Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz
Substantiierung einer Grundsatzrüge
Formulierung einer Rechtsfrage
Verfahrensrüge und Bezeichnung des Verfahrensmangels
Gründe:
Mit Urteil vom 28.5.2015 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch der Klägerin auf Beschädigtenrente nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) ab Juni 2007 verneint, weil keine der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit durch ein schädigendes
Ereignis iS von §
1 Abs
1 OEG verursacht worden seien. Dem lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Ehemann der Klägerin am 22.6.2007 Opfer eines tätlichen
Angriffs (zwei Kopfstöße) geworden und am 27.6.2007 an dessen Folgen verstorben ist. Bereits am 26.6.2007 beantragte die Klägerin
die Gewährung von Versorgung nach dem
OEG, weil die bei ihr bestehenden Schlafstörungen, innere Unruhe, ständiges Grübeln, starke Trauer, Wutanfälle, ein Schockschaden
und Zukunftsängste Folge des Verlustes ihres Mannes seien. Dieser Antrag blieb ebenso erfolglos (Bescheid vom 22.7.2010; Widerspruchsbescheid
vom 28.9.2011) wie das anschließende Klageverfahren (Urteil des SG Braunschweig vom 19.6.2014; Urteil des LSG vom 28.5.2015).
Das LSG ging davon aus, dass bei der Klägerin zwar psychische Gesundheitsstörungen vorliegen. Es müsse nicht geklärt werden,
ob es sich dabei um eine Depression, eine Anpassungsstörung, eine chronifizierte Schockreaktion im Sinne einer chronischen
Belastungsreaktion oder um eine posttraumatische Belastungsstörung handele, denn keine der genannten Gesundheitsstörungen
sei mit Wahrscheinlichkeit unmittelbar durch das schädigende Ereignis verursacht worden. Gegen die Nichtzulassung der Revision
in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) sowie von Verfahrensmängeln (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) begründet.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die
geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht ordnungsgemäß dargetan worden (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wie sie die Klägerin hier geltend macht, hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den
Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht
bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb
eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen:
(1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie
(4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl
BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat es bereits unterlassen, eine Rechtsfrage zu bezeichnen, die auf die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmales
abzielt (vgl Becker, SGb 2007, 261, 265 zu Fn 42 mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin selbst eine Rechtsfrage
zu formulieren, der möglicherweise grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48). Tatsächlich greift die Klägerin die Beweiswürdigung des LSG iS des §
128 Abs
1 S 1
SGG an. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde allerdings von vorherein nicht gestützt werden (vgl §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG). Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Zudem fehlt es auch an einer Darlegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu §
1 Abs
1 OEG, insbesondere zu den Grundsätzen des sog Schockschadens (vgl hierzu insgesamt: Loytved, MEDSACH 2005, 148).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan
werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller
Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 §
160a Nr 14, 36). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs
1 S 1
SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG
ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Kriterien hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.
Sie macht im Wesentlichen zwar geltend, das LSG hätte den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und ihren gesundheitlichen
Zustand nicht hinreichend ermittelt. Insoweit hätte etwa ein weiteres geeignetes und differenziertes Gutachten eingeholt werden
müssen, um den Sachverhalt abschließend zu klären. Diese Ausführungen reichen für eine zulässige Beschwerdebegründung jedoch
nicht aus.
Denn soweit - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht
ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der
Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung
der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.)
Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung
des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten
Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45; BSG SozR 1500 § 160a Nr 24, 34).
Die im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin hat es bereits unterlassen darzulegen, dass sie überhaupt vor dem
LSG Beweisanträge gestellt und diese bis zuletzt aufrechterhalten habe. Hierzu hätte es insbesondere der weiteren Ausführungen
bedurft, wo sich die genaue Fundstelle für den Beweisantrag befindet, also dass er in der letzten mündlichen Verhandlung bzw
in welchem Schriftsatz, auf welchem Blatt etc er gestellt worden ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Hieran fehlt es, die Klägerin behauptet nicht einmal einen Beweisantrag gestellt zu haben. Ebenso fehlt es
an einer näheren Begründung, weshalb sich das LSG zu den von der Klägerin angestrebten weiteren Ermittlungen hätte gedrängt
fühlen müssen.
Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.