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LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2017 - 5 KR 4740/15
Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung Rechtmäßigkeit der Erhebung von Zusatzentgelten für die Behandlung einer Blutgerinnungsstörung mit Blutgerinnungsfaktoren Anforderungen an die Auslegung von Abrechnungsbestimmungen des Krankenhausvergütungsrechts
1. Abrechnungsbestimmungen des Krankenhausvergütungsrechts sind streng wortlautbezogen auszulegen. Auf Fragen der Medizin kommt es grundsätzlich nicht an. Wegen der alleinigen Maßgeblichkeit juristischer Auslegungsmethoden tritt die medizinische Beurteilung in den Hintergrund; daher ist in vergütungsrechtlichen Streitigkeiten kein Raum für die Erhebung von (medizinischen) Gutachten.
2. "Bluter" im Sinne des Zusatzentgelts (ZE) 2010-27 (Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren -"Bluter-ZE") sind nur Personen, die - im Sinne einer Behinderung - dauerhaft oder zumindest für einen längeren Zeitraum klinisch manifest an erhöhter Blutungsneigung leiden. Wer nur für einen vorübergehenden Zeitraum klinisch-manifest an erhöhter Blutungsneigung leidet, ist im (vergütungsrechtlichen) Sinne des Bluter-ZE nicht "Bluter", auch wenn der zeitlich beschränkten (ggf. wiederholt auftretenden) klinischen Krankheitsmanifestation eine latente Krankheitsursache zugrunde liegt, die ihrerseits dauerhaft (lebenslang) besteht, wie etwa eine genetische Prädisposition zur Entwicklung des Faktor-VIII-Hemmkörpers.
1. Die für die Vergütung von Krankenhausbehandlungen geltenden Abrechnungsbestimmungen einschließlich der Regelungen über Zusatzentgelte sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb des vorgegebenen Vergütungssystems (des Krankenhausvergütungsrechts) eng am Wortlaut orientiert und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht.
2. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen.
3. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nämlich nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt.
4. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Wertungswidersprüchen, Unrichtigkeiten und sonstigen Ungereimtheiten oder bei Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen.
5. Über die Auslegung des Regelwerks für die Vergütung von Krankenhausleistungen (ebenso von vertragsärztlichen Leistungen) muss im Streitfall das Gericht im Wege der Rechtsanwendung, nämlich der Anwendung der nach der Rechtsprechung des BSG hierfür maßgeblichen Auslegungsregeln, entscheiden.
Normenkette:
KHEntgG § 6 Abs. 1 S. 1
,
KHEntgG § 7 S. 1 Nr. 1
,
KHG § 17 Abs. 2 S. 1
,
KHG § 17b Abs. 1 S. 10 und S. 12 und S. 14-15
,
KHG § 17b Abs. 7 S. 1 Nr. 3
,
KHG § 18 Abs. 2
,
SGB V § 109 Abs. 4 S. 3
,
SGB V § 112 Abs. 2
Vorinstanzen: SG Freiburg 27.07.2015 S 5 KR 1890/12
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 690.153,76 EUR endgültig festgesetzt.

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