Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig. Die im Jahr 1970 geborene
Klägerin, die keine Berufsausbildung durchlaufen hat, siedelte im Jahr 1987 aus der T. in die Bundesrepublik Deutschland über,
wo sie sodann bis 1992 in einer Änderungsschneiderei tätig war. Seither ist sie nicht mehr erwerbstätig. Bei der Klägerin
ist seit 10.08.2010 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt (Bescheid des Landratsamts Z. vom 21.10.2010). Einen ersten
Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 11.08.2011 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2011 ab. Am
10.12.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Sie gab an, unter multiplen Beschwerden, u.a. an Bandscheibenschäden mit Operationen, einer Blutanämie, einem Restless-legs-Syndrom,
starken Schlafstörungen und an Depressionen, Asthma und psychosomatischen Störungen zu leiden. Die Beklagte zog daraufhin
den Entlassungsbericht vom 02.07.2015 der im Zeitraum vom 11.05. - 08.06.2015 in der Klinik am S. M. , Bad S. , durchgeführten
Rehabilitationsmaßnahme bei, aus der die Klägerin unter den Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode, einer undifferenzierten
Somatisierungsstörung, eines LWS-Syndroms, Asthma bronchiale sowie Hypothyreose als fähig entlassen worden ist, mittelschwere
Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mehr als 6 Stunden arbeitstäglich auszuüben. Ferner
zog sie das fachärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin
Dr. Z. vom 07.05.2012 bei, das in einem Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG - S 7 SB 2412/11 -) erstellt worden ist. Mit Bescheid vom 08.02.2016 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin unter der Begründung, die
besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente seien nicht erfüllt, ab. Bezogen auf die Antragstellung
am 10.11.2015 seien innerhalb des vorangegangenen verlängerten Fünf-Jahreszeitraums (01.09.2004 - 09.11.2015) nur 7 Monate
mit Pflichtbeitragszeiten belegt, erforderlich seien jedoch 36 Monate.
Den hiergegen am 07.03.2016 ohne Begründung eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 10.10.2016 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 27.10.2016 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, zu deren Begründung sie vorgebracht hat, sie sei bereits seit Anfang 2011 erwerbsunfähig gewesen. Hierzu hat sie
u.a. eine Gesamtaufstellung der für sie zuständigen Krankenkasse über stationäre Krankenhausaufenthalte ab September 2008,
ambulante Operationen seit April 2006 sowie über stationäre und ambulante Rehabilitationsmaßnahmen vorgelegt. Zuletzt hat
sie einen (unvollständigen) Bericht des Klinikums für den Landkreis T. vom 11.03.2018 über eine stationäre Behandlung vom
26.02. - 11.03.2018 beim SG eingereicht.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat unter Aufstellung der versicherungsrechtlichen Zeiten ausgeführt, dass
die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung letztmalig bei einem Leistungsfall im Juni
2013 erfüllt seien.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. S. , Facharzt für Orthopädie,
hat in seiner schriftlichen Auskunft vom 29.03.2017 angegeben, die Klägerin ab dem 20.11.2015 zu behandeln. Bei der Klägerin
bestehe ein HWS-Syndrom, ein LWS-Syndrom, eine Hüftkopfnekrose sowie Hüftgelenksarthritis. Es bestehe keine Arbeitsfähigkeit
aufgrund der akuten Erkrankung des linken Hüftgelenkes. Die Fachärztin für Neurologie Dr. S. hat in ihrer schriftlichen Zeugenaussage
vom 22.04.2017 angegeben, die Klägerin vom 29.09.2014 - 17.10.2016 behandelt zu haben. Bei ihr bestehe ein Restless-legs-Syndrom,
Spannungskopfschmerzen, eine leichtgradige vaskuläre Enzephalopathie sowie der Verdacht auf eine somatoforme Störung. Angaben
zum Leistungsvermögen konnte sie nicht machen. Fr. D. , Ärztin am Zentrum für Migrationspsychiatrie R. , hat in ihrer Auskunft
vom 19.06.2017 mitgeteilt, dass die Klägerin dreimal in Behandlung gewesen sei, zuletzt am 11.03.2016. Es sei eine chronische
Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine gemischte Angststörung, eine mittelgradige Episode sowie somatische
Diagnosen in Form eines Restless-legs-Syndroms, Bandscheibenprotrusionen der HWS, eines LWS-Syndroms, Asthma bronchiale, Thalassämie,
Eisenmangelanämie sowie Hypothyreose diagnostiziert worden. Eine Leistungseinschätzung hat die Ärztin nicht abgegeben. Der
Neurologe Dr. N. , Chefarzt der Neurologischen Abteilung der V. P. Hospital gGmbH in R. hat Entlassungsberichte über stationäre
Aufenthalte der Klägerin in den Jahren 2001, 2011 und 2014 übermittelt.
Das SG hat sodann Dr. L. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.
In seinem neurologischen und psychiatrischen Gutachten vom 02.01.2018 hat dieser bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom
mit somatischen und psychischen Faktoren, eine rezidivierende depressive Episode in derzeit allenfalls leichter Episode, ein
Restless-legs-Syndrom, ein Schmerzsyndrom an der Wirbelsäule mit leichter Irritation im Bereich S1 links und mäßigen degenerativen
Veränderungen, einen Zustand nach (Z.n.) Bandscheibenvorfalloperation lumbal LWK 4/5 im Jahr 2001, Thalassaemia minor, eine
leichte vaskuläre Enzephalopathie ohne klinisches Korrelat, einen Z.n. nach Femurkopfnekrose Arco I-II links, einen Z.n. nach
Sprunggelenksfraktur, Asthma bronchiale sowie Hypothyreose diagnostiziert. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mehr als 6 Stunden arbeitstäglich auszuüben. Mit Urteil vom
15.05.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, zu dem Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen letztmalig vorgelegen hätten, dem Juni 2013, sei eine quantitative Leistungsreduzierung nicht belegt. So beschreibe
der Rehabilitationsentlassungsbericht der Klinik Am S. M. vom 02.07.2015 ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen.
Diese Einschätzung sei, so das SG, vom gerichtlichen Gutachter Dr. L. bestätigt worden, der in seinem Gutachten vom 02.01.2018 ebenfalls zu der überzeugenden
Einschätzung gelangt sei, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten mehr als 6 Stunden arbeitstäglich auszuüben.
Der Gutachter habe nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, dass die depressive Symptomatik und die somatoforme Störung nicht
so ausgeprägt seien, dass eine berufliche Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von weniger als sechs 6 Stunden möglich sei.
Auch aus den bei der Klägerin bestehenden orthopädischen Gesundheitsstörungen lasse sich keine quantitative Leistungseinschränkung
entnehmen.
Gegen das ihr am 23.05.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.06.2018 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg
eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, entgegen der Einschätzung des SG sei sie bereits seit Juni 2013 erwerbsgemindert. Hierzu hat sie Arztbriefe und Befundberichte der sie in den Jahren 2013,
2014 und 2015 behandelnden Ärzte vorgelegt. U.a. wurde seitens des Universitätsklinikums T. unter dem 23.10.2014 ausgeführt,
dass bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung bestehe, wobei die Klägerin affektiv herabgestimmt und die Schwingungsfähigkeit
eingeschränkt sei. Die Klägerin hat ferner zeitnahe Befundberichte vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15.05.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.02.2016
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2016 zu verurteilen, ihr ab dem 01.12.2015 eine Rente wegen voller, hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages hat die Beklagte sozialmedizinische Stellungnahmen von Dr. E. , Fachärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie, vom 31.07.2018 und vom 24.10.2018 vorgelegt. Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte sodann einen Versicherungsverlauf
der Klägerin vom 04.03.2019 vorgelegt, in dem zuletzt für die Zeit vom 01.11.2004 - 31.12.2004 sowie sodann vom 01.01. - 31.05.2005
Pflichtbeitragszeiten (zuletzt wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld II) vermerkt sind. Für die anschließende Zeit vom 01.06.2005
bis zum 26.09.2007 sind Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug aufgeführt. Für die Zeit vom 23.04.1988 - 14.01.2011
sind überdies Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vermerkt.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Senat Dr. M. , Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotherapeutische Medizin, zum gerichtlichen Sachverständigen
ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem psychiatrisch-psychosomatischen Gutachten
vom 29.04.2019 hat Dr. M. ausgeführt, bei der Klägerin dominiere eine somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive
Störung, wegen derer die Klägerin seit Jahren in regelmäßiger aber auch unregelmäßiger Behandlung stehe. Nach rückblickender
Einschätzung habe im Juni 2013 eine mittelschwere depressive Störung bestanden, wegen der das Leistungsvermögen in zeitlicher
Hinsicht auf unter drei Stunden täglich eingeschränkt gewesen sei. Insofern sei das gesamte psychosomatische Störungsbild,
als auch das familiäre Umfeld und die Beziehungsdynamik innerhalb der Familie zu berücksichtigen.
Nachdem die Beklagte der gutachterlichen Einschätzung unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. E. vom
13.06.2019 entgegengetreten ist, hat Dr. M. seine Einschätzung in einer ergänzenden Stellungnahme vom 12.09.2019 bekräftigt,
die jedoch von der Beklagten gleichfalls nicht akzeptiert worden ist. Die Beklagte hat hierzu insb. ausgeführt, dass der Gutachter
keinen vereidigten Dolmetscher beigezogen habe und stattdessen ein die Klägerin begleitendes Familienmitglied übersetzt habe,
worin die Klägerin keinen Grund sieht, das Gutachten nicht verwerten zu können.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei
der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2020 geworden sind, sowie das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, führt jedoch inhaltlich für die Klägerin nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10.10.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach §
43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung
und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554) haben Versicherte
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§
43 Abs.
2 Satz 1
SGB VI) oder Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§
43 Abs.
1 Satz 1
SGB VI), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung
die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr.
3). Voll erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach
§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß §
43 Abs.
3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer - unabhängig von der Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein eine Einschränkung
der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher (quantitativer) Hinsicht eine Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen vermag,
hingegen der Umstand, dass bestimmte inhaltliche Anforderungen an eine Erwerbstätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Situation
nicht mehr verrichtet werden können, einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich nicht zu
begründen vermag.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind hierbei bezogen auf den Leistungsfall, den Eintritt der Erwerbsminderung,
zu bestimmen. Mit dem Erfordernis, dass innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren drei Jahre (36 Monate) mit Pflichtbeiträgen
belegt sein müssen geht einher, dass der Versicherungsschutz betr. dem Leistungsfall der Erwerbsminderung nur für einen Zeitraum
von zwei Jahren nach dem Wegfall eines Bezuges zum Erwerbsleben aufrechterhalten bleibt. Liegt hingegen ein längerer Zeitraum
zwischen der Erwerbsminderung und dem Erwerbsleben (auch dem Bezug von Lohnersatzleistungen), ist eine evtl. Erwerbsminderung
nicht mehr durch die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert. Diese Voraussetzung ist nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf
zuletzt im Juni 2013 erfüllt gewesen. Der Versicherungsverlauf der Klägerin weist die letzten Pflichtbeitragszeiten im Mai
2005 aus, sodass bereits nach Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren hiernach kein Versicherungsschutz betr. dem Versicherungsfall
der Erwerbsminderung mehr bestanden hätte. Indes bestimmt §
43 Abs.
4 SGB VI, dass sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, innerhalb dem 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt
sein müssen, um bestimmte Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt
sind, verlängert. Hierunter rechnen nach §
43 Abs.
4 Nr.
2 SGB VI auch Berücksichtigungszeiten. Da zugunsten der Klägerin deswegen auch die insg. vom 23.04.1988 - 14.01.2011 reichenden Berücksichtigungszeiten
wegen Kindererziehung einzustellen sind, verlängert sich zwar der Fünf-Jahreszeitraum; indes ist auch hiernach die erforderliche
Anzahl von 36 mit Pflichtbeitragszeiten belegten Monaten letztmals erreicht, wenn der Versicherungsfall im Juni 2013 eingetreten
wäre.
Der Senat ist jedoch nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon
überzeugt, dass die Klägerin im Juni 2013 nicht mehr in der Lage gewesen ist, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich verrichten zu können. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass Dr. M. in
seinem Gutachten vom 29.04.2019 die Einschätzung vertreten hat, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt erwerbsgemindert
gewesen ist. Der Senat vermag sich dieser Einschätzung indes nicht anzuschließen. Dr. M. hat ausgeführt, dass nach rückblickender
Einschätzung bei der Klägerin im Juni 2013 eine mindestens mittelschwere depressive Symptomatik sowie eine somatoforme Schmerzstörung
bestanden hätten, die ihr allenfalls die Ausübung einer leichten Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von unter drei Stunden
erlaubt hätten. Er hat aber auch ausgeführt, dass sich für das Jahr 2013 keine medizinischen Befunde betr. einer psychiatrischen
Behandlung fänden; lediglich aus einem Attest der Hausärztin gehe eine ausgeprägte psychosomatische Depression hervor. Dementsprechend
hat Dr. M. zur Begründung seiner Einschätzung auch maßgeblich auf mangelnde Sprachkenntnisse der Klägerin und deren allgemeine
Kommunikationsprobleme abgestellt und insofern das "gesamte psychosomatische Störungsbild" einschließlich des familiären Umfeldes
und der Beziehungsdynamik innerhalb der Familie berücksichtigt. Indes setzt der Begriff der Erwerbsminderung bereits nach
dem Wortlaut des §
43 Abs.
1 bzw. Abs.
2 SGB VI voraus, dass diese, die Erwerbsminderung, "wegen Krankheit oder Behinderung" besteht. Familiäre Konfliktsituationen oder
Beziehungsdynamiken können daher nur dann für die Beurteilung der Frage einer Erwerbsminderung herangezogen werden, wenn hierdurch
eine relevante Einschränkung einer psychischen Dimension bedingt ist, die sich wiederum nur dann nachvollziehbar begründen
lässt, wenn ärztlicherseits entsprechende psychopathologische Befunde festgestellt worden sind. Diesbezüglich führt Dr. M.
selbst aus, dass aus der relevanten Zeit keine (fachspezifischen) Befundberichte vorliegen. Soweit Dr. M. sodann maßgeblich
auf ein Attest der Hausärztin vom 04.07.2013 und die dort angeführte ausgeprägte psychosomatische Depression verweist, ist
dies nicht ausreichend, eine quantitative Leistungsreduzierung zu begründen. Da die klägerseits vorgelegten medizinischen
Unterlagen betr. das Jahr 2013 vielmehr gerade keine derart gravierenden psychopathologischen Befunde beinhalten, als dass
von einer quantitativen Leistungsreduzierung auszugehen ist, ist die Leistungseinschätzung des Dr. M. nicht nachvollziehbar.
So ist im Arztbrief des Universitätsklinikums T. vom 23.10.2014 ausgeführt, dass zwar der Affekt der Klägerin bei einer Untersuchung
am 23.10.2014 herabgestimmt und die Schwingungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, weitergehende Befunde sind jedoch nicht
erhoben worden. Auch im Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie S. vom 11.09.2018 werden ausschließlich die
dortigen Behandlungen der Klägerin aufgeführt. Ungeachtet davon, dass diese bereits keine engmaschige psychiatrische Behandlung
belegen, sind dort die ggf. erhobenen psychopathologischen Befunde nicht benannt. Schließlich vermag der Senat eine quantitative
Leistungsreduzierung der Klägerin im Juni 2013 auch nicht dem Gutachten des Dr. Z. vom 07.05.2012 zu entnehmen. Zwar hat Dr.
Z. hierin von einer depressiven Herabgestimmtheit und einer fast steinernen affektiven Grundhaltung berichtet; indes hat er
auch ausgeführt, dass die Klägerin bewußtseinsklar und voll orientiert gewesen sei, keine Denkstörungen haben eruiert werden
können und, so Dr. Z. ausdrücklich, keine Störungen der kognitiven, mnestischen oder intellektuellen Fähigkeiten bestanden
hätten. Auch die Aussagen der im erstinstanzlichen Verfahren als sachverständige Zeugen einvernommenen behandelnden Ärzte
können die Annahme einer quantitativen Leistungsreduzierung bereits im Juni 2013 nicht begründen. So hat die Fachärztin für
Neurologie Dr. S. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 22.04.2017 angegeben, die Klägerin erst ab September 2014 behandelt
zu haben. Fr. D. , Ärztin am Zentrum für Migrationspsychiatrie R. , hat in ihrer Auskunft vom 19.06.2017 mitgeteilt, die Klägerin
beginnend mit dem 12.11.2015 lediglich dreimal behandelt zu haben. Aus der im Jahr 2015 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme
wurde die Klägerin mit einem über 6 Stunden täglichen Leistungsvermögen entlassen.
In Zusammenschau der den Zeitraum Juni 2013 umfassenden medizinischen Unterlagen ist der Senat zwar davon überzeugt, dass
die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt an einer mittelschweren depressiven Symptomatik sowie an einer somatoformen Schmerzstörung
gelitten hat. Davon, dass zu diesem Zeitpunkt hierdurch die psychische Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht
auf unter sechs Stunden täglich abgesunken war, vermag sich der Senat jedoch auch in Ansehung der gutachterlichen Einschätzung
von Dr. M. nicht zu überzeugen, weswegen er sich dieser Einschätzung nicht anzuschließen vermag.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat auch offen lassen, ob das Gutachten des Dr. M. im Hinblick darauf, dass der Gutachter
keinen vereidigten Dolmetscher beigezogen hat, verwertbar ist.
Auch aus den bei der Klägerin bestehenden orthopädischen Gesundheitsstörungen lässt sich eine quantitative Leistungsreduzierung
im Juni 2013 nicht begründen. So hat der befragte behandelnde Orthopäde Dr. S. in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 29.03.2017
gegenüber dem SG, abgesehen davon, dass er die Klägerin erst seit dem 20.11.2015 behandelt, lediglich ausgeführt, dass aufgrund einer akuten
Erkrankung des linken Hüftgelenkes zum Zeitpunkt der Befragung keine Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Aus dem Vorliegen von
Arbeitsunfähigkeit lässt sich jedoch nicht auf das Vorliegen einer Erwerbsminderung schließen, sodass sich der schriftlichen
Zeugenaussage des Dr. S. gerade nicht das Bestehen einer Erwerbsminderung auf orthopädischem Fachgebiet entnehmen lässt. Überdies
sind durch die bestehenden Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet, einem Schmerzsyndrom an der Wirbelsäule mit leichter
Irritation im Bereich S1 links und mäßigen degenerativen Veränderungen, einem Z.n. Bandscheibenvorfalloperation lumbal LWK
4/5 im Jahr 2001, einem Z.n. nach Femurkopfnekrose Arco I-II links und einem Z.n. nach Sprunggelenksfraktur, allenfalls qualitative
Einschränkungen dergestalt bedingt, als bestimmte Verrichtungen, insb. Tätigkeiten, die in stehender Körperhaltung zu verrichten
sind, ausgeschlossen sind; eine quantitative Einschränkung ist indes hierdurch nicht bedingt. Auch die weiteren Erkrankungen,
ein Restless-legs-Syndrom, eine Thalassaemia minor, eine leichte vaskuläre Enzephalopathie ohne klinisches Korrelat, Asthma
bronchiale sowie eine Hypothyreose bedingen eine solche nicht.
Mithin ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Juni 2013 quantitativ in rentenrelevantem
Umfang reduziert gewesen ist.
Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin im Juni 2013 von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder
einer spezifischen Leistungsbehinderung auszugehen gewesen ist und ihr deswegen eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen
ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 24.02.1999 - B 5 RJ 30/98 R - und vom 11.03.1999 - B 13 71/97 R -, jew. in juris) liegen nicht vor.
Die Klägerin hat mithin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Bescheid der Beklagten vom 08.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2016 ist hiernach rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 15.05.2018 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.