Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf Betreuungsgeld für seinen am 21.04.2012 geborenen Sohn geltend.
Der 1980 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Er ist der Vater des am 2012 geborenen
M. G. (M) und seit dem 29.09.2012 mit dessen Mutter verheiratet. M lebt seit seiner Geburt im Haushalt seiner Eltern und wird
von diesen betreut und erzogen. Bis einschließlich Mai 2014 (25. Lebensmonat) nahmen die Eltern keine Kinderbetreuung für
M in Anspruch. Die Mutter von M erhielt auf ihren Antrag für die Zeit vom 21.06.2012 (3. Lebensmonat) bis zum 20.04.2013 (12.
Lebensmonat) von der Beklagten Elterngeld.
Am 25.10.2013 beantragte der Kläger rückwirkend ab 01.08.2013 die Bewilligung von Betreuungsgeld für M. Soweit die Leistung
nur Kindern zustehe, die ab dem 01.08.2012 geboren seien, sei diese Gesetzgebung diskriminierend und nicht fair den Menschen
gegenüber, die wieder in die Berufswelt einsteigen wollen, denen es jedoch wegen mangelnder Betreuungsmöglichkeiten in Kindertagesstätten
nicht möglich sei. Da das Kind voraussichtlich erst ab September 2014 einen Kindergartenplatz erhalte, könne die Ehefrau und
Mutter des Kindes bis zum gegebenen Zeitpunkt auch nicht wieder in ihrer ehemaligen Anstellung tätig werden, weshalb Anspruch
auf Betreuungsgeld bestehe. Mit Bescheid vom 29.10.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Betreuungsgeld ab, da das Kind
vor dem 01.08.2012 geboren sei. Ein Anspruch bestehe nur für Kinder, die ab diesem Stichtag geboren seien.
Hiergegen legte der Kläger am 05.11.2013 Widerspruch ein. Der Ausschluss von vor dem 01.08.2012 geborenen Kindern von Betreuungsgeld
sei verfassungswidrig. Es liege insbesondere ein Verstoß gegen Artikel
3 Abs
1 Grundgesetz (
GG) i.V.m. Artikel
6 Abs
1 GG vor, da für den Stichtag zum 01.08.2012 keine sachliche Rechtfertigung erkennbar sei. Die staatliche Schutz- und Fürsorgepflicht,
auf welche die Gesetzesbegründung Bezug nehme, gelte für vor und nach dem 01.08.2012 geborene Kinder bzw deren Eltern gleichermaßen.
Soweit nach dem Willen des Gesetzgebers durch den Ausschlusstatbestand auch zusätzlicher Verwaltungsaufwand vermieden werden
soll, scheide dies vorliegend als Rechtfertigung aus, da kein erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand ersichtlich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 27 Abs 3 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) werde Betreuungsgeld nicht für vor dem 01.08.2012 geborene Kinder gezahlt. Gegen die Stichtagsregelung des § 27 Abs 3 Satz 1 BEEG bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit komme dem Gesetzgeber ein weiter
Gestaltungsspielraum zu. Dieser sei vorliegend nicht überschritten. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) zur Stichtagsregelung bei der Einführung des Elterngeldes, die entsprechend anwendbar sei.
Am 15.11.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus den Widerspruchsverfahren. Zwar sei es dem
Gesetzgeber durch Artikel
3 Abs
1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtagsregelungen einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidbare
gewisse Härten mit sich bringe. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Einführung eines Stichtags notwendig sei und dass sich
die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiere und damit sachlich vertretbar sei. Ansonsten verstoße die Norm
gegen Artikel
3 Abs
1 GG i.V.m. Artikel
6 Abs
1 GG. Die staatliche Schutz- und Fürsorgepflicht, auf welche die Gesetzesbegründung ausdrücklich Bezug nehme, gelte für vor und
nach dem 01.08.2012 geborene Kinder bzw deren Eltern gleichermaßen. Außerdem entstehe bei Anträgen von Eltern eines vor dem
maßgeblichen Stichtag geborenen Kindes auch kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand, der im Sinne der verfassungsgerichtlichen
Rechtsprechung erheblich wäre.
Mit Urteil vom 17.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtagsregelungen
einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidbare gewisse Härten mit sich bringe. Voraussetzung sei, dass die Einführung eines
Stichtages notwendig sei und dass sich die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiere und damit sachlich vertretbar
sei. Dabei komme im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigenden Personengruppen
ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Durch die Stichtagsregelung habe der Gesetzgeber ununterbrochene Bezugsverläufe für die
Jahre 2013 und 2014 und einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand vermeiden wollen. In der Gesamtkonzeption des Betreuungsgeldes
passe sich der Stichtag zum 01.08.2012 insofern ein, als frühestens nach Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes ein
Anspruch auf Betreuungsgeld bestehe. Demnach stelle die Stichtagsregelung des § 27 Abs 3 Satz 1 BEEG eine durch sachliche Gründe getragene sozial- und fiskalpolitische Entscheidung des Gesetzgebers dar, die sich im Rahmen
des verfassungsrechtlichen zulässigen Gestaltungsspielraumes bewege. Das Urteil ist dem Bevollmächtigten des Klägers mittels
Empfangsbekenntnis am 04.04.2014 zugestellt worden.
Am 15.04.2014 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er habe in der Klageschrift nachgewiesen, dass eine Notwendigkeit zur Einführung
einer Stichtagsregelung nicht bestanden habe. Auch die vom SG angestellten Überlegungen hinsichtlich des fließenden Übergangs vom Elterngeld zum Betreuungsgeld verfingen nicht. Das SG vermenge zu Unrecht die mit dem Gesetz verfolgten sozialpolitischen Zwecke der Familienförderung mit den rein fiskalisch
begründeten Nebenzwecken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.03.2014 sowie den Bescheid vom 29.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 07.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01.08.2013 Betreuungsgeld in gesetzlicher Höhe und Dauer
für seinen 2012 geborenen Sohn zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 26.05.2014 und 27.05.2014 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Sozialgerichts-
sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§
153 Abs
1,
124 Abs
2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat
keinen Anspruch auf Betreuungsgeld für M. Die Stichtagsregelung in § 27 Abs 3 Satz 1 BEEG verstößt auch nicht gegen die Verfassung. Dies hat das SG mit zutreffender Begründung dargelegt.
Nach § 4 a Abs 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der ab 01.08.2013 geltenden Fassung des Art 1 Nr 3 des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes vom 15.02.2013 (BGBl I S 254) hat Anspruch auf Betreuungsgeld, wer
die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1 bis 3, Abs 2 bis 5, 7 und 8 BEEG erfüllt und für das Kind keine Leistungen nach § 24 Abs 2 i.V.m. den §§ 22 bis 23 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) in Anspruch nimmt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er lebt mit seinem Sohn M in Deutschland in einem Haushalt,
er betreut und erzieht sein Kind. M befand sich bis Mai 2014 nicht in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Im
letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt von M erzielten der Kläger und seine Ehefrau kein zu versteuerndes
Einkommen von mehr als 500.000 € (vgl § 1 Abs 8 BEEG).
Ein Anspruch auf Betreuungsgeld besteht dennoch nicht, weil M vor dem 01.08.2012 geboren ist. Nach § 27 Abs 3 Satz 1 BEEG in der ab 01.08.2013 geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 Buchst b) des Betreuungsgeldgesetzes wird Betreuungsgeld nicht für vor dem 01.08.2012 geborene Kinder gezahlt. Gegen
diese Stichtagsregelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art
3 Abs
1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt.
Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders
behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung
rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG vgl BVerfG 20.04.2011, 1 BvR 1811/08 mwN ua auf BVerfG 27.02.2007, 1 BvL 10/00, BVerfGE 117, 272). Die Übergangsregelung in § 27 Abs 3 BEEG trifft eine Stichtagsregelung, die zwischen Eltern, deren Kind ab dem 01.08.2012 geboren ist, und Eltern, deren Kind vor
diesem Zeitpunkt geboren ist, unterscheidet. Die Regelungen des 2. Abschnitts des BEEG (§§ 4 a ff BEEG) finden nur auf die Eltern später geborener Kinder Anwendung, während für die Eltern früher geborener Kinder kein Anspruch
auf Betreuungsgeld besteht.
Dem Gesetzgeber ist es durch Art
3 Abs.
1 GG jedoch nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtagsregelungen einzuführen, obwohl jeder Stichtag
unvermeidbar gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags notwendig ist
und dass sich die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (stRspr vgl BVerfG
20.04.2011 aaO). Die angegriffene Vorschrift genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Dies hat bereits das SG zutreffend dargelegt. Diese Stichtagsregelung ist vor dem Hintergrund der ab 01.08.2013 geltenden Fassung von § 24 Abs 2 SGB VIII zu sehen. Danach hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch
auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Mit dem Betreuungsgeldgesetz verfolgt der
Gesetzgeber das Ziel, für Eltern, die ihre Kinder im Alter von ein bis drei Jahren nicht in staatlich geförderten Einrichtungen
betreuen lassen wollen oder können, ein Betreuungsgeld zu zahlen (vgl BT-Drs 17/11404 S 8). Allerdings besteht ein Anspruch
auf Betreuungsgeld nach § 4 d Abs 1 nach § 4 d Abs 1 Satz 1 BEEG grundsätzlich erst ab dem 15. Lebensmonat, frühestens ab dem 13. Lebensmonat des Kindes (§ 4 d Abs 1 Satz 2 BEEG). Dies soll einerseits einen nahtlosen Bezug von Elterngeld und Betreuungsgeld ermöglichen, andererseits aber den gleichzeitigen
Bezug von Elterngeld und Betreuungsgeld ausschließen. Die Stichtagsregelung in § 27 Abs 3 Satz 1 BEEG knüpft an diese Regelungen an. Sie räumt (nur) denjenigen Eltern einen Anspruch auf Betreuungsgeld ein, die im Anschluss
an einen 12-monatigen Bezug von Elterngeld nahtlos einen Anspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung für Kinder bzw
in Kinderpflege geltend machen können und schließt diejenigen Eltern vom Bezug des Betreuungsgeldes aus, deren Kinder älter
sind und die deshalb nicht schon unmittelbar nach Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes einen Rechtsanspruch auf Förderung
in einer Tageseinrichtung haben.
Dem Gesetzgeber obliegt grundsätzlich die Entscheidung, in welchem Umfang, aber auch wann er eine Verbesserung oder Verschlechterung
von gesetzlichen Sozialleistungen gewähren will. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, mit der der Staat aufgrund seiner
freien Entschließung durch finanzielle Zuwendungen die wirtschaftliche Lage gewisser Gruppen seiner Bürger erleichtern oder
ein bestimmtes Verhalten dieser Gruppe fördern will, steht dem Gesetzgeber insbesondere auch im Hinblick darauf, dass das
Betreuungsgeld nicht das Ziel verfolgt, dringende soziale Notlagen zu beheben, von vornherein ein weiter Spielraum zu, innerhalb
dessen er seine Vorstellungen verwirklichen kann, ohne gegen das
Grundgesetz zu verstoßen. Die verfassungsrechtliche Prüfung beschränkt sich vorliegend darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden
Spielraum in sachgerechter Weise genutzt und die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt
hat; die gefundene Lösung muss sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche
Gründe rechtfertigen lassen und darf nicht als willkürlich im Sinne von Artikel
3 Abs
1 GG erscheinen (BVerfG, Beschluss 08.12.1976, 1 BVR 810/70, 1 BVR 57/73, 1 BVR 147/76 = BVerfGE 44, 1; vgl auch BVerfGE 3, 58; 13, 31; 29, 283; 46, 299; 49, 260; 80, 297 und BVerfGE 87,1).
Der Tag der Geburt stellt ein objektives Kriterium dar. Der erklärte gesetzgeberische Zweck der Stichtagsregelung, wonach
die neue Leistung nur für Kinder gezahlt wird, die nach dem 31.07.2012 geboren sind, ist die Vermeidung der Unterbrechung
des Bezugs von Elterngeld und Betreuungsgeld sowie eines zusätzlichen Verwaltungsaufwandes, der durch erhöhte Fallzahlen bei
der neu eingeführten Leistung entstehen würde (BT-Drucks 17/9917 S 14; BT-Drucks 17/11404 S 15). Dieser Zweck ist ein legitimer
Grund für die Einführung der Stichtagsregelung. Insofern stellt die Stichtagsregelung des § 27 Abs 3 Satz 1 BEEG ein durch sachlich Gründe getragene sozial- und fiskalpolitische Entscheidung des Gesetzgebers dar, die sich zulässig im
Rahmen des ihm verfassungsrechtlich eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums bewegt und deshalb, wenn dadurch ältere, dh
vor dem 01.08.2012 geborene Kinder - wie das des Klägers - vom Betreuungsgeld ausgeschlossen werden, nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz
des Artikel 3 Abs 1 BEEG verstößt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor. Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtssache, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall
hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen
Auslegung und Anwendung geboten erscheint. Ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, auf das die angefochtene
Entscheidung gestützt ist, zu klären, so hat die Sache zwar im Allgemeinen grundsätzliche Bedeutung (BVerfG 08.12.2009, 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, 104 Rn 97). Die Voraussetzungen, unter denen eine Stichtagsregelung verfassungsgemäß sind, sind jedoch in der verfassungsgerichtlichen
Rechtsprechung geklärt.