Ablehnung eines Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren; Befangenheit eines zum gerichtlichen Sachverständigen bestellten
Bediensteten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das Befangenheitsgesuch gegen den gerichtlichen
Sachverständigen Dr. O. abgelehnt.
Nach §
60 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) i. V. m. §
42 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) kann ein Richter - für Sachverständige gilt Gleiches (§
118 Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
406 ZPO) - wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit
zu rechtfertigen. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn der Richter oder Sachverständige tatsächlich befangen ist, sondern
schon dann, wenn ein Beteiligter bei Würdigung aller Umstände und bei vernünftigen Erwägungen Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit
und der objektiven Einstellung des Richters bzw. Sachverständigen zu zweifeln. Ein im Rahmen gebotener Verfahrensweise liegendes
Verhalten kann keinen Ablehnungsgrund begründen.
Der Ablehnungsantrag ist nach §
406 Abs.
2 Satz 1
ZPO vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach seiner Ernennung. Nach Satz
2 der Regelung ist die Ablehnung zu einem späteren Zeitpunkt nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er
ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Hier ist das Ablehnungsgesuch zulässig.
Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihm der geltend gemachte Ablehnungsgrund erst durch die Übersendung des schriftlichen
Gutachtens bekannt geworden ist. Er hat dann innerhalb von weniger als zwei Wochen das Ablehnungsgesuch angebracht.
Zutreffend hat indessen das Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 11.12.1992,
9a RV 6/92) ausgeführt, dass eine Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. nicht zu befürchten
ist, weil dieser nicht im Dienste der Beklagten, sondern der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See steht. Dies
sieht der Senat genauso.
Auch der Senat geht - insoweit zu Gunsten des Klägers - davon aus, dass Dr. O. im Dienst der Deutschen Rentenversicherung
Knappschaft Bahn See steht. Er ist Chefarzt der R.-Klinik, einer eigenen Rehabilitationsklinik der Deutschen Rentenversicherung
Knappschaft Bahn See. Es bedarf insoweit keiner Ausführungen zu der Frage, ob Dr. O. in Rechtsstreitigkeiten gegen diesen
Versicherungsträger als befangen anzusehen wäre. Denn im vorliegenden Verfahren richtet sich die Klage gegen die Deutsche
Rentenversicherung Baden-Württemberg. Zu diesem Versicherungsträger steht Dr. O. in keiner derartigen Verbindung.
Nach der zitierten, zum Versorgungsrecht ergangenen Rechtsprechung des BSG rechtfertigt ein Dienstverhältnis des Sachverständigen
zur beklagten Verwaltung die Besorgnis der Befangenheit. Dies soll auch dann gelten, wenn der Sachverständige im Dienst der
Verwaltung eines anderen Bundeslandes steht, wenn - wie sich aus der Begründung der Entscheidung des BSG ergibt - die Verwaltungen
nach außen als Einheit auftreten, weil sie das Gesetz im Auftrag des Bundes auf dessen Kosten und nach einer einheitlichen
Verwaltungspraxis ausführen.
Zutreffend hat das Sozialgericht erkannt, dass eine solche Fallkonstellation hier nicht vorliegt. Der Sachverständige steht
gerade nicht in den Diensten der Beklagten. Anders als in Fällen der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder mit den
vom BSG im Einzelnen dargestellten Einflussmöglichkeiten zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis sind die
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung organisatorisch und inhaltlich unabhängig. Von einem Auftreten "unter dem Dach
Deutsche Rentenversicherung" kann entgegen der insoweit missverständlichen, vom Kläger zur Begründung seiner Beschwerde aber
übernommenen Formulierung im angefochtenen Beschluss keine Rede sein. Übereinstimmend ist insoweit und für alle Rentenversicherungsträger
nur der vom Gesetz vorgegebene Namensteil "Deutsche Rentenversicherung" (vgl. §
125 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI -). Ein gemeinsames "Dach" ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Vielmehr werden die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung
von den in §
125 Abs.
1 Satz 1
SGB VI so definierten Regionalträgern, wozu die Beklagte gehört, und den Bundesträgern, wozu die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft
Bahn See (§
125 Abs.
2 Satz 2
SGB VI) gerechnet wird, wahrgenommen. Es handelt sich bei diesen Versicherungsträgern um eigenständige, also voneinander unabhängige
Rechtsträger in Form von rechtsfähigen Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§
29 Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IV -), bei den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Versicherungsträgern sogar mit unterschiedlicher Zuordnung zum Land (so
die Beklagte als landesunmittelbarer Versicherungsträger, §
144 SGB VI i.V.m. §
90 Abs.
2 SGB IV) und zum Bund (so die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See als bundesunmittelbarer Versicherungsträger, vgl.
§
143 Abs.
1 SGB VI).
Gibt es aber kein "Dach der Gesetzlichen Rentenversicherung" ist der hierauf abstellenden Argumentation des Klägers der Boden
entzogen. Anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss
vom 06.10.1998, 3 B 35/98 in NVwZ 1999, 184). Dort wird ein Befangenheitsgrund selbst dann abgelehnt, wenn der Sachverständige demselben Rechtsträger wie die am Rechtsstreit
beteiligte Behörde angehört. Nur dann, wenn der Sachverständige derselben Behörde angehört, wird auf Grund einer solchen Abhängigkeit
die Besorgnis der Befangenheit bejaht. Umgesetzt auf den vorliegenden Fall müsste Beklagte die R.-Klinik sein, um das Befangenheitsgesuch
zu rechtfertigen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens. Eine gesonderte Kostenentscheidung
hat daher nicht zu ergehen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).