Gründe:
I. Mit der am 1. Juni 2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen den
Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2011, mit dem diese die Schließung der CITY BKK mit Sitz in S. gemäß §
153 Satz 1 Nr
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) iVm §
90 Abs
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) mit Ablauf des 30. Juni 2011 verfügt hat.
Der Kläger macht geltend, er sei als Arbeitnehmer der CITY BKK Drittbetroffener und daher klagebefugt. Denn mit der Schließung
der CITY BKK ende auch sein Arbeitsverhältnis gemäß §
164 Abs
4 Satz 1 iVm §
155 Abs
4 Satz 9
SGB V. Die genannten Regelungen verstießen gegen höherrangiges Recht. Die CITY BKK sei nicht davon entbunden, das Arbeitsverhältnis
ggf nach § 1 Kündigungsschutzgesetz unter Beachtung sozialer Auswahlkriterien zu kündigen. Deshalb habe er auch parallel Feststellungsklage zum Arbeitsgericht
Hamburg erhoben. Für seine Klage gegen den Schließungsbescheid seien die Landessozialgerichte funktionell zuständig. Denn
aufgrund des mit der Schließung einhergehenden Arbeitsplatzverlustes sei er als Arbeitnehmer beschwert, sodass es sich auch
um eine Aufsichtsangelegenheit iS von §
29 Abs
2 Nr
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) handle. Der Wortlaut des §
29 Abs
2 Nr
2 SGG ("gegenüber") beziehe sich nicht auf die vom LSG zu treffende Entscheidung, sondern auf die primär gegenüber den Trägern
der Sozialversicherung ergehenden Aufsichtsmaßnahmen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und weist im Wesentlichen darauf hin, dass die Zuständigkeit des LSG nicht gegeben
sei, da §
29 Abs
2 Nr
2 SGG nur Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde erfasse. Allein die Tatsache, dass
sich der Kläger als Beschäftigter der CITY BKK gegen den Schließungsbescheid wende, führe nicht dazu, dass es sich um eine
Aufsichtsangelegenheit iS von §
29 Abs
2 Nr
2 SGG handle. Daraus folge, dass das Sozialgericht Hamburg sachlich und örtlich zuständig sei. Darüber hinaus sei die Klage bereits
mangels Klagebefugnis unzulässig. Denn die Bestimmungen des Aufsichtsrechts hätten keinen drittschützenden Charakter.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hamburg zu verweisen.
Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten des
Senats und auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II. Für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit ist das LSG sachlich und örtlich unzuständig. Der Senat hat dies nach Anhörung
der Beteiligten von Amts wegen gemäß §
98 Satz 1
SGG iVm §
17 a Abs
2 Satz 1
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Hamburg zu verweisen.
Das angerufene Gericht hat von Amts wegen seine sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen und festzustellen (Ulmer in
Hennig, Kommentar zum
SGG, §
98 RdNr 8, Stand April 2010; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 9. Aufl 2008, §
98 RdNr 4; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap VII RdNr 46; Schenke in Kopp/Schenke,
Kommentar zur
Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], 17. Aufl 2011, §
83 RdNr 5).
Nach §
29 Abs
2 SGG in der hier ab 1. April 2011 geltenden Fassung entscheiden die Landessozialgerichte im ersten Rechtszug als sachlich zuständiges
Gericht über 1. Klagen gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter und gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter
nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
der Schiedsstelle nach § 76 des Elften Buches Sozialgesetzbuch und der Schiedsstellen nach § 80 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch,
2. Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung und ihren Verbänden, gegenüber den Kassenärztlichen und
Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sowie der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, bei denen die Aufsicht
von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird, 3. Klagen in Angelegenheiten der Erstattung von Aufwendungen nach § 6b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, 4. Anträge nach §
55a SGG.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich vorliegend die sachliche Zuständigkeit des LSG nicht aus §
29 Abs
2 Nr
2 SGG. Eine Aufsichtsangelegenheit iS der genannten Vorschrift liegt nicht schon deshalb vor, weil sich die Klage gegen eine Maßnahme
bzw einen Bescheid der Aufsichtsbehörde richtet. Hinzukommen muss, dass die Klage von einer Körperschaft erhoben wird, die
der Aufsicht unterliegt oder unterliegen könnte. Daran fehlt es hier. Bei der vom Kläger erfolgten Anfechtung des Bescheids
der Beklagten vom 4. Mai 2011 handelt es sich ihm gegenüber nicht um eine Aufsichtsangelegenheit.
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildet allein die Aufsichtsverfügung vom 4. Mai 2011, die die beklagte Aufsichtsbehörde
in dem Sonderrechtsverhältnis gegen die ihrer Staatsaufsicht nach §§
87 ff
SGB IV unterliegende CITY BKK erlassen hat. Die hier betroffene Ausübung der Staatsaufsicht erschöpft sich allein in der Wahrung
der Gleichgewichtslage zwischen Staat und Selbstverwaltungskörperschaft; dagegen ist das Aufsichtsrecht nicht dazu bestimmt,
dem Individualinteresse Einzelner zu dienen (vgl BSG, Urteil vom 14. Februar 2007 - B 1 A 3/06 R = BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr RdNr 13 mwN). Ebenso wenig wie ein Dritter daher Ansprüche gegen eine Aufsichtsbehörde auf ein aktives
Einschreiten gegen die der Aufsicht unterstellte Krankenkasse daraus ableiten kann, dass über den Inhalt materiell-rechtlicher
Normen gestritten wird, die (möglicherweise auch) den Schutz des Dritten zum Gegenstand haben, kann sich der Dritte gegen
einen Bescheid der Aufsichtsbehörde wenden, mit dem der Krankenkasse ein bestimmtes Handeln (hier: Schließung als ultima ratio)
abverlangt wird (BSG, aaO., mwN).
Daraus ergibt sich, dass eine sachliche Zuständigkeit nach §
29 Abs
2 Nr
2 SGG nicht dadurch begründet werden kann, dass ein Dritter (hier der Kläger) behauptet, durch eine (unstreitig gegenüber der CITY
BKK vorliegende) Aufsichtsangelegenheit in seinen Rechten betroffen zu sein. Grundsätzlich wollte der Gesetzgeber mit der
Einführung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte durch das SGGArbGGÄnG vom 26. März 2008 (BGBl I, 444)
den Instanzenzug in der Sozialgerichtsbarkeit nämlich nicht in Frage stellen, sondern die Landessozialgerichte nur in den
Fällen für erstinstanzlich zuständig erklären, in denen es vorwiegend um die Klärung von Rechtsfragen geht. Er hat hierbei
insbesondere an die Prozessökonomie und die Rechtssicherheit für die "Sozialverwaltungen" (und nicht für potentiell Drittbetroffene)
gedacht (BR-Drs 820/07, Seite 17 f). Vor diesem Hintergrund sieht der Senat - insbesondere auch im Hinblick auf Art
101 Grundgesetz (
GG) und §
59 SGG - keinen Bedarf für eine erweiternde oder analoge Anwendung des §
29 Abs
2 Nr
2 SGG für Fälle der vorliegenden Art, in denen ein Dritter behauptet, von einer Aufsichtsangelegenheit betroffen zu sein.
Danach verbleibt es gemäß §
8 SGG bei der sachlichen Zuständigkeit der Sozialgerichte.
Gemäß §
57 Abs
1 Satz 1
SGG in der hier ab 1. April 2011 anzuwendenden Fassung ist für Sozialrechtsstreitigkeiten das Sozialgericht örtlich zuständig,
in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort
hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht
klagen.
Unter Zugrundelegung dessen ist vorliegend das Sozialgericht Hamburg gemäß §
57 Abs
1 Satz 1
SGG örtlich zuständig. Denn der Kläger hat seinen Wohnsitz in H. und kein Beschäftigungsverhältnis im Zuständigkeitsbereich des
LSG.
Der Rechtsstreit war daher gemäß §
98 Satz 1
SGG iVm §
17a Abs
2 Satz 1
GVG nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Hamburg zu verweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Nach §
98 Satz 1
SGG iVm §
17b Abs
2 Satz 1
GVG werden die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gereicht als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht entstehen,
an das der Rechtsstreit verwiesen wird. Sie bleibt mithin der Schlussentscheidung vorbehalten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§
98 Satz 2,
177 SGG).