Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung bei Wohnsitzverlegung nach Spanien und Bezug
einer spanischen Rente
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin über den 16. März 2015 hinaus bei der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung
der Rentner (PVdR) pflichtversichert, hilfsweise in der sozialen Pflegeversicherung freiwillig weiterversichert ist.
Die am 1949 geborene Klägerin, spanische Staatsangehörige, war von 1968 bis 31. Juli 2010 in der Bundesrepublik Deutschland
als abhängig Beschäftigte Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und seit 1995 auch Pflichtmitglied der sozialen
Pflegeversicherung. Bis 18. Januar 2011 war sie als Bezieherin von Arbeitslosengeld pflichtversichert in der Kranken- und
Pflegeversicherung. Bereits am 14. Juli 2010 verlegte sie ihren Wohnsitz von Deutschland nach Spanien. Sie bezieht seit 1.
Februar 2011 eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland. Seither war sie bei der Beklagten als
Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versicherungspflichtiges Mitglied in der sozialen Pflegeversicherung.
Mit Bescheid vom 25. März 2015 bewilligte der spanische Rentenversicherungsträger der Klägerin eine Rente ab dem 18. März
2015. Seither ist sie Mitglied in der spanischen Krankenversicherung der Rentner.
Am 20. April 2015 ging bei der DRV Rheinland (bei der Beklagten am 27. April 2015) das Schreiben der Klägerin vom 13. April
2015 ein (abgesandt laut Einlieferungsbeleg am 14. April 2015), mit dem sie die Fortführung der Mitgliedschaft in der deutschen
sozialen Pflegeversicherung - sei es als Pflichtmitglied, sei es als freiwilliges Mitglied - beantragt. Zur Begründung gab
sie an, im spanischen Sozialrecht bestehe keine Pflegeversicherung. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 30.
Juni 2011 (C-388/09) sei anzuwenden.
Mit Bescheid vom 29. April 2015 stellte die Beklagte fest, dass die Kranken- und Pflegeversicherung am 16. März 2015 geendet
habe, weil die Klägerin seither einen Leistungsanspruch bei Krankheit nach spanischem Recht habe.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2015, eingegangen bei der Beklagten am 12. Mai 2015, Widerspruch ein.
Die Beklagte erläuterte daraufhin im Schreiben vom 26. Mai 2015, warum ihrer Auffassung nach eine Weiterversicherung in der
deutschen sozialen Pflegeversicherung nicht möglich ist.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2015 wies der Widerspruchsausschuss der Kranken- und Pflegekasse der Beklagten den
Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung gab sie an, die Klägerin sei in der Krankenversicherung nach spanischen Rechtsvorschriften
vorrangig versichert. Da das Pflegerisiko im Sinne der VO (EG) Nr. 883/04 zum Risiko "Krankheit" zähle, gelte auch für die
Absicherung dieses Risikos spanisches Recht. Für eine Pflegeversicherung in Deutschland bleibe somit rechtlich kein Raum.
Eine freiwillige Weiterversicherung komme nicht in Betracht, weil nach Art. 23 VO (EG) Nr. 883/04 die Rechtsvorschriften des
Wohnstaates gälten. Außerdem gebe es auch in Spanien eine Pflegeversicherung. Insofern bestehe für die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis.
Am 31. August 2015 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, zwar habe infolge der Bestimmungen der Art. 23 und 24 der VO (EG) Nr.
883/04 die spanische Krankenversicherung gegenüber der KVdR vorrangig die Sachleistungen zu übernehmen. Die Klägerin verliere
entgegen der Auffassung der Beklagten dadurch aber nicht ihre Mitgliedschaft in der KVdR. Eine entsprechende Regelung sehe
das Europarecht nicht vor. Ein solcher Rechtsverlust verstieße als Diskriminierung allein wegen der Ausübung des Freizügigkeitsrechts
gegen Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Aus der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR folge die Pflichtmitgliedschaft in der deutschen sozialen Pflegeversicherung.
Eine Doppelversicherung folge daraus nicht, weil es im spanischen Sozialrecht keine Pflegeversicherung gebe. Es existiere
lediglich eine beitragsunabhängige Sozialleistung aus dem Gesetz Nr. 39/2006, die dem deutschen Sozialhilferecht gleichkomme.
Eine Wohnsitzverlegung in Verbindung mit einem spanischen Rentenbezug dürfe nicht eine Benachteiligung der Klägerin zur Folge
haben. Lediglich die Sachleistungsgewährung koordiniere das Europarecht in den Art. 23 und 24 der VO (EG) Nr. 883/04 zulasten
der spanischen Krankenversicherung, wodurch ein Doppelbezug von Sachleistungen ausgeschlossen werde. Die Versicherungspflicht
bleibe hiervon unberührt. Die Beklagte lege Art. 24 der VO (EG) Nr. 883/04 falsch aus. Eine Zuständigkeitsabgrenzung bezüglich
der Mitgliedschaft ergebe sich daraus nicht. Die doppelte Mitgliedschaft bleibe bestehen. Bei einem eventuellen Umzug wieder
nach Deutschland lebe die Pflichtmitgliedschaft zur KVdR wieder auf. Durch Art. 24 und 34 der VO (EG) Nr. 883/04 sei - mit
oder ohne Mitgliedschaft in der deutschen sozialen Pflegeversicherung - zumindest der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des
Unterschiedsbetrages zwischen den deutschen Pflegeleistungen und den Leistungen einer (nicht existierenden) spanischen Pflegeversicherung
gesichert. Auch etwaige Geldleistungen aufgrund des spanischen Gesetzes Nr. 39/2006 würden nach Art. 34 der VO (EG) Nr. 883/04
lediglich auf die Geldleistungen aus der deutschen Pflegeversicherung angerechnet. Schließlich ergebe sich der Anspruch der
Klägerin auch aus dem Urteil des EuGH vom 30. Juni 2011 (C-388/09), das infolge eines Vorlagebeschlusses des Bundessozialgerichts (BSG) ergangen sei. Soweit die Beklagte die Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR im Zeitraum vom Juli 2010 bis 16. März 2015
damit begründe (dazu sogleich), dass sie nach spanischem Recht keinen Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall gehabt habe,
sei dies falsch. Sie hätte über die beitragsfreie Familienkrankenversicherung ihres Ehemanns Leistungen beanspruchen können.
Diese seien aber gesetzlich ausgeschlossen, weil es sich bei der KVdR um eine beitragspflichtige Pflichtversicherung handele.
Zudem sei der von der Beklagten vollzogene Umkehrschluss, wenn die Pflichtversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung
ende, ende auch die Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung, nicht zulässig und ergebe sich auch nicht aus dem Gesetz.
Die soziale Pflegeversicherung sei nicht Teil der Krankenversicherung, sondern rechtlich eigenständig. Auch die Rechtsprechung
des EuGH setze nicht die Kranken- mit der Pflegeversicherung gleich. Es habe lediglich die Vorschriften der VO (EG) Nr. 1408/72
analog angewendet, weil die VO zu einer Zeit erlassen worden sei, als Pflegeleistungen in Deutschland lediglich im Bundessozialhilfegesetz vorgesehen gewesen seien. Die VO (EG) Nr. 883/04 enthalte dagegen ganz konkrete Regelungen, wie namentlich Art. 34 über die
Vergabe von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit. Die Frage einer Doppelmitgliedschaft stelle sich im Bereich der Pflegeversicherung
nicht, weil das spanische Recht keine Pflegeversicherung, keine Mitgliedschaft und auch keine Beiträge zur Pflegeversicherung
kenne. Für die Klägerin bleibe nur die Mitgliedschaft in der deutschen sozialen Pflegeversicherung oder gar keine Mitgliedschaft.
Letzteres stelle aber eine ungleiche Behandlung den anderen Beziehern einer deutschen Rente gegenüber dar. Der Verweis der
Beklagten auf Art. 10 der VO (EG) Nr. 883/04 sei fehlerhaft, weil es dort nur um das Verbot des Zusammentreffens von Leistungen
gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit gehe. Dass sich, wie die Beklagte behaupte, das spanische Pflegegesetz
von 2007 am deutschen Modell orientiere, stimme nicht. Der Vortrag der Beklagten sei nicht substantiiert. Das Gesetz sei zudem
mittlerweile mehrmals geändert und teilweise wieder aufgehoben worden. Im Übrigen bleibe es dabei, dass das Gesetz keine Pflegeversicherung
begründe, weil die Leistungen steuerfinanziert seien. Soweit die Beklagte im Zusammenhang mit §
26 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) auf die Entscheidung des BSG vom 28. Mai 2008 Bezug nehme, übersehe sie, dass das Urteil veraltet sei und heute nicht mehr gelte. §
34 SGB XI sei mittlerweile auf Druck des EuGH um Abs.
1a ergänzt worden. Auch die Kollisionsnorm des §
3 Nr.
2 SGB IV gelte heute nicht mehr, weil der in §
6 SGB IV geregelte Vorbehalt des Europarechts anders einwirke, als das BSG dies in dem besagten Urteil definiert habe. In späteren Entscheidungen sei das BSG dann auch von ganz anderen Kriterien ausgegangen. Schließlich irre die Beklagte, wenn sie meine, Art. 45 AEUV sei für Rentner nicht anwendbar.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und trug zur Begründung vor, die Klägerin sei bis zum 16. März 2015 Pflichtmitglied in
der KVdR gewesen, weil sie die innerstaatlichen Voraussetzungen für die KVdR erfüllt habe und keinen eigenen Leistungsanspruch
im Wohnstaat gehabt habe. Die Vorschriften der VO (EG) Nr. 883/04 enthielten zwar keine Bestimmungen über die versicherungsrechtliche
Zuständigkeitsabgrenzung. Art. 24 der VO (EG) Nr. 883/04 bestimme aber, dass für einen in einem anderen EU-Staat wohnenden
Rentner, der nur eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung beziehe und keinen Sachleistungsanspruch im Wohnmitgliedsstaat
habe, die deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung gelten. Ab
dem 17. März 2015 gelte für die Klägerin Art. 23 der VO (EG) Nr. 883/04, weil sie Renten nach den Rechtsvorschriften von zwei
Mitgliedsstaaten beziehe und Anspruch auf Sachleistungen nach den Vorschriften des Wohnmitgliedsstaates habe. Damit sei die
Klägerin nur nach spanischem Recht krankenversichert. Es komme nicht darauf an, ob die Leistungen in den einzelnen Versicherungszweigen
in der EU gleich seien. Aus Art. 10 und Art. 34 der VO (EG) Nr. 883/04 ergebe sich ein Verbot des Zusammentreffens von Leistungen.
Zudem sei die Behauptung der Klägerin, dass es in Spanien keine Pflegeversicherung gebe, unrichtig. Laut dem sich bei den
Akten befindlichen Merkblatt der Deutschen Vertretung sei zum 1. Januar 2007 in Spanien das neue Pflegegesetz in Kraft getreten,
das sich in weiten Teilen am deutschen Modell orientiere, aber steuerfinanziert sei. Dieses Gesetz sehe auch Geldleistungen
für Betreuung und Heimplätze vor. Die VO (EG) Nr. 883/04 gelte nach Art. 3 Abs. 2 sowohl für auf Beiträgen beruhende als auch
für beitragsfreie (z.B. steuerfinanzierte) Systeme der sozialen Sicherheit. Das Urteil des EuGH vom 30. Juni 2011 sei nicht
anwendbar, weil die Klägerin, anders als in dem dort entschiedenen Fall, nach spanischem Recht Anspruch auf Leistungen einschließlich
Geldleistungen habe, die das spezifische Risiko der Pflegebedürftigkeit beträfen. Eine freiwillige Weiterversicherung nach
§
26 SGB XI scheide aus. Allein einschlägig sei §
26 Abs.
2 SGB XI (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 P 3/06 R, juris). Die dort geregelte anwartschaftserhaltende Weiterversicherung nach der Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland habe
jedoch nur Bedeutung für die Vorversicherungszeiten, als Voraussetzung für die Leistungsinanspruchnahme. Zudem seien die Tatbestandsvoraussetzungen
nicht erfüllt, weil die Versicherungspflicht der Klägerin nicht durch den Wegzug, sondern durch den Bezug der spanischen Rente
entfallen sei. Zudem sei in Art. 14 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/04 festgelegt, dass eine freiwillige (Weiter-)Versicherung
ausgeschlossen sei, wenn die betreffende Person einer Pflichtversicherung unterliege. Dies treffe hier zu. Art. 45 AEUV sei nicht einschlägig, weil die Klägerin als Rentnerin nicht unter den dort genannten Personenkreis falle. Die Klägerin werde
auch nicht schlechter gestellt, weil sie auch in Spanien Anspruch auf Leistungen habe, wenn der Versicherungsfall "Pflegebedürftigkeit"
eintrete.
Mit Urteil vom 5. August 2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei über den 16. März 2015 nicht mehr bei der Beklagten pflegeversichert.
Der Einwand der Klägerin, in Spanien bestehe keine Pflegeversicherung, könne nicht nachvollzogen werden. Seit 2007 sei "La
ley de pendencia" in Kraft. Zu Recht verweise die Beklagte auf Art. 23 der VO (EG) Nr. 883/04. Unter Anwendung dieser Vorschrift
könne die Klägerin mit Beginn des Anspruchs auf eine spanische Rente nicht mehr bei der Beklagten pflegeversichert sein. Entscheidend
sei einzig und allein, dass die Klägerin durch den Bezug der spanischen Rente aus dem Leistungsbereich der deutschen Sozialversicherung
herausgefallen sei. Für die Krankenversicherung beanstande die Klägerin dies auch nicht. Hierbei sei auch auf §
1 Abs.
2 SGB XI zu verweisen, wonach in den Schutz der sozialen Pflegeversicherung kraft Gesetzes alle einbezogen seien, die in der gesetzlichen
Krankenversicherung versichert seien. Nachdem die Klägerin nicht mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung nach deutschem
Recht versichert sei, entfalle auch ihr Anspruch auf ein Versicherungsverhältnis nach dem
SGB XI. Auch das Urteil des EuGH vom 30. Juni 2011 (C-388/09) helfe der Klägerin nicht weiter, weil es dort um die Rechtsfrage gegangen sei, ob ein nach Portugal umgezogener Versicherter
seinen bereits in Deutschland erworbenen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung ins Ausland "exportieren" könne.
Im Übrigen werde auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrer Klageerwiderung Bezug genommen.
Gegen das ihr am 8. November 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. November 2016 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG sei in seinen Entscheidungsgründen nicht auf die Pflichtversicherung einerseits und die freiwillige Weiterversicherung andererseits
eingegangen, sondern habe eine Mitgliedschaft der Klägerin global abgelehnt. Das SG habe sich außerdem offensichtlich nicht mit dem Text des vorgelegten spanischen Gesetzes Nr. 39/2006 befasst. Andernfalls
hätte es festgestellt, dass in dem Gesetz keine Pflegeversicherung statuiert sei, sondern lediglich beitragsunabhängige Pflegeleistungen,
die den deutschen Pflegeleistungen nach dem Sozialhilfegesetz entsprächen. Die dort beschriebenen Leistungen könnten die verschiedenen
autonomen Regierungen nach den Regeln des billigen Ermessens je nach Bedarf und Verfügbarkeit der Mittel bewilligen. Soweit
das SG Art. 23 der VO (EG) Nr. 883/04 anführe, verkenne es, dass dort nicht die Frage der Mitgliedschaft, sondern der Anspruch auf Sachleistungen
der Krankenversicherung geregelt sei. Das Zusammentreffen von Geldleistungen der Pflegeversicherung sei in Art. 34 der VO
(EG) Nr. 883/04 geregelt. Diese Regelung beweise, dass ein Zusammentreffen von Pflegeleistungen aus zwei Mitgliedstaaten möglich
sei. Das SG begründe schließlich auch nicht nachvollziehbar, warum das Urteil des EuGH vom 30. Juni 2011 (C-388/09) nicht einschlägig sein soll. Die Klägerin habe bereits 2010 mit ihrem Umzug nach Spanien ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten
"exportiert". Es sei nicht nachvollziehbar, warum dies nunmehr nicht mehr möglich sein soll. Die bestehende Mitgliedschaft
in der deutschen Krankenversicherung ruhe lediglich und lebe wieder auf, wenn die Klägerin nach Deutschland zurückkehre. Die
Entstehung der Pflichtmitgliedschaft in der spanischen Krankenversicherung ändere nichts am Bestehen der Pflichtmitgliedschaft
in der deutschen sozialen Pflegeversicherung. Die Klägerin würde diskriminiert, wenn ihr nicht die Wahrung der bereits in
Deutschland erworbenen Ansprüche, Vorteile und Anwartschaften ermöglicht würde. Soweit §
1 Abs.
2 SGB XI die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung als Zugang zur Pflegeversicherung voraussetze, müsse auch die Pflichtmitgliedschaft
der Klägerin in der spanischen Krankenversicherung berücksichtigt werden (s. Erwägungen Nr. 9 bis 13 der Präambel der VO (EG)
Nr. 883/04). Das Sozialgericht Dresden habe im (rechtskräftigen) Urteil vom 27. April 2017 (S 16 P 68/14) festgestellt, dass es in Spanien keine Pflichtversicherung im Sinne des Art. 14 der VO (EG) Nr. 883/04, die speziell das
Risiko der Pflegedürftigkeit betreffe, gebe. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober
2010 (L 1 KR 368/10 B ER) habe es festgestellt, dass einer Einstufung als Pflichtversicherung bereits entgegenstünde, dass das spanische System
beitragsunabhängig und steuerfinanziert sei. Die Klägerin habe zudem die Fristen zur Beantragung der freiwilligen Weiterversicherung
des §
26 SGB XI gewahrt. Zur Anwendung komme die Dreimonatsfrist des §
26 Abs.
1 SGB XI. Aber auch die einmonatige Frist des §
26 Abs.
2 SGB XI sei erfüllt, weil die ab dem 18. März 2015 gewährte spanische Rente mit Bescheid vom 25. März 2015 rückwirkend bewilligt
worden sei. Von dem Rentenbescheid habe die Klägerin frühestens am 27. März 2015 Kenntnis erlangen können. Zudem habe sie
das Schreiben vom 13. April 2015 bereits am 14. April 2015 abgesandt. Schließlich habe die Klägerin von der Beklagten keinen
Hinweis auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung erhalten. Sie sei daher jedenfalls im Rahmen des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob die Frist gewahrt wäre.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
1.
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. August 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin über den 16. März 2015 hinaus
bei der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung der Rentner pflichtversichert ist, hilfsweise freiwillig bei der Beklagten
pflegeversichert ist,
2.
weiter hilfsweise dem Europäischen Gerichtshof die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Wie gestaltet sich die Beziehung der Klägerin zur deutschen sozialen Pflegeversicherung nach Inkrafttreten der VO (EG) Nr.
883/04 und Nr. 087/09, nachdem diese in Deutschland Pflichtmitglied in der deutschen sozialen Pflegeversicherung als Bezieher
einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung ist/war, diese Deutschland verlassen und ihren Wohnsitz nach Spanien verlegt
hat und in Spanien - auch aufgrund des Bezugs einer Rente aus der spanischen Rentenversicherung - Pflichtmitglied in der spanischen
Krankenversicherung, aber nicht Pflichtmitglied einer spanischen Pflegeversicherung wird, weil es im spanischen Sozialrecht
keine Pflegeversicherung gibt. Besteht weiterhin die Pflichtmitgliedschaft zur deutschen Pflegeversicherung bzw. bleibt ihr
der Weg zur freiwilligen Weiterversicherung offen?
3.
weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, es sei ohne Bedeutung, ob die spanischen Pflegeleistungen aus einer Versicherung
oder aus einer steuerfinanzierten Versorgung beansprucht werden könnten. Richtig sei zwar, dass in Art. 23 der VO (EG) Nr.
883/04 der Sachleistungsanspruch geregelt werde. Durch die Regelung der Anspruchskonkurrenz ergebe sich aber die Zuständigkeitsabgrenzung
versicherungsrechtlicher Art. Art. 34 der VO (EG) Nr. 883/04 betreffe das Zusammentreffen von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit.
Im vorliegenden Fall sei aber die Frage der Pflegeversicherung streitig, nicht Leistungen bei Pflegebedürftigkeit. Zutreffend
habe das SG entschieden, dass der vom EuGH am 30. Juni 2011 (C-388/09) entschiedene Fall nicht mit dem vorliegenden Streitverfahren vergleichbar sei. Dort habe der Kläger schon vor dem Umzug
in sein Heimatland Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bezogen und das portugiesische Sozialleistungssystem habe damals
keine speziellen Leistungen zur Absicherung des Risikos der Pflegeversicherung vorgesehen. Richtig sei zwar, dass Geldleistungen
"exportierbar" seien. Für den Anspruch auf Leistungen, wenn nach deutschem Recht keine Versicherung bestehe, gelte dies aber
nicht. Im Urteil vom 5. März 1998 (C-160/96) habe der EuGH bestätigt, dass für den Export von Pflegegeld eine Versicherung nach den Rechtsvorschriften des "Anspruchslandes"
erforderlich sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil die Klägerin wegen dem Risiko von Pflegebedürftigkeit Anspruch
auf Leistungen im "Wohnsitzland" habe. In der genannten Entscheidung habe der EuGH auch entschieden, dass es sich bei den
Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung um solche bei Krankheit handele.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten
beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §
151 Abs.
1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§
124 Abs.
2 SGG), ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Berufung ist teilweise begründet. Das SG hat die Klage im Hauptantrag zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt, dass
die Pflichtversicherung der Klägerin in der PVdR (mit dem bestandskräftig festgestellten Ende der Mitgliedschaft in der KVdR)
am 16. März 2015 geendet hat. Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.
August 2015 ist jedoch rechtswidrig, soweit die Beklagte die freiwillige Weiterversicherung der Klägerin nach §
26 Abs.
2 Satz 1
SGB XI abgelehnt hat. Die Berufung der Klägerin ist deshalb hinsichtlich ihres Hilfsantrags, ab dem 17. März 2015 die freiwillige
Weiterversicherung festzustellen, erfolgreich.
a) Die mit der Anfechtungsklage verbundene Feststellungsklage der Klägerin ist gemäß §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG zulässig. Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Weiterversicherung bei der Beklagten unter Aufhebung des insoweit entgegenstehenden
Bescheides. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, weil das Bestehen einer Weiterversicherung
allgemein Voraussetzung für die Erfüllung von Vorversicherungszeiten für den Leistungsfall (vgl. §
33 Abs.
2 SGB XI) und die Verpflichtung zur Beitragszahlung ist.
b) Die Klage ist unbegründet, soweit der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 7. August 2015 die Pflichtversicherung der Klägerin in der PVdR über den 16. März 2015 hinaus verneint.
aa) Die Klägerin gehört unter Beachtung allein der nationalen Kollisionsvorschrift (§
3 SGB IV) nicht zum Kreis der gemäß §
20 SGB XI Versicherungspflichtigen. Zu diesen gehören im Wesentlichen die Versicherungspflichtigen der gesetzlichen Krankenversicherung
(§
20 Abs.
1 Satz 1, Satz 2 Nr.
1 bis 11
SGB XI) sowie die freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (§
20 Abs.
3 SGB XI) und daneben die in §§
21,
25 SGB XI genannten Personengruppen. In Betracht kommt hier allein die Versicherungspflicht nach §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
11 SGB XI auf Grund der Versicherungspflicht in der KVdR nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V. Auf Grund des Wohnsitzes der Klägerin in Spanien findet das deutsche Sozialversicherungsrecht gemäß der einseitigen Kollisionsnorm
in §
3 Nr. 2
SGB IV aber keine Anwendung, sodass schon aus diesem Grund die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen
ist.
bb) Darüber hinaus besteht auch wegen der fehlenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Versicherungspflicht
in der sozialen Pflegeversicherung (§
20 Abs.
1 Satz 1
SGB XI). Das Ende der Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR mit Ablauf des 16. März 2015 ist bestandskräftig festgestellt. Insoweit
hat sie keine Rechtsbehelfe gegen den Bescheid vom 29. April 2015 eingelegt.
Abgesehen davon liegen seit dem Bezug der spanischen Rente die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR
auch nicht mehr vor.
Bis zum Bezug der spanischen Rente hatte die Klägerin einen Sachleistungsanspruch bei Krankheit zulasten des deutschen Sozialleistungsträgers.
Dieser ergab sich aus Art. 24 der VO (EG) Nr. 883/04, der in Abs. 1 bestimmt: Eine Person, die eine Rente oder Renten nach
den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften
des Wohnmitgliedstaats hat, erhält dennoch Sachleistungen für sich selbst und ihre Familienangehörigen, sofern nach den Rechtsvorschriften
des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaats oder zumindest eines der für die Zahlung ihrer Rente zuständigen
Mitgliedstaaten Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die Sachleistungen werden vom
Träger des Wohnorts für Rechnung des in Absatz 2 genannten Trägers erbracht, als ob die betreffende Person Anspruch auf Rente
und Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hätte. Diese Sachleistungen werden gemäß Art. 24 Abs.
2 der VO (EG) Nr. 883/04 vom Träger des Wohnortes für Rechnung des deutschen Sozialleistungsträgers erbracht. Die in Art.
24 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/04 normierte Wohnsitzfiktion gilt auch für das Beitragsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2005 - B 1 KR 4/04 R, juris-Rn. 14 zu den im Wesentlichen gleichlautenden Regelungen der VO <EG> Nr. 1408/71). Weil der deutsche Sozialleistungsträger
in diesem Fall für die Ausgaben für Sachleistungen bei Krankheit aufkommen muss, dürfen ihm auch die Krankenversicherungsbeiträge
zugewiesen werden (vgl. Art. 30 Abs. 1 der VO <EG> Nr. 883/04). §
3 Nr.
2 SGB IV stand deshalb bis zum Bezug der spanischen Rente einer Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR nicht entgegen.
Seit dem Bezug der spanischen Rente erhält die Klägerin gemäß Art. 23 der VO (EG) Nr. 883/04 Leistungen bei Krankheit vom
spanischen Sozialleistungsträger. Die Voraussetzungen des Art. 24 der VO (EG) Nr. 883/04 sind deshalb entfallen. Gehen Leistungen
nicht zu Lasten eines Mitgliedstaates, so darf dieser, auch wenn er eine Rente schuldet, gemäß Art. 30 Abs. 1 der VO (EG)
Nr. 883/04 keine Beiträge zur Deckung der Leistung bei Krankheit einbehalten. Damit fehlt die Grundlage für ein Pflichtversicherungsverhältnis,
so dass die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der KVdR und über §
20 Abs.
1 Satz 1
SGB XI auch die Versicherungspflicht in der PVdR mit dem Beginn des Bezugs der spanischen Rente endete.
cc) Auch aus den Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts folgt keine Versicherungspflicht der Klägerin in der sozialen
Pflegeversicherung.
Die VO (EG) Nr. 883/04 enthält keine Bestimmungen zum Bestehen von Versicherungspflicht sowie zum Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft.
Weder den allgemeinen Regelungen noch den besonderen Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten können entsprechende Regelungen
entnommen werden. Die Koordinierungs- und Kollisionsvorschriften in Titel III Kapitel 1 Abschnitt 2 der VO (EG) Nr. 883/04
bestimmen für Leistungen bei Krankheit an Rentenberechtigte das anzuwendende Recht und regeln lediglich Leistungsansprüche
und Kostentragungspflichten. Sie gelten auch für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, da diese "Leistungen bei Krankheit" im
Sinne von Art. 3 Nr. 1a der VO (EG) Nr. 883/04 sind (vgl. Art. 34 der VO <EG> Nr. 883/04; zur VO <EG> Nr. 1408/71 EuGH, Urteil
vom 5. März 1998 - C-160/96 - <Molenaar>, SozR 3-3300 § 34 Nr. 2 S 15; Urteil vom 8. Juli 2004 - C-502/01 und C-31/02 - <Gaumain-Cerri und Barth>, juris; Urteil vom 8. März 2001 - C-215/99 -, <Jauch>, SozR 3-6050 Art 10a Nr. 1 S 7, zum Pflegegeld nach österreichischem Recht).
Die oben aufgezeigte Pflichtmitgliedschaft in der KVdR (und damit korrespondierend die Pflichtmitgliedschaft in der PVdR)
bis zum Bezug der spanischen Rente folgte allein daraus, dass der deutsche Sozialleistungsträger für die Kosten der Sachleistungsansprüche
der Klägerin wegen Krankheit aufkommen musste. Sachleistungsansprüche aufgrund eines Pflegefalls der Klägerin bestehen derzeit
aber (noch) nicht. Ob Leistungsansprüche der Klägerin gegen den deutschen Träger der sozialen Pflegeversicherung im Leistungsfalle
bestehen, weil der spanische Sozialleistungsträger nicht zu entsprechenden Leistungen verpflichtet ist, ob diese sich aus
Art. 23 oder 24 der VO (EG) Nr. 883/04 ergeben und ob insoweit Leistungen auch durch den spanischen Sozialversicherungsträger
auf Kosten des deutschen Trägers der sozialen Pflegeversicherung zu erbringen sind, ist ggf. im Rahmen eines konkreten Leistungsbegehrens
zu prüfen. Mangels (derzeitiger) Kostentragungspflicht der deutschen sozialen Pflegeversicherung scheidet auch eine (daraus
resultierende) Beitragserhebung und damit ein Pflichtversicherungsverhältnis aus.
c) Die Klage ist aber begründet, soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid die freiwillige Weiterversicherung der Klägerin
nach §
26 Abs.
2 SGB XI abgelehnt hat.
aa) Nach §
26 Abs.
2 SGB XI können sich Personen, die wegen der Verlegung ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland aus der Versicherungspflicht
ausscheiden, auf Antrag weiterversichern. Der Antrag ist bis spätestens einen Monat nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht
bei der Pflegekasse zu stellen, bei der die Versicherung zuletzt bestand (§
26 Abs.
2 Satz 1
SGB XI).
Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen. Zwar hat die Versicherungspflicht in der PVdR infolge des Wegfalls der Mitgliedschaft
in der KVdR geendet, die ihrerseits aufgrund des Bezugs der spanischen Rente entfallen ist. Dies spräche zunächst für die
Anwendung des §
26 Abs.
1 SGB XI, der eine freiwillige Weiterversicherung für den Fall des Ausscheidens aus der Versicherungspflicht nach §
20 oder §
21 SGB XI vorsieht. Der Beendigung der Versicherungspflicht der Klägerin in der PVdR liegt aber die Verlegung ihres Wohnsitzes ins
Ausland zugrunde. Aufgrund des Wegzugs greift §
3 Nr. 2
SGB IV, der die Versicherungspflicht und -berechtigung von einem Wohnsitz in Deutschland abhängig macht. Aufgrund dieses Territorialprinzips
besteht vorliegend keine Versicherungspflicht in der PVdR. Für solche Fälle sieht §
26 Abs.
2 SGB XI als Spezialregelung zu §
26 Abs.
1 SGB XI (dazu BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 P 3/06 P, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2006 - L 4 P 221/06 -, juris-Rn. 26; offen gelassen von BSG, EuGH-Vorlage vom 22. April 2009 - B 3 P 13/07 R, juris-Rn. 15) eine Ausnahme von §
3 Nr. 2
SGB IV vor. Ein Ausschluss derjenigen, deren Versicherungspflicht erst nach Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland endet, wäre zudem
eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Die Vorschrift ist deshalb entsprechend weit auszulegen (vgl. Baier
in Krauskopf,
SGB V, §
26 Rn. 15 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drs. 12/5262 S. 107).
Eine Weiterversicherung zur Erhaltung der Vorversicherungszeiten nach §
33 Abs.
2 SGB XI ist auch sinnvoll (aA BSG, EuGH-Vorlage vom 22. April 2009 - B 3 P 13/07 R, juris-Rn. 14). Denn Versicherungszeiten können auch im europäischen Kontext nur zusammengerechnet werden (vgl. Art. 6 der
VO <EG> Nr. 883/04), wenn in beiden Mitgliedsstaaten Versicherungspflicht besteht. Gibt es aber wie vorliegend im Wohnsitzmitgliedsstaat
keine Pflegeversicherung, weil Pflegeleistungen steuerfinanziert sind, können auch keine Versicherungszeiten zurückgelegt
und damit auch nicht angerechnet werden.
Der Anspruch der Klägerin auf Weiterversicherung scheitert vorliegend auch nicht an der einmonatigen Antragsfrist des §
26 Abs.
2 Satz 2
SGB XI. Hinsichtlich des Beginns des Fristlaufs ist nicht auf den 16. März 2015 abzustellen. Denn die zum Wegfall der Versicherungspflicht
führende spanische Rente wurde der Klägerin rückwirkend mit Bescheid des spanischen Versicherungsträgers vom 25. März 2015
bewilligt. Dem Rechtsgedanken des §
190 Abs.
11 Nr.
2 SGB V (in Verbindung mit §
20 SGB XI) folgend, wonach die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner bei Gewährung einer Rente für zurückliegende Zeiträume
erst mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird, endet, beginnt der Fristlauf vorliegend jedenfalls
nicht vor dem 25. März 2015, so dass das Schreiben der Klägerin vom 13. April 2015 mit dem (hilfsweise gestellten) Antrag
auf freiwillige Weiterversicherung am 20. April 2015 rechtzeitig bei der DRV Rheinland einging. Dass die Klägerin ihren Antrag
an die DRV und (zunächst) nicht an die Beklagte sandte, ist unschädlich (vgl. § 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB I>).
Aber selbst dann, wenn nicht auf den spanischen Rentenbescheid abgestellt werden würde, hätte die Klägerin die Frist des §
26 Abs.
2 SGB XI gewahrt. Hinsichtlich des Endes der Pflichtversicherung der Klägerin in der PVdR wäre dann auf den 17. März 2015, nicht auf
den 16. März 2015 abzustellen, weil sich dieses Datum lediglich aus der mit Bescheid vom 29. April 2015 rückwirkenden (fehlerhaften,
aber bestandskräftigen) Feststellung des Endes der Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR ergibt. Nach §
26 Abs.
2 Satz 2
SGB XI hätte daher bis zum 17. April 2015 ein entsprechender Antrag auf Weiterversicherung bei der Beklagten eingehen müssen (§
26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §§
187 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>). Das Schreiben der Klägerin vom 13. April 2015 ist zwar erst am 20. April 2015 bei der DRV eingegangen. Der Klägerin
wäre aber gemäß § 27 SGB X Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, weil ihr die Versäumnis der (so berechneten) Frist nicht vorzuwerfen
ist (zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Kontext von §
26 SGB XI BSG, EuGH-Vorlage vom 22. April 2009 - B 3 P 13/07 R, juris-Rn. 16 m.w.N.). Angesichts der üblichen Postlaufzeiten von Spanien nach Deutschland von durchschnittlich 2,7 Tagen
(vgl. UNEX-Studie im Auftrag der International Post Corporation über die Qualität der internationalen Briefpost von 2012,
veröffentlicht im März 2013 unter www.ipc.be) konnte die Klägerin davon ausgehen, dass ihr am 14. April 2015 abgesandtes Schreiben
bis zum 17. April 2015 bei der DRV eingehen würde.
bb) Der Anwendung von §
26 Abs.
2 SGB XI stehen auch keine europarechtlichen Bestimmungen entgegen.
Der Anwendung steht zunächst nicht der in Art. 11 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 883/04 zum Ausdruck kommende Grundsatz der Einheitlichkeit
des Systems der sozialen Sicherheit entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - C-388/09, juris-Rn. 57 zum im Wesentlichen gleichlautenden Art. 15 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71). Denn gemäß Art. 14 Abs. 1 der VO (EG)
Nr. 883/04 gelten die dort aufgeführten Bestimmungen, darunter insbesondere Art. 11 der VO (EG) Nr. 883/04, wonach die Rechtsvorschriften
des Wohnmitgliedsstaates zur Anwendung kommen, sofern sich aus Art. 12 bis 16 der VO (EG) Nr. 883/04 nichts Anderes ergibt,
nicht für die freiwillige (Weiter-)Versicherung, es sei denn, in einem Mitgliedsstaat gibt es für einen der in Art. 3 Abs.
1 der VO (EG) Nr. 883/04 genannten Zweige nur ein System der freiwilligen Versicherung. Dies ist vorliegend nicht der Fall,
weil es sich bei der deutschen Pflegeversicherung grundsätzlich um eine Pflichtversicherung handelt.
Auch Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 883/04 führt nicht zu einem Ausschluss der freiwilligen Weiterversicherung. Diese
Norm bestimmt: Unterliegt die betreffende Person nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Pflichtversicherung
in diesem Mitgliedstaat, so darf sie in einem anderen Mitgliedstaat keiner freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung
unterliegen. Zwar ist die Klägerin pflichtversichert in der spanischen Krankenversicherung. Eine Pflegeversicherung gibt es
in Spanien jedoch nicht. Die nach dem spanischen Pflegegesetz von 2007 vorgesehenen Pflegeleistungen sind steuerfinanziert
(vgl. Auskunft der Deutschen Vertretungen in Spanien, Bl. 30 SG-Akte; vgl. auch SG Dresden, Urteil vom 27. April 2017 - S 16 P 68/14, nicht veröffentlicht). Art. 14 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/04 ist aber dahin auszulegen, dass damit verhindert werden soll,
dass jemand veranlasst wird, für ein und dasselbe Risiko Beiträge bei zwei verschiedenen Systemen der sozialen Sicherheit,
einer Pflegeversicherung und einer freiwilligen Versicherung, zu zahlen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - C-388/09, juris-Rn. 57 zum im Wesentlichen gleichlautenden Art. 15 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71). Dieses Risiko besteht nicht, wenn in
einem System - wie vorliegend - Leistungen beitragsunabhängig finanziert werden. Diesem Auslegungsergebnis steht nicht entgegen,
dass die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit den Leistungen bei Krankheit im Sinne von Art. 3 Nr. 1a der VO (EG) Nr. 883/04
einander gleichzustellen sind. Bei der Anwendung des Art. 14 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/04 kommt es auf das Risiko der Krankheit
im eigentlichen Sinne an (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - C-388/09, juris-Rn. 57 zum im Wesentlichen gleichlautenden Art. 15 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71; aA BSG im Vorlagebeschluss vom 22. April 2009 - B 3 P 13/07 R, juris-Rn. 21).
3. Zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art 234 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) ist der Senat nicht verpflichtet. Danach muss der EuGH nur angerufen werden, wenn sich das nationale Gericht im Rahmen einer
letztinstanzlichen Entscheidung entscheidungserheblich auf europäisches Gemeinschaftsrecht stützt und an dessen Auslegung
Zweifel bestehen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt das anteilige Obsiegen und Unterliegen.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. §
160 Abs.
2 SGG) nicht vorliegen.