denen sich der Betrieb
eines Pflegeheimes bis zum Inkrafttreten des
SGB XI auch im stationären Bereich zum 1.7.1996 (vgl Art 69 Abs 1 Satz 1 PflegeVG) ausschließlich bestimmte und die seither neben den Vorschriften des
SGB XI zu beachten sind, soweit Leistungen zu Lasten der sozialen Pflegeversicherung erbracht werden. Voraussetzung für den Betrieb
eines Pflegeheimes war zu diesem Zeitpunkt vor allem - und ist ua immer noch - eine nach Umfang und Qualität ausreichende
personelle Ausstattung der Einrichtung. Das ergab sich bei Verabschiedung des PflegeVG aus dem
Heimgesetz (
HeimG) idF des Ersten Gesetzes zur Änderung des
HeimG vom 23.4.1990 (BGBl I 758, neu bekannt gemacht in BGBl I 763, im Folgenden: 1.
HeimG-ÄndG) iVm der Verordnung über personelle Anforderungen an Heime (HeimPersV) idF vom 19.7.1993 (BGBl I 1205) sowie - soweit vorhanden - den einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen insbesondere zur
Kranken- und Altenpflege (vgl dazu BVerfGE 106, 62, 67 ff). Danach war die erforderliche Erlaubnis für den Betrieb einer stationären Altenpflegeeinrichtung ua zu versagen,
wenn "die Zahl der Beschäftigten und ihre persönliche und fachliche Eignung für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit nicht ausreichen"
(§ 6 Abs 3 Nr 3
HeimG idF des 1.
HeimG-ÄndG). In der Ausgestaltung durch die HeimPersV bestanden danach drei Zulassungsanforderungen. Erstens musste eine Heimleitung bestellt sein, die für eine sachgerechte und
wirtschaftliche Führung der Einrichtung Gewähr bot und neben Berufserfahrung den Abschluss einer Ausbildung zur Fachkraft
entweder im Gesundheits- oder Sozialwesen, in einem kaufmännischen Beruf oder in der öffentlichen Verwaltung nachweisen konnte
(vgl § 2 HeimPersV). Zweitens war eine Pflegedienstleitung mit Berufserfahrung und Ausbildung als Fachkraft im Gesundheits- oder Sozialwesen
einzusetzen (vgl § 4 Abs 2 HeimPersV). Drittens waren für die betreuenden Tätigkeiten - abhängig von der Zahl der Betreuten - besondere pflegerische Kenntnisse
bei mindestens der Hälfte der hier eingesetzten Beschäftigten erforderlich (vgl §§ 5 und 6 HeimPersV). Heimrechtlich waren die Betriebsvoraussetzungen danach erfüllt, wenn ausreichend fachlich qualifiziertes Pflegepersonal
vorhanden war, die Heimleitung - ohne dass sie über einen medizinisch-pflegerischen Ausbildungsabschluss verfügen musste -
für einen wirtschaftlichen und den Bedürfnissen der Heimbewohner Rechnung tragenden Betrieb sorgen konnte und schließlich
die Leitung des Pflegedienstes einer medizinisch-pflegerisch hinreichend fachkundigen Person anvertraut war.
b) Über diese Anforderungen geht §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI in Bezug auf die Leitung der Pflege schon dem Wortlaut nach hinaus. Nach der HeimPersV waren die Voraussetzungen insoweit erfüllt, wenn "der Leiter des Pflegedienstes ... eine Ausbildung zur Fachkraft im Gesundheitsoder
Sozialwesen ... nachweisen kann" (§ 4 Abs 2 Satz 1 HeimPersV idF vom 19.7.1993, BGBl I 1205). Das deckt sich der Art nach - nicht im Einzelnen - mit den erstmals mit dem Ersten
SGB XI-Änderungsgesetz vom 14.6.1996 (BGBl I 830) eingeführten Qualifikationsanforderungen in §
71 Abs
3 SGB XI. Hingegen gestaltet §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI die Aufgabe der verantwortlichen Pflegefachkräfte näher aus, indem sie ihnen die "ständige Verantwortung" für die in der
Einrichtung erbrachten Leistungen überträgt. Das legt nahe, dass die Voraussetzungen des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI nicht schon dann erfüllt sind, wenn nur überhaupt eine Pflegedienstleitung nach den Anforderungen von §
71 Abs
3 SGB XI bestellt ist. Vielmehr erfordert die Wendung schon nach dem Sprachsinn, dass die Pflegeleistungen von der verantwortlichen
Pflegefachkraft jedenfalls in den Grundzügen selbst festgelegt und organisiert werden und ihre Durchführung entsprechend überwacht
wird. In diesem Sinne ist Verantwortung nach der hier einschlägigen Bedeutungsebene die "mit bestimmten Aufgaben verbundene
Verpflichtung, für die ... anvertrauten Personen ... zu sorgen (und) das Notwendige ... zu tun" (vgl Brockhaus/Wahrig, Deutsches
Wörterbuch, 1984, 6. Band S 467, Stichwort "Verantwortung"; ähnlich Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3.
Aufl 1999, 9. Band S 4178, Stichwort "Verantwortung", sowie Brockhaus - Die Enzyklopädie, 20. Auflage 1999, 23. Band S 87
zum Begriff der Aufgabenverantwortung unter dem Stichwort "Verantwortung"). Verstärkt wird dieser Bedeutungsgehalt durch das
Attribut "ständig". Damit ist darauf verwiesen, dass das Pflegegeschehen grundsätzlich in seiner Gesamtheit von verantwortlichen
Pflegefachkräften angeleitet und überwacht wird. Zwar verlangt dies keine Rund-um-die-Uhr-Präsenz der verantwortlichen Pflegefachkraft.
Jedoch würde eine nur partielle Befassung mit dem Pflegebedarf der Heimbewohner dem Auftrag der "ständigen" Verantwortung
bereits dem Wortsinne nach nicht gerecht.
c) Dieses Ergebnis bestätigt auch der Normzweck. Wie bereits dargelegt, war bei Inkrafttreten des
SGB XI schon nach Heim- und Berufsrecht gesichert, dass mit der wirtschaftlich-organisatorischen Gesamtleitung eines Pflegeheimes
und der Leitung des Pflegedienstes nur fachlich und persönlich hinreichend geeignete Personen betraut werden durften. Auch
war bereits geregelt, dass mindestens die Hälfte des Betreuungspersonals besondere Fachkenntnisse haben musste (dazu oben
unter a). Schließlich war mit dem PflegeVG erstmals explizit ein qualitativer Pflegestandard eingeführt und vorgegeben worden, dass die Versorgung der Versicherten
nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu erfolgen hat (vgl §§
11 Abs
1 Satz 1,
28 Abs
3,
69 Satz 1
SGB XI). Vor diesem Hintergrund bezweckt §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI eine weitere Verbesserung der Pflegequalität durch ein zusätzliches personales Element. Die Regelung soll sicherstellen,
dass die "pflegerische Gesamtverantwortung" durch hinreichend qualifiziertes Fachpersonal wahrzunehmen ist (vgl BT-Drucks
12/5952 S 45 zu § 80
SGB XI). Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass eine qualitätsvolle Pflege nach Einschätzung des Gesetzgebers zusätzlich zum qualifizierten
Betreuungspersonal - bestimmt nach den Anforderungen der HeimPersV und des Berufsrechts - auf eine hinreichende Planung, Organisation und Kontrolle der im Einzelfall erforderlichen Pflegeleistungen
mit entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern angewiesen ist. Diese Festlegung gehobener Qualitätsstandards ist in der Folgezeit
ausdrücklich bestätigt worden durch die 3. Novelle zum
HeimG, nach der von dem Träger und der Leitung eines Heimes sicherzustellen ist, dass für "pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner
Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden" (§
11 Abs
1 Nr
7 HeimG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes vom 5.11.2001, BGBl I 2960, dazu BT-Drucks 14/5399 S 27; nunmehr für
Baden-Württemberg nach der Änderung von Art
74 Abs
1 Nr
7 GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 [BGBl I 2034] wortgleich ersetzt durch §
11 Abs
1 Nr
7 Heimgesetz für Baden-Württemberg [LHeimG BW] vom 10.6.2008 [GBl 2008, 169]).
d) Vor diesem Hintergrund verbietet sich die Annahme, dass der Verantwortungsbegriff in §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI einen anderen Gehalt aufweist als in §
107 Abs
2 Nr
2 SGB V und §
15 Abs
2 Satz 1
SGB VI. Zwar bestehen Unterschiede in Bezug auf die Träger der Verantwortung, nämlich Ärzte im einen und verantwortliche Pflegefachkräfte
im anderen Fall. Auch muss die ständige Verantwortung im Bereich der Pflege nicht deshalb besonderen Kräften vorbehalten sein,
weil die Entscheidung über die Erbringung nichtärztlicher Leistungen im Bereich der Rehabilitation und Vorsorge zu Lasten
der GKV nach den dafür maßgebenden Strukturprinzipien eine andere - nämlich: ärztliche - Qualifikation voraussetzt. Die Notwendigkeit
einer besonderen Steuerung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der Leistungen auf der Grundlage eines in jedem Einzelfall
gesondert zu erhebenden Bedarfs besteht in Pflegeheimen aber nicht anders als in Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen.
Nicht anders als in diesen Einrichtungen muss zudem in Pflegeeinrichtungen näher konkretisiert werden, auf welche Leistungen
- hier: der Pflege - der Versicherte zu Lasten der Solidargemeinschaft Anspruch hat. Insofern kommt der verantwortlichen Pflegefachkraft
nicht zuletzt die Aufgabe zu, im Dreiecksverhältnis zwischen Pflegekasse, Einrichtung und Versicherten für eine den gesetzlichen
und vertraglichen Anforderungen genügende Umsetzung der Pflegeansprüche und damit für die Erfüllung der im Rahmen des Sicherstellungsauftrags
nach §
69 SGB XI übernommenen Pflichten Sorge zu tragen. Das erfordert wie bei der stationären Krankenpflege zum einen besondere Qualifikationen
und zum anderen - worüber hier zu entscheiden ist - ausreichende zeitliche Kapazitäten, die entsprechenden Planungs-, Koordinations-
und Kontrollaufgaben angemessen erfüllen zu können.
6. Hiervon ausgehend ist die Konkretisierung der Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft durch die vertraglich vereinbarten
"Grundsätze nach § 80
SGB XI" (dazu oben unter 2) nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die Vertragsparteien zur Ausgestaltung
der gesetzlichen Vorgaben insbesondere der Qualitätssicherung befugt, soweit sie sich dabei auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
stützen können und den vom Gesetz vorgezeichneten Rahmen wahren (vgl BSG SozR 3-3300 § 72 Nr 2 S 8 f). So liegt es hier: Formelle
Rechtsgrundlage hierfür ist der "Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß §
75 Abs
1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg vom 12.12.1996". Auf dieser Grundlage durften die Vertragsparteien in §
10 Rahmenvertrag die "Grundsätze nach § 80
SGB XI" als unmittelbar verbindliche Qualitätsmaßstäbe in Bezug nehmen und dadurch unter Wahrung der dargelegten Maßgaben des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI bestimmen, dass die verantwortliche Pflegefachkraft insbesondere verantwortlich sein soll für die Anwendung der Qualitätsmaßstäbe
im Pflegebereich, die fachliche Planung der Pflegeprozesse, die fachgerechte Führung der Pflegedokumentation, die am Pflegebedarf
orientierte Dienstplanung der Pflegekräfte sowie die regelmäßige Durchführung der Dienstbesprechungen innerhalb des Pflegebereichs
(vgl Ziffer 3.1.1.2 der "Grundsätze nach § 80
SGB XI"); etwas anderes ist auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.
7. Auch in der Konkretisierung durch die "Grundsätze nach § 80
SGB XI" folgt aus §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI indessen nicht, dass die Aufgaben einer verantwortlichen Pflegefachkraft in größeren Einrichtungen nur in Vollzeitbeschäftigung
versehen werden können und deshalb die Trennung von Heimleitung und Pflegedienstleitung geboten ist; insoweit ist dem LSG
und den Beklagten nicht zu folgen. Zwar hat ein solches Leitbild dem Gesetzgeber ersichtlich vor Augen gestanden. Zulässig
sind jedoch auch andere Organisationsformen, solange nur eine ausreichende Wahrnehmung der Aufgaben durch Fachkräfte mit der
Qualifikation nach §
71 Abs
3 SGB XI sichergestellt ist.
a) Allerdings ist das LSG im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft nicht
in einem zeitlich völlig untergeordneten Umfang versehen werden können und deshalb in größeren Einrichtungen eine Trennung
der Funktionen von Heimleitung und verantwortlicher Pflegefachkraft naheliegt. Insoweit ergibt sich eine untere Grenze des
möglichen Beschäftigungsumfangs für den Geltungsbereich des Rahmenvertrages für vollstationäre Pflege gemäß §
75 Abs
1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg bereits aus den dort in Bezug genommenen "Grundsätzen nach § 80
SGB XI". Hiernach muss eine verantwortliche Pflegefachkraft in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen
(vgl Ziffer 3.1.2.3 der "Grundsätze nach § 80
SGB XI"). Darunter war bei Vereinbarung der "Grundsätze nach § 80
SGB XI" im Jahr 1996 eine Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich zu verstehen (vgl §
8 Abs
1 Nr
1 SGB IV in der vom 18.6.1994 bis zum 31.3.1999 geltenden Fassung von Art 2 Nr 1 2. SGBÄndG vom 13.6.1994, BGBl I 1229). Auch der
Sache nach könnten die Aufgaben der Pflegeplanung, -koordination und -kontrolle nicht angemessen wahrgenommen werden, wenn
einer verantwortlichen Pflegefachkraft nach dem zeitlichen Umfang ihrer Beschäftigung oder der organisatorischen Stellung
innerhalb der Einrichtung ein nur nachgeordneter Stellenwert zugewiesen wäre. Nicht zu verkennen ist auch, dass zwischen der
wesentlich auf die Sicherung der wirtschaftlichen Betriebsführung gerichteten Funktion der Heimleitung und den Aufgaben der
verantwortlichen Pflegefachkraft Interessenkonflikte bestehen können, die für eine Trennung der Aufgaben sprechen. In diesem
Sinne ist auch die bei Verabschiedung des PflegeVG geltende HeimPersV in ihrem systematischen Aufbau ersichtlich von der Vorstellung geprägt, dass die Aufgaben von Heimleitung und Pflegedienstleitung
jedenfalls bei größeren Einheiten getrennt wahrgenommen werden (vgl die Anforderungen in §§ 2, 4 Abs 2 und 4 Abs 1 HeimPersV idF vom 19.7.1993, BGBl I 1205). Dies hat den Gesetzgeber des PflegeVG offenkundig auch bei der Formulierung geleitet, dass Pflegeleistungen in Pflegeheimen - ebenso wie bei ambulanten Pflegediensten
nach §
71 Abs
1 SGB XI - der ständigen Verantwortung "einer" ausgebildeten Pflegefachkraft unterstellt sind. Darin drückt sich als Leitbild aus,
dass die Aufgaben der Pflegeleitung zumindest bei größeren Einrichtungen grundsätzlich bei einer Kraft gebündelt sein sollen;
andernfalls wäre in Anlehnung an §
107 Abs
2 Nr
2 SGB V und §
15 Abs
2 Satz 1
SGB VI anstelle des Pronomens "einer" der Plural "ausgebildete Pflegefachkräfte" gebraucht worden.
b) Dieses Leitbild ist aber weder gesetzlich noch vertraglich als zwingende Vorgabe ausgestaltet. Zutreffend weist die Klägerin
bereits darauf hin, dass aus familienpolitischen Gründen nach Möglichkeit auch Teilzeitbeschäftigungen ermöglicht werden sollen
(zu den familienpolitischen Erwägungen für die Verlängerung der Rahmenfrist nach §
71 Abs
3 SGB XI vgl BT-Drucks 14/5395 S 28 zu Art 1 Nr
5). Vor allem aber sind die Regelungen des
SGB XI nicht auf einen Einrichtungstypus mit bestimmter Größe zugeschnitten und starre Anforderungen an die Stellenbesetzung schon
deshalb nicht möglich. Vielmehr gelten die Vorschriften des Leistungserbringungsrechts für Einrichtungen sehr unterschiedlicher
Größe und unterschiedlichen Zuschnitts. Demgemäß sind bei der Umsetzung des
SGB XI die Vielfalt der Träger von Pflegeeinrichtungen zu wahren sowie deren Selbstständigkeit, Selbstverständnis und Unabhängigkeit
zu achten (vgl §
11 Abs
2 Satz 1
SGB XI). Deshalb sind insbesondere kleinere Einrichtungen nicht zwingend gehalten, die Stellung der Heimleitung und der verantwortlichen
Pflegefachkraft wegen §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI zu trennen. Auf der anderen Seite erscheint bei sehr großen Einrichtungen die Bestellung nur einer verantwortlichen Pflegefachkraft
zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben als nicht ausreichend. Allerdings kann dem Gesetz keine strikte Grenze entnommen werden,
jenseits derer eine Trennung der Aufgaben unabweisbar geboten ist. Eine solche Abgrenzung haben auch die Selbstverwaltungspartner
hier nicht getroffen; sie ergibt sich weder aus dem hier maßgeblichen Rahmenvertrag noch aus dem Versorgungsvertrag zwischen
den Beklagten und der Klägerin. Insgesamt erweist sich das Organisationsrecht des
SGB XI vielmehr offen für unterschiedliche Formen der Einrichtungsorganisation und der Verteilung der Aufgaben innerhalb der Einrichtung,
Teilzeitmodelle und gestaffelte Leitungsmodelle wie etwa nach dem Organisationskonzept der Klägerin mit einer zentralen Pflegedienstleitung
und mit nachgeordneten - aber qualifiziertem Personal ausgestatteten - Wohnbereichsleitungen eingeschlossen.
c) Offen für die Organisationsentscheidungen der Träger ist das
SGB XI aber nur, solange die Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft wirksam wahrgenommen werden können. Das ist nicht der
Fall, wenn die Aufgaben nach §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI von der verantwortlichen Pflegefachkraft nach Stellung, Weisungsbefugnis oder zeitlicher Kapazität nicht ordnungsgemäß versehen
werden können. Davon ist auszugehen, wenn Teile der gesetzlich oder vertraglich an die Qualifikation nach §
71 Abs
3 SGB XI geknüpften Aufgaben entweder überhaupt nicht oder nur von Mitarbeitern ohne entsprechende Qualifikation wahrgenommen werden.
Eine solche Delegation auf nicht hinreichend qualifiziertes Personal genügt den Anforderungen des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI nicht; dann wären die Qualifikationsvoraussetzungen des §
71 Abs
3 SGB XI obsolet. Zulässig ist die Delegation von Aufgaben nach §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI auf nachgeordnete Mitarbeiter vielmehr nur, wenn auch diese Mitarbeiter ihrerseits über die Qualifikation nach §
71 Abs
3 SGB XI verfügen und von der Einrichtung als (weitere) verantwortliche Pflegefachkräfte benannt worden sind. Andernfalls stünde die
Pflege bei einer Delegation auch nur von Teilen der Aufgaben nach §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI nicht im Sinne der Vorschrift "unter ständiger Verantwortung" einer Pflegefachkraft nach Maßgabe von §
71 Abs
3 SGB XI. Deshalb können zumindest größere Einrichtungen von dem Leitbild der selbstständigen und von der Heimleitung getrennten Wahrnehmung
der Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft (dazu oben a) nur abweichen, wenn zusätzlich weitere nach §
71 Abs
3 SGB XI qualifizierte und entsprechend benannte Pflegefachkräfte für die Erfüllung der Aufgaben nach §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI zur Verfügung stehen und diese Aufgaben nach den gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen versehen. Andernfalls erfüllt
die Einrichtung die Eignungsmerkmale nach §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI auch dann nicht, wenn im Übrigen Qualitätsmängel nicht bestehen.
8. Diesen Anforderungen genügt die im Stift P 2003 eingeführte Organisationsstruktur nicht. Sie erlaubt nicht, dass die für
das Pflegeheim benannte verantwortliche Pflegefachkraft die Pflegeleistungen für die einzelnen Heimbewohner zumindest in den
Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und die Umsetzung angemessen kontrolliert. Die Verantwortung hierfür
ist vielmehr weitgehend auf die Wohnbereichsleitungen delegiert. Ihnen und nicht der benannten Pflegefachkraft obliegt es
danach, die Pflegeeinstufung neuer Bewohner heimseitig zu betreuen und deren Angehörige zu begleiten, die Pflegeplanung zu
sichern, Dienstpläne aufzustellen und die Arbeitsabläufe und die Pflegequalität zu kontrollieren. Hingegen kommen der Hausdirektion
nur noch übergeordnete Kontrollfunktionen zu, die sie aber nicht mehr konkret in die Steuerung der Pflegeprozesse einbindet.
Dies folgt aus den von der Klägerin vorgelegten Aufgabenbeschreibungen für die Heimdirektion einerseits und die Wohnbereichsleitung
andererseits, wie sie sich insbesondere aus der die Aufgaben der Wohnbereichsleitung beschreibenden "Handreichung für heiminterne
Regelung - Haus am Beispielsplatz" den Unterlagen zur "Bereichsleitung Pflege Stift P", der "Geschäftsordnung für Regionaldirektionen
und Hausdirektionen" sowie der "beispielhaften Auflistung von in der Regel durch die verantwortliche Pflegefachkraft wahrzunehmenden
Aufgaben" ergeben. Nichts anderes hat auch der Zeuge S. gegenüber dem SG bekundet, wie das LSG für den Senat bindend (§
163 SGG) festgestellt hat. Im vorliegenden Fall musste zwar nicht konkret entschieden werden, welche Aufgaben im Einzelnen notwendig
nur von einer nach §
71 Abs
3 SGB XI qualifizierten Fachkraft erfüllt werden können. Denn jedenfalls in der Gesamtheit liegt die "pflegerische Gesamtverantwortung"
(vgl BT-Drucks 12/5952 S 45 zu § 80
SGB XI) für das konkrete Versorgungsgeschehen, von den Vertragspartnern umschrieben mit "Anwendung der Qualitätsmaßstäbe im Pflegebereich,
der fachlichen Planung der Pflegeprozesse, der fachgerechten Führung der Pflegedokumentation, der am Pflegebedarf orientierten
Dienstplanung der Pflegekräfte sowie der regelmäßigen Durchführung der Dienstbesprechungen innerhalb des Pflegebereichs" (vgl
Ziffer 3.1.1.2 der "Grundsätze nach § 80
SGB XI"), im Fall des Stift P nicht bei der als verantwortlich benannten Pflegefachkraft, sondern bei den nachgeordneten Wohnbereichsleitungen.
Dies würde den Anforderungen des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI nur genügen, wenn auch die Wohnbereichsleitungen die Qualifikationsvoraussetzungen nach §
71 Abs
3 SGB XI erfüllten und den Beklagten als verantwortliche Pflegefachkräfte benannt wären, wie es die Klägerin in ihrem "Konzept Regionalisierung"
unter Punkt 3. selbst in Aussicht gestellt hat. Da dies nach den Feststellungen des LSG bislang aber noch nicht der Fall ist,
sind die Anforderungen des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI nicht erfüllt.
9. Die Einwände der Klägerin hiergegen greifen nicht durch.
a) Das gilt insbesondere für die Auffassung, dass mit dem Tatbestandsmerkmal der "ständigen Verantwortung" keine Verpflichtung
zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben begründet sei. Abzuleiten sei daraus nur die Verpflichtung, für die Folgen von Fehlern
einstehen und sie "verantworten" zu müssen. Diese Auffassung verkennt offenkundig den Sinngehalt des §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI. Damit ist zwar zutreffend eine zweite Bedeutungsebene des Verantwortungsbegriffs umschrieben (vgl Brockhaus/Wahrig, aaO,
6. Band S 467; ähnlich Duden, aaO, 9. Band S 4178 - jeweils Stichwort "Verantwortung"). Diese einschränkende Interpretation
wird jedoch dem Regelungsziel des
SGB XI nicht gerecht. "Verantworten" in diesem Sinne muss die verantwortliche Pflegefachkraft die Folgen von Fehlern in der Regel
schon deshalb nicht, weil die tatsächlichen Auswirkungen unzureichender Pflegeleistungen ausschließlich die Heimbewohner treffen
und rechtlich im Verhältnis zwischen Pflegekasse, Heimbewohner und Einrichtung nur die Einrichtung - nicht aber die verantwortliche
Pflegefachkraft - für Pflegemängel einzustehen und ggfs mit der Kündigung von Heim- und Versorgungsverträgen zu rechnen hat.
Auf diese Zusammenhänge zielt §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI indes ersichtlich nicht. Die Vorschrift will vielmehr als Teil der umfassenden Ansätze zur Sicherung der Pflegequalität darauf
hinwirken, Pflegemängel durch eine angemessene Organisation und Kontrolle der Pflegeprozesse gerade zu vermeiden; anders wären
auch die Qualifikationsanforderungen des §
71 Abs
3 SGB XI unverständlich. Dieser Funktion wird die Einrichtung nur gerecht, wenn die dafür benannten Mitarbeiter die Aufgaben nach
§
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI tatsächlich selbst wahrnehmen und in eigener Person dafür Sorge tragen, dass den Pflegebedürftigen die im Einzelfall gebotenen
Pflegeleistungen tatsächlich zukommen. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn sich die verantwortliche Pflegefachkraft - wie
hier - nur berichten lässt und im Übrigen darauf vertrauen muss, dass die von ihr beauftragten weiteren Mitarbeiter den ihnen
zugewiesenen Aufgaben ordnungsgemäß nachkommen werden; dann wären die Qualifikationsvorgaben des §
71 Abs
3 SGB XI entbehrlich.
b) Verzichtbar sind die Anforderungen nach §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb, weil Pflegemängel im Stift P nicht bekannt geworden sind und die
gesetzliche und vertragliche Fachkraftkraftquote eingehalten oder übertroffen wird. Darauf kommt es rechtlich nicht an. §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI ist - wie dargelegt - Teil eines umfassenden Konzepts zur Qualitätssicherung und deshalb nicht dann unbeachtlich, wenn dessen
übrige Vorschriften eingehalten sind. Die Regelung zielt vielmehr auf eine selbstständige Sicherung der Pflegequalität durch
einen entsprechend qualifizierten Personaleinsatz für die Aufgaben der Pflegeplanung, -organisation und -kontrolle. Zutreffend
haben die Beklagten darauf hingewiesen, dass die Pflegequalität nicht nur von der Qualifikation im unmittelbaren Betreuungsverhältnis
zwischen Pflegekräften und Bewohnern abhängt. Essenziell ist vielmehr auch eine entsprechende, am individuellen Bedarf der
Heimbewohner ausgerichtete und seine kontinuierliche Berücksichtigung gewährleistende Steuerung der Pflegeprozesse. Deshalb
ist die Einhaltung der Anforderungen nach §
71 Abs
2 Nr
1 SGB XI auch dann unverzichtbar, wenn im Betreuungsverhältnis zu den Heimbewohnern im Übrigen die gesetzlichen und vertraglichen
Vorgaben eingehalten sind.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs 1 Satz 1
SGG, 154 Abs 2
Verwaltungsgerichtsordnung, die Streitwertfestsetzung auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
63 Abs
2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 42 Abs 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) idF des Art 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl I 718). Anknüpfend an seine Rechtsprechung zur Wertbestimmung
bei Streitigkeiten über die Zulassung von Pflegeeinrichtungen (vgl Urteil vom 12.6.2008 - B 3 P 2/07 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - jeweils RdNr 48 ff) hält der Senat dafür den dreifachen Jahresbetrag
des Betrages für angemessen, den die Klägerin ohne die Zusammenlegung von Heim- und Pflegedienstleitung für die vollschichtige
Beschäftigung einer verantwortlichen Pflegefachkraft zusätzlich aufzuwenden hätte. Diesen Betrag hat der Senat auf 50.000
Euro jährlich geschätzt. Die Orientierung an einem Streitwert von 12.000 Euro, den das LSG für beide Rechtszüge zugrunde gelegt
hatte, wird dagegen dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin am Ausgang des Verfahrens zur Überzeugung des Senats nicht
hinreichend gerecht.