Erstattungsanspruch eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung gegen eine gesetzliche Krankenkasse bei einem Anspruch
auf Versorgung mit Heilmitteln
Tatbestand:
Der klagende Unfallversicherungsträger begehrt von der beklagten Krankenkasse die vollständige Erstattung von Kosten für Heilmittel,
welche die Klägerin der bei der Beklagten Versicherten im Zeitraum vom 16.06.2005 bis 29.06.2005 gewährt hat.
Die 1964 geborene Versicherte erlitt am 26.06.2004 im Rahmen eines Arbeitsunfalls bei einem Sturz von einem Elektroroller
ua eine Kahnbeinfraktur des rechten Handgelenkes. Im Klinikum C. wurde am 03.05.2005 wegen eines "fraglich posttraumatischen
Schmerzsyndroms" bei der Versicherten ein arthroskopischer Eingriff am rechten Handgelenk vorgenommen. Nachfolgend verordnete
Dr. Z. (Unfall- und Handchirurg am Klinikum C.) am 14.06.2005 unter Verwendung des Verordnungsformulars der Klägerin wegen
des Zustandes nach arthroskopischem Debridement zur Mobilisierung und Schmerzreduktion Heilmittel, dabei jeweils 10 Mal krankengymnastische
Einzelbehandlung (Leistungsziffer 8101), Wärmetherapie (Leistungsziffer 8303) und manuelle Therapie (Leistungsziffer 8107).
Die Behandlungen wurden im Zeitraum vom 16.06.2005 bis 29.06.2005 durchgeführt, die Kosten hierfür in Höhe von 327,60 € (Rechnung
vom 13.07.2005) übernahm die Klägerin. Tatsächlich standen die für die Heilmittelverordnung ursächlichen Beschwerden der Versicherten
in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 26.06.2004. Dies teilte die Klägerin Dr. Z. mit Schreiben vom 27.07.2005
mit.
Mit Schreiben vom 02.08.2005 machte die Klägerin die Erstattung der Kosten für Heilmittel aus der Verordnung vom 14.06.2005
gegenüber der Beklagten geltend.
Die Beklagte erstattete der Klägerin die Kosten aus der Verordnung vom 14.06.2005 in Höhe von 67,65 € (sechs Behandlungen
Leistungsziffer 8101 à 10,55 € und sechs Behandlungen Leistungsziffer 8303 à 3,83 € abzüglich der von der Versicherten zu
leistenden Zuzahlung in Höhe von 10 % der Gesamtkosten zuzüglich 10 €). Eine darüber hinausgehende Erstattung aus der Verordnung,
insbesondere die Erstattung der Behandlungen nach Leistungsziffer 8107 und weitere Behandlungen nach den Leistungsziffern
8101 und 8303, lehnte die Beklagte ab, da nach der zum 01.07.2004 in Kraft getretenen Neufassung der Heilmittel-Richtlinien
(HMRL) die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen bis zum Erreichen der Gesamtverordnungsmenge jedes Regelfalls
grundsätzlich sechs Einheiten betrage und die Anzahl der Heilmittel auf zwei Heilmittel je Verordnung in der physikalischen
Therapie begrenzt sei.
Am 05.10.2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage gegen die Beklagte auf Erstattung der im Zeitraum vom 16.06.2005 bis 29.06.2005 erbrachten Heilmittelleistungen an
die Versicherte erhoben und die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2009 auf die Zahlung weiterer 100 € begrenzt.
Die Gesamtverordnungsmenge sei vorliegend nach den HMRL iVm dem im zweiten Teil enthaltenen Heilmittelkatalog (HMK) nicht
überschritten. Formal hätte das dritte Heilmittel auf einem zweiten Rezept verordnet werden können. Im Übrigen könne sich
die Beklagte im Rahmen der Erstattung gemäß § 105 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht auf die formellen Anforderungen einer Heilmittelverordnung berufen, da die Klägerin keiner gleichartigen formellen
Einschränkung ihrer Leistungen unterliege. Um keine Ansprüche zu verlieren, müsste sich die Klägerin in der Verordnungspraxis
an die Vorgehensweise der Beklagten angleichen, was sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Gesetzesmaterialien
oder dem Sinn und Zweck der Richtlinienkompetenz ergebe. Den HMRL komme nur Rechtsnormqualität gegenüber den Partnern des
Bundesmantelvertrages und gegenüber den Versicherten zu. Die Beklagte habe des Weiteren die Ermessensausübung der Klägerin
hinzunehmen, was auch die Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen mit den Spitzenverbänden der Unfallversicherungsträger
am 05.12.2000 ergeben habe. Nach dem Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände am 27.10.2006 könnten Erstattungsansprüche
der Unfallversicherungsträger bezüglich Heilmitteln von den Krankenkassen grundsätzlich nur bis zur nach dem HMK für den Regelfall
jeweils vorgesehenen Gesamtverordnungsmenge befriedigt werden. Hinsichtlich der Notwendigkeit der verordneten Behandlungseinheiten
gebe es keinen Grund, an der Verordnung zu zweifeln. Der vorliegende Fall werde stellvertretend für weitere ca 40 vergleichbare
Streitfälle geführt. Es gehe um die Beantwortung der grundsätzlichen Rechtsfrage, inwieweit die ausschließlich für den Bereich
der kassenärztlichen Versorgung gedachten Richtlinien unmittelbar oder mittelbar über die Erstattungsansprüche auch im Bereich
der gesetzlichen Unfallversicherung gelten sollten.
Die Beklagte hat darauf erwidert, sie habe der Klägerin (nur) das zu erstatten, was sie nach den von ihr anzuwendenden Rechtsvorschriften
zu leisten gehabt hätte und sei an die verbindlich geltenden Regelungen der HMRL gemäß §
92 Abs
1 Nr
6 SGB V gebunden. Bei dem nach II Ziffer 8 der HMRL auszuübenden Ermessen handele es sich nicht um ein Ermessen im Sinne des §
39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), sondern um eine medizinische Entscheidung des verordnenden Arztes, dem die medizinische Einschätzung hinsichtlich der Erforderlichkeit
des Heilmittels obliege. Drei Heilmittel seien bei der Verletzung der Versicherten, die in Diagnosegruppe EX2 Leitsymptomatik
a einzuordnen sei, nicht durch den HMK gedeckt. Die Erforderlichkeit von zehn Anwendungen gegenüber der Versicherten ergebe
sich nicht schon aus der Verordnung selbst. Denn nach dem Recht der Beklagten hätte die Versicherte als Erstverordnung sechs
Einheiten physikalische Therapie erhalten. Der behandelnde Arzt könne nachträglich keine Aussage dazu treffen, ob nach den
ersten sechs Anwendungen weitere vier verordnet worden wären. Denn eine ärztliche Untersuchung habe nach den ersten sechs
Anwendungen nicht stattgefunden.
Mit Urteil vom 30.03.2009, das der Beklagten am 28.05.2009 zugestellt wurde, hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin weitere 100 € zu bezahlen, ohne die Berufung zuzulassen. Der Anspruch ergebe sich aus
§ 105 SGB X. Die Beklagte weise zwar zu Recht darauf hin, dass sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den zuständigen
Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften richte. Dieser Einwand führe im vorliegenden Fall nicht weiter. Die HMRL stünden
der Erstattungsforderung nicht entgegen. Sie richteten sich nur an die Krankenkassen und deren Verbände und seien nur in diesem
Rahmen verbindlich. Weder der HMK noch die HMRL richteten sich an einen Arzt, der als Durchgangsarzt im Rahmen der gesetzlichen
Unfallversicherung tätig werde. Denn anderenfalls wäre jeder Erstattungsanspruch von vornherein ausgeschlossen, da ein Arzt,
der als Durchgangsarzt tätig werde, gerade nicht als Vertragsarzt im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung tätig werde.
Dieses Ergebnis werde durch den Umstand bestätigt, dass weder die HMRL noch der HMK geeignet seien, materielle Ansprüche der
gesetzlich Krankenversicherten nach §
32 Abs
1 SGB V auszuschließen. Der Gesetzgeber habe in §
34 SGB V eine umfangreiche Regelung dahingehend getroffen, welche Heilmittel unter Umständen ausgeschlossen seien. Dass Heilmittel
allein deshalb ausgeschlossen wären, weil der verordnende Arzt für ihn geltende formale Bestimmungen der HMRL nicht eingehalten
habe, sei in dieser Vorschrift jedoch nicht geregelt.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 29.06.2010 die Berufung
gegen das Urteil zugelassen (L 11 KR 2917/09 NZB).
Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte vorgetragen, es fehle an einer für den Erstattungsanspruch erforderlichen kongruenten
Leistungspflicht der Beklagten. Der Anspruch der Versicherten der Beklagten richte sich nach den Regelungen des
SGB V iVm den HMRL. Die HMRL begrenzten den Anspruch der Versicherten. Die Beklagte hätte die streitgegenständlichen Leistungen
nach den für sie gültigen Regelungen nicht erbringen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30.03.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Zur Begründung hat die Klägerin auf die Ausführungen im Urteil
und ihren eigenen Vortrag vor dem SG verwiesen. Ergänzend hat die Beklagte ausgeführt, es treffe nicht zu, dass der Anspruch des Versicherten durch die HMRL begrenzt
werde. Der Anspruch ergebe sich vielmehr aus §
32 SGB V. Die Richtlinien bezweckten nur die Gewährleistung einer "ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen" Versorgung. Sie
richte sich nur an die Versicherten und die im Rahmen der kassenärztlichen Behandlung beteiligten Ärzte. Rechtswirkungen darüber
hinaus entfalteten die Richtlinien nicht. Anderes ergebe sich auch nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die HMRL
könnten daher nur mittelbar auf den Erstattungsstreit bei der Höhe des Erstattungsanspruchs einwirken. Der erstattungspflichtige
Leistungsträger dürfe nicht sein Auswahlermessen hinsichtlich der Art und Anzahl erstattungsfähiger Heilmittel an die Stelle
des erstattungsberechtigten Leistungsträgers stellen. Die Höchstverordnungsmengen der HMRL stellten nur Grundsätze auf. In
begründeten Einzelfällen könne davon abgewichen werden. Eine solche Ausnahmesituation sehe die Klägerin im Erstattungswesen
der Sozialversicherungsträger untereinander generell, da das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren nicht von vergleichbaren
Höchstverordnungsmengen geprägt sei. Andernfalls müsste sich der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger an die Verordnungspraxis
der Krankenversicherung anpassen, um nicht im Erstattungsfall weitgehend Ansprüche zu verlieren. Die Beklagte habe bislang
nicht bestritten, dass sie die streitigen Heilmittel auf Grundlage von Folgeverordnungen gewährt hätte.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten
und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß §
124 Abs
2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung des streitigen Betrages verurteilt. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der geltend
gemachten Kosten für Heilmittel.
Einer Beiladung der Versicherten nach §
75 Abs
2 SGG bedurfte es nicht, weil die Entscheidung über die Kostenerstattung für ihre Behandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten
keine Auswirkungen auf ihre Rechtsposition hat und die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X nicht von der Rechtsposition des Versicherten abgeleitete, sondern eigenständige Ansprüche sind (BSG 16.03.2010, B 2 U 4/09 R, juris RdNr 9 mwN).
Der Erstattungsanspruch ergibt sich aus § 105 SGB X.
§§ 102 und 103 SGB X scheiden als Anspruchsgrundlagen von vornherein aus. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X ist, dass der Erstattungsberechtigte nach außen erkennbar im Hinblick auf eine ungeklärte Zuständigkeit, dh bewusst nur vorläufig
geleistet hat (BSG 17.02.2010, B 1 KR 23/09 R, BSGE 105, 271). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Leistungsverpflichtung der Klägerin ist auch nicht nachträglich entfallen (§ 103 SGB X). Ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X scheidet ebenfalls aus. Nach § 104 SGB X ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, wenn ein
nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, soweit der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung
des anderen Leistungsträgers Kenntnis hat. Die Klägerin war unter Anwendung des für sie geltenden Rechts der gesetzlichen
Unfallversicherung nicht leistungsverpflichtet. Wie sich herausstellte standen die Umstände, welche die Leistungen notwendig
machten, in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 26.06.2004. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Damit
war die Klägerin als Unfallversicherungsträger für die Gewährung der Leistungen nicht zuständig (§§ 7, 8, 27 Abs 1 Nr 4 Sozialgesetzbuch
Siebtes Buch, [SGB VII]). Eine Zuständigkeit der Klägerin ergab sich auch nicht über §
14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX), da es sich nicht um Leistungen im Sinne dieses Gesetzbuches handelte.
§ 105 Abs 1 S 1 SGB X setzt voraus, dass erbrachte und geschuldete Leistungen gleichartige zeitgleiche Leistungen darstellen. Die Gleichartigkeit
beurteilt sich danach, ob eine gegebene Bedarfssituation vergleichbar befriedigt wird (BSG 27.08.1987, 2 RU 49/86, SozR 2200 § 567 Nr 7). Die Gleichartigkeit der Leistungen bestimmt sich danach, ob der erstleistende Leistungsträger eine Verpflichtung des
auf Erstattung in Anspruch genommenen anderen Leistungsträgers erfüllt hat (BSG 01.04.1993, 1 RK 16/92, juris). Maßgeblich ist, ob die Beklagte durch die Leistungen der Klägerin an die Versicherte zu erbringende Leistungen in
persönlich, sachlich und zeitlich entsprechendem Umfang ersparte (BSG 17.02.2010, B 1 KR 23/09 R, SozR 4-2500 § 14 Nr. 5).
Versicherte der GKV haben gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf erforderliche Krankenbehandlung, zu der ua die Versorgung mit
Heilmitteln gehört (§
11 Abs
1 Nr
4, §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3, §
32 SGB V). Der Anspruch des Versicherten unterliegt dabei den sich aus §
2 Abs
1 und §
12 Abs
1 SGB V ergebenen Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und
Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA)
hat in Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes die für die Beklagte verbindlichen HMRL gemäß §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V erlassen (BSG 17.02.2010, B 1 KR 23/09 R, juris RdNr 21 mwN).
Die Versicherte hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, da solche Leistungen zur Behandlung
ihrer Krankheit erforderlich waren. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die der Versicherten verordneten Heilmittel
zählen auch zu den von den HMRL vorgesehenen Therapien bei Funktionsstörungen einer Extremität (vgl Nr 17.A ff HMRL, Diagnosegruppen
EX2 bzw. EX3, Leitgruppe a HMK). Die dort genannte Gesamtverordnungsmenge von 18 bzw. 30 Einheiten wurde nicht überschritten.
Nach Nr 24 HMRL hätte allerdings zulasten der Beklagten zu einem vorrangigen oder optionalen Heilmittel nur ein weiteres im
HMK genanntes ergänzendes Heilmittel verordnet werden können, dh maximal zwei Heilmittel je Verordnung. Zudem hätte die maximale
Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen gemäß Nr 11.2.3 HMRL bis zum Erreichen der Gesamtverordnungsmenge jedes Regelfalls
in der physikalischen Therapie nur bis zu sechs Einheiten betragen dürfen. Auf Grundlage einer Erstverordnung hätte die Versicherte
von der Beklagten somit nur maximal zwei Heilmittel zu je 6 Einheiten beanspruchen können. Die genannten formalen Kriterien,
welche die HMRL an die Erstverordnung stellen, sind im Erstattungsverhältnis allerdings unbeachtlich. Für das Vorliegen einer
kongruenten Leistung ist allein maßgeblich, dass die erbrachten Leistungen der Art nach zum Leistungskatalog der Beklagten
zählen und die Gesamtverordnungsmenge nicht überschritten wird. Die Nichterfüllung der formalen Verordnungsbestimmungen der
Beklagten stehen einer Kongruenz der Leistungen nicht entgegen. Verfahrens- und Formvorschriften des erstattungspflichtigen
Trägers sind grundsätzlich unbeachtlich, da andernfalls ein Erstattungsanspruch von vornherein scheitern würde.
Dem steht § 105 Abs 2 SGB X nicht entgegen. Danach richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden
Rechtsvorschriften. § 105 Abs 2 SGB X geht davon aus, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger durch die Erstattung nicht weitergehend belastet werden soll,
als seine Verpflichtung dem Berechtigten gegenüber bestand (BT-Drucks 9/95 S 25 zu § 111). Der erstattungspflichtige Träger
soll nicht mehr erstatten müssen, als er nach dem für ihn maßgebenden Recht zu leisten gehabt hätte (vgl BSG 22.05.1985, 1 RA 45/84, BSGE 58, 128; BSG 30.05.2006, B 1 KR 17/05 R, SozR 4-3100 § 18c Nr 2; BSG 06.11.2008, B 1 KR 37/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 15). Diese Regelung hat nicht nur Auswirkungen auf die Höhe der zu erstattenden Kosten (hier die Vergütung des Heilmittelerbringers),
sondern auch auf den Leistungsrahmen des Erstattungspflichtigen (zur Dauer einer Rehabilitationsmaßnahme: BSG 30.05.2006, B 1 KR 17/05 R, SozR 4-3100 § 18c Nr 2). Der für GKV-Leistungen vorgesehene Leistungsrahmen ist aber vorliegend nicht überschritten. Weder die Art der Leistung
noch ihr Umfang widersprechen dem Recht der Beklagten. Die erbrachten Leistungen zählen der Art nach zum Leistungskatalog
der Beklagten und die Gesamtverordnungsmenge wurde nicht überschritten. Einzig die formalen Voraussetzungen der HMRL wurden
nicht eingehalten, weil der verordnende Arzt davon ausging, dass es sich um Leistungen nach dem
SGB VII handelte. Die Klägerin erbrachte deshalb die dem Erstattungsanspruch zugrundeliegende Sachleistung nach dem für sie maßgebenden
Recht. Nach §
26 Abs
5 SGB VII bestimmen die Unfallversicherungsträger im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung (wozu nach §§
27 Abs
1 Nr
4,
30 SGB VII auch die Versorgung mit Heilmitteln gehört) nach pflichtgemäßem Ermessen. An diese Ermessenentscheidung ist die Beklagte
grundsätzlich gebunden. Anderes gilt nur, wenn evidente Gründe vorliegen, die eine Ablehnung der gewährten Leistung als ermessensfehlerfrei
erscheinen lassen könnten (BSG 17.11.1987, 4a RJ 5/87, SozR 2200 § 1237 Nr 21; BSG 14.05.1985, 4a RJ 21/84, SozR 1300 § 104 Nr 6). Solche Gründe sind vorliegend nicht ersichtlich.
Der Erstattungsanspruch ist auch nicht nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Bereits wenige Wochen nach Ende der Behandlung machte die Klägerin die Erstattung der Kosten gegenüber der
Beklagten geltend. Auch weitere Einwendungen aus den §§ 107 bis 114 SGB X stehen dem Anspruch nicht entgegen.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfragen zugelassen.